Rumjana Zacharieva
Schenk mir ein Jahr ohne Weihnachten
Geschichten und Hörfunkbeiträge für das kleine Lachen zwischendurch
FISCHER Digital
Rumjana Zacharieva wurde 1950 in Baltschik/Bulgarien geboren. Bereits 1964 erschienen erste Veröffentlichungen in der überregionalen Presse Bulgariens. 1970 machte sie Abitur am Englischsprachigen Gymnasium in Russe an der Donau (ehem. Rustschuk Elias Canettis). Bis zu ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1970 besaß sie keine Kenntnisse der deutschen Sprache. Bulgarisch, Russisch und Englisch waren die drei Sprachen, die sie beherrschte. Nach einem Jahr Deutsch im Sprachlabor und Studienkolleg an der Universität Bonn studierte sie Anglistik und Slawistik und schloss 1977 ihr Studium mit dem M.A. ab.
Seit 1975 schreibt R. Zacharieva deutsch, seit 1989 auch für den Rundfunk. Sie bezeichnet sich als »nichtmuttersprachliche Deutschautorin bulgarischer Herkunft«, veröffentlichte lange Zeit ausschließlich auf Deutsch.
Zahlreiche Übersetzungen aus dem Bulgarischen: Gedichte von K. Pavlov, Blaga Dimitrova, Radoj Ralin, R. Leonidov, Prosa von Ivajlo Petrov, Nikolaj Tabakov u.a.
Förderpreis des Landes NRW 1979 und Literaturpreis der Bonner LESE 1999 – beide zum ersten Mal verliehen an eine Ausländerin, die deutsch schreibt; Stipendien der Kunststiftung NRW (2004) und des Kultusministers des Landes NRW (2008) für den Frauen-, Migrantinnen- und Migranten-Roman ›Transitvisum fürs Leben‹, erschienen im März 2013.
Rumjana Zacharieva lebt seit 1970 in Bonn. Sie ist Mitglied des VS/NRW, des Deutschen P.E.N. (u.a.).
Ein vergnügliches Buch, das an die Primär-, Sekundär- und Tertiärtugenden englischer und amerikanischer Literatur erinnert: schwarzer Humor, Sprachwitz und Doppelbödigkeit. Ein Geschichtenkranz um eine moderne Frau zwischen Männern, Kindern, russischen Zwergkaninchen, billigen Autos, teuren Versprechungen und dem Fest der Lieben und der Liebe – Weihnachten.
Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei FISCHER Digital
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: buxdesign, München
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Impressum der Reprint Vorlage
ISBN dieser E-Book-Ausgabe:978-3-10-561429-7
Ich danke den Redakteuren des WDR 5 Theodor Dierkes und Christina-Maria Purkert (»Diesseits von Eden«), Heidi Schöder (»Scala«) und Dr. Ingrid König (»Neugier genügt«), in deren Auftrag die Weihnachtstexte ursprünglich als Hörfunkbeiträge entstanden! Herzlichen Dank auch meinem ehemaligen Verleger Thomas Frahm!
Es weihnachtet sehr, es will schneien, aber es kann nicht. Es nebelt nur und feuchtet. Meine Enkelsöhne Leonis, sieben Jahre alt, und Laurent, zweieinhalb Jahre alt, bemalen meine Wohnzimmerfenster mit Fingerfarben und Schokoladenglasur. Wir haben schon Weihnachtsplätzchen gebacken und sie fast alle noch warm aufgegessen.
Sehr praktisch: Ich brauche nie wieder Fenster zu putzen! Und wenn die Sonne scheint, komme ich mir wie in der Kirche vor. Es duftet nach Vanille und Schokolade.
»Ostereier!«, schreit plötzlich der Große. »Lass uns Ostereier färben, Omi!«
»Ich will Ostereier!«, schreit Laurent. »Ostereier … farben, Omi Rumi!«
»Erstens heißt es färben und nicht farben, und zweitens ist es Weihnachten! Es ist doch nicht Ostern!«, erwidert Omi Rumi, das heißt meine Wenigkeit. »Und ihr habt immer noch nicht Hände gewaschen!«
»Eier machen, Eier machen!«, überfällt mich der Kleine mit Schokoladenschmatzern, und der Große zieht ganz andere, viel überzeugendere Register:
»Du hast uns doch von einem Mann erzählt, Omi, der Weihnachten seiner Oma ein Osterei geschenkt hat … und ihr eine Postkarte mit einem Osterkücken darauf geschickt! Warum sollen wir nicht …?«
»Tja, dieser Mann … Warum eigentlich nicht, Kinder?«, sage ich und öffne den Kühlschrank, hole die Eier heraus.
Später sitzen Leonis, Laurent und Omi Rumi unterm Weihnachtsbaum und bemalen die gekochten Eier mit grünen Sternen, kleinen gelben Weihnachtsbäumchen und roten Schneeflocken. Und hinter meinen neuen Kirchenfenstern lacht die Sonne. Endlich tanzen einige fette Schneeflocken draußen herum, bleiben neugierig am Fenster kleben und schmelzen vor Freude dahin.
Die Vorweihnachtszeit wird immer länger. In manchen Geschäften begann sie schon im Oktober. Und die Abstände zwischen dem Vorigen und dem Zukünftigen werden immer kürzer. Seit dem 26. November weihnachtet es auf dem Bad Godesberger Theaterplatz und drum herum laut, feuchtfröhlich, vorwiegend nach Grillwürsten zum Himmel stinkend und nicht ganz billig: der Weihnachtsmarkt wurde eröffnet. Nicht mal der Duft des sich seit Jahren bis zum heutigen, zwanzig Prozent über dem Gesundheitsschädigenden, steigernden Zimtgehalt der auf den Theken und über den Tresen leuchtenden klebrigen Sterne kann meinen Appetit anregen. Mir ist, als hätte ich die Weihnachtslieder vom vorigen Jahr immer noch im Ohr! Als hätte ich noch gar keine Zeit gehabt, die heiligen Ohrwürmer von meinen Trommelfellen zu verbannen. Zunehmend aggressiver geht sie vonstatten, die Eroberung unserer Sonntage, Abende und Nächte durch die Verkaufsoffenheit des Neuen Europa!
Komisch, in meiner Heimat Bulgarien, im Land der berufstätigen Mütter und Frauen, hat es mich nie gestört, dass wir überall bis 22 Uhr oder rund um die Uhr einkaufen konnten! Einkaufen war dort nie ein Vergnügen. Es war Synonym für Warten. Es war ein notwendiges Übel, das man immer zwischendurch und im Vorbeigehen erledigte. Wenn das, was man suchte, da war. Einkaufen war dort auch eine Strapaze. Denn es gab zu Kommunistenzeiten nichts, aber auch gar nichts, wofür man nicht lange anstehen musste: Brot, Zucker, Fisch … Meine Großmutter ließ mich zwei Stunden lang für Einweckgläser anstehen und wenn ich endlich dran war, und zwanzig Stück abgezählt bekam, jubilierte ich, rannte nach Hause mit einem Gefühl von Weihnachten im Herzen, obwohl es mitten im staubigen Sommer war. Sie nahm die kostbaren Einweckgläser mit leuchtenden und ungläubigen Kinderaugen, packte sie vorsichtig aus der alten Zeitung aus, als wäre dies kostbares Geschenkpapier und dankte dem lieben Gott: die im Ofen gebackene Pflaumenmarmelade mit Nelke und einem Hauch von Zimt war gesichert. Weihnachten konnte ruhig kommen!
Fast zwanzig Jahre lang standen meine Eltern auf einer sozialistischen Liste für ein Auto an und warteten geduldig, in den Genuss ihrer erträumten Bewegungsfreiheit zu kommen, d.h. mit dem eigenen PKW von der Stadt ins Dorf fahren zu können. Oder noch besser: endlich Zement und Kacheln fürs Badezimmer meiner Großmutter mit dem eigenen Shiguli oder dem eigenen Zaporoshec transportieren zu können! Warten, Warten, Warten! Wenn ich nur an die Prügeleien um ein besseres Stück Fleisch denke, an die langen Schlangen für Bananen und Orangen um Weihnachten herum. Wochenlang ging ich am Gemüseladen vorbei und fragte nach: Sind die Orangen schon da? Morgen vielleicht, sagte der Verkäufer und wischte seine Hände an seiner schmuddeligen Schürze ab, vielleicht? Weihnachten schmeckte nach Orangen und Bananen – die kostbarsten Früchte der Welt! Echtes Kind meiner sozialistischen Zeit, empfing ich Weihnachten am besten über den Geschmackssinn, Gottes Wort war ja verboten. Und über das Zittern unter meinem Rippenbogen, das kaum auszuhalten war, und das meine Großmutter das Große Warten nannte.
Ich fliege mit deutschen Flügeln nach Sofia. Zu Hause erwartet mich niemand. Heute, am 2. Advent, weiß ich, dass ich endlich kein Kind mehr bin. Ich erwarte nichts mehr. Auf dem großen Holztisch – kein Gruß, kein frischgebackenes Stück Schafskäsekuchen – Mutters weltberühmter Banitza, keine betörend nach Bohnenkraut und Estragon duftende heiße Hühnersuppe, kein selbstgebackenes Fladenbrot. Sie sind beide tot: Mutter und Vater. Geschwister habe ich nicht. Ich werde die kleine Wohnung auf der 3. Etage in Mladost III, zu Deutsch Jugend III betreten, werde die ausgedrehten Sicherungen wieder reindrehen – es wird Licht werden. Ich werde mit tastenden Händen durch den Wust aus Spinnennetzen in der Nische hinter der Toilette tappen, werde den Hauptwasserhahn erreichen, ein wenig mit ihm kämpfen, bis ich ihn aufgedreht habe, und es wird Wasser.
Dann muss ich als erstes einkaufen gehen. Einkaufen, statt etwas selber zu machen. Seit der Wende kann man in Bulgarien genau so gut einkaufen wie überall auf der Welt. Niemand wartet mehr. Die Zeiten haben sich geändert. Früher warteten die Käufer auf die Ware, liefen ihr nach, ja, wenn es notwendig war, fuhren sie ihr sogar nach! Wie mein Vater, der wegen einiger Schrauben und Nägel bestimmter Größe für das ewig werdende Haus im Balkangebirge bis nach Varna ans Meer fuhr. Das waren Zeiten! Damals war noch eine dumme Schraube eine halbe Weltreise wert! Und heute? Heute wartet die Ware auf den Käufer. Liegt und sitzt da in überquellenden Regalen, dümpelt vor sich hin und bettelt, glanzumwoben und immer billiger werdend, gekauft zu werden. Bis sie ihren tatsächlichen Preis erreicht hat und das Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Genau wie im Westen. Weihnachten, wo bist du? Oder hast du dich hinter den Bergen aus Lametta und teurem Weihnachtskonfekt aus aller Herren Länder versteckt? In meiner Heimat Bulgarien wird heute vor allem gekauft – am liebsten ausländisch. Es war schon immer so. Die Kauflust bis ins Unerträgliche steigern – das haben die Kommunisten über fünfzig Jahre lang getan. Jetzt ernten lauter Kaufländer und Billas die Früchte dieser Lust. Diese Billig-Supermärkte schießen schneller als Pilze aus dem Boden, und noch schneller als Tankstellen. Letztere nicht nur zur Autowäsche, sondern auch zum Waschen von schmutzigem Geld.
Und mitten im Flug nach Sofia zieht sich mein Herz zusammen: Ich möchte zurück nach Deutschland, zurück nach Bonn. Dorthin, wo das Einkaufen schon so lange selbstverständlich ist, dass manche bereit sind, sich den Weihnachtsrummel zu schenken. Wo es einige wenige gibt, die auf Geschenkpapier verzichten – der Natur zuliebe. Zurück zu diesem Wunderland, in dem sogar berufstätige Mütter zusammen mit ihren Kindern gern Weihnachtsplätzchen backen, während in Bulgarien dies fast ausschließlich die Großmütter tun! Ja, das Zittern unterm Rippenbogen ist plötzlich wieder da: Ich kann es kaum abwarten, zurück nach Hause in mein Fremdland namens Deutschland zu kommen. Vielleicht auch nur, um Teil des Großen Wartens auf Weihnachten zu werden, der Erwartung meines dreiundzwanzig Monate alten Enkels Leonis. Am Nikolaustag um 6:30 Uhr in der Früh schmiss er mich aus dem Bett und rief, außer sich vor Freude und Aufregung: »Omi Rumi! Schuhe, Nüsse, … andarinen … Nikolaus da!«
Wir sind eingeladen. Zum Abendessen. Ich liebe es, eingeladen zu werden. Mich vorzubereiten für den Besuch. Vor allem, mich vorzubereiten. Von der Autobahn her höre ich dumpfes Brodeln. Lauter Lastwagen brodeln bedrohlich hin und her. Was ist das eigentlich für ein Wort: brodeln, das mir da gerade eingefallen ist? So was Ähnliches wie die Tage mal das Wort Sternenjagd. Solche Worte fallen mir sogar ein, wenn mir gar nicht nach Besuch zumute ist. Und man beleidigt ist, wenn ich auf die Einladung pfeife.
Du sitzt also da, schaust dir die Milchstraße an, durchs Fenster hinaus, und gehst auf Sternenjagd. Statt zu Besuch. Mit anderen Worten: du träumst. Und wenn dein Mann zufällig die Abwesenheit in deinen Augen bemerkt und dich hinterhältig fragt: »Wo warst du eben?«, zuckst du zusammen und antwortest: »Auf Jagd. Nach Sternen.«
»Wo bitte sehr?!«
»Auf Sternenjagd.«
Von nun an bleibt ihm nichts anderes übrig, als darauf zu achten, dass er seine Krawatte richtig bindet. Besonders heute Abend, wo wir doch eingeladen sind.
Der Winter klappert mit den Zähnen unter meinem Fenster. Wenn ich nur wollte, könnte ich durchs Fenster schauen und eine Hecke sehen. Eine Dornenhecke. Die für Bulgarien lebendiger Zaun bedeutet und für die Deutschen – frisierte Grenze. Zum Nachbarn. Eine ganz gewöhnliche Hecke. Dornig. Egal. Besuch. Mach dich einmal auf den Weg durch die Grenze, egal ob frisiert oder lebendig, und du kannst was erleben! Der Gang nach Canossa. Oder zu Besuch. Kommt aufs Selbe hinaus. Auf Sternenjagd sein, ist wiederum etwas ganz anderes.
»Ich bin so weit!«, ruft er mir fröhlich zu. »Ich warte im Auto.«
Du kannst warten, bis du schwarz wirst, denke ich und übersetze laut: »Ich aber nicht mein Schatz!«
Brodeln. Lastwagen brodeln nicht. Wenigstens auf Bulgarisch nicht. Auch nicht auf Deutsch. Aber das Brodeln an sich, das gibt es. Weder plätschern sie, noch köcheln. Und am wenigsten brüllen. Aber ich höre es, dieses Brodeln von der Autobahn her. Und die Sternenjagd gibt es auch.
»Entschuldige, mein Schatz, aber es bleiben uns nur noch zehn Minuten bis zur Abfahrt, wenn du nichts dagegen hast«, sagt er plötzlich und stellt sich vor mich hin. Keineswegs bedrohlich. Nur leicht warnend. Elegant (schwarzer Anzug, graue Weste), charmant (halb lächelnd, halb gereizt), aufgeputzt, bereit. In Hauspantoffeln. »Jetzt sind’s nur noch acht Minuten!«
Deutsche Pünktlichkeit.
Soll ich ihm sagen oder nicht, dass er noch Hausschuhe anhat? Ich sag es ihm nicht. Er hält sich für unfehlbar und verachtet meinen Balkanschlendrian, der, übertragen ins Bulgarische, viel harmloser klingt als im Deutschen: Sorglosigkeit oder so ähnlich …
Der Wind schlägt seine verschneite Stirn gegen das Wohnzimmerfenster. Rennt gegen die unverrückbare Wand des Wochenendhauses an (schwedisches Patent, der Bulgare nennt so was eine Villa), fällt zu Boden, kriecht ums Haus herum, heult vor Wut und Ungeduld. Tja, es ist überhaupt besser, in der Heimat zu leben als hier in Deutschland. Da gilt noch ohne jede Einschränkung: Haste was, biste was. Wenn du auf dem Balkan ein Schrebergartenhäuschen besitzt, dann hast du sofort eine Villa. Auch wenn es nur einen Meter fünfzig hoch ist. Und das Grundstück sechzehn Quadratmeter groß. Und wenn du bei uns in der Heimat eine Würstchenbude betreibst oder einen Gemüsestand auf dem Markt, oder bloß Schnürsenkel verkaufst, dann bist du schon Präsident. Und wenn man dich fragt, was machen Sie so beruflich, dann sagst du, ich bin Präsident! Präsident der Firma »Radieschen & Co«. Oder von »Schnürsenkel & Co.« Wenn man mich in der Heimat fragt, was sind sie von Beruf, und ich antworte Schriftstellerin, das sitzt, als hätte ich gesagt, ich sei die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Oder mindestens Premierminister. Stellst du dich in Deutschland als Schriftstellerin vor, weiß jeder, dass du eine arme, möglicherweise arbeitslose Sau bist, deren Höchstluxus darin besteht, zwei Jahre lang für den Besuch beim Friseur zu sparen. Und in den getragenen Hosen und Röcken der längst verstorbenen Großmutter auf Lesungen aufzutreten. Es reicht schon, dass du als Putzfrau im Westen arbeitest, damit sie in der Heimat wissen, dass du eine Millionärin bist …
Gott bewahre, dass Ost und West aneinander geraten! Aber damit sie überhaupt aneinander geraten können, muss erst einmal die frisierte Grenze, beziehungsweise der lebendige Zaun übersprungen, oder, noch schlimmer, durchschritten werden. Dann kannst du mal sehen, was es bedeutet, dornige Wege zu beschreiten!
Brodeln.
Er wartet. Er brodelt nicht. Aber er kocht. Und der eisige Wind kriecht ums Haus herum. Soll ich ihm sagen, dass er noch in Hausschuhen steckt? Nein, ich sage es ihm nicht.
»Noch fünf Minuten!«
Wollte er nicht im Auto auf mich warten? Sternenjagd. Und ich habe nicht einmal den Rock an. Keinen Lippenstift auf. Stehe in Straps und Unterrock vorm Spiegel und wundere mich, warum die Deutschen Hecke sagen und die Grenzen frisieren und die Bulgaren – lebendiger Zaun. Und mein Mann wiederum ist zauberhaft. Besonders wenn er ahnt, dass wir uns verspäten werden. Außerdem bringen ihn meine Strapse aus dem Konzept. Nach so vielen Jahren Eheleben! Es kann vorkommen, dass er mich gerade beschimpft hat, auf gut Deutsch: zur Sau gemacht, oder ich ihn, es kann sein, dass ich ihm schon wieder zum Hals heraushänge, und dass er mich zum Teufel geschickt hat, was in seiner Sprache auch etwas mit dem Kuckuck zu tun hat … alles ist möglich, aber mit meinen Strapsen kann er unmöglich böse werden! Es ist zwar ein wenig unbequem, mit Strapsen zu schlafen, aber was macht frau nicht alles, um der friedlichen, ehelichen Koexistenz willen. Vor allem, wenn sie mit ihm zusammen eingeladen ist und er auf sie wartet.
Und gehen muss, möglicherweise in Hauspantoffeln.
»Hast du den Haustürschlüssel mit?«, frage ich und ziehe den Rock über, während ich nebenbei seine Hosentaschen betaste, mal die linke, mal die rechte, mal dazwischen …
Er hat einfach keine Chance sich zu besinnen. Die Pantoffeln stehen ihm gut …»Gehen wir!«