Cover

Buch

Im britischen Königshaus läuten wieder die Hochzeitsglocken. Doch wer ist das glückliche Paar, dessen Verbindung die Monarchie in ihren Grundfesten erschüttern könnte? Die internationale Klatschpresse stürzt sich begierig auf den royalen Skandal, und dann kommen auch noch gefährliche Informationen über das Attentat auf Alexanders Vater ans Licht. Der Druck auf Alexander wächst – und sein Bedürfnis, Clara und seine Familie zu beschützen, wird zur erbarmungslosen Besessenheit. Kann ihre Liebe diese erneute Zerreißprobe bestehen?

Autorin

Geneva Lee war schon immer eine hoffnungslose Romantikerin, die Fantasien der Realität vorzieht – vor allem Fantasien, in denen starke, gefährliche, sexy Helden vorkommen. Mit der Royals-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, traf sie mitten ins Herz der Leserinnen und eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm. Geneva Lee lebt zusammen mit ihrer Familie in Kansas City.

Von Geneva Lee bereits erschienen
Secret Sins – Stärker als das Schicksal

Die Royals-Saga
Royal Passion (01) • Royal Desire (02) • Royal Love (03) • Royal Dream (04) • Royal Kiss (05) • Royal Forever (06) • Royal Destiny (07)

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GENEVA LEE

Royal Destiny

Roman

Band 7

Deutsch von Charlotte Seydel

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Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel
»Complete me« bei Ivy Estate.


Copyright der Originalausgabe © 2017 by Geneva Lee

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017
by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Covergestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,

unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (vectorgreen; Pacrovka)

WR · Herstellung: sm

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-20878-3
V004

www.blanvalet-verlag.de

In liebevollem Gedenken an Suzi,
die immer eine Royal sein wird.

1

Washington D.C.

Der sogenannte Queen’s Bedroom, den die Verwaltung des Weißen Hauses zur Unterbringung gekrönter Staatsgäste für angemessen hielt, war so langweilig und antiquiert, wie der Name vermuten ließ. Bestimmt hatte das Zimmer den Namen erhalten, als meine Großmutter noch auf dem Thron saß, denn meine Frau war alles andere als langweilig. Trotz der übertrieben femininen viktorianischen Wandbespannung und der spitzenbesetzten Tagesdecken sorgte Claras Gegenwart hier für Frische. Sie regte sich im Schlaf, und ich hielt den Atem an, als eine vertraute Unruhe in mir erwachte.

Ihr volles, braunes Haar floss über den Kissenbezug, auf ihren reizenden Gesichtszügen lag ein Anflug von Heiterkeit, und sie bewegte im Schlaf stumm die Lippen.

Ich stützte mich auf dem Ellenbogen ab, betrachtete sie und fragte mich, mit wem sie wohl im Traum sprach. Obwohl es völlig sinnlos war, auf ihre Träume eifersüchtig zu sein, konnte ich doch nicht anders. Dass sie sich mir im Schlaf entzog, schien meiner irrationalen Seite unerträglich, die, seit ich Clara kannte, viel zu oft meinen Verstand aushebelte.

Vielleicht verspürte ich deshalb so häufig den Drang, sie zu gewissen nächtlichen Aktivitäten zu wecken.

Der anatomische Gegenspieler meines Verstandes zuckte bei diesem Gedanken bereits zustimmend, woraufhin ich die Hand nach unten sinken ließ und mich gedankenverloren streichelte. Ab wann durfte man sie wohl zu morgendlichem Sex wecken? Schwer zu sagen, wenn man bedachte, wie sehr unser Rhythmus durcheinandergeraten war, seit wir vor etwas über einer Woche in Seattle eingetroffen waren. Auf unserer Reise durch die USA, die der Beziehungspflege zwischen den Staaten diente, hatten wir schon drei andere Städte besucht. Wenigstens war die Bundeshauptstadt unsere letzte Station. Die Anstrengungen der Reise und unsere quicklebendige Tochter strapazierten Claras Nerven unentwegt – trotzdem sagte sie nie Nein.

»Machst du dich schon mal warm?«, murmelte sie, schlug blinzelnd die Augen auf und sah mich verschlafen an.

»Ich wollte dich nicht wecken.« Ich verschwieg ihr, dass ich es trotzdem getan hätte. Obwohl ich mir auf meine Selbstbeherrschung etwas einbildete, ließ diese in Bezug auf meine Frau sehr zu wünschen übrig. Wenn ich mit ihr allein war, konnte ich nicht von ihr lassen.

Claras Lachen nahm mir etwas von der Last, die mir unablässig auf der Seele lag. Vielleicht ließ sich meine Besessenheit für sie darauf zurückführen, dass ihre Gegenwart stets wie Balsam auf mich wirkte. Immer linderte sie die Bürde, die ich auf meinen Schultern trug, obschon sich der Druck, der auf mir lastete, exponentiell verstärkt hatte, seit sie in mein Leben getreten war. Durch sie fühlte ich mich zugleich gebunden und befreit. Es war das große Paradoxon unserer Liebe, dass wir einander erlösten, indem wir uns beide einem Leben voller Pflichten verschrieben hatten.

»Du hättest mich sowieso geweckt«, behauptete sie und streckte ihre schlanken Arme über dem Kopf aus.

Die Bewegung erregte mein Interesse. Ich nutzte die Chance, mich über sie zu schieben und hielt ihre Hände fest. »Willst du dich beschweren, Süße?«

Ihr Körper unterwarf sich meiner dominanten Geste mit erfreulicher Bereitwilligkeit. Clara spreizte einladend die Beine, sie atmete flach und schnell und gurrte die einzigen Worte, die ich von ihr hören wollte. »Ja, bitte.«

Dieser Aufforderung folgte ich gern, ich löste meinen Griff gerade lange genug von ihr, um den Schal aufzuknoten, mit dem die Vorhänge des Himmelbetts an die Bettpfosten gebunden waren. Sie widersetzte sich nicht, als ich ihr Handgelenk vorsichtig ans Bett fesselte. Als ich mein Knie probehalber an ihren nackten Schoß drückte, stellte ich fest, dass sie dem Gedanken an eine morgendliche Session ganz und gar nicht abgeneigt war.

»Ich weiß ja nicht, was die Amerikaner davon halten, wenn man schon so früh am Morgen mit Bondage anfängt.« Trotzdem reckte sie noch beim Reden ihren freien Arm in Richtung des anderen Bettpfostens.

Überheblich grinste ich zu ihr hinunter. »Die Regeln von denen interessieren mich nicht.« Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, schnürte ich ihre Handgelenke etwas fester und wurde dafür mit gesteigerter Erregung belohnt.

»Darf die Queen in ihrem eigenen Schlafzimmer festgebunden werden?« Sie sagte gern solche Sachen, weil sie genau wusste, dass ich sie dafür umso härter anfasste. Je frecher sie wurde, desto heftiger wurde mein Verlangen, sie zu dominieren. Wie bei den meisten Paaren umfasste unser Sexleben die ganze Palette von langsam und sinnlich bis hin zu wild und animalisch. Doch anders als die meisten Paare schöpften wir täglich die ganze Bandbreite aus.

»Wenn sie im Bett des Königs liegt, durchaus.« Ich richtete mich auf, setzte mich auf die Fersen und genoss den Anblick meiner gefesselten und hilflosen Frau. Zum Glück war das Haus groß und Elisabeth mit dem Kindermädchen am anderen Ende des Flurs, denn ich hatte Lust, sie schreien zu hören.

Claras Brüste lugten unter dem seidenen Nachthemd hervor, und ich zerriss die zarten Träger, um sie ganz freizulegen. Ich ließ mich nach unten gleiten, umschloss ihren Nippel mit meinen Lippen und saugte daran. Auch wenn ich keine Ruhe gab, bis ich sie unter mir spürte, ließ ich mir Zeit, wenn ich sie einmal so weit hatte. Sie stöhnte leise, ich saugte immer fester und biss sie schließlich geradezu ins weiche Fleisch. Clara bäumte sich mir entgegen, ihre Hüften begannen zu beben, und es verlangte sie immer heftiger nach Erfüllung. Ich genoss es sehr, meine Frau beim Höhepunkt zu beobachten, doch sie ganz nah heranzubringen, war noch besser. Es war nur gerecht, wenn ich diese schöne, intelligente Frau in ein unbeherrschtes, lüsternes Etwas verwandelte – schließlich brauchte sie normalerweise nur den Raum zu betreten, um mich in eben jenen Zustand zu versetzen.

»Hast du heute gar keine Termine?« Leidenschaftlich presste sie ihren Körper an mich.

»Erst in ein paar Stunden«, erwiderte ich, während ich weiter ihre weiche Brust liebkoste. Ich hatte ihr tunlichst verschwiegen, zu welch früher Stunde ich den heutigen Tag begonnen hatte. Zweifellos würde die Zeit für unseren Geschmack ohnehin viel zu schnell vergehen.

»Tsss«, zischte sie durch ihre zusammengebissenen Zähne.

Ich richtete mich auf und hob eine Braue. Meine Autorität im Schlafzimmer infrage zu stellen, bedeutete unweigerlich, dass sie noch länger auf dem Rücken liegen bleiben musste. Vermutlich wusste sie das ganz genau. »Du wirst ungeduldig.«

»Und du machst mich wahnsinnig!« Sie bog die Hände über ihren Fesseln, als wollte sie sie lockern.

»Denk bloß nicht, du könntest dich von denen so leicht befreien«, sagte ich, während ich mich zwischen ihren Schenkeln niederließ. Ich strich mit der Spitze meines Penis über ihre geschwollenen Schamlippen und grinste amüsiert, weil sie ihre Vorfreude nicht verbergen konnte. Ich zog ihre Beine um meine Hüften, dehnte ihren zwischen den Bettpfosten und meinem Unterleib langgestreckten Körper und wartete.

»Bitte.« Sie leckte sich die Lippen, bekam glasige Augen und flehte erneut: »Bitte. Bitte.«

Stöhnend drang ich in sie ein, denn wenn sie bettelte, konnte ich nicht widerstehen. Sofort zogen sich ihre Muskeln um meinen Schaft zusammen, und ich trieb sie zum Höhepunkt. Ein Schrei brach aus ihr hervor. Ich hatte es ihr besorgt, doch sie hatte mich wieder einmal auf die Knie gezwungen.

Mit dem Kamerateam, das vor dem Schreibtisch des Präsidenten seine Aufnahmen machte, wirkte das Oval Office weniger hochoffiziell. Der Raum war in Elfenbein- und Gelbtönen gehalten, doch die Farbpalette half nur wenig, die unterkühlte Atmosphäre zu erwärmen. Es war eine nachvollziehbare Entscheidung des Weißen Hauses, meinen Besuch filmen zu lassen, doch nicht gerade förderlich, um eine ungezwungene Unterhaltung zu führen. Da ich das neue Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten bisher noch nicht kennengelernt hatte, legte ich Wert darauf, mich von meiner besten Seite zu zeigen. Ich konnte nur hoffen, dass auch er sich entsprechend verhalten würde.

»Alexander, willkommen.« Präsident Williamson nickte knapp, als er sich aus seinem Stuhl erhob. Es war ein Zugeständnis an meine Position, aber keine tiefe Verbeugung, wofür ich ihm dankbar war. Dass sich die Leute nicht ständig genötigt fühlten, vor mir einen Bückling zu machen, gefiel mir besonders an Amerika.

Williamson hatte ungefähr das Alter meines Vaters, aber die beiden waren sich nie begegnet. Er hatte sein Amt erst kurz nach dem Anschlag angetreten, bei dem mein Vater ums Leben gekommen war. Doch mit dem Lebensalter erschöpften sich die Gemeinsamkeiten bereits. Albert war sowohl in seinem Verhalten als auch dem Äußeren nach durch und durch Brite gewesen – zumindest in der Öffentlichkeit. Williamson hingegen verkörperte einen amerikanischen Staatschef – bis hin zum roten Schlips der Macht. Das grau melierte Haar und die Falten in seinem Gesicht ließen ihn nicht alt wirken, sondern verliehen ihm geradezu eine Aura von Weisheit. Wie die meisten Amerikaner, die im Rampenlicht standen, sah er eher aus wie ein Filmstar als wie ein gebeutelter Politiker. Von der Öffentlichkeit wurde er als der Mann wahrgenommen, der die Zügel in der Hand hielt, auch wenn seine Macht durch das große gesetzgebende Repräsentantenhaus eingeschränkt war, dessen Vertreter wie er vom Volk gewählt wurden. In diesem Punkt waren unsere Positionen ähnlich.

»Meinen Glückwunsch zu Ihrer Vermählung. Ich hatte gehofft, die Freude mit Ihnen teilen zu können, aber die Umstände …« Er hielt inne, und ich erinnerte mich an die Ereignisse an meinem Hochzeitstag.

»Selbstverständlich.« Ich lächelte knapp. Dass er es von sich aus ansprach, war höflich. Obwohl seitdem bereits einige Zeit vergangen war, hatte ich den Tag nie vergessen können. Williamson war auch zu den Krönungsfeierlichkeiten eingeladen gewesen. Unter den gegebenen Umständen hatten er und mehrere andere einflussreiche Würdenträger jedoch mit Bedauern ihre Teilnahme an der Zeremonie abgesagt. Ich konnte es ihnen nicht zum Vorwurf machen, wäre es nach mir gegangen, hätte ich das Ritual ebenfalls ausfallen lassen. »Auch Clara und ich bedauern, nicht schon früher gekommen zu sein. Wir hatten es vor, doch das Leben und die Politik hatten andere Pläne.«

»Haben sie das nicht immer?« Er deutete auf einen Sessel neben seinem, und ich nahm Platz. »Wie geht es Ihrer reizenden Gattin?«

»Mutterpflichten«, erwiderte ich förmlich. Clara würde sich den Kameras nicht auf Dauer entziehen können, doch momentan unterstützte ich sie darin nur zu gern. Die Vorstellung, sie mit der Welt zu teilen, gefiel mir ganz und gar nicht.

»Ich bin mir sicher, dass sich unsere besondere Beziehung jetzt, da Sie mit einer Amerikanerin verheiratet sind, noch vertiefen wird«, sagte der Präsident unbekümmert, bevor er sein Jackett richtete, um sich zu setzen.

In mir regte sich Unmut, und ich tat mein Bestes, mir das nicht anmerken zu lassen. Dieser Mann und sein Land hatten keine Rechte an meiner Frau. Das konnte ich ihm jedoch kaum sagen, schon gar nicht während eines Fernsehinterviews. »Ich glaube, Sie werden feststellen, dass Clara ebenso amerikanisch ist wie ich.«

Wir lachten, obwohl wir es beide nicht komisch fanden. Williamsons Vorgänger war dafür bekannt gewesen, unbehagliche Situationen elegant zu meistern. Diese Qualität hatte jedoch nicht genügt, ihm die Wiederwahl zu sichern. Die momentane Stimmung im Oval Office erinnerte an die wachsame Anspannung vor einem Kampf. So etwas kam dabei heraus, wenn man zwei Alphatiere zusammen in einen Raum steckte. Es gab keine erlösende Pointe, sondern nur einen schweigenden Kampf um die Vorherrschaft.

»Ich habe gehört, dass sie lieber Kaffee trinkt«, schaltete sich die Außenministerin überschwänglich ein. Wenigstens hatte Williamson jemanden in sein Kabinett berufen, der es verstand, Spannungen abzubauen. Es war auch deshalb eine weise Entscheidung, weil sie für den größten Teil der Außenpolitik seiner Regierung verantwortlich zeichnete.

»Daran arbeite ich noch«, scherzte ich. Das kleine Geplänkel erzielte den gewünschten Effekt, und die Unterhaltung verwandelte sich in ein lockeres Gespräch zwischen den Repräsentanten zweier unabhängiger Nationen. Etwa eine Stunde später, als sich gerade eine Diskussion über die Vorzüge amerikanischen Footballs im Vergleich zu europäischem Fußball entwickelte, begann das Aufnahmeteam damit, seine Ausrüstung einzupacken.

»Bitte hier entlang.« Ein Assistent führte die Crew aus dem Büro, und die Atmosphäre wandelte sich abermals.

Williamson sackte in seinem Sessel zusammen und legte das Kameragesicht ab. »Scotch?«

»Ja, gern.«

Einen Augenblick später servierte uns ein Hausangestellter die Drinks, und ein junger, nervöser Mann trat zu uns.

»Alexander, darf ich Ihnen meinen Pressesprecher Richard May vorstellen? Er ist hier, um uns auf die Pressekonferenz vorzubereiten.«

Ich stand auf und schüttelte dem Mann, der den angebotenen Scotch ausschlug, die Hand.

»Ich muss mich entschuldigen, weil ich Sie gleich schon wieder vor eine Kamera stelle«, sagte er.

»Ich wurde vor laufenden Kameras geboren«, erwiderte ich sarkastisch. Tatsächlich wusste ich gar nicht, wie es sich anfühlte, mich in der Öffentlichkeit aufzuhalten, ohne dabei gefilmt zu werden. Nur während meines Militärdienstes hatte ich davor Ruhe gefunden.

»Selbstverständlich«, sagte May abwesend, während er durch seine Unterlagen blätterte. »Ich gehe davon aus, dass die meisten Fragen ziemlich harmlos sein werden. Man wird sich nach Clara und Ihrer Tochter erkundigen.«

Ich zwang mich zu einem Nicken. Auch wenn ich mir noch so sehr wünschte, meine Frau und mein Kind aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, es war vergeblich. Dennoch versuchte ich, der Presse klare Grenzen zu setzen, insbesondere, weil sie uns während unserer Verlobungszeit so schlimm zugesetzt hatte. Elisabeths Leben sollte so normal wie nur irgend möglich verlaufen.

»Und dann ist da die Sache mit Edward.«

»Ich nehme an, Sie reden über einen gewissen Artikel, der demnächst in einer Zeitschrift erscheinen soll.« Diesmal gab ich mir keine Mühe, meine Missbilligung zu verbergen. Meine Leute hatten mich gewarnt, dass ich im Ausland darauf angesprochen werden könnte.

»Wir haben das Pressekorps über die Themen informiert, die vertieft werden dürfen«, versicherte mir der Präsident, »aber die Pressefreiheit bringt es mit sich, dass wir die Fragen nicht vorschreiben dürfen.«

Der Wink mit dem Zaunpfahl entging mir nicht. »Das ist in Großbritannien nicht anders.«

»Dann wissen Sie auch, was für Schwierigkeiten man bekommt, wenn man es versucht.« Williamson breitete entschuldigend die Hände aus, und ich nickte.

Die Verlobung meines Bruders hatte in einigen Gazetten für Negativschlagzeilen gesorgt, aber im Großen und Ganzen war Edwards Entscheidung für ein öffentliches Coming-out enthusiastisch begrüßt worden. Für die meisten war es ein Zeichen dafür, dass die Monarchie kein Relikt vergangener Zeiten mehr war, doch es würde immer Leute geben, die das anders sahen.

»Wenn es sein muss, werde ich die Aussage verweigern«, scherzte ich und gab mir Mühe, so zu klingen, als ob mich die Sache kaltließe.

»Ich glaube, er bekommt das schon hin«, sagte Williamson und zwinkerte May zu. »Sind wir so weit?«

May zitterte leicht und nickte. Kein Medikament der Welt konnte den Stress lindern, den sein Job mit sich brachte. Ich fand es bemerkenswert, dass man den Mann vor die Kameras treten ließ. Auf dem Weg zum Pressesaal fiel Williamson absichtlich etwas zurück. Ich verstand das Signal und tat es ihm gleich.

»Es tut mir leid, dass wir nicht bei Ihrer Krönung dabei waren.« Nachdem er zu Beginn unseres Treffens derart um die Vorherrschaft im Raum gekämpft hatte, klang seine Entschuldigung nun überraschend aufrichtig. »Unsere Sicherheitsleute hatten den Eindruck, dass die Risiken unverhältnismäßig hoch waren, und von Mann zu Mann muss ich Ihnen sagen, dass die Sicherheit meiner Frau für mich immer an erster Stelle steht.«

»Das ist verständlich.« Ich wusste es zu schätzen, wenn ein Mann seine Frau über alles stellte. Ging es um meine eigene Sicherheit, war ich nur selten besorgt, doch wenn Clara mich ließe, würde ich sie von einer ganzen Armee beschützen lassen. »Wäre es nach mir gegangen, wäre Clara auch nicht dabei gewesen.«

Williamson zupfte an seiner Krawatte, und ich spürte, dass er noch etwas loswerden wollte. Nach kurzem Zögern fuhr er fort. »Unseren Ermittlungen zufolge handelte es sich möglicherweise um eine größere Verschwörung.«

»Wir sind zu demselben Ergebnis gekommen.« Also befasste sich nicht nur der britische Geheimdienst mit dem Attentat. Auch die CIA war hellhörig geworden.

»Ich werde gern an Sie weiterleiten, was wir herausgefunden haben, wenngleich ich sagen muss, dass die meisten Informationen zu nichts geführt haben.«

»Ich bitte darum«, erwiderte ich angespannt. Auch unsere Ermittlungen waren in einer Sackgasse geendet. Zu gern hätte ich geglaubt, dass meine Familie nach dem Ausschalten Jack Hammonds nicht mehr in Gefahr war. Dass es jemand für richtig gehalten hatte, den Mann umzubringen, der allem Anschein nach für den Tod meines Vaters verantwortlich war, sprach allerdings dagegen. Smith Price war mein persönlicher Informant in Hammonds Netzwerk gewesen. Wenn Price, wie er beteuerte, nicht Hammonds Mörder war, musste es jemand anders gewesen sein.

»Es sei denn, Sie haben den Täter bereits …«, Williamson ließ den Satz unvollendet. Es war anscheinend nicht zu erwarten, dass er noch Neues zu dem Fall beizutragen hatte.

»So ist das mit Ungeheuern«, erwiderte ich, als wir vor dem Pressesaal angekommen waren. »Man schlägt einen Kopf ab und merkt erst danach, dass es noch andere gibt.«

»In der Tat.«

Unsere beiden Länder machten schwierige Zeiten durch. Ich nahm an, dass die Bedrohungen, denen seine Familie ausgesetzt war, ebenso erheblich und allgegenwärtig waren, wie es bei mir der Fall war. Ohne lange nachzudenken, klopfte ich ihm zum Zeichen meiner Solidarität auf die Schulter – vielleicht auch, um ihn zu trösten. Williamsons Miene war anzusehen, dass er meine Geste richtig deutete.

»Sie werden bereits erwartet, Sir«, teilte mir ein Assistent mit.

Ich konnte mir eine Grimasse nicht ganz verkneifen, ersetzte sie jedoch durch ein Lächeln, als ich vor die Reihen der Reporter trat. May hielt sich an meiner Seite, um für Ordnung zu sorgen, als mich alle gleichzeitig bestürmten.

»Miss Bernstein«, sagte May, und eine Frau schoss aus ihrem Stuhl hoch. Sie hielt sich nicht lange damit auf, ihren Rock glattzuziehen oder ihre Frisur zu richten, sondern fixierte mich mit ihrem Blick.

Das wird wehtun.

»Eure Hoheit, wird die Krone ihre Einwilligung zur Hochzeit Ihres Bruders erteilen?«

Es kam nicht überraschend, dass sie sich auf Edward stürzten. Ich konnte von Pressevertretern, die zu den rücksichtslosesten Journalisten der ganzen Welt gehörten, nicht erwarten, dass sie nur fragten, was mir genehm war. Mein Vater hätte die Dame enthaupten lassen, doch ich hatte bereits beschlossen, es auf andere Weise zu versuchen. Also lächelte ich und erwiderte nur: »Das habe ich bereits.«

Diese Antwort löste einen Sturm weiterer Fragen aus, doch ich hob eine Hand, noch bevor May dazwischengehen konnte. »Ich möchte Sie bitten, sich ab jetzt auf Fragen zur Politik und zu meinem Land zu beschränken.«

Und meine Familie außen vor zu lassen.

Meine Familie war tabu – und zwar alle, die dazugehörten. Ich hatte schon zu viele Menschen verloren, die mir nahestanden. Die wenigen, die mir geblieben waren, würde ich nicht mit Gott und der Welt teilen. Ich würde alles tun, um meine Familie zu schützen. Die Journalisten drucksten einen Moment lang herum, dann fassten sie sich wieder.

»Im Parlament gibt es eine lautstarke Minderheit, die sich für die Abschaffung der Monarchie einsetzt. Was sagen Sie dazu, dass diese Bewegung weiter wächst?«, rief einer.

»God save the King«, erwiderte ich und erntete Gelächter. Die trockene Antwort lenkte die Fragen zu Themen, aus denen sich humorvolle Zitate herausschneiden ließen. Ich gab mein Bestes, um die Oberhand zu behalten und von den Menschen in meinem Leben abzulenken. Als ich mich schließlich verabschiedete, begegnete ich Williamson an der Tür.

»Immer charmant und keine konkreten Antworten – Sie sind wie geschaffen für die Politik.«

»Ich wurde in die Politik hineingeboren.«

»Wie es aussieht, hatten Sie nie die Wahl«, sinnierte er auf unserem Weg in den Wohnflügel.

Ich dachte an meine Frau und daran, wie mein Leben ausgesehen hatte, bevor ich sie kennenlernte. Das Schicksal hatte mich ihr unausweichlich entgegengetrieben, und doch hatte ich zunächst versucht, sie wegzustoßen. Um sie zu kämpfen, war am Ende ebenso meine freie Entscheidung gewesen, wie die Thronfolge anzutreten. Als König verfügte ich über die Möglichkeiten, nach den Verantwortlichen für die Angriffe auf meine Frau zu suchen. Letztlich war es immer darum gegangen, Entscheidungen zu treffen – auch wenn es nicht leicht war. »Ich habe mein Schicksal selbst gewählt.«

»Genau wie ich.« Williamson blieb stehen, um sich von mir zu verabschieden, bevor er wieder in sein Büro zurückging. Vor ihm lag noch ein ganzer Arbeitstag, ich würde mich jetzt meiner Welt widmen.

Leise betrat ich die kleine Suite, die unsere Gastgeber uns zur Verfügung gestellt hatten, weil ich fürchtete, ein schlafendes Kleinkind zu wecken. Doch stattdessen stürzte mir ein plappernder Wonneproppen entgegen. Mit einer schnellen Bewegung hob ich meine Tochter in die Arme.

»Es tut mir leid, Eure Majestät!« Penny, das Kindermädchen, das uns begleitete, eilte herbei, um mich zu erlösen, doch ich wollte meine Kleine nicht hergeben. Die arme Frau konnte sich nicht vorstellen, dass sich ein Mann gerne um sein Kind kümmerte. Ich wollte ihr um jeden Preis zeigen, dass ich nicht wie die anderen Männer war.

Clara blickte von ihrem Buch auf und rollte angesichts der Szene, die sich vor ihr abspielte, mit den Augen, doch sie griff nicht ein. Zu einem späteren Zeitpunkt würde ich ihr mit Vergnügen den Hintern dafür versohlen, dass sie so renitent war. Als könnte sie meine Gedanken lesen, verzog sie den Mund zu einem wissenden Lächeln.

»Penny, gönnen Sie sich doch ein paar Minuten Pause«, forderte ich das Kindermädchen auf.

»Sir?« Sie starrte mich an, als wollte ich sie auf die Probe stellen.

»Ich möchte gern mit meiner Familie allein sein.«

Sie blickte weiterhin entgeistert, zog sich aber trotzdem mit einem Knicks zurück.

»Ist es denn so schwer zu glauben, dass ich meine Tochter halten möchte?«, murrte ich, als wir allein waren.

»Wahrscheinlich interessieren sich die meisten Könige mehr dafür, ihre Blutlinie fortzusetzen, als für Bauklötzchen.«

Clara sah uns zu, als ich es mir mit Elisabeth auf dem Teppich bequem machte, wo sie sich sofort aufrichtete und ihren neuesten Trick vorführte: Gehen.

»Kluges Mädchen«, lobte ich sie. »Dass du schon gehen kannst!«

»Sie ist fast fünfzehn Monate alt«, betonte Clara, während sie sich neben mich auf den Boden sinken ließ. Schon bald war sie von Elisabeths Bemühungen so verzaubert wie ich selbst. Ich suchte ihre Hand und hielt sie, bis eine vertraute Gestalt in der Tür erschien. Norris wirkte wie ein stolzer Großvater, als er meine Familie betrachtete, doch als ich den Blick hob und wir uns in die Augen sahen, erkannte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.

»Ich bin gleich wieder da«, sagte ich leise zu Clara und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, die sie besorgt in Falten legte. Norris hatte uns während der begrenzten Zeit, die wir als Familie zusammen verbringen konnten, nach Möglichkeit in Ruhe gelassen. Wir wussten beide, dass sein plötzliches Erscheinen nur mit Neuigkeiten aus England zu tun haben konnte. Ich stand auf und ging zu ihm hinüber. Elisabeth versuchte, mich mit Dutzenden winziger Schrittchen einzuholen.

»Es ist etwas passiert«, sagte Norris leise. Wir blickten beide zu Clara, die uns mit wachsamen Augen beobachtete. Es gefiel ihr gar nicht, wenn man sie nicht über alles informierte. Das hatte seit unserer Hochzeit schon häufiger für Verstimmungen gesorgt. Ihr Anspruch, dass wir keine Geheimnisse voreinander haben sollten, war zwar berechtigt, doch ich brachte es nicht über mich, sie mit allem zu belasten, was ich wusste.

Ich trat in den Flur, Norris folgte mir.

»Hat es mit Hammond zu tun?« Auch ein knappes Jahr nach seiner Ermordung waren wir bei der Suche nach unserem gemeinsamen Feind keinen Schritt weitergekommen. Wer auch immer ihn ermordet haben mochte, es war ihm nicht darum gegangen, mir einen Gefallen zu tun. Das wurde mit jedem neuen Stein, unter den wir blickten, offensichtlicher.

»Nein, ich weiß noch nicht genau, was es bedeutet.«

»Du wirst mir schon etwas mehr erzählen müssen«, forderte ich ihn auf. Diese Geheimniskrämerei sah Norris gar nicht ähnlich, was vermuten ließ, dass er schlechte Neuigkeiten zu überbringen hatte.

»Das Team, das die persönlichen Angelegenheiten deines Vaters überprüft, ist auf etwas gestoßen.«

»Das klingt doch nach einer guten Nachricht.« Als ich ein Team darauf angesetzt hatte, das Privatleben meines Vaters unter die Lupe zu nehmen, hoffte ich, eine Spur zu den Menschen zu finden, die für seinen Tod verantwortlich waren.

»Ich fürchte nur, dass es noch mehr Fragen aufwirft.« Norris wirkte zerrissen, mein Pulsschlag beschleunigte sich, und in meiner Blutbahn wurde Adrenalin freigesetzt.

»Was haben sie gefunden?«, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Nicht was«, korrigierte Norris zerknirscht. »Wen.«

»Wen?«, wiederholte ich. »Sie sind auf eine Person gestoßen?«

»Auf deinen Bruder.«

»Edward?«, fragte ich, obwohl mich bereits Schwindelgefühle erfassten.

»Nein.« Norris schwieg.

»Ich habe noch einen Bruder?« Meine Worte klangen so erstickt, dass ich meine eigene Stimme kaum erkannte.

Norris holte tief Luft, als wollte er genug für uns beide davon schöpfen, bevor er sagte: »Es sieht ganz danach aus.«