Judie, Ellen und Cooper gewidmet

 

Impressum

  

Deutsche Erstausgabe
Originaltitel: Transformation
Copyright Gesamtausgabe © 2016 LUZIFER-Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

  

Cover: Mark Freier
Übersetzung: Andreas Schiffmann
Lektorat: Astrid Pfister

  

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2016) lektoriert.

  

ISBN E-Book: 978-3-95835-192-9

  

Du liest gern spannende Bücher? Dann folge dem LUZIFER Verlag auf
Facebook | Twitter | Pinterest

  

Sollte es trotz sorgfältiger Erstellung bei diesem E-Book ein technisches Problem auf deinem Lesegerät geben, so freuen wir uns, wenn du uns dies per Mail an info@luzifer-verlag.de meldest und das Problem kurz schilderst. Wir kümmern uns selbstverständlich umgehend um dein Anliegen und senden dir kostenlos einen korrigierten Titel.

  

Der LUZIFER Verlag verzichtet auf hartes DRM. Wir arbeiten mit einer modernen Wasserzeichen-Markierung in unseren digitalen Produkten, welche dir keine technischen Hürden aufbürdet und ein bestmögliches Leseerlebnis erlaubt. Das illegale Kopieren dieses E-Books ist nicht erlaubt. Zuwiderhandlungen werden mithilfe der digitalen Signatur strafrechtlich verfolgt.

  

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Kapitel 1

 

Die umfassende Stille der postapokalyptischen Welt wurde von quietschenden Reifen gestört, als der SUV schlitternd zum Stehen kam. Er drehte sich um volle neunzig Grad und drohte noch in letzter Sekunde umzukippen, als er seitwärts auf zwei Rädern hoch-, aber gleich wieder niederging und stehen blieb.

Lange, schwarze Bremsspuren, die qualmten und nach verbranntem Gummi stanken, zeichneten sich über hundert Fuß weit hinter ihm ab. Der Lärm setzte sich über Meilen hinweg fort und hallte von Hügeln und Gebäuden in der Stadt wider. Viele tote Gesichter blickten nun verwundert auf, weil sie nicht wussten, woher der Krach kam. Tausende Leichen auf der Monterey-Halbinsel bewegten sich langsam in diese oder jene Richtung. Es gab nur noch wenige Menschen, die das Quietschen hörten, und für sie bedeutete es, dass wieder einer weniger lebte und ein weiterer Zombie hinzugekommen war.

Der Land Rover war leise und brummte nur tief im Leerlauf. Als der Motor ausging, herrschte vollkommene Stille. Man könnte meinen, nichts sei geschehen, doch der Insasse brauchte ein wenig länger, um sich zu erholen.

Coopers Hände zitterten, und er hatte so heftiges Herzklopfen, das es sogar wehtat, während sein Körper weiterhin unaufhörlich Adrenalin ausschüttete. Er musste einen Moment lang ruhig sitzen bleiben und ein wenig verschnaufen. Ihm war klar, dass er, falls er sofort versuchte, auszusteigen und aufrecht zu stehen, glatt vornüber umkippen würde. Diese Verzögerung erwies sich im Nachhinein als Glück, denn während er langsam ausatmete, betrachtete er die Personen, die er beinahe überfahren hätte. Sie waren ihm viel näher vorgekommen, als er gedacht hatte, und mit ihnen zusammenzustoßen wäre unvermeidbar gewesen, aber in Wirklichkeit waren sie gute zehn Yards weit weg – mindestens. Er schaute durch das Beifahrerfenster zu ihnen, während er noch einmal lang und tief Luft holte.

Dabei hörte er den Wind gegen den Wagen wehen, der deshalb ganz leicht hin und her schwankte. Haare und Kleider der Gruppe vor ihm flatterten und peitschen im Wind, weshalb sie sich abwandten. In der Mitte stand seine Schwester Ellen, und er wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Er zögerte kurz und kämpfte gegen den starken Drang an, aus dem Auto zu springen und zu ihr zu laufen, doch dieses Etwas hielt ihn sowieso davon ab, weil es ihm einfach nicht geheuer war, bloß dass er den Grund nicht genau hätte benennen können. Vielleicht kam sein Zögern auch daher, dass er schon seit Tagen angespannt und paranoid war.

Nur Sekunden waren vergangen, aber die Zeit in dem Wagen zog sich gefühlt ewig dahin. Cooper ließ sich noch etwas mehr Zeit, um die Gruppe zu mustern. Es waren fünf Überlebende, von denen er aber nur zwei kannte: seine Schwester und ihren Freund Taffer, einen großen Kerl mit langen Haaren und einem noch längeren Bart. Er hielt seine Arme fest an die Seiten gepresst, trug einen Vogelkäfig um den Kopf und eine lange Kette um den Hals. Das fand Cooper höchst sonderbar, auch wenn es letztendlich nicht das war, was ihn vom Aussteigen abhielt. Vielmehr machte es ihn neugierig und verstärkte sogar seinen Wunsch, aus dem SUV zu springen.

Warum also blieb er hier sitzen und starrte sie an? Was bereitete ihm solches Unbehagen? Fast hätte er die Tür geöffnet – seine Hand lag schon auf dem Griff –, als es ihm dämmerte: Seine Schwester wirkte wütend, richtiggehend angepisst, und das war äußerst ungewöhnlich. Denn meistens machte sie einen sehr zufriedenen Eindruck, und ihre Augen strahlten immerzu. Um sie derart auf die Palme zu bringen, musste wirklich so einiges geschehen sein. Sie sah so verärgert aus, dass Cooper insgeheim befürchtete, sie sei böse auf ihn. Da er ihr kleiner Bruder war, hatte sie ihn in ihrer Kindheit stets als Blitzableiter für ihre Frustrationen benutzt, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Er kannte die feinen Nuancen ihres Mienenspiels genauso wie den Unterschied zwischen Verdruss, den Geschwister herbeiführten, und richtigen, von Hass motiviertem Zorn. Vielleicht hätte sie ein wütendes Gesicht gemacht, kurz, nachdem sie beinahe überfahren worden war, doch es hatte sich seitdem nicht verändert. Mit ihr war definitiv etwas nicht in Ordnung. Dass Ellen ihn nicht sah, war offensichtlich, denn sonst hätte sie gelächelt oder gerufen, sich ihm genähert oder gewunken, damit er schnell verschwand – sie hätte auf jeden Fall irgendetwas getan. Stattdessen aber stand sie bloß finster vor sich hinstarrend da und kochend vor Wut, worauf auch immer.

Der Rest der Gruppe, die anderen drei verharrten mit bereitgehaltenen Waffen. Das kam dieser Tage sehr häufig vor, doch seine Schwester war unbewaffnet. Sie stand ein Stück von den anderen entfernt.
Da ist wirklich etwas nicht in Ordnung, dachte Cooper.

Stellte sich nur die Frage, wie er sich jetzt verhalten sollte. Eines war absolut sicher: Er würde seine Schwester nicht einfach hier zurücklassen. Als er die Tür endlich aufstieß, wehte eine kalte Böe aus der Bucht herein, die ihm sofort durch Mark und Bein ging. Nach mehreren Tagen abseits der Küste und einer Stunde oder mehr in dem stickigen SUV erfrischte die Meeresluft ihn aber auch. Dass sie seine Stimmung hob, als er ausstieg, ließ sich Cooper natürlich gern gefallen. Der Wind schlug ihn regelrecht, zerzauste seine Haare, brannte in den Augen und zerrte an seinem Kapuzenpullover.

Er blinzelte gegen ihn und das helle Licht an, und wartete darauf, wie die Gruppe nun reagierte. Vor allem achtete er auf seine Schwester. Ihr Verhalten angesichts seines Erscheinens würde ihm alles erklären, was er über diese seltsame Situation wissen musste. Er ging jetzt ausgelassen strahlend und winkend auf das Paar und die drei anderen zu.

»Hey! Tut mir total leid wegen gerade eben. Ich habe nicht mit Leuten auf der Fahrbahn gerechnet.«

Ellen riss daraufhin ängstlich die Augen auf, und Cooper erkannte prompt, dass sie gegen ihren Willen bei dieser Gruppe war. Er schaute von ihr weg, zu dem großen Mann, der als einzige Person lächelte. Er schien offenbar der Anführer und Gefährlichste von ihnen zu sein. Nun trat er vor.

»Wie gut, dass die Bremsen der Mühle funktioniert haben.« Er zeigte mit seinem Gewehr auf den Wagen. Er wirkte zwar abgemagert, aber nicht schwach, stattdessen legte er eine lässige, selbstbewusste Körperhaltung an den Tag. Dass er von sich selbst überzeugt war, sah man deutlich. Angesichts seines Lächelns hätte man glauben können, er kenne einen genialen Scherz, den er jedoch nicht mit jedem teilen wolle. Seine kleinen Augen, die an die eines Schweins erinnerten, schnellten aufmerksam hin und her, während der Wind seine langen, schwarzen Haare zerzauste. Abgesehen von der großkalibrigen Jagdflinte, die er auf den Boden gerichtet hielt, hatte er nichts Markantes an sich. Die anderen beiden Männer wirkten ängstlich, während sie zwischen Cooper und Schweineauge hin und her schauten. Ersterer spürte offenbar, dass dies ein Kräftemessen sein sollte, leidlich kaschiert als freundliche Bekanntmachung. Aber ihm fiel immer noch nichts ein, was er hätte sagen können.

»Bist du allein?«, fragte Schweineauge nun, während er an Cooper vorbei auf den SUV schaute, um eine mögliche Gefahr einschätzen zu können.

Cooper warf einen Blick zurück über seine Schulter. Die Sonnenstrahlen, die von der Scheibe reflektiert wurden, schmerzten in seinen Augen, weshalb er sie hastig zusammenkniff. Etwas im Inneren des Autos zu sehen war unmöglich. Als er sich Schweineauge wieder zuwandte, lächelte er abermals.

»Nein, nein, ich habe ein paar Kumpels dabei.«

»Na, dann stell sie uns doch vor!«, verlangte der Anführer laut. Er grinste und wies mit einer Handbewegung auf den SUV, während er versuchte, an Cooper vorbeizugehen. Dieser aber machte einen Schritt zur Seite, um sich ihm in den Weg zu stellen. Schweineauge trat zurück und schloss seine Augen halb – ein äußerst misstrauischer Blick.

»Das würde ich an deiner Stelle lieber bleiben lassen«, drohte ihm Cooper, ohne genau zu wissen, was er darauf folgen lassen konnte. Er sah dem Mann intensiv in die Augen. Denn hätte er weggeschaut, wäre sein Bluff sofort aufgeflogen.

Der Anführer starrte zurück und überlegte dabei zweifelsohne, was er als Nächstes tun sollte. Cooper würde seine Schwester bestimmt nicht bei diesen drei Bewaffneten zurücklassen. Er wurde von Sekunde zu Sekunde nervöser und hätte sich am liebsten direkt auf den Kerl gestürzt, ihn vermöbelt und vielleicht auch seine Kanonen gezogen. Allerdings sah er ein, dass er sich durch so ein überhastetes Handeln nur selbst umbringen könnte.

»Hört zu, Leute.« Während er die Arme verschränkte, ruhte sein Blick weiterhin auf Schweineauge. Er zwang sich zu einem breiten Grinsen, so als könne er kein Wässerchen trüben.

»Hinten im Wagen sitzen zwei Typen mit Schnellfeuergewehren.« Cooper war froh um den böigen Wind, weil dieser verhehlte, dass er unbeherrscht zitterte. Zuletzt entzog er sich der verfahrenen Situation, indem er ein paar Schritte rückwärts ging. Dann zeigte er auf die anderen beiden Männer.

»Falls einer von euch mit der Waffe auf mich zielen sollte, platzt sein Kopf wie eine reife Melone.«

Nun wichen die beiden Handlanger langsam zurück.

»Steht euren Mann, ihr Feiglinge!«, rief der Anführer wütend. »Der bläst doch nur heiße Luft!«

Als er nun sein Gewehr anheben wollte, schnellte blitzartig etwas Silbernes über sein Gesicht. Er fasste sich an die Kehle und taumelte rückwärts, wobei die Waffe auf die Erde fiel. Die anderen beiden Männer warfen ihre eigenen Waffen ebenfalls zu Boden und liefen davon, während Schweineauge nach hinten gezerrt wurde. Cooper zog daraufhin die Pistolen aus seiner Jacke.

Ellen war dem Mann ins Kreuz gefallen und würgte ihn nun, was das Zeug hielt, mit der Kette, doch er war stark und wehrte sich natürlich. Während er versuchte, sie mit den Ellbogen wegzustoßen, und ihr anschließend den Hinterkopf ins Gesicht knallen wollte, hielt sie ihn weiterhin fest und vereitelte alle Angriffe. Er wurde nun immer röter im Gesicht und ruderte kraftlos mit seinen Armen. Aber Ellen ließ immer noch nicht locker. Cooper zog seinen Schlagstock und schlug Schweineauge damit auf den Kopf. Dieser fiel um, wie ein nasser Sack Zement, bloß rotgefleckt statt Grau. Am Hals, wo die Kette seine Haut aufgerissen hatte, blutete er. Da Cooper eine Delle in seinem Schädel sah, befürchtete er nun, ihn getötet zu haben. Als er sich umdrehte, waren die zwei anderen Männer immer noch auf der Flucht, als gehe es um ihr Leben. Er half seiner Schwester auf und umarmte sie fest. Zugleich spürte er, dass er sich nicht mehr beherrschen konnte, und kam nicht umhin, zu lächeln. Er wollte sie gar nicht mehr loslassen. Die Erleichterung überwältigte ihn einfach. Egal unter welchen Umständen: Mit seiner großen Schwester fühlte er sich stets viel sicherer. Nach einer kleinen Weile drückte er sie ein Stück weit von sich weg, um sie genauer anzusehen, und bemerkte erst jetzt, dass die Kette mit einem Kabelbinder an ihrem Arm befestigt war. Und die Hand lief bereits blau an.

»Warte, ich schneide sie dir ab.«

»Na, hallo erst mal.« Sie streckte den Arm aus und sah sich um. »Die zwei kommen, glaube ich, nicht wieder. Sie wollten sowieso von White weg.«

»White heißt er, ja?« Nachdem Cooper das Plastikband gekappt hatte, umarmten sie sich erneut.

»Als der hat er sich jedenfalls ausgegeben.« Ellens Stimme brach nun ein wenig. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er seine Schwester wirklich gefunden hatte, und haderte weiterhin mit der verbissen verdrängten Vorstellung, was ihr in der Zwischenzeit alles zugestoßen sein könnte. Als er sich eine Träne von der Wange wischte, hoffte er, dass sie es nicht sah. Tat sie aber.

Ellen lächelte Cooper aufmunternd zu. Sie war seinetwegen genauso gerührt und weinte ebenfalls. Schließlich zog sie den Mund kraus.

»Weichei«, flüsterte sie, ohne selber ihre Tränen zurückhalten zu können.

Nun lachte Cooper und fuhr sich über das Gesicht, um die neuen Tränen zu trocknen, die ihm gekommen waren.

»Ich hab nur was in den Augen. Muss an dem verdammten Wind liegen«, verteidigte er sich. »Ich hatte solche Angst, dich nie mehr wieder zu finden.«

»Das verstehe ich.« Sie zögerte. »Ich habe mich auch davor gefürchtet, nach dir zu suchen, weil mir davor gegraut hat, was dir alles hätte passiert sein können.«

Sie hatte sich nämlich das Gleiche vorgestellt wie Cooper – eine schmutzige, nackte Leiche anzutreffen, die vor sich hin schwankte.

»Alles in Ordnung mit dir?«

»Klar.« Sie bemühte sich, auf die Frage genervt zu reagieren, drückte ihren Bruder aber aufs Neue.

Dann stieß sie ihn von sich. »Gott, was bist du für ein Jammerlappen«, empörte sie sich, obwohl sie selber auch noch weinte.

»Halt doch die Klappe«, erwiderte Cooper. Gemeint war aber: Ich liebe dich auch.

Sie standen auf dem Highway 1. Als eine der Hauptfernstraßen führte sie an der Monterey Bay entlang über gewaltige Sanddünen nach Norden und Süden. Stadt und Bucht lagen niedriger als die Fahrbahn, weshalb diese eine beeindruckende Aussicht bot. Der Highway zog sich über die gesamte Halbinsel.

Die beiden stellten nun sich in den Windschatten hinter den SUV.

Ellen legte eine Hand an die Silberkette, die Taffer um den Hals gelegt worden war. Sein Kopf steckte mit dem Bart und seinen langen Haaren komplett in dem Käfig, sodass man nur seine Augen sah, die bernsteinfarben waren, weshalb sie von innen heraus zu leuchten schienen. Wegen des Knebels in seinem Mund nuschelte er, während er Coopers Blick suchte.

Auf einmal hörten sie Rufe. Ellen strahlte glücklich. Sie winkte den drei Gestalten, die aus der Ferne auf dem Highway näherkamen. Bis sie da waren, würden noch mehrere Minuten vergehen. Sie wandte sich wieder an ihren Bruder, dem bereits mehrere Fragen auf den Lippen brannten.

»Was um alles in der Welt ist mit ihm passiert?« Er nickte Taffer zu, wollte aber nicht in seine merkwürdigen Augen schauen. »Wer waren diese anderen Typen … und wer sind jetzt diese dort?«

»Von denen wurden wir vor ein paar Meilen gefangen genommen.« Sie zeigte auf den Mann, der sich White nannte, und drehte sich nach den anderen beiden um, während sie weitersprach: »Sie wollten zu einer Schlossvilla, wahrscheinlich dem Hearst Castle bei San Simeon.«

Dieses Anwesen stand auf einem Hügel, bot einen Blick auf den Pazifik und war von dem Zeitungsverleger William Randolph Hearst erbaut worden. Ein imposantes und prachtvolles Haus und noch dazu weit abgeschieden. Ellen fragte sich, ob es sich nicht tatsächlich vortrefflich als Unterschlupf eignen würde, um dort die Apokalypse auszusitzen. Dieser Gedanke war äußerst reizvoll, doch die Rufe der drei Fremden, die nun eintrafen, störten ihre Überlegungen. Sie drehte sich zu ihnen um.

»Hey, seid ihr uns etwa gefolgt?«

»Natürlich.« Dies sagte eine große, dürre Frau.

»Das ist mein Bruder Cooper«, entgegnete Ellen daraufhin.

»Oh, wir haben schon so viel von dir gehört …«, hob die Unbekannte an, die knapp über dreißig war, doch Ellen fiel ihr sofort ins Wort.

»Ich habe ihr erzählt, was für ein Riesenochse du bist«, witzelte sie.

Karen lächelte daraufhin, denn auch sie hatte große Brüder. Ellens Beschreibungen ihres kleinen Bruders waren in Wahrheit so ziemlich das genaue Gegenteil gewesen. Sie hatten einander wiederholt gut zugesprochen, weil beiden der Verbleib ihrer Geschwister schleierhaft gewesen war. Wenngleich sie sich für Ellen freute, verschlimmerte es aber natürlich ihren eigenen Trennungsschmerz im Zuge des Wiedersehens. Sie hatte bereits vor dem Niedergang der Welt unter Depressionen gelitten und tat sich nun schwer damit, den Willen zum Weiterleben aufzubringen, wenn sie fast ganz allein war. Ellen war diejenige gewesen, die sie stets auf Trab gehalten hatte, aber jetzt, wo diese wieder mit ihrem Bruder vereint war, fühlte ihre Gefährtin, wie ihr Antrieb und ihre Entschlossenheit nachließen. Ihr Ehemann motivierte sie kaum, doch er war ihr zumindest erhalten geblieben, egal wie schwach er letzten Endes auch sein mochte.

»Das sind Karen und Tom, sie waren meine Nachbarn.«

Die beiden hatten stark abgenommen und sahen dementsprechend gebrechlich aus. Vor allem Toms Züge zeugten von Ermattung und Furcht. Vor dem Ende der Zivilisation hatte er sich wie das letzte Arschloch aufgeführt, und war arrogant und herablassend gewesen, wohingegen er nun an einen kleinen Jungen erinnerte, der sich verirrt und die Orientierung verloren hatte.

»Und das da ist Hector. Wir sind erst kürzlich über ihn gestolpert, als wir Watsonville durchquert haben.« Auch er war sehr dünn, ein Lateinamerikaner und nicht älter als Anfang zwanzig mit vielen Tätowierungen.

Cooper schaute ihn argwöhnisch an und deutete mit einer Kopfbewegung auf die tätowierten Symbole.

»Sind das Gang-Abzeichen?«, wollte er wissen.
War Hector mit dem Herzen noch ein Bandenmitglied oder nur noch ein gleich gesinnter Überlebender?

Er lächelte und streckte seine Arme nach vorne aus. »Ich gängele niemanden mehr, esé?« Davon abgesehen, dass er dieses Slang-Anhängsel verwendete, sprach er mit einem ausgeprägten Akzent, obwohl er ihn freundlich anschaute. Er fuhr in normalem Englisch fort: »Im Ernst, das liegt in der Vergangenheit, genauso wie alles andere auch, nicht wahr?«

»Ja, klar doch.« Cooper nickte, denn der Kerl kam ihm gleich sympathischer vor. »Also, was ist mit Taffer geschehen?«

»Er wurde infiziert«, gestand ihm Ellen mit sorgenvoller Miene.

Cooper machte einen Schritt rückwärts.

»Er bekam Fieber und fing an … du weißt schon … sich übertrieben ausgelassen zu benehmen. Ich mischte ihm mehrere Schlaftabletten in ein Getränk, um ihn zu beruhigen, doch davon wurde er nur schläfrig. Für mich war das Anlass genug, ihn zu fesseln.«

Taffer schwankte auf der Stelle, während Ellen erzählte, dabei stöhnte er leise.

»Um sein Fieber zu senken, legte ich ihm Eisbeutel und kalte Handtücher auf, was auch immer ich finden konnte.«

»Genau«, warf Tom ein. »Ich beschwerte mich ständig darüber, dass wir auf der dritten Ebene hockten, aber genau das hat uns scheinbar gerettet.«

»Jedenfalls halfen Karen und Tom mir dabei, Taffer kühl zu halten, solange das Fieber nicht abklang. Dann brach er plötzlich in Geschrei aus und schlug wild um sich. Wir mussten ihn knebeln und fesseln, aber zuletzt wurde das Fieber immer schlimmer.«

»Außerdem habt ihr ihm den Käfig über den Kopf gestülpt und ihn so herumlaufen lassen?« Cooper zeigte darauf.

In diesem Moment fiel Taffer auf die Knie und sackte zur Seite auf den Betonboden. Ellen kniete sich neben ihn.

»Atmet er noch?« Cooper kauerte ebenfalls nieder. »Wie lange steckt das Ding denn schon in seinem Mund? War er zwischendurch ansprechbar?«

»Nein, er hat sich immer wieder gegen uns gewehrt und sich aggressiv verhalten.«

»Wen wundert's?« Hector lachte. »Fesselt und knebelt doch mal mich und schaut, wie ich reagiere.«

Cooper warf ihm einen amüsierten Blick zu – du hast ja recht – zog sein Messer und machte sich dann daran, die Seile und Tuchfetzen zu durchtrennen, mit denen sie Taffers Arme zusammengebunden hatten. Danach zog er ihm den Käfig vom Kopf und zerschnitt den Textilknebel. Taffers Haare und Bart hatten sich in der Kette verheddert. Er stank widerlich.

»Sag mal, was hattet ihr denn mit ihm vor?« Cooper schaute Ellen und die anderen drei an.

Sie zuckte mit den Achseln. »Ich schätze mal, über kurz oder lang hätte ich … keine Ahnung.«

Cooper hob nun eine seiner Pistolen. »Wenn er infiziert ist, bleibt uns leider keine andere Wahl.«

Ellen erschrak. »Was?« Es kam anscheinend vollkommen unerwartet für sie. »Du willst ihn erschießen?« Sie drückte Coopers Arm zur Seite.

»Es gibt keine Alternative. Da er uns angreift, ist er ganz offensichtlich nicht mehr der alte Taffer. Sollte er nur krank sein, muss er behandelt werden.«

»Hast du ihm mal in die Augen geschaut?«, fragte Hector nun. »Mann, er sieht aus wie ein Monster.«

Cooper kniete sich wieder hin und tätschelte die Wangen des Bewusstlosen. Er ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen, weil er für den Fall, dass Taffer zu sich kam, vorbereitet sein wollte.

»Ich bin so dankbar dafür, dass es dir gut geht«, sagte er. »Was hast du denn die ganze Zeit über getrieben?«

»Na ja, ich habe mich aufgerafft, um nach dir zu suchen. Tom und Karen haben darauf bestanden, mich zu begleiten. Wir mussten durch Watsonville gehen, weil er nach seinem Bruder sehen wollte.«

Da dieser nicht zugegen war, erübrigte sich für Cooper ein Nachhaken.

»Und was hast du so gemacht?«

Er schaute zu seiner Schwester auf. Eigentlich wollte er ihr später alles in Ruhe erzählen. »Im Grunde nicht viel«, antwortete er geistesabwesend und nahm sich einen Augenblick Zeit, um die Umgebung zu sondieren. Er wunderte sich darüber, wie achtlos die anderen diesbezüglich waren. Wie hatten sie so lange überleben können?, fragte er sich.

Taffer fing jetzt wieder an, zu stöhnen.

Hector fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, und er stürzte fast, als er zurückschreckte. »Erschieß ihn!«

»Warte.« Cooper zog beide Pistolen und legte sie auf den Kopf des Kranken an.

»Gleich zwei Kanonen?«, unterbrach ihn Ellen. »Muss das wirklich sein?«

Sie konnte die Augen verdrehen und Cooper das Gefühl vermitteln, ein Trottel zu sein, weil sie einen Nobelpreis erhalten hatte – was wohlgemerkt mittlerweile Schnee von gestern und jetzt vollkommen unerheblich war. Heute fiel es ihm leicht, sie zu ignorieren. Sie war bloß ängstlich und erschöpft, so wie jeder von ihnen, weshalb sie auch in alte Gewohnheiten zurückfiel.

Während Taffer stöhnte, rutschte er hin und her. Cooper trat leicht auf einen seiner Arme, damit er stillhielt.

»Cooper?«

»Taffer, wie geht es dir?«

»Ich verdurste.« Der Liegende schloss erschöpft die Augen.

Cooper schaute Ellen an, als wenn er sie fragen wollte: »Und wer ist hier der Trottel?«

»Mensch, wie hätte ich das denn erkennen können? Sieh dir doch seine Augen an. Er hat sich aufgebäumt, als …«

»… als habe er Hunger und bekomme keine Luft mehr?«, ergänzte Cooper trocken.

»Na gut.« Karen ging zu Taffer. »Wir müssen ihn irgendwohin bringen, wo es sicher ist und er sich erholen kann. Komm her, Tom, und hilf mir mal.«

Ellen fiel auf, dass Karen, die eben noch einen ganz schüchternen Eindruck gemacht hatte, jetzt diejenige war, die Anweisungen gab. Tom fügte sich und packte mit an, um Taffer hochzuheben. Dieser hatte zwar viel Gewicht verloren, war aber trotzdem noch schwer genug. Deshalb gelang es ihnen nur mit vereinten Kräften, ihn in den SUV zu hieven. Ellen nahm außerdem Anstoß daran, dass Tom zur Seite trat und sich von Hector ablösen ließ, um selbst auf der Beifahrerseite einsteigen zu können. Denn so musste sie Taffer allein mit Karen, Cooper und Hector auf die Rückbank legen. Als sie den Latino anschaute, erwiderte er ihren Blick kopfschüttelnd und mit einem abfälligen Gesichtsausdruck.

Sie richteten Taffer vorsichtig hinter dem Beifahrersitz auf, ehe Cooper hinter dem Steuer Platz nahm. Ellen rutschte nun in die Mitte der Rückbank. Karen stieg als Nächstes ein und Hector zuletzt, sodass dieser am Fenster saß. Er konnte die Tür kaum zuziehen, weshalb er sich zur Seite drehen musste. Schließlich hatten sich vier Erwachsene in den hinteren Teil des Wagens gezwängt, wohingegen sich Tom vorne breitmachen konnte, während er durch die Windschutzscheibe schaute.

»Moment noch!«, rief Hector. Er stieg wieder aus und hob die Waffen auf, die das Trio fallen gelassen hatte. »Nur das Gewehr ist geladen. So wie die zwei Flinten aussehen, funktionieren sie vielleicht gar nicht mehr.«

»Was erklären würde, warum die beiden einfach weggerannt sind.« Cooper verließ den Wagen ebenfalls. »Ich schlage vor, wir sehen uns diesen Kerl noch mal genauer an.«

Er bemerkte sofort, dass sich der Mann eingenässt hatte. Als er neben ihm auf die Knie ging, um seinen Puls zu prüfen, musste er würgen. Obwohl der Wind in die entgegengesetzte Richtung wehte, roch er, dass auch Whites Schließmuskel erschlafft war. Cooper fühlte keinen Puls mehr. Die Augen waren halb offen. Er war sich sicher, einen Toten vor sich liegen zu haben.

»Okay, verschwinden wir.«

Er fuhr schon auf dem Highway, als er schließlich fragte: »Und wohin jetzt? Ich will mich vergewissern, ob es hier nicht noch etwas zu holen gibt. Womöglich ist der Supermarkt noch nicht geplündert worden.«

Ein kurzes Stück weiter auf der Straße stießen sie auf ungefähr ein Dutzend Untote, die sich gebeugt um ein Objekt auf dem Asphalt scharten. Hector schloss hastig die Scheibe seiner Tür, während Tom anscheinend gar nichts bemerkte und weiterhin seinen Arm halb aus dem Wagen hängen ließ. Hector überlegte gerade, ob er ihm die Gefahr verschweigen sollte, brachte es aber einfach nicht fertig. Deshalb klopfte er gegen die Rückenlehne des Beifahrersitzes.

»Mach lieber mal dein Fenster zu.«

Im Vorbeifahren erkannten sie, dass es sich nicht um ein, sondern um zwei Objekte handelte … oder besser gesagt um Leichen. Die Männer waren offenbar auf der Flucht in Stücke gerissen worden.

Alle wandten sich ab, und niemand sprach ein Wort.

Cooper nahm nun die Ausfahrt nach Seaside. Diese Kleinstadt gleich nördlich von Monterey war ein eigenständiger Ort wie viele andere auf der Halbinsel, obwohl es im Grunde genommen gar keine eindeutigen Grenzen zwischen ihnen gab.

Auf den breiten Straßen tat sich nichts mehr. Der Wind wehte kleine Sandwirbel von den Dünen her über die Fahrbahn. Aber es war so wenig, dass der Verkehr es früher zerstoben hätte, jetzt sammelte es sich aber an vereinzelten Stellen entlang der Bucht und verstärkte das allgegenwärtige Bild von Verlassenheit.
Auf dem Weg zu dem großen Supermarkt ließ Cooper mehrere Gebäudeblocks hinter sich, wobei sich die Sandflächen irgendwann lichteten und schließlich ganz verschwanden.

Während sie vertraute Orte passierten, hätten sie leicht dem Irrtum aufsitzen können, alles sei wie immer oder werde sich bald schon wieder einrenken. Cooper musste sich daran erinnern, dass es weiter rapide bergab ging. Schon jetzt waren die Straßen mit Unrat übersät, Gras und Unkraut sprossen vielerorts unübersehbar, ganz zu schweigen natürlich von der Tatsache, dass sich nirgendwo auch nur ein Mensch blicken ließ. Wenn Cooper in die tiefen Schluchten am Wegesrand schaute, sah er Tausende dicht an dicht stehende Leiber. Es sah so aus, als wären die meisten Untoten nach und nach in die Täler geströmt. An der nächsten Kreuzung bremste er und sah sich in beide Richtungen um – Leere, nur ein paar Zombies, die umherirrten.

Er fuhr nun langsam zum Eingang des Supermarktes. Die Fenster waren zerschlagen, und auch hier lag Müll am Boden verstreut. Dass auch Leichen herumlagen, entsprach einem zu gängigen Anblick, um sich darüber noch zu wundern. Der Wind ließ geradezu anmutig ein paar Streifen Toilettenpapier flattern und Abfälle rollten über den Platz. Die Insassen des Wagens starrten ausdrucks- und emotionslos vor sich hin. Diese trübselige Weltuntergangsszene war der neue Standard.

Cooper schaltete den Motor aus, um in die entstandene Stille zu lauschen. Nachdem er für den Moment nichts gehört oder näherkommen sehen hatte, zog er am Türgriff.

»Bleibt sitzen.«

»Was? Nein, wir müssen Zeug besorgen, um Taffer zu behandeln«, sagte Ellen, während sie ebenfalls die Tür öffnete. Karen stieg hinter ihr aus, doch Tom rührte sich nicht.

»Ich bleibe lieber hier und behalte unseren Patienten im Auge.« Er lächelte aufgesetzt, ohne sich auch nur kurz zu Taffer umzudrehen.

»Ich komme gleich nach.« Hector ging zum Rand des Parkplatzes, der von Hecken umgeben war. Während er sich ihnen näherte, schaute er an seinem Hosenknopf nestelnd nach links und rechts.

 

***

 

Im Markt war es still, dunkel und obendrein heiß, wobei der Gestank von verdorbenen Lebensmitteln und weiß Gott was noch, so schwer in der Luft hing, dass man sich hätte, übergeben können. Cooper ging schweigend voran, Ellen dicht hinterher. Karen verursachte einigen Lärm, denn ihre Schuhsohlen quietschten laut, wenn sie schlurfend auftrat, und sie stieß ständig mit den Füßen irgendwo an. Cooper, der sein Gesicht deshalb verzog, forderte sie schließlich zum Stehenbleiben auf, um wieder zu lauschen. Sie waren so weit in den Markt hineingegangen, dass sie kein Licht mehr von draußen sehen konnten. Cooper nahm eine seiner Minitaschenlampen heraus und schaltete sie ein. Jetzt erkannte er zwar die unmittelbare Umgebung, doch was darüber hinausging, lag weiterhin in völliger Finsternis.

Er schlich behutsam vorwärts. Karen sollte sich endlich bemühen, leise zu sein, wie er es von ihr verlangt hatte, und das Licht half ihr offenbar dabei. Hector fiel ihm nun ein; warum war er noch nicht aufgetaucht?

Ist ihm etwas passiert? Hat er sich vielleicht aus dem Staub gemacht?

Trotz der Gang-Tätowierungen hatte er ein gutes Gefühl, was den Kerl anging. Ihm war zu Ohren gekommen, dass viele sich diesen Banden nur zum Überleben anschlossen, was ja möglicherweise auch auf Hector zutraf. Plötzlich hörte er ein leises Scharren. Er schaute in die Dunkelheit hinein, indem er seine Augen anstrengte, um den Ursprung des Geräuschs auszumachen. Auf einmal polterte es laut – Konserven, die auf den Fußboden fielen – und die Stille war endgültig vorbei.

»Das kam von hinten«, wisperte Karen.

Als sich Cooper umdrehte, erkannte er eine Gestalt, die sich langsam in ihre Richtung schleppte. Ihre Augen leuchteten in der Finsternis. Cooper zog daraufhin seine Pistole und ging auf sie zu, blieb dann aber überrascht stehen. Denn es war Taffer.

»Was zum Geier soll das, warum bist du hier?«, flüsterte Cooper, während er sich vorstellte, wie gerade Hunderte Leichen über den Parkplatz zum Gebäude pilgerten. Taffers Stimme klang brüchig und war kaum zu verstehen.

»Dieses Arschloch …« Mehr brachte er nicht hervor. Er hielt sich am nächstbesten Regal fest und richtete sich mühsam auf.

Als Cooper die Lampe anhob, zuckte er entsetzt zusammen. Die Frauen kreischten. Hinter Taffer drängelten sich wandelnde Leichen, so weit der Lichtkegel reichte. Unzählige helle Punkte leuchteten in der Dunkelheit auf – die Augen der Untoten, die den hellen Strahl zurückwarfen. Dieser Reflexion wohnte etwas Widerwärtiges inne. Das Blinken, während sie mit ihren Köpfen wackelten, fand Cooper extrem unheimlich, und das Geräusch, wenn sie mit den Zähnen schnappten, war genauso schauderhaft. Er konnte sich nicht bewegen, weil er so gebannt von dem Schreckensbild vor ihm war.

»Taffer, dreh dich um«, sagte Karen nun.

Er schaute zurück und wieder nach vorne. Seine Stimme war so leise, dass er praktisch nur den Mund bewegte: »Scheiße.« Er fing an zu zittern und ging dann in die Knie. Die Untoten drängten weiter vorwärts.

»Taffer!«, fuhr Ellen auf. Er riss seinen Kopf hoch und strengte sich an, um wieder geradezustehen. Die Zombies stöhnten und drängten sich aneinander, als sie den Ruf hörten.

»Bleib auf den Beinen«, fuhr sie fort. »Kannst du rückwärtsgehen? Ich glaube, sie fürchten dich entweder oder folgen dir.«

»Nein«, flüsterte er mit einem starren Blick und schüttelte seinen Kopf. »Gott, nein.«

Karen, die ganz hinten stand, stieß nun einen gellenden Schrei aus. Ein Untoter hatte sie ergriffen und zog sie an sich. Cooper reagierte, so schnell er konnte: Er hob eine Pistole, beugte sich nach vorne und zielte sorgfältig. So fällte er die Leiche mit einem einzigen Kopfschuss. Leider waren noch viele weitere hinter ihr … viel zu viele.

»Du musst versuchen, uns hier rauszubringen«, verlangte er von Taffer.

»Geht es Tom gut?«, fragte Karen, bevor sie rasch hinterherschob: »Und Hector?«

Taffer schüttelte nur wieder den Kopf. Daraufhin schluchzte Karen los. Cooper musste schnell handeln, also baute er sich vor Taffer auf, packte eine seiner Schultern und drehte ihn so herum, dass er auf die Zombies schaute. Sie wichen tatsächlich langsam zurück. Entkräftet durch den Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug wankte Taffer vorwärts, während Cooper ihn durch den Gang schob. Die Untoten fauchten, gingen aber immer weiter nach hinten. Sie wirkten eher verwirrt als wütend, so als könnten sie tatsächlich Gefühle zeigen. Cooper wurde bewusst, dass sie ihm eigentlich immerzu wütend vorkamen – was aber wohl daran lag, dass sie stets versuchten, ihn zu fressen.

Taffer geriet plötzlich ins Taumeln und machte offenbar endgültig schlapp. Cooper, dessen Knie ein wenig einknickten, hätte ihn beinahe fallen lassen, gewann aber sein Gleichgewicht wieder und verhinderte es. Dann zuckte er allerdings wieder zusammen, weil Karen erneut schrie. Er schnellte herum und war aufs Neue entsetzt, als er von hinten eine Masse Untoter kommen sah. Die erste Reihe beeilte sich nun sichtlich. Hastig zückte er eine Kanone und gab zwei schallgedämpfte Schüsse ab. Eine Leiche ging daraufhin in die Knie und fiel mit einem dumpfen Knall auf ihr Gesicht. Als sich Cooper umdrehte, hatten ihn die anderen schon fast erreicht. Ihm blieb also nur ein kurzer Augenblick, um Taffer zum Aufstehen zu bewegen, oder er würde ihn liegen lassen müssen, und sich daran machen, die Untoten im Dunkeln zu bekämpfen.

Letzten Endes hielt er den reglosen Leib mit dem linken Arm um seinen Hals hoch, wobei er zwar befürchtete, ihn zu erwürgen, sich aber trotzdem nicht traute, ihn loszulassen. Taffer wieder aufzurichten würde ihm nämlich niemals gelingen. Er schlug ihm mit der rechten Hand ins Gesicht, doch nichts geschah. Die Untoten hielten sich zwar zurück, obwohl sie weiterhin nach dem Körper langten, um ihn von Cooper wegzuziehen.

Taffer musste unbedingt wieder zu sich kommen. Cooper war verzweifelt. Er ließ den Schlagstock aus seinem rechten Ärmel in seine Finger gleiten und fuhr ihn mit einer schwungvollen Bewegung aus. Im Geiste entschuldigte er sich, bevor er ihn Taffer genau in den Schritt rammte. Die Reaktion erfolgte allerdings prompt: Taffer riss die Augen auf und brüllte, als sei ihm … als sei ihm ein Teleskoprohr mitten in die Eier gestoßen worden. Auch die Toten reagierten sofort und konnten sich gar nicht schnell genug wieder zurückziehen. Viele stürzten, standen hastig wieder auf und schwirrten ab.

Cooper war also wieder im Rennen. Er hätte schwören können, dass Taffer nun schluchzte. Die Frauen folgten ihm dicht. Ellen war so umsichtig gewesen, auf dem Weg hinaus, so viele Waren mitzunehmen, wie sie tragen konnte, und rief nun nach hinten: »Karen, schnapp dir, was du in die Finger kriegst!«

Der Eingang war ein weißes Loch: Ein schmerzhaft greller Lichtfleck, der sie blendete, nachdem sie sich zuvor durch die Dunkelheit geschlagen hatten.

Darum machten sie ihre ersten Schritte, als sie draußen waren, ohne viel zu sehen. Sie stürzten einfach durch die Tür, getrieben von dem Wunsch, sich den Untoten in der Finsternis zu entziehen, und standen plötzlich unerwartet vor einer neuen Bedrohung. Als sie vorübergehend von der Sonne geblendet innehielten, brach einer Welle gleich ein Stöhnen über sie herein. Sie hielten sich die Hände über die Augen und erblickten nun etwas, das sogar noch entmutigender war als die Zombies im Dunkeln. Sie verharrten auf einmal am Rande eines Meeres aus toten Leibern, und von Tom, Hector und dem SUV fehlte jede Spur.

»Der Wichser hat mich einfach rausgeworfen und ist weggefahren«, keuchte Taffer, bevor er auf den Asphalt niedersank.

Die Untoten kreisten die drei Überlebenden, deren Gefährte nun ohnmächtig am Boden lag, erschreckend schnell ein.

 

Kapitel 2

 

Die einst malerische Lichtung mitten im Redwood-Nationalpark war jetzt ein unansehnlicher Fleck geworden, vollkommen verschandelt nach mehreren Wochen als menschliches Gefangenenlager. Es wimmelte dort vor Fliegen, stank nach Körperausdünstungen, Fäkalien und nach Verwesung. Dies war Verelendung mit Kalkül … ein Versuch, die Moral zu brechen und sie auszuräumen … und es funktionierte ganz offensichtlich.

Nachdem Cooper Willow überwältigt und die Flucht ergriffen hatte, war es ihnen allen übel ergangen. Ben hatte die übrigen Angehörigen des Zirkels hungern lassen, damit sie nicht wieder zu Kräften kamen und sich in ihrem kümmerlichen Zustand erst gar keine Hoffnungen machten, geschweige denn erfuhren, dass sie tief in den Wäldern steckten. Sie alle waren nachts im Frachtraum von Bens Kleinbus hergebracht worden. Nur er und Willow wussten, wo genau sie sich zurzeit befanden.

Alle Mitglieder lagen nackt und auf dem Bauch auf ihren Kleidern, während sie darauf warteten, dass sich etwas änderte – irgendetwas! Sie waren mittlerweile dem Zusammenbruch nahe und hätten alles für einen Bissen Nahrung, einen Schluck Wasser oder eine kleine Gefälligkeit getan … beziehungsweise für eine umso begehrtere Pille aus Willows Tasche. Das Mittel raubte ihnen nämlich die Sinne und machte sie schmerzunempfindlich, aber eben leider auch zunehmend abhängig von Ben. Sie hatten sich an die Aussicht auf Schmerzen und Todesdrohungen bereits gewöhnt, und darin eine neue Normalität gefunden. Sie durften nur noch darauf hoffen, in die Gunst ihres Peinigers zu gelangen, indem sie ihm schmeichelten.

Ben, ein Kerl Mitte zwanzig mit Dreadlocks und äußerst kriminell, war ein drogensüchtiger Vergewaltiger und Mörder. Er hatte die Kontrolle über den Zirkel an sich gerissen und im Zuge des Angriffs eines geplanten Opfers, das daraufhin entwischt war – Cooper hatte der Typ geheißen – grausame Regeln über die verbliebenen Mitglieder verhängt.

Nach diesem Zwischenfall hatte Ben den Knaben, der dabei verletzt worden war, in die Mitte der Lichtung gezerrt und einfach dessen Kehle aufgeschlitzt. Anschließend hatte er sich ein Mädchen geschnappt, eines der hässlichen, und es auf die gleiche Art umgebracht. Er kommandierte die Mitglieder herum und zwang alle dazu, sich auszuziehen und auf ihre Kleider zu legen. Als sich eine junge Frau geweigert hatte, hatte er sich lächelnd vor sie gestellt, eine Pistole gezückt und ihr in den Bauch geschossen. Sie war zusammengebrochen und hatte vor Schmerzen geheult, während sie langsam vor den Augen der anderen verblutet war. Dies schien den Rest sofort unterwürfiger zu machen. Alle waren fortan still, nur die Verwundete nicht. Sie bettelte mit schwindenden Kräften um Hilfe, bis sie schließlich röchelnd ihren letzten Atemzug tat.

Drei Leichen verwesten nun mitten auf dem Platz und neun nackte Gefangene lagen im Kreis ringsherum. Zwei von ihnen waren entkommen, und das ließ Ben einfach keine Ruhe. Es machte ihn sogar noch zorniger, als er sowieso schon war. Er hatte Pillen geschmissen und seit Tagen schon kein Auge mehr zugetan.

Wenige Tage nach diesen Vorfällen waren direkt an der Baumgrenze am Rande der Lichtung zwei Gestalten erschienen. Sie hatten eine ganze Zeit lang unbemerkt und still dagestanden, bis sie schließlich vorgetreten waren, damit Ben sie sah. Der Platz glich einer Insektenkolonie, und bei dem Gedröhne hätte man sogar schon nach wenigen Minuten wahnsinnig werden können.

Als das Paar Ben endlich auffiel, hielt er sofort inne. Er blieb schwankend stehen, während sein benebelter Geist unentschlossen war: War dies nur eine Sinnestäuschung und spielte ihm sein Verstand gerade einen Streich, oder sah er wirklich gerade zwei Personen in schwarzen Gewändern? Wie eine Zeichentrickfigur rieb er sich über die Augen und neigte seinen Kopf zur Seite. Als eine der Gestalten irgendwann den Kopf anhob, lächelte Ben jedoch. Denn es waren die beiden entflohenen Mitglieder des Zirkels.

Auf der Lichtung stand jetzt ein älterer Mann mit Glatze, unnatürlich schwarzem Kinnbart und einem silbernen Anhänger am Hals, der einen Ziegenkopf darstellte. Vom Aussehen her entsprach er dem Klischee eines satanischen Hohepriesters aus einem zweitklassigen Film. Ihn begleitete eine junge Frau Anfang zwanzig, die ein identisches schwarzes Gewand mit Kapuze trug. Ihre Augen waren betörend grün und schienen das Licht zu verstärken, das sich darin brach. Nicht nur die Farbe verblüffte ihn, sondern auch die Form, zumal das Gesicht, zu dem sie gehörten, nicht weniger hübsch war.

Als Ben erkannte, dass sich seine Vision eines doppelten Schnitters lediglich als zwei zurückgekehrte Angehörige des Zirkels herausstellte, strahlte er vor Freude und eilte über den Platz. Dabei scheuchte er allerdings eine Wolke Ungeziefer auf, die fast den Himmel verdunkelte und einen unheilvollen Schatten warf. Das Schwirren wurde auf einmal zehn Mal so laut wie zuvor. Die Liegenden hoben ihre Köpfe, während ihr Führer über die Toten stieg, und schauten halb hoffnungsvoll und halb ängstlich zu ihm.

»Ben.« Der alte Mann mit dem lichten Haarschopf, das ehemalige Oberhaupt des Zirkels, sah davon ab, seine Hände hochzuheben, um den jungen Mann zu zügeln, denn dies hätte leicht als Zeichen von Schwäche gedeutet werden können. Stattdessen wich er nicht von der Stelle und zuckte nicht mal mit der Wimper, sodass sein Gesicht einer gleichmütig stumpfsinnigen Maske glich, obwohl ihm sein Gegenüber offensichtlich große Angst einjagte, weshalb er es bereute, ihn und die Schlampe jemals in seine Gruppe eingeladen zu haben. Seit ihrer Aufnahme herrschten Spannungen und ein gereiztes Klima in einer sowieso schon Tag für Tag brenzliger werdenden Situation.

»Ben, irgendwann wird dir dein Temperament noch zum Verhängnis werden.«

»Wer weiß? Vielleicht schon heute.« Diese Bemerkung wurde mit einer tiefen und sinnlichen Stimme ausgesprochen. Die Frau, der sie gehörte, hielt eine kleine Pistole unter ihrer Robe in die Höhe. Ben hörte die Worte allerdings nicht und bemerkte auch keine Waffe.

»Soll das etwa eine Drohung sein, Zamfir?« Nun hatte er die beiden endlich erreicht. »Du drohst mir also mit deinem schwarzen Zauber?«

Er ging nun schnurstracks auf den Alten zu, bis dieser direkt vor ihm stand, sodass nur noch wenige Zoll Abstand zwischen ihren Gesichtern blieben.

Die Gefangenen, die dies beobachteten, hielten jetzt praktisch die Luft an. Für sie tat sich hiermit nämlich eine Chance zur Rettung auf. Sie sahen einen Hoffnungsschimmer, da Bens Einfluss auf sie nachließ. Er hob seine Pistole, während Zamfir antwortete: »Ja, mein Zauber ist stark.« Seine Stimme setzte allerdings bei diesen Worten kurz aus. Er kniff die Lider zusammen, als wenn er dem Jüngeren Furcht einflößen wollte, doch in Wirklichkeit geschah dies im Bestreben, seine eigene zu überspielen. »Möglicherweise ist es an der Zeit, dass du abtrittst, Ben. Ich bin hier, weil ich meinen Zirkel zurückhaben möchte.« Dies äußerte er zwar, innerlich dachte er dabei jedoch: Mein Gott, bitte verschwinde und nimm diese Schlampe mit!

Die Frau sprach nun lauter, allerdings ohne ihr Gesicht unter der dunklen Kapuze zu zeigen: »Lass die verfluchte Pistole fallen, Ben.« Ihre eigene hielt sie währenddessen höher.

»Rachael.« Die Art, wie Ben den Namen aussprach und sie dabei anschaute, war sehr aussagekräftig. Er nahm seine Waffe herunter.

Rachael erschauerte. Sie hätte den Zirkel schon vor langer Zeit verlassen, wären da nicht Mitglieder wie Ben gewesen. Sie erachtete es deshalb als ihre Pflicht, zu bleiben und den alten Mann vor diesen Raubtieren zu schützen.

»Wie du wünschst, Zamfir.« Bei dieser Anrede bemühte sich Ben um einen höhnischen Tonfall. »Vielleicht ist es tatsächlich Zeit, dass sich unsere Wege trennen. Lass den Zirkel doch darüber abstimmen, wem er folgen möchte.« Er drehte sich um, streckte die Arme weit auseinander und rief: »Wer will sich mir anschließen, um Sicherheit und Frieden zu finden, und wer will diesem Schwächling dorthin folgen, wo unweigerlich Verderben und Tod warten?«

Niemand antwortete, aber ihre Blicke schnellten von Ben zu Zamfir und wieder zurück. Eine ganze Zeit lang herrschte Stille, die den Jüngeren auf die Palme brachte. Sie hätten sich umgehend entscheiden müssen! Die Frage, wem sie Treue schworen, sollte sich doch wohl eigentlich erübrigen. Er bedauerte es, sich nicht länger damit aufhalten zu können, sie zu zermürben. Denn wenn einer zu Zamfir überlief, könnten es alle tun.

Ben hatte nie begriffen, dass es sich bei dem Zirkel nicht um eine okkulte Vereinigung im eigentlichen Sinn handelte. Er gehörte ihm nun seit ein paar Wochen an und wartete nach wie vor darauf, etwas Abgründiges oder Satanisches zu sehen oder zu hören. Zamfir, so vermutete er, hatte die Mitglieder genauso beeinflusst und kontrolliert, wie es in Bens Sinne gewesen wäre. Darin täuschte sich der junge Mann jedoch gewaltig. Denn der Zirkel war in Wirklichkeit einfach nur eine Gruppe obdachloser Kids, die nichts über ihren Leitwolf kommen ließen. »Führer« nannten sie ihn außerdem nur augenzwinkernd, wenn sie unter sich waren und insbesondere in seiner Gegenwart. Nach außen gab er sich als Oberhaupt eines Satanskultes aus, doch alles, was er von sich gab, war bloß aus dem Steigreif ersonnen, und den jungen Mitgliedern machte es einfach nur Spaß, des Teufels Helferlein zu spielen und im Gegenzug Nahrung und Obdach zu erhalten.

Zamfir, der selbst ernannte Kronprinz der Finsternis, passte gut auf sie alle auf, wobei er nichts weiter im Schilde führte, als um Aufmerksamkeit zu heischen und dem Alleinsein zu entgehen, weil seine Mutter einige Jahre zuvor gestorben war. Seine Anhänger zu missbrauchen oder sie zu befehligen lag ihm fern. Er stellte eher den Gegenentwurf zu einem Sektenführer dar. Ben allerdings … in ihm steckte tatsächlich das Zeug zu einem zweiten Charles Manson oder zu einem Jim Jones. Er erfüllte alle Kriterien dafür – er war verrückt, charismatisch und herrschsüchtig. Und nicht zu vergessen: extrem grausam.

Seit Tagen schon versuchte Ben, die Mitglieder des Zirkels zu manipulieren, und stand mittlerweile kurz vor dem Durchbruch, doch der Angriff jenes Arschlochs hatte ihn und Willow wirklich alt aussehen lassen – besonders sie, weil sie bis heute nicht wieder auf die Beine gekommen war. Der Kerl hatte sie derart schwer verletzt, dass sie einen nachhaltigen Hirnschaden davongetragen haben musste, denn ihr war seitdem schwindlig, und sie nahm ihr Umfeld nur noch verschwommen wahr. Außerdem machte ihr auch ihr Hals Sorgen, denn sie konnte den Kopf nicht mehr drehen, und ihr Gesicht … Ihr Gesicht war vollkommen im Eimer.

Rachael wusste dies aber zu schätzen, denn Ben mochte zwar ein absoluter Albtraum sein, doch Willow war noch weitaus schlimmer. Nachdem sich Rachael nie hatte vorstellen können, jemanden zu ermorden – dies zu tun hatte sie für sich kategorisch ausgeschlossen – spielte sie in letzter Zeit durchaus mit dem Gedanken. Schon vor dem Angriff auf die beiden hatten sich die Kids gefürchtet und gehungert, und hinter vorgehaltener Hand erwogen, Ben zu folgen. Wobei ihnen gar nicht bewusst gewesen war, dass sich ihre Lage auf diese Weise, sogar noch weiter verschlechterte, wenn sie dies taten. Rachael hatte beobachtet, wie sich mehrere von ihnen heimlich und scheinbar beiläufig mit Ben unterhalten hatten, bestimmt um irgendeine Arglist auszubrüten. Er war ein Angstmacher und Einflüsterer mit Charme, wenn es die Situation erforderte. Rachael fühlte sich momentan einfach außerstande, mit ihm fertig zu werden.

Dann war da aber noch der Mann, den sie zuletzt entführt hatten – Gott sollte gedankt werden für ihn. Sie war untröstlich, weil ihr Freund Ricky hatte leiden und schließlich sterben müssen, doch zu erleben, dass Ben und Willow mehrere Gänge zurückschalten mussten, trug viel dazu bei, seinen Einfluss auf die Kids endlich aufzuheben. Obwohl Ben dies als Vorwand dafür benutzte, sie alle wie Geiseln zu halten, war Rachael überzeugt davon, dass die Mitglieder sich nun geschlossen gegen ihn auflehnen würden.

 

Sie sprach zuerst: »Ich entscheide mich für Zamfir!«