Das Pendant des indirekten Beschwerdemanagementprozesses ist in Form einer Swimlane nicht vorhanden, weil diese nicht chronologisch aufgebaut ist und sinnlos wäre.
Art des Audits |
Ziel und Zweck |
Auftraggebende Stelle |
Fokus |
Referenzen, Grundlagen, Dokumente |
Systemaudit |
Zertifizierung des Qualitàtsmanagementsystems und Bewertung der Konformitàt gegenùber einem ausgewàhlten Normenmodell |
Oberste Fùhrung, zertifizierende Organisation |
Systemorientiert, strukturorientiert |
Gewàhltes Normenmodell (z.B. ISO oder Branchennorm) |
Prozessaudit |
Untersuchung und Bewertung von Prozessen auf ihre Fàhigkeit, bestimmte, zuvor definierte Anforderungen zu erfùllen |
Oberste Leitung, Prozesseigner |
Prozess- und ergebnisorientiert |
Prozesslandkarte/ Prozessbeschreibungen |
Produktaudit |
Untersuchung und Bewertung von Produkten auf die Erfùllung der ausgesprochenen und nicht ausgesprochenen Kundenanforderungen |
Oberste Leitung, Vertrieb, Marketing, Entwicklung |
Produkt- und ergebnisorientiert |
Lasten- und Pflichtenhefte, Produktspezifikationen, Marktforschung, Versuchsberichte, Feldstudien |
Verfahrensaudit |
Betrachtung, Untersuchung und Bewertung von Verfahren auf ihre Fàhigkeit, bestimmte, zuvor definierte Anforderungen zu erfùllen |
Oberste Leitung, Produktion |
Prozess- und ergebnisorientiert |
Verfahrens-, Produkt- und Prozess-spezifikationen |
Lieferantenaudit |
Untersuchung und Bewertung der Lieferfàhigkeit, Qualitàt und Organisation von Lieferanten |
Oberste Leitung, Einkauf, Entwicklung, Produktion |
System- und ergebnisorientiert |
Lieferantenvereinbarungen, Lieferantenspezifikationen, Vertràge, Rechtsvorschriften |
Projektaudit |
Untersuchung und Bewertung der Effektivitàt und Wirtschaftlichkeit von Projekten |
Oberste Leitung, Projektleitung |
Prozess- und ergebnisorientiert |
Projektzielsetzungen, Terminplàne, Ressourcenplàne, Netzplàne |
Die Norm mit der Bezeichnung »Qualitätsmanagement – Kundenzufriedenheit – Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen«, ist unverkennbar ein Mitglied in der ISO-9000:2000-Familie. Sie ist mit der ISO 9001:2000 und ISO 9004:2000 kompatibel und unterstützt die Ziele dieser Normen »durch die wirksame und effiziente Anwendung eines Prozesses zur Reklamationsbearbeitung«.
Ein umfangreicher Anhang enthält unter anderem eine spezielle Anleitung für KMU, eine Reihe von Musterformularen, ein Flussdiagramm und mehrere ergänzende Ausführungen zur Norm. Die Norm ist ein guter Leitfaden gerade für Mitarbeitende kleiner und mittlerer Unternehmen, die häufig gewachsene Strukturen im Kundenzufriedenheitsmanagement haben. Gerade der Anhang hat seit Veröffentlichung der Norm viele Anhänger gefunden.
Abschnitt 1 |
Anwendungsbereich |
Abschnitt 2 |
Normative Verweisungen |
Abschnitt 3 |
Begriffe |
Abschnitt 4 |
Richtlinien |
Nachvollziehbarkeit; Zugänglichkeit; Reaktionsbereitschaft; Objektivität, Gebühren, Vertraulichkeit; kundenorientierte Einstellung; Verantwortlichkeit; ständige Verbesserung |
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Abschnitt 5 |
Rahmenprogramm der Reklamationsbearbeitung |
Verpflichtung; Politik; Verantwortung und Befugnis (Top-management |
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Verantwortliche für den Beschwerdemanagementprozess; andere am Beschwerdemanagementprozess beteiligte Manager; die Mitarbeiter im Kontakt mit Beschwerdeführer; alle Mitarbeiter) |
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Abschnitt 6 |
Planung und Entwicklung |
Allgemeines; Ziele; Aktivitäten; Ressourcen |
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Abschnitt 7 |
Durchführung des Prozesses zur Reklamationsbearbeitung |
Kommunikation; Entgegennahme der Reklamation; Rückverfolgung der Reklamation; Reklamationsbestätigung; Anfangsbewertung der Reklamation; Reklamationsermittlung; Stellungnahme zu Reklamationen, Bekanntmachung der Entscheidung; Abschluss der Reklamation |
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Abschnitt 8 |
Aufrechterhaltung und Verbesserung des Prozesses zur Bearbeitung von Reklamationen |
Informationssammlung, Analyse und Bewertung von Reklamationen; |
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Anhang A |
Anleitung für kleine und mittelständische Unternehmen |
Anhang B |
Reklamationsformular |
Anhang C |
Objektivität |
Anhang D |
Reklamationsrückverfolgbarkeitsformular |
Anhang E |
Stellungnahmen |
Anhang F |
Flussdiagramm zur Eskalierung |
Anhang G |
Fortlaufende Überwachung |
Anhang H |
Audit |
Jamal Algedri: Fehler, Hanser Verlag, 2013
Janelle Barlow/Claus Moller vom Redline Wirtschaftsverlag: Eine Beschwerde ist ein Geschenk – Der Kunde als Consultant, 2003
Edmund Görtler/Prof. Dr. Doris Rosenkranz: Mitarbeiter- und Kundenbefragung, Pocket Power, Hanser Verlag, 2006
Claudia Grötzbach, Cornelsen Verlag: Beschwerdemanagement. Unzufriedene Kunden als Chance, 1. Auflage, 2010
Nils Hafner/Rémon Elsten: Kundendialog Management, 2016
Thorsten Havener, Dr. med. Michael Spitzbart: Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!: Die Macht der Gedanken, Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: Originalausgabe, 2010
Ch. Homburg/H. Schäfer/J. Schneider: Sales Excellence – Vertriebsmanagement mit System, 7. Auflage, Springer Gabler Verlag, 2012
ISO 9001 Qualitätsmanagementsysteme -Anforderungen (ISO 9001: 2015)
ISO des Beschwerdemanagements 10002:2004 – Kundenzufriedenheit – Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen
Bernd Stauss/Wolfgang Seidel vom Hanser Verlag: Beschwerdemanagement. Unzufriedene Kunden als profitable Zielgruppe, 5. Vollständig überarbeitete Auflage, 2014
Gerhard Tinnefeldt: Beschwerdemanagement – Qualitätssicherung ohne Umwege, Tinnefeld Verlag – 2001
Armin Töpfer: Anforderungen, Prozesse, Zufriedenheit, Bindung und Wert von Kunden, Springer Verlag, 2008
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/beschwerdemanagement.html
http://www.business-wissen.de
http://www.der-beschwerer.de/samsung-galaxy-tab-4-aus-telekom-wiedergutmach-aktion-angekommen/
http://www.net-promoter.de/
http://www.sbb.ch/sbb-konzern/ueber-die-sbb/zahlen-und-fakten/puenktlichkeit-und-sicherheit.html
http://www.sixsigmablackbelt.de/fehlerkosten-10er-regel-zehnerregel-rule-of-ten/
http://www.tomorrow-focus.de/newsroom/dokumenten-datenbank/pressemitteilung/studie-zum-bewertungsverhalten-im-internet-internetnutzer-bewerten-um-zu-helfen-reisen-ist-top-thema_aid_1331.html
https://organisationsberatung.net/change-management-erfolgsfaktoren/#14_Change_Management_Erfolgsfaktoren
https://www.haufe.de/compliance/haufe-compliance-office-online/beschwerdemanagement-interne-grundsaetze-als-basis-fuer-wirksames-compliance-feedback_idesk_PI28584_HI6757086.html
https://www.inloox.de/projektmanagement-glossar/kommunikation/
https://www.menschen-im-vertrieb.at/blog/2012/02/12/fuhrungsgrundsatze-der-zukunft/
https://www.synpulse.com/_Resources/Persistent/9419556b1f3ead41715365456e35f2314223b82e/Churn%20Management%20(Deutsch).pdf
http://www.thomas-hilsenbeck.de/wp-content/uploads/Dr-Th-Hilsenbeck-Handbuch-Beschwerdemanagement-Vers-6_0.pdf
https://www.tucottbus.de/projekte/uploads/media/eBook_Beschwerdemanagement; eBook von Anne M. Schüller
Prof. Dr. rer. Pol Nils Hafner, Customer Competencies, Institut Dr. Hafner GmbH
Marco Schöpf, Post CH AG
Manuel P. Nappo, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, Center for Digital Business
Zehra Sirin ist Unternehmungsberaterin und Geschäftsführerin der Size Consens AG in Zürich. Die Beratungs- und Schulungsschwerpunkte liegen im Aufbau und in der Optimierung von Strategie- und Prozessmanagement. Sie ist Fachexpertin in den Themen Health-, Safety-, Environment-, Quality-Management.
Ihre betriebswirtschaftlichen, technischen und methodischen Erfahrungen basieren auf diversen Hochschulabschlüssen, Erfahrungen in verschiedenen Führungsfunktionen, die sie vor ihrer Selbstständigkeit wahrnahm. Sie ist Mitglied in Arbeitsgruppen, Fachgremien und Lehrbeauftragte sowie Keynote Speakerin für Strategie-, Prozessmanagement und HSEQ in diversen Hochschulen in der Schweiz.
Die Size Consens AG ist eine branchenübergreifende Unternehmungsberatung und Schulungsunternehmung, die im Jahre 2015 von Zehra Sirin gegründet wurde.
Die Beratungs- und Schulungsschwerpunkte liegen in Aufbau und Optimierung von folgenden Managementthemen:
Unternehmungsstrategien
Integriertes Managementsystem
Geschäftsprozessmanagement inklusive internes Auditmanagement
Corporate Governance und Audit im Auftrag des Verwaltungsrats und/oder der Geschäftsleitung
Die Size Consens AG steht für langjährige Praxiserfahrung in Zusammenarbeit mit Marktführern der unterschiedlichsten Branchen.
Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage: www.size-consens.ch
1. Grundlegendes zum Beschwerdemanagement
Es ist wie in unserem Privatleben auch. Wenn uns jemand wirklich wichtig ist und wir die Harmonie mit diesem Menschen suchen, dann scheuen wir uns nicht, verstehen zu wollen, wann diese Person in welcher Weise durch uns gekränkt oder enttäuscht wurde. In solchen Fällen setzen wir viel daran, ein Gespräch zu führen, auch auf das Risiko hin, dass das, was wir in Erfahrung bringen, einer Kritik gleichkommt.
Das Wichtigste an einem solchen Gespräch ist die Art und Weise, wie dieses geführt wird. Nur dann können wir die Beziehung retten oder sogar noch stärken. Brauchen Sie noch mehr Argumente, warum es klug ist, Ihr Unbehagen gegenüber Kundenbeschwerden zu ändern?
Ein Kunde kauft ein Produkt Ihres Unternehmens, weil er sich durch Ihre Bemühungen hinsichtlich der Erreichbarkeit, der Verpackung und des Preis-Leistungs-Verhältnisses, angesprochen gefühlt hat.
Selbst wenn sich der Kunde nach dem Kauf beschwert – ob berechtigt oder nicht –, bleibt eines sicher: Ihr Unternehmen hat hier bereits das erste Mal gegenüber dem Mitbewerber gewonnen. Ist das kein Grund, dem Kunden herzlich dafür zu danken?
Und nun weicht dieses Produkt oder die Dienstleistung von seinen Erwartungen ab und er macht sich die Mühe, dies dem Unternehmen noch mitzuteilen. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Kunde Sie noch gerade so viel schätzt, dass er sich die Mühe macht. Sonst hätte er sich diese Mühe nicht gemacht und stattdessen seine Enttäuschung im World Wide Web breitgetreten, wo Sie übrigens weniger Chancen haben, mit einer Gegendarstellung Gehör zu finden. Also: Danke, lieber Kunde, das wissen wir sehr zu schätzen!
Nicht selten werde ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht alle Kundenbeschwerden berechtigt sind und eine nachsichtige Haltung so wirken könnte, als ob das Unternehmen den Fehler eingesteht. »Und wir wollen doch nicht die vielen Kunden vergessen, die so etwas schamlos ausnutzen.« Meine Antwort darauf: »Sie geben nicht nach und gestehen auch keinen Fehler ein. Sie zeigen im ersten Schritt Wertschätzung und schaffen damit einen positiven Auftakt ins Gespräch. Eine Reaktion, mit dem der Kunde zu diesem Zeitpunkt des Gespräches wahrscheinlich überhaupt nicht rechnet. Und vor allen Dingen: Bleiben Sie durchgängig professionell und sachlich, auch bei missbräuchlichen Fällen.«
Kommen wir wieder zurück zum Umgang mit Beschwerden in der Praxis. Nachdem ein Kunde, der sogenannte Beschwerdeführer, sich durch die Durchwahl gekämpft und die vor ihm in der Warteschlange abgehandelten Fälle durchgehalten hat, folgen nun, durch eine mehr oder weniger freundliche Stimme, Fragen und Sätze wie »Haben Sie eine Kundennummer oder können Sie Ihren Namen bitte buchstabieren? Sind Sie sicher, dass …? Und was wollen Sie jetzt genau von mir? Das muss ich zuerst abklären. Einen Moment bitte …«. Und schon erklingt wieder die erheiternde Wartezeit-Musik in der Dauerschleife.
Keine wertschätzenden Worte zum Einstieg, keine Empathie und kaum Interesse, die Unzufriedenheit gemeinsam zum Win-Win zu führen.
In diesem Buch wird der Nutzen des Beschwerdemanagements transparent gemacht und Lösungsansätze, Best Practice, werden für unterschiedliche Geschäftsmodelle vorgeschlagen. Insbesondere wird auch die Frage beantwortet, welchen Einfluss die Social-Media- und/oder Bewertungsplattformen haben. Beschwerden und Lob sollen als Kundenrückmeldung gleichwertig behandelt werden.
Beschwerdemanagement sollte als ein abteilungsübergreifendes Thema von Führung, Qualitätsmanagement, Marketing, Vertrieb und, je nach Bearbeitungsform, auch der operativen Prozesse verstanden werden. Die Zuordnung ist viel weniger bedeutsam als das Bestreben nach einem integrierten Ansatz und mittels konventioneller Konzepte aus allen Bereichen, die die Kundenorientierung verbessern und stärken.
Wie in allen Managementsystemen ist auch dasjenige für das Beschwerdemanagement abzugrenzen und für die Bedeutung ein einheitliches Verständnis zu schaffen.
Wie wollen Sie den Umgang mit dem Begriff
»Kundenbeschwerde« erleichtern?
Bevor jedoch auf die Bezeichnung näher eingegangen wird, wird das mindestens so oft erwähnte Wort »Management« interpretiert. Im vorliegenden Buch lehne ich es zwischen den unzähligen betriebswirtschaftlichen Definitionen insbesondere an die systematisierte Arbeitsweise bzw. an den Regelkreis nach Edward Deming Plan – Do – Check – Act an.
Plan: Das Unternehmen plant konkrete Ziele bezüglich Kundenzufriedenheit, auch wie damit umgangen werden soll, wenn die Kundenzufriedenheit nicht gelingen sollte.
Do: Diese werden dann in verschiedenen Bereichen und Ebenen umgesetzt.
Check: Die generierten Ergebnisse werden den geplanten Zielen gegenübergestellt und auf ihren Erreichungsgrad geprüft.
Act: Die Maßnahmen zur Verbesserung von Abweichungen gegenüber der Zielplanung werden eingeleitet und auf ihre Wirksamkeit überprüft. Auch die Adaption von bewährten Vorgehensweisen, welche sich als Erkenntnis aus dem Check ergeben, kann an anderer Prozessstelle als Verbesserungsmaßnahme eingeführt werden. Beide Maßnahmen bilden die Spirale zur kontinuierlichen Verbesserung.
Betrachtet man nun das Wort »Beschwerdemanagement« von Neuem, steht es bereits in einem ganz neuen Licht: Beschwerden sind ein Instrument zur kontinuierlichen Verbesserung der Kundenzufriedenheit.
Aus weitergehenden Quellen der BWL- bzw. Normenwelt sind außerdem die folgenden Definitionen zu finden. Alle betonen die Wirkung von Beschwerden, nicht das Potenzial. Damit weisen sie kaum positive Facetten auf.
Aus der Fachliteratur (Bernd Stauss/Wolfgang Seidel, 2014) versteht sich der Begriff »Beschwerde« als Kundenäußerungen von Unzufriedenheit gegenüber dem Unternehmen. Dabei stellen Reklamationen den Teil dar, bei dem auch Rechtsansprüche geltend gemacht werden können.
Die Norm ISO 9001:2015 bzw. der Leitfaden 10002 hingegen verwendet den Begriff »Reklamation« ohne die nach Bernd Stauss/Wolfgang Seidel gemachte Unterscheidung. Das heißt, der Begriff »Reklamation« wird für alle Arten von Unzufriedenheitsäußerungen verwendet, ob in Bezug auf Produkt, Dienstleistung oder Bearbeitung eines Prozesses. Eine Abgrenzung besteht hier zum Begriff »Rückmeldungen«, welche als Meinungen oder Stellungnahmen im Rahmen der Reklamationsbearbeitung verstanden werden.
Aus dem EFQM-Modell lässt sich Beschwerdemanagement nur ableiten, da dies nicht ausdrücklich, sondern implizit formuliert ist. Es formuliert, wie die Zufriedenheit erlangt werden kann: Über die Produkt- und Dienstleistungsqualität entscheidet letztendlich die Meinung des Kunden. Und Kundenloyalität, Kundenbindung und Marktanteil werden am besten durch eine klare Ausrichtung auf die Bedürfnisse gegenwärtiger und potenzieller Kunden optimiert. Und das Bedürfnis von gegenwärtigen Kunden ist auch die Beschwerdezufriedenheit im Falle einer Beschwerde.
Wikipedia hält sich sehr generisch und bezieht den Begriff auf eine Anstrengung oder körperliche Beschwerde.
Aus dem allgemeinen Empfinden und in der entsprechenden Umgangssprache versteht sich der Begriff »Beschwerde« als Kritik aufgrund eines gemachten Fehlers – rausgeschält und (zusätzlich) »be-schwert«, das heißt zulasten des Empfängers.
Das Verständnis für eine Beschwerde aus der Unternehmungsperspektive geht in eine ähnliche Richtung wie dasjenige im allgemeinen Empfinden und Umgang: »Die Leistung haben Fachexperten erforscht, entwickelt, erbracht und ausgeliefert, um sich dann von irgendeinem unqualifizierten Kunden mitteilen zu lassen, dass die Leistung ungenügend oder mangelhaft war?«
Um den Gedanken noch zu Ende zu führen: Und der Tatsache nicht genug, dass ein Mitarbeiter sich damit beschäftigen und Ressourcen verschwenden soll? Ganz zu schweigen von der Motivation des Mitarbeitenden, diese unqualifizierte Kundenrückmeldung vom Mitarbeitenden objektiv und wertschätzend entgegenzunehmen und intern an die relevanten Instanzen zur Bearbeitung weiterzugeben, ohne dabei als Nestbeschmutzer zu gelten?
Nun steht dieser in jeder Weise »als schwer definierte Fehler« vor dem Beschwerdeempfänger. Wie geht dieser primär wohl damit um? Ohne hier schon auf den Umgang mit Beschwerden vertiefter einzugehen, der in einem späteren Teil dieses Buches behandelt wird, Folgendes zum Begriff.
Entscheiden Sie als eine der ersten Maßnahmen, ob die Bezeichnung »Beschwerde« eine angemessene Bezeichnung in Ihrem Unternehmen ist. Möchten Sie mit diesem negativ behafteten Wort tatsächlich einen positiven Umgang mit einer solchen Angelegenheit erreichen? Schließlich klingt »Beschwerde« weniger kundenorientiert als beispielsweise »Kundenfeedback« oder »Kundenrückmeldung« – unabhängig davon, ob positiv oder negativ. Dies setzt aber auch voraus, dass sich Ihr Unternehmen in der Planungsphase mit der Frage: »Was wollen wir unter Beschwerden verstehen?« auseinandersetzt.
Empfehlenswertere und neutrale Bezeichnungen kommen beispielsweise im ERP-System von SAP vor. Im Modul QM kann das Beschwerdemanagement mit unter dem Begriff »Non Conformance Management – NCM« abgewickelt werden. Die Bezeichnung deutet auf jede Form von Abweichung hin, die nicht dem Standard entspricht. Den Standard legt jedes Unternehmen dabei selber fest. Genereller und positiver formulierte Bezeichnungen können auch Feedback oder Kundenrückmeldungen lauten.
Dabei sollte beachtet werden, dass eine Definitionseingrenzung und die Relevanz nicht zu stark eingeschränkt werden sollten, um der Anwendung in der Praxis eine gewisse Flexibilität zu gewähren.
Kundenrückmeldungen werden immer
als unangenehm empfunden.
Das liegt in der Natur des Menschen.
Die generellen Ziele des Beschwerdemanagements liegen darin, auf effiziente Weise Kundenzufriedenheit herzustellen, die negativen Auswirkungen von Kundenunzufriedenheit auf das Unternehmen zu minimieren und die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwächen und marktbezogene Chancen zu identifizieren und zu nutzen.
Einer der entscheidenden Vorteile liegt außerdem darin, dass bekannte Daten der Zielgruppe für eine gezielte Ansprache des Kundenstamms verwendet werden können. Nicht nur, was der Kunde wann und wo kaufte, sondern auch wie er Ihr Produkt nutzt. Das ist eine weitere Dimension des Kundenverhaltens, sozusagen der 3-D-Print des Konsumverhaltens Ihres Kunden.
Abbildung 1: Ziele und Potenziale des Beschwerdemanagements
Das ganze Leben werden wir dazu erzogen, keine Fehler zu machen. Es fängt im Sandkasten an und zieht sich durch die Schulzeit bis hin zur Berufswelt. Ob Auszubildende oder Berufseinsteiger, sie werden alle insbesondere nach ihrer Fehlerhäufigkeit als gut oder schlecht eingestuft.
Nicht verwunderlich, dass unser Verständnis von Fehlern darin besteht, dass Fehler unweigerlich zu mehr oder weniger unangenehmen Konsequenzen führen. Denn unser Gehirn speichert den Fakt »Fehler«, gepaart mit den entsprechenden Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen, für einen späteren Wiederholungsfall konsequent ab.
Und dann kommt man in die Berufswelt: Haifischbecken, Hackordnung – Leistung und nur Leistung ist hier gefragt. Die schmale Karriereautobahn, wo Höchstgeschwindigkeiten erwartet werden, bietet kaum Platz für Kandidaten, die dann noch Fehler machen.
Die Rechnung muss aufgehen. Und wie geht die Rechnung auf? Indem die Kundenerwartungen erfüllt werden, keine Fehler gemacht werden und der Kunde weiterhin fleißig sein Geld ausgibt und die Ertragsergebnisse stimmen.
Was aber, wenn die Rechnung nicht aufgeht, weil der Kunde glaubt, einen Fehler gefunden zu haben, und darauf hinweisen möchte? Dann wird ihm mit voller Wucht die Tür vor der Nase zugeknallt. »Ein Kunde, der sich beschwert? Angeblich Fehler gefunden hat? Unmöglich! Fehler machen wir nicht. Kein Interesse, vielen Dank und auf Wiedersehen.« Diese Worte werden einem Kunden selten direkt so ins Gesicht gesagt, aber sie kommen trotzdem genau so an. Der Kunde fühlt sich ignoriert.
Was das mit Beschwerden zu tun hat? Wer Fehler macht, zieht unweigerlich mehr oder weniger unangenehme Konsequenzen auf sich. Aus der neurowissenschaftlichen Sicht betrachtet, speichert unser Gehirn also den Fehler als etwas Negatives ab. Und was sind Beschwerden anderes?
Die Konsequenz eines Fehlers: Wir fühlen uns nicht gut. Weder der Beschwerdeführer noch der Beschwerdeempfänger. Häufig werden deshalb Fehler anderen Personen zugeschoben. Letzteres deshalb, weil erschwerend hinzukommt, dass laut Fritz Heider (Mentor der modernen Merkmaltheorie) die meisten Menschen eine Schuld eher einem Individuum als den Umständen zuordnen. Denn der Fehler wird »gemacht«, und das tun nun mal Personen. Deshalb sind wir als Beschwerdeempfänger bestrebt, die durch den Beschwerdeführer subjektiv mitgeteilte Wahrnehmung, die meist auf den Empfänger reduziert ist, von uns abzuweisen und möglichst zu widerlegen.
Ihr Verstand spricht nicht, wenn Sie mit einer Beschwerde mehr oder weniger überraschend konfrontiert werden und innerlich überkochen.
Im Fachjargon nennt sich das »psychologischer Nebel«. Er entsteht immer dann, wenn Sie selbst oder der Gesprächspartner voller Emotionen ist. Wenn die Emotionen hochkochen, wie man so schön sagt. Die starken Gefühle vernebeln einem – im wahrsten Sinne des Wortes – die Sicht bzw. das Gehirn. Sie lassen keinen klaren Gedanken mehr zu. Man ist dann auch nicht mehr offen für sachliche Argumente vom Gesprächspartner. Der Gefühlsnebel blockiert schlichtweg alles.
Hier ist es ganz wichtig, diesen Umstand zu erkennen. Wenn Sie selbst – oder der Gesprächspartner – im psychologischen Nebel sind, dann bringt Kommunikation nichts mehr. Dann sollten Sie innehalten, tief durchatmen und warten, bis der Nebel sich verzogen hat, bis die Gefühlswogen sich geglättet haben. Erst dann hat der Dialog wieder Sinn und erst dann kann man sinnvolle Entscheidungen treffen, weil sich der Verstand zurückmeldet.
In anderen Fällen ist zu beobachten, dass der Beschwerdeempfänger dem Druck ausweicht und unqualifizierte Aussagen über das Unternehmen und die Unternehmenspolitik macht, was natürlich nicht dazu führt, dass sich der Beschwerdeführer gut aufgehoben fühlt. Nun haben wir nicht nur einen inkompetenten Verkäufer, sondern auch noch eine schlechte Unternehmenspolitik. Entweder denkt der Kunde nun, dass sogar die eigenen Mitarbeiter nicht zur Unternehmenspolitik stehen können, oder er verurteilt das illoyale und unprofessionelle Verhalten des Mitarbeiters in diesem ohnehin schon schlechten Unternehmen. Egal wie Sie es drehen, es kommt nichts Positives dabei raus.
Was spielt sich in Menschen ab, die sich in sozialen Situationen verletzt fühlen? Wie kommt es, dass viele im Streit die Fassung verlieren und Dinge tun oder sagen, die sie bei klarem Verstand nie tun und sagen würden? Die nachfolgende Darstellung zeigt, dass Menschen in sozialen Konflikten an innere Abgründe und Grenzen geführt werden.
Die Beschwerde bietet nur dann
eine Chance auf einen positiven Ausgang,
wenn der Verkäufer alles objektiv abwägt …
Die nachfolgende Grafik zeigt auf, dass der Kunde kaum eine andere Möglichkeit sieht, als anzugreifen. Flucht und Totstellen bringen ihn nicht weiter, sobald er zum Telefonhörer greift, eine E-Mail schreibt oder höchstpersönlich in den Laden geht. Wenn ein Verkäufer dies weiß, dann kann er die Beschwerde einfach als sachliche Rückmeldung sehen und fühlt sich weder persönlich angegriffen noch beschuldigt. Meistens ist dies leider nicht der Fall und auch der Verkäufer geht zum Angriff über. Viel Spaß bei diesem Gespräch ohne Happy-End-Aussichten.
Abbildung 2: Stressbedingtes Konfliktverhalten gemäß Friedrich Glasl, 2002
Die Beschwerde bietet nur dann eine Chance auf einen positiven Ausgang, wenn der Beschwerdeempfänger alles objektiv abwägt und es in einen sachlichen, vorwurfs- und gewaltfreien Rahmen packt.
Eine Beschwerde sollte immer losgelöst vom Gefühl des Angriffs oder der Beschuldigung entgegengenommen werden und ungeachtet der Art und Weise, wie eine Beschwerde mitgeteilt wird. Selten wird eine Beschwerde aus allen Perspektiven objektiv abgewogen und in einer absolut sachlichen, vorwurfslosen und gewaltfreien Form platziert.
Wenn es also darum geht, dass wir uns angegriffen fühlen, weil wir mit einem angeblichen Fehler nicht umgehen können, dann ist es herleitend wichtig zu verstehen, wie Fehler überhaupt entstehen können.
Jeder Fehler ist in letzter Konsequenz
auf die Führung und die Entscheidungsträger
zurückzuführen.
Das provokante sogenannte Schweizer-Käse-Modell von James Reason beschreibt stark vereinfacht, dass jeder Fehler in letzter Konsequenz auf die Führung und die Entscheidungsträger zurückzuführen ist und deshalb auch wieder von dort vorbeugend vermieden werden müsse. Denn würden die auf höherer Ebene geschaffenen Vorbedingungen stimmen und nichts provozieren, könne dem operativen Mitarbeitenden kaum ein Fehler unterlaufen.
Reason geht davon aus, dass aus einer Gefahr nur dann ein unerwünschtes Ereignis entstehen kann, wenn die dazwischenliegenden Sicherheitsbarrieren versagen, also Löcher entstehen. Die Sicherheitsbarrieren können dabei Menschen oder auch technische Vorkehrungen wie Kontrollschritte sein.
Die Löcher im Käse stellen besondere Umstände dar, die manchmal genau übereinanderliegen und eine Achse bilden. Sie entstehen durch aktives und latentes Versagen, werden durch beitragende Faktoren beeinflusst und sind außerdem »dynamisch«, das heißt, sie öffnen, schließen oder verschieben sich über die Zeit. Einfach gesagt und in der Umgangssprache häufig spricht man von »der Verkettung unglücklicher Ereignisse«.
Abbildung 3: Schweizer-Käse-Modell nach Reason
Psychologisches Verhalten: Denkfehler oder falsche Entscheidungen, die unabhängig von der Absicht entstehen.
Aktives Versagen sind unsichere Handlungen (Fehler und Verstöße), Aussetzer und Ausrutscher, die von den am Ende des Systems tätigen Mitarbeitenden begangen werden.
Latentes Versagen entsteht durch Entscheidungen, die auf den höheren Stufen einer Organisation gefällt werden. Ihre schädigenden Auswirkungen zeigen sich möglicherweise lange nicht, und sie werden erst dann offensichtlich, wenn sie mit lokalen auslösenden Faktoren zusammentreffen und die Sicherheitsbarrieren des Systems durchbrechen. Latentes Versagen (z. B. falsche Entscheidungen des Managements) kann aktives Versagen auslösen bzw. dazu beitragen.
Überträgt man diese Fehlertheorie in das Beschwerdemanagement, lautet das Fazit: Das Entstehen eines unerwünschten Ereignisses hat fast immer mehrere Ursachen auf verschiedenen Ebenen der Organisation. Diese werden zusätzlich durch Faktoren außerhalb der Organisation beeinflusst.
Untypische Bedingungen
Ein Ressourcenmangel, beispielsweise entstanden durch eine Erkältungswelle oder Urlaubszeit, kann als untypische Bedingung zur Erhöhung des Fehlerrisikos beitragen.
Was kosten Fehler?
Die aus Japan stammenden Studien aus den 1970er-Jahren, die zwischenzeitlich als gängiges Regelwerk des Qualitätsmanagements gelten, besagen Folgendes: Die Kosten der Fehlerverhütung bzw. der Fehlerbehebung steigen in jeder Phase (z. B. Planen, Entwickeln, AVOR etc .) um den Faktor 10. Der Faktor 10 ist dabei nicht als exakter Messwert zu verstehen, sondern drückt die starke Ungleichverteilung der Kosten aus, wie bei der 80-20-Regel auch.
Bleibt ein Fehler also unentdeckt und schleicht durch spätere Phasen Ihrer Leistungserbringung oder Ihres Produktes, werden die Kosten zur Behebung dieses Fehlers höher. Umso besser also, dass, auch wenn sehr spät, der Kunde Sie auf diesen versteckten Kostenerzeuger hinweist und Sie aufgrund dessen diese Kostenkette unterbrechen.
Unzählige Recherchen belegen: Kunden beschweren sich trotz berechtigter Gründe und je nach Branche zu 70 bis 90 Prozent nicht. Das ungenutzte Potenzial ist also enorm hoch. Ein gutes Beispiel dafür sind verspätete Flugankünfte. Die wenigsten machen sich die Mühe, sich bei der Fluggesellschaft wegen beispielsweise zwei Stunden Verspätung zu beschweren. Gründe, warum Beschwerden ausbleiben, liegen im Folgenden:
Es ist zu viel Aufwand.
Kunden haben das Gefühl, es bringt nichts – sie glauben, dass es das Unternehmen nicht interessiert.
Sie fürchten, von einem der Mitarbeiter abgestraft zu werden.
Sie wissen nicht, an wen sie die Beschwerde richten sollen.
Im Umkehrschluss birgt genau das das Potenzial für Unternehmen. Diese Punkte einmal verbessert, kann das ein Unternehmen in einen gesunden Dialog mit dem Kunden führen. »Gesund« steht für gegenseitiges Vertrauen, ohne gleich »die Kündigung der Geschäftsbeziehung« anzudrohen bzw. befürchten zu müssen.
Dies führt zu einem durchschnittlichen Abfall an Kundenloyalität von mindestens 20 Prozent; das heißt, man verliert einen von fünf schweigenden und unzufriedenen Kunden an den Mitbewerber.
Fazit: Die zehn Beschwerden können einen Verlust von 50 bis 200 Kunden implizieren.
Abbildung 4: Das Eisberg-Prinzip des Beschwerdemanagements