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Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.
5. Auflage 2021
© 2017 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2000 bei Running Press Book Publishers unter dem Titel No More Mr. Nice Guy. © 2000, 2003 by Robert Glover. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Annett Stütze, Karen Anke Braun
Redaktion: Carina Heer
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann
Umschlagabbildung: © Jurai Kovac/Shutterstock, © homydesign/Shutterstock, © FotoYakov/Shutterstock
Satz: Carsten Klein, Torgau
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print: 978-3-86883-931-9
ISBN E-Book (PDF): 978-3-95971-269-9
ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-95971-270-5
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Dieses Buch ist Elizabeth gewidmet. Du bist meine Partnerin, meine Muse und meine beste Freundin. Ohne Dich wäre ich immer noch ein hoffnungs- und ahnungsloser Mr. Nice Guy. Du bist ein echtes Geschenk Gottes. Ich danke Dir.
Für David, Jamie, Steve und Grant. Ihr seid die besten Kinder, die Eltern sich nur wünschen können. Jeder von Euch ist so einzigartig, dass es eine endlose Freude ist, Euer Vater zu sein. Danke, dass Ihr immer wieder gefragt habt: »Wann bist du mit deinem Buch fertig?« Hört nie auf, genau so zu sein, wie Ihr seid.
Für die zahllosen Männer und Frauen, die mir Zugang zu den intimsten Bereichen ihres Lebens gewährt haben. Ich habe dieses Buch für Euch geschrieben. Danke für Eure Mitwirkung und Unterstützung bei der Entstehung von Nie mehr Mr. Nice Guy. Besonders danke ich allen Männern, die an meinen »Nie mehr Mr. Nice Guy«-Therapiegruppen teilgenommen haben. Sie werden kaum wissen, wie sehr sich mein eigenes Leben dadurch verändert hat, dass ich ein Teil des Ihren sein durfte. Vielen Dank.
Für Dr. Anne Hastings. Ihre Klugheit und Ihre Einsichten finden sich auf jeder Seite dieses Buches. Sie haben mir zu der Überzeugung verholfen, dass es für mich in Ordnung ist, einfach so zu sein, wie ich bin.
Für Debbie Duvall. Ihr gekonntes Lektorat hat etliche meiner Fehler ausgebügelt. Danke, dass Sie mir geholfen haben, dieses Buch zu einem besseren zu machen.
Für Nat Sobel, meinen Agenten, und Laura Nolan, meine Lektorin bei Barnes & Noble. Zu einer Zeit, in der sich niemand an das Buch herangetraut hat, haben Sie beide die Bedeutung von Nie mehr Mr. Nice Guy erkannt. Danke, dass Sie an mich und das Buch geglaubt haben. Dank Ihrer Weitsicht und Beharrlichkeit können jetzt unzählige Nice Guys auf der ganzen Welt in diesem Buch die Hilfsmittel finden, mit deren Hilfe sie sich aus den Fängen des Nice-Guy-Syndroms befreien können.
Widmung und Dank
Einführung
Kapitel Eins: Das Nice-Guy-Syndrom
Kapitel Zwei: Wie ein Nice Guy entsteht
Kapitel Drei: Lernen Sie, sich selbst zufriedenzustellen
Kapitel Vier: Räumen Sie Ihren Bedürfnissen Priorität ein
Kapitel Fünf: Erobern Sie Ihre Eigenmacht zurück
Kapitel Sechs: Erobern Sie Ihre Männlichkeit zurück
Kapitel Sieben: Finden Sie die Liebe, die Sie sich wünschen: Erfolgsstrategien für intime Beziehungen
Kapitel Acht: Der Sex, den Sie wollen – Erfolgsstrategien für ein erfülltes Sexualleben
Kapitel Neun: Bekommen Sie das Leben, das Sie wollen
Nachwort
DrGlover.com
Lektürevorschläge für Nice Guys auf der Suche nach Veränderung
Mehr als ein halbes Jahrhundert dramatischer gesellschaftlicher Veränderungen und grundlegender Umwälzungen der traditionellen Familienstruktur hat eine neue Gattung Mann hervorgebracht, die darauf konditioniert, also durch Lernerfahrung darauf ausgerichtet, ist, Anerkennung durch andere zu suchen.
Diese Männer nennt man »Nice Guys«.
Nice Guys wollen immer gut dastehen und alles »richtig« machen. Sie sind am glücklichsten, wenn sie andere Menschen glücklich machen. Nice Guys vermeiden Konflikte um jeden Preis und bemühen sich ungemein, nur ja niemanden zu verletzen. Im Allgemeinen sind Nice Guys friedlich und großzügig. Ganz besonders wichtig ist es für sie, Frauen zufriedenzustellen und anders zu sein als andere Männer. Kurz gesagt: Nice Guys glauben, dass sie einfach nur gut, großzügig und liebevoll sein müssen, um im Gegenzug glücklich, geliebt und erfüllt zu sein.
Klingt zu schön, um wahr zu sein?
Stimmt.
Im Lauf der letzten Jahre sind mir unzählige frustrierte und verbitterte Nice Guys in meiner Psychotherapiepraxis begegnet. Diese Männer kämpfen vergeblich um das Glück, nach dem sie so verzweifelt streben und das sie verdient zu haben glauben. Diese Frustration entspringt der Tatsache, dass Nice Guys einem Mythos anhängen.
Dieser Mythos ist der Kern des Nice-Guy-Syndroms. Dieses Syndrom meint den Glauben, dass Nice Guys geliebt werden, ihre Bedürfnisse erfüllt bekommen und ein Leben ohne Probleme führen werden, wenn sie nur »gut« sind. Wenn diese Strategie – wie es häufig geschieht – nicht zu den erwünschten Ergebnissen führt, strengen sich die Nice Guys nur umso mehr und intensiver an. Aufgrund der unweigerlich daraus resultierenden Hilflosigkeit und ihres inneren Grolls sind Nice Guys meist alles andere als nett.
Meine Erforschung des Nice-Guy-Syndroms begann jedoch mit meiner eigenen Unzufriedenheit darüber, dass ich zwar stets versuchte, alles »richtig« zu machen, aber nicht bekam, was mir meiner Meinung nach zustand. Ich war der typische »empfindsame New-Age-Mann« – und ich war stolz darauf. Ich glaubte, zu den nettesten Kerlen zu gehören, denen man überhaupt begegnen konnte. Aber ich war nicht glücklich.
Als ich dann begann, meine eigenen Nice-Guy-Verhaltensweisen unter die Lupe zu nehmen – fürsorglich sein, etwas geben, um im Gegenzug etwas zu bekommen, Frieden bewahren, Konflikte vermeiden, Bestätigung suchen, Fehler unter den Teppich kehren –, fielen mir in meiner Beratungspraxis zahlreiche Männer mit ähnlichen Eigenschaften auf. Mir wurde klar, dass das Skript, das meinem Leben die Richtung gab, offenbar kein isolierter Einzelfall war, sondern das Produkt einer gesellschaftlichen Dynamik, die unzählige andere Männer ebenfalls betraf.
Bis jetzt haben nur wenige Forscher das Problem des Nice-Guy-Syndroms ernst genommen und eine wirkungsvolle, umfassende Lösung gefunden. Die allererste Erwähnung des Nice-Guy-Syndroms durch einen psychologischen Fachmann findet man auf einer im Jahr 1985 von Neill Scott aufgenommenen Kassette mit dem Titel »The Nice Guy and Why He Always Fails With Women [Der Nice Guy und warum er bei Frauen immer versagt]« … Die meisten Hinweise auf Nice Guys oder das Nice-Guy-Syndrom behandeln das Thema auf humorvolle Weise oder sehen Nice Guys als hilflose Opfer.
Aus diesem Grund habe ich Nie mehr Mr. Nice Guy geschrieben.
Dieses Buch zeigt Nice Guys, wie sie aufhören können, nach Anerkennung zu suchen, und stattdessen das bekommen, was sie in der Liebe, der Sexualität und im Leben wirklich wollen. Die in diesem Buch enthaltenen Informationen stellen bewährte Strategien vor und helfen Männern, sich von den wirkungslosen Verhaltensweisen des Nice-Guy-Syndroms zu befreien. Sie basieren auf meinen eigenen Erfahrung sowie meiner Arbeit mit unzähligen Nice Guys in den letzten zwanzig Jahren.
Nie mehr Mr. Nice Guy ist ein Buch, das sich nicht schämt, für Männer Partei zu ergreifen. Nichtsdestoweniger haben zahlreiche Frauen seine Entstehung unterstützt. Frauen, die das Buch lasen, erzählten mir immer wieder, dass es ihnen nicht nur hilft, ihren Nice-Guy-Partner zu verstehen, sondern auch zu neuen Einsichten über sich selbst zu gelangen.
Die in diesem Buch beschriebenen Informationen und Werkzeuge funktionieren. Wenn Sie ein frustrierter Nice Guy sind, können die auf den folgenden Seiten dargelegten Prinzipien Ihr Leben verändern. Sie werden
wirksame Methoden lernen, wie Ihre Bedürfnisse erfüllt werden,
sich stärker und selbstbewusster fühlen,
intime Beziehungen eingehen und in einer Art leben, die Sie wirklich wollen,
lernen, Gefühle und Empfindungen auszudrücken,
ein erfüllendes und aufregendes Sexleben führen,
sich mit Ihrer Männlichkeit anfreunden und tragfähige Freundschaften mit anderen Männern eingehen,
Ihr Potential ausleben und kreativ und produktiv werden,
sich selbst so annehmen, wie Sie sind.
Wenn Ihnen diese Aufzählung gefällt, hat Ihr Weg zur Befreiung vom Nice-Guy-Syndrom bereits begonnen. Es ist Zeit, mit der Jagd nach Anerkennung aufzuhören und zu bekommen, was Sie wollen: in der Liebe, der Sexualität und in Ihrem Leben.
Kapitel Eins:
»Ich bin ein Nice Guy. Ich bin einer der nettesten Kerle, die Sie jemals treffen werden.«
Jason, ein Chiropraktiker Mitte dreißig, stellte sich in seiner ersten Einzeltherapiesitzung mit diesen Worten vor. Er beschrieb sein Leben als »perfekt« – abgesehen von einem einzigen Problem: seinem Sexualleben. Er und seine Frau Heather hatten bereits seit einigen Monaten nicht mehr miteinander geschlafen, und es sah nicht danach aus, als ob sich das so bald wieder ändern würde.
Jason erzählte offenherzig von seiner Ehe, seiner Familie und seiner Sexualität. Er war ein umgänglicher Mann und freute sich offensichtlich über die Gelegenheit, über sich selbst und sein Leben zu sprechen.
Jason wünschte sich nichts sehnlicher, als gemocht zu werden. Er nahm sich selbst als großzügigen, freigebigen Menschen wahr. Und er war stolz darauf, nicht sonderlich vielen Stimmungsschwankungen unterworfen zu sein und niemals die Geduld zu verlieren. Er gab zu, dass er Menschen gerne glücklich machte und Streitereien nicht ausstehen konnte. Um Konflikte mit seiner Frau zu vermeiden, unterdrückte er seine Emotionen oft und bemühte sich, alles »richtig« zu machen.
Nach diesen einleitenden Worten zog Jason ein Stück Papier aus seiner Tasche und faltete es auseinander. Dabei erklärte er, er habe einige Dinge aufgeschrieben, um sie nicht zu vergessen.
»Ich bekomme es einfach nicht hin«, begann er und ließ den Blick über seine Liste schweifen. »Egal, wie sehr ich mich bemühe, Heather findet immer einen Fehler. Ich verdiene so eine Behandlung nicht. Ich versuche, ein guter Ehemann und Vater zu sein, aber gut genug ist es nie.«
Jason hielt inne und las seine Notizen.
»Der heutige Morgen zum Beispiel«, fuhr er fort. »Während Heather sich für die Arbeit fertig machte, habe ich unser Baby Chelsie aus dem Bett geholt, sie gefüttert und gebadet. Ich hatte sie gerade angezogen und wollte mich ebenfalls fertig machen, als Heather hereinkam, mit diesem Ausdruck auf dem Gesicht. Da wusste ich, es gibt Ärger. ›Warum hast du ihr das angezogen? Das hier ist besser.‹« Jason imitierte den Tonfall seiner Frau. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie wollte, dass Chelsie etwas anderes trägt. Nach all dem, was ich dafür getan hatte, um sie an diesem Morgen fertig zu machen, war es trotzdem nicht richtig. Oder ein weiteres Beispiel«, fuhr Jason fort. »Kürzlich habe ich die Küche geputzt, und zwar richtig gründlich. Die Geschirrspülmaschine eingeräumt, die Töpfe und Pfannen geschrubbt und den Boden gewischt. Ich dachte, Heather würde zu schätzen wissen, wie sehr ich ihr helfe. Noch während ich arbeitete, kam sie herein und fragte: ›Warum hast du denn die Arbeitsflächen nicht gewischt?‹ Ich war noch nicht einmal fertig, verdammt noch mal. Aber statt zu bemerken, was ich alles getan hatte, und mir dafür zu danken, konzentrierte sie sich auf die einzige Sache, die ich noch nicht gemacht hatte. Und dann ist da die Sache mit dem Sex«, sagte Jason. »Wir haben vor unserer Hochzeit nur ein-, zweimal miteinander rumgemacht, weil wir beide strenge Christen sind. Sex ist für mich wichtig, aber Heather hat kein Interesse daran. Ich dachte, nach der Hochzeit würde alles von selbst gut werden. Bei allem, was ich für Heather tue, hatte ich einfach gehofft, sie würde mir das Eine geben, das ich wirklich will. Ich tue mehr als die meisten anderen Männer. Und doch habe ich das Gefühl, immer mehr zu geben, als ich zurückbekomme.« Jetzt sah Jason auf der Couch aus wie ein kleiner Junge. Mit flehender Stimme sagte er: »Ich will doch einfach nur geliebt und wertgeschätzt werden. Ist das zu viel verlangt?«
Einige der nettesten Typen, die Sie je treffen werden
Männer wie Jason kommen mit überraschender Regelmäßigkeit in meine Praxis. Sie sind vollkommen unterschiedlich, haben aber alle die gleiche grundlegende Weltanschauung. Lassen Sie mich Ihnen noch ein paar vorstellen:
Omar
Omars wichtigstes Lebensziel ist es, seine Freundin zufriedenzustellen. Dennoch beklagt sie sich darüber, dass er ihr gefühlsmäßig nicht zur Seite steht. Auch jede seiner früheren Freundinnen beschwerte sich darüber. Weil Omar sich selbst als großzügigen Menschen wahrnimmt, kann er diese Vorwürfe nicht verstehen. Er behauptet, für ihn sei es die allergrößte Freude, andere Menschen glücklich zu machen. Sein Mobiltelefon ist Tag und Nacht eingeschaltet, damit seine Freunde ihn erreichen können, falls sie etwas brauchen.
Todd
Todd ist stolz darauf, dass er Frauen ehrlich und respektvoll begegnet. Er glaubt, sich diesbezüglich von anderen Männern zu unterscheiden, und meint, diese Eigenschaft müsse auf Frauen anziehend wirken. Allerdings hat er zwar viele weibliche Bekannte, aber nur selten ein richtiges Date. Die Frauen aus seinem Umfeld sagen ihm, er sei ein richtig guter Zuhörer, und rufen ihn häufig an, um mit ihm über ihre Probleme zu reden. Er mag es, wenn er spürt, dass man ihn braucht. Diese Bekannten erzählen ihm andauernd, was für ein »toller Fang« er mal für irgendeine Glückliche sein werde. Er kann nicht nachvollziehen, warum Frauen, obwohl er sie doch so gut behandelt, immer nur auf Mistkerle stehen statt auf Nice Guys wie ihn.
Bill
Bill ist ein Mensch, an den sich alle wenden, wenn sie irgendetwas brauchen. Das Wort »nein« ist in seinem Wortschatz schlicht und einfach nicht vorhanden. Er repariert die Autos der Frauen aus seiner Kirchengemeinde. Er trainiert die Jugend-Basketballmannschaft seines Sohnes. Seine Kumpels bitten ihn um Hilfe, wenn sie umziehen. Jeden Abend nach der Arbeit schaut er bei seiner verwitweten Mutter vorbei. Obwohl er sich gut fühlt, wenn er anderen hilft, bekommt er nie selbst so viel, wie er gibt.
Gary
Garys Frau hat häufig Wutanfälle, wobei sie ihn verbal angreift und beleidigt. Weil er sich vor Konflikten fürchtet und sie nicht reizen möchte, vermeidet Gary Themen, von denen er weiß, dass sie seine Frau verärgern werden. Nach einem Streit ist er immer der Erste, der einlenkt. Er kann sich nicht erinnern, dass sich seine Frau jemals für ihr Verhalten entschuldigt hätte. Trotz des Dauerkonflikts behauptet Gary, seine Frau zu lieben und alles tun zu wollen, um ihr Freude zu bereiten.
Rick
Rick, ein schwuler Mann Anfang vierzig, ist in einer festen Beziehung mit einem Alkoholiker. Er kam zum Beratungsgespräch, um seinem Partner Jay bei dessen Alkoholproblem helfen zu können. Rick beklagt sich, dass es sich immer so anfühlt, als wäre es seine Aufgabe, alles am Laufen zu halten. Er hofft, Jay zum Aufhören bewegen zu können, um dann endlich die Beziehung zu haben, die er sich immer gewünscht hat.
Lyle
Lyle, ein gläubiger Christ, versucht immer alles richtig zu machen. Er leitet die sonntäglichen Bibelstunden und ist im Kirchenvorstand seiner Gemeinde. Trotzdem hat er seit der Pubertät mit seiner Pornosucht zu kämpfen. Lyle masturbiert zwanghaft, oft drei- bis viermal am Tag. Mehrere Stunden verbringt er täglich auf Sexseiten im Internet. Er hat fürchterliche Angst, dass seine Existenz ruiniert sein wird, sobald jemand die Wahrheit über seine sexuellen Zwänge herausfindet. Mit Gebeten und Bibelstudien versucht er, das Problem in den Griff zu bekommen, aber keines dieser Mittel hat bis jetzt viel gebracht.
José
José, ein Unternehmensberater Ende dreißig, lebt schon die letzten fünf Jahre in einer Beziehung mit einer hilfsbedürftigen, abhängigen Frau. Schon am Tag, als sie bei ihm eingezogen war, hatte er über die Trennung nachgedacht. Er hat Angst, dass es seine Freundin nicht allein schafft, wenn er sie verlässt. Mehrmals hat er halbherzig versucht, sich zu trennen, aber seine Freundin war dann jedes Mal emotional so aufgewühlt, dass er sich immer wieder auf sie eingelassen hat. José fragt sich beinahe rund um die Uhr, wie er aus der Beziehung herauskommen kann, ohne seine Freundin zu verletzen oder wie der größte Mistkerl dazustehen.
Wer sind diese Männer?
Jeder von ihnen hat eine individuelle Persönlichkeit, aber im Drehbuch ihres Lebens steht dasselbe: Sie alle glauben, dass sie geliebt werden, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden und sie ein Leben ohne Probleme führen können, wenn sie nur »gut« sind und alles »richtig« machen. Zu diesem angestrebten Wohlverhalten gehört normalerweise das Bestreben, bestimmte Dinge (nämlich ihre Fehler, Bedürfnisse, Gefühle) zu eliminieren oder zu verstecken, um so zu werden, wie die anderen sie offenbar haben wollen (großzügig, hilfsbereit, friedlich etc.).
Ich nenne diese Männer »Nice Guys«.
Bis jetzt wurde dem Nice Guy nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt, und dennoch findet man ihn überall.
Er ist der Verwandte, der seine Frau alles bestimmen lässt.
Er ist der Kumpel, der für andere alles tut, dessen eigenes Leben aber in desolatem Zustand ist.
Er ist der Mann, der seine Frau oder Freundin zur Verzweiflung bringt, weil er derartig konfliktscheu ist, dass nichts jemals wirklich geklärt wird.
Er ist der Chef, der Person A alles erzählt, was sie hören will, und dann auch Person B glücklich macht – mit der gegenteiligen Aussage.
Er ist der Mann, der zulässt, dass alle ihn als Fußabtreter benutzen, bloß weil er keinen Ärger machen will.
Er ist der verlässliche Kerl in der Kirchengemeinde oder im Verein, der niemals »nein« sagt und es nie jemandem sagen würde, wenn der ihm zu viel aufbürdet.
Er ist der Mann, der sein Leben scheinbar absolut unter Kontrolle hat, bis er eines Tages etwas tut, das mit einem gewaltigen WUMMS alles zerstört.
So ist der Nice Guy
Jeder Nice Guy ist einmalig, aber alle haben ein paar gemeinsame Eigenschaften. Diese resultieren aus einem Skript, das meist in der Kindheit geschrieben wurde und das Leben der Betroffenen bestimmt. Andere Männer haben möglicherweise eine oder zwei dieser Eigenschaften, bei Nice Guys finden sich jedoch mehrere.
Nice Guys geben gerne. Häufig sagen sie, dass sie sich wohl fühlen, wenn sie anderen Gutes tun. Sie werten ihre Großzügigkeit als Zeichen dafür, wie gut sie sind, und glauben, andere würden sie deswegen lieben und wertschätzen.
Nice Guys reparieren und kümmern sich. Wenn jemand ein Problem oder ein Bedürfnis hat, wenn jemand wütend, depressiv oder traurig ist, versuchen Nice Guys die Situation zu lösen oder zu retten (meist ohne darum gebeten worden zu sein).
Nice Guys suchen nach Anerkennung. Ein Leitsymptom des Nice-Guy-Syndroms ist das Streben nach Bestätigung durch andere. Alles, was ein Nice Guy tut oder sagt, ist gewissermaßen daraufhin ausgerichtet, Bestätigung zu bekommen oder Enttäuschung zu vermeiden. Dies trifft vor allem auf ihre Beziehung zu Frauen zu.
Nice Guys vermeiden Konflikte. Sie versuchen, ihre Welt problemfrei zu halten. Um dies zu erreichen, vermeiden sie alles, was Ärger verursachen oder jemanden verletzen könnte.
Nice Guys glauben, ihre angeblichen Makel und Fehler verbergen zu müssen. Diese Männer haben Angst, dass andere ihnen böse sein, sie beschämen oder verlassen könnten, wenn ihre Fehler oder Unzulänglichkeiten sichtbar werden.
Nice Guys suchen nach dem »richtigen« Weg, um Dinge zu tun. Sie halten dies für den Schlüssel zu einem glücklichen Leben ohne Probleme. Sie sind überzeugt, dass nichts schiefgehen kann, wenn sie nur die richtige Methode für alles finden.
Nice Guys unterdrücken ihre Emotionen. Sie neigen zur Analyse statt zum Gefühl. Möglicherweise betrachten sie Gefühle als Zeit- und Energieverschwendung. Oft bemühen sie sich um emotionale Ausgeglichenheit.
Nice Guys streben oft danach, anders als ihre Väter zu sein. Viele Nice Guys erzählen, dass ihre Väter nicht verfügbar, abwesend, passiv oder wütend waren, fremdgegangen sind oder Alkoholiker waren. Nicht selten versuchen diese Männer, ganz anders zu werden.
Nice Guys fühlen sich in der Gegenwart von Frauen oft wohler als in der von Männern. Aufgrund ihrer Konditionierung in der Kindheit haben viele Nice Guys nur wenige männliche Freunde. Häufig suchen sie nach Anerkennung von Frauen und halten sich für anders als andere Männer. Sie hängen gerne dem Glauben an, weder egoistisch noch wütend oder gewalttätig zu sein. Diese Eigenschaften schreiben sie den »anderen« Männern zu.
Nice Guys fällt es schwer, eigenen Bedürfnissen den Vorrang zu geben. Oft haben sie das Gefühl, es sei egozentrisch, sich an erste Stelle zu setzen. Ihrer Meinung nach ist es eine Tugend, die Bedürfnisse anderer den eigenen voranzustellen.
Nice Guys machen häufig ihre Partnerin oder ihren Partner zu ihrem emotionalen Zentrum. Viele sagen, sie seien nur dann glücklich, wenn es ihre Partnerin ebenfalls ist. Aus diesem Grund stecken sie oft viel Energie in ihre engsten Beziehungen.
Was ist eigentlich so falsch daran, ein Nice Guy zu sein?
Möglicherweise sind wir versucht, das Nice-Guy-Syndrom kleinzureden. Wieso sollte Nettigkeit schlecht sein? Vielleicht lachen wir ja sogar über die schlappschwänzigen Verhaltensweisen der Betroffenen, die häufig in Comics oder Fernsehkomödien karikiert werden. Männer sind in unserer Kultur sowieso eine beliebte Zielscheibe, und die Karikatur eines sensiblen Mannes amüsiert eher, als dass sie Betroffenheit auslöst.
Häufig haben Nice Guys ein Problem damit, das Problematische an ihren Denk- und Verhaltensmustern zu erkennen. Wenn ich mit den Betroffenen zu arbeiten beginne, fragen beinahe alle: »Was ist denn falsch daran, ein netter Kerl zu sein?« Als Sie auf dieses Buch gestoßen sind und den Titel gelesen haben, haben Sie sich vermutlich dieselbe Frage gestellt.
Indem ich diesen Männern den Namen »Nice Guy« gebe, beziehe ich mich nicht so sehr auf ihr tatsächliches Verhalten, sondern auf ihre grundsätzlichen Annahmen über sich selbst und ihre Umgebung. Sie haben die Überzeugung verinnerlicht, dass sie geliebt werden, ihre Bedürfnisse erfüllt bekommen und ein unkompliziertes Leben haben werden, wenn sie nur »nett« sind.
Der Begriff »Nice Guy« führt eigentlich in die Irre, denn Nice Guys sind häufig alles andere als nett. Hier sind einige ihrer unangenehmeren Charakterzüge:
Nice Guys sind unehrlich. Sie verbergen ihre Fehler, vermeiden Konflikte, sagen das, was die anderen am wahrscheinlichsten hören wollen, und verdrängen ihre Gefühle. All dies macht sie zu fundamental unehrlichen Menschen.
Nice Guys sind Geheimniskrämer. Weil sie Getriebene auf der Suche nach Anerkennung sind, verbergen sie alles, was andere möglicherweise verärgert. Ihr Motto lautet: »Wenn etwas schiefgeht, dann lass die Beweise verschwinden!«
Nice Guys schotten sich ab. Sie sind Experten darin, widersprüchliche Informationen über sich selbst in Einklang zu bringen, indem sie diese einfach in getrennten Bereichen ihres Geistes einordnen. Ein Verheirateter kann auf diese Weise seine eigene Definition von Treue erschaffen, die ihm die Behauptung gestattet, er habe überhaupt keine Affäre mit seiner Sekretärin (oder seiner Praktikantin), und zwar weil er niemals seinen Penis in ihre Vagina gesteckt hat.
Nice Guys sind manipulativ. Sie können nur schwer ihren Bedürfnissen Priorität einräumen und klar und deutlich um das bitten, was sie wollen. Dies führt zu einem Gefühl der Machtlosigkeit, weswegen sie oft zum Mittel der Manipulation greifen, um zu bekommen, was sie sich wünschen.
Nice Guys sind Kontrollfreaks. Es ist ihnen sehr wichtig, dass in ihrer Welt alles reibungslos läuft. Deshalb versuchen sie ständig, Menschen und Dinge in ihrer Umgebung zu kontrollieren.
Nice Guys geben, um zu bekommen. Oft sind sie großzügig, doch ihre Geschenke sind meistens mit unbewussten, unausgesprochenen Bedingungen verknüpft. Sie wünschen sich beispielsweise Wertschätzung, sonst eine wie auch immer geartete Gegengabe oder dass jemand nicht mehr wütend auf sie ist. Nice Guys erzählen oft, sie seien unzufrieden oder verbittert, weil sie so viel geben und anscheinend so wenig zurückbekommen.
Nice Guys sind passiv-aggressiv. Enttäuschung und Groll bringen sie indirekt, verklausuliert und nicht sehr freundlich zum Ausdruck, beispielsweise indem sie unerreichbar sind, Sachen vergessen, zu spät kommen, Dinge nicht zu Ende führen, keine Erektion bekommen können, zu früh ejakulieren oder nervige Verhaltensweisen beibehalten, selbst wenn sie versprochen haben, es nie mehr zu tun.
Nice Guys sind voller Wut. Häufig weisen sie von sich, jemals wütend zu sein, aber ein Leben voller Enttäuschung und Bitterkeit lässt die unterdrückte Wut tief im Inneren dieser Männer wie in einem Schnellkochtopf unter Druck aufkochen. Diese Wut bricht oft unerwartet und scheinbar unbegründet heraus.
Nice Guys neigen zu Suchtverhalten. Süchte bauen Stress ab, verändern die Stimmungslage oder lindern Schmerz. Weil diese Männer so viel in sich hineinfressen, muss es auch irgendwo wieder herauskommen. Eine der häufigsten Süchte bei ihnen ist die Sexsucht.
Nice Guys fällt es schwer, Grenzen zu setzen. Vielen fällt es schwer, »Nein«, »Halt« oder »Das mache ich nicht« zu sagen. Oft fühlen sie sich als hilflose Opfer und betrachten ihr Gegenüber als die Ursache der aktuell erlebten Probleme.
Nice Guys sind häufig isoliert. Zwar sehnen sie sich danach, gemocht und geliebt zu werden, doch macht es ihr Verhalten anderen schwer, ihnen wirklich nahezukommen.
Nice Guys fühlen sich oft von Menschen oder Situationen angezogen, die in Ordnung gebracht werden müssen. Dies ist meist das Resultat von Kindheitsprägungen, dem Bedürfnis, gut dazustehen, oder der Jagd nach Anerkennung. Leider ist diese Neigung beinahe schon eine Garantie dafür, dass Nice Guys den Großteil ihrer Zeit als Feuerwehr und Krisenmanager verbringen.
Nice Guys haben zahlreiche Probleme mit Liebesbeziehungen. Oft ist ihnen dieser Lebensbereich extrem wichtig, doch ihre Paarbeziehungen sind häufig eine Quelle von Konflikten und Enttäuschungen. Zum Beispiel:
Nice Guys können oft nur sehr schlecht zuhören, weil sie damit beschäftigt sind, sich zu überlegen, wie sie sich verteidigen oder die Probleme des Gegenübers lösen können.
Sie sind konfliktscheu und deshalb immer wieder unehrlich und bringen es kaum fertig, ein Problem wirklich durchzuarbeiten.
Nicht selten haben Nice Guys Beziehungen mit Menschen, die für sie »Arbeitsprojekte« oder »Rohdiamanten« sind. Wenn diese sich nicht wie gewünscht aufpolieren lassen, beschuldigen die Nice Guys oft ihre Partner, ihrem Glück im Weg zu stehen.
Nice Guys haben sexuelle Probleme. Die meisten von ihnen leugnen dies, doch ich habe noch keinen getroffen, der nicht entweder mit seinem Sexleben unglücklich war, unter sexuellen Funktionsstörungen litt (eine Erektion nicht aufbauen oder halten konnte oder zu rasch zum Höhepunkt kam), oder sich übertrieben intensiv auslebte (mit Affären, dem Besuch bei Prostituierten, Pornografie, zwanghafter Masturbation etc.).
Nice Guys sind üblicherweise nur mäßig erfolgreich. Die Mehrheit von ihnen ist talentiert, intelligent und hat auf bescheidenem Niveau Erfolg. Beinahe ohne Ausnahme scheitern sie jedoch daran, ihr volles Potential zu entfalten.
Aber er schien doch so ein netter Kerl zu sein
Ahnungslose Mitmenschen halten die passiven, gefälligen und großzügigen Charakterzüge eines Nice Guys nicht selten für die eines gesunden Mannes. Vielen Frauen scheint der Nice Guy anfänglich ein guter Fang zu sein, verhält er sich doch anders als jene Männer, mit denen sie bis jetzt zusammen gewesen sind.
Unglücklicherweise schwappen jedoch die oben aufgelisteten negativen Eigenschaften schnell ins Leben und in die persönlichen Beziehungen der Nice Guys hinein. Demzufolge pendeln diese Männer meist zwischen Nettsein und Nicht-so-nett-Sein. Unzählige Frauen, Partnerinnen und Freundinnen haben mir beschrieben, dass Nice Guys wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde auftreten:
»Er kann total wundervoll sein, und er kann mich zutiefst verletzen. Er macht all diese kleinen Extradinge, holt zum Beispiel die Kinder ab und bereitet das Abendessen zu, wenn ich länger arbeiten muss. Aber dann bekommt er aus heiterem Himmel einen Wutanfall, weil ich ihm sexuell nie zur Verfügung stehe.«
»Alle denken, er wäre so ein toller Mensch und ich hätte ein Riesenglück mit ihm. Aber sie wissen nicht, wie er wirklich sein kann. Er hilft immerzu anderen, mit ihrem Auto oder irgendetwas anderem, das repariert werden muss. Aber wenn ich ihn um etwas bitte, behauptet er, dass er mich ohnehin nie zufriedenstellen kann und dass ich dauernd nur meckere und ihn kontrolliere, genau wie seine Mutter.«
»Er versucht, mir ständig Gefälligkeiten zu erweisen. Alles würde er für mich tun – nur nicht wirklich für mich da sein. Er geht mit mir einkaufen, obwohl ich weiß, dass er dazu keine Lust hat. Dann schmollt er aber die ganze Zeit, und ich fühle mich deswegen unwohl. Ich wünschte, er würde ab und an ›nein‹ sagen.«
»Er sagt mir nie, wenn ihm etwas nicht passt. Er schluckt es einfach runter, und der Druck baut sich auf wie in einem Dampfkochtopf. Ich habe keine Ahnung, dass ihn etwas stört. Und dann explodiert er, und wir haben einen Riesenkrach. Wenn er mir einfach sofort sagen würde, dass ihn etwas ärgert, wäre es viel leichter.«
»Wenn ich versuche, ihm etwas mitzuteilen, das mich stört, versucht er augenblicklich, es zu richten. Er glaubt, all meine Probleme wären gelöst, wenn ich alles so täte, wie er es für richtig hält. Immer sagt er mir, ich würde mich nur auf die negativen Dinge konzentrieren und er könne mich nie glücklich machen. Ich will nur eins: dass er mir zuhört.«
»Nach all den Trotteln, mit denen ich bis jetzt zu tun hatte, dachte ich, dass ich endlich einen netten Kerl gefunden hätte, dem ich vertrauen könnte. Als wir fünf Jahre verheiratet waren, fand ich heraus, dass er süchtig nach Pornos und Peepshows war. Ich war am Boden zerstört. Ich hatte davon absolut nichts mitbekommen.«
»Ich wünschte, ich könnte einen Zauberstab schwingen, alle seine guten Eigenschaften behalten und den Rest verschwinden lassen.«
Ein ganzer Mann
Nachdem sich Gil, ein freundlicher Mann Mitte fünfzig, zu einer »Nie mehr Mr. Nice Guy«-Therapiegruppe angemeldet hatte, erzählte er mir, seine Frau wolle, dass er teilnehme. Trotzdem fürchtete er insgeheim, sie würde sich über das, was der Name der Gruppe andeutete, ärgern: »Wie Sie aufhören, ein Nice Guy zu sein, und ein Mistkerl werden.« Mit typischer Nice-Guy-Logik fragte sich Gil, warum eine Frau eigentlich unterstützen sollte, dass Männer »nicht nett« seien.
Nice Guys tendieren zum Schwarz-Weiß-Denken. Die einzigen Alternativen, die ihnen zu »nett« einfallen, sind »Arschloch« oder »Trottel«. Oft erinnere ich Nice Guys daran, dass das Gegenteil von »verrückt« immer noch »verrückt« ist, es also keine Lösung ist, ein »Mistkerl« zu werden.
Sich aus der Nice-Guy-Falle zu befreien, heißt nicht, von einem Extrem ins andere zu fallen. Der Prozess der Loslösung von unwirksamen Nice-Guy-Mustern bedeutet ja nicht, dass man dann »nicht nett« ist. Es geht vielmehr darum, »ganz« oder »komplett« zu werden.
»Ganz« sein bedeutet, alle Aspekte des eigenen Lebens akzeptieren zu können. Ein ganzer Mann ist fähig, alles anzunehmen, das ihn einzigartig macht: seine Macht, sein Selbstbewusstsein, seinen Mut und seine Leidenschaft ebenso wie seine Unvollkommenheiten, seine Fehler und seine dunkle Seite.
Ein ganzer Mann besitzt viele der folgenden Attribute:
Er hat eine starke Selbstwahrnehmung. Und er mag sich so, wie er ist.
Er übernimmt die Verantwortung für die Erfüllung seiner eigenen Bedürfnisse.
Er fühlt sich mit seiner Männlichkeit und seiner Sexualität wohl.
Er hat gesunde Wertvorstellungen. Er tut, was richtig ist; nicht das, was Vorteile bringt.
Er ist eine Führungspersönlichkeit. Er ist bereit, diejenigen, die ihm etwas bedeuten, zu versorgen und zu beschützen.
Er ist klar, direkt und zeigt Gefühle.
Er kann fürsorglich und zugewandt sein, ohne ein »Kümmerer« oder zwanghafter Problemlöser zu werden.
Er weiß, wie man Grenzen setzt, und fürchtet sich nicht davor, Konflikte durchzuarbeiten.
Ein ganzer Mann versucht nicht, vollkommen zu sein oder Bestätigung von anderen zu erhalten. Stattdessen akzeptiert er sich so, wie er ist, einschließlich seiner Schwächen. Ein ganzer Mann nimmt seine vollkommene Unvollkommenheit an.
Der Übergang von einem Nice Guy zu einem ganzen Mann vollzieht sich nicht durch immer größere Anstrengungen zum Gutsein. Die Befreiung vom Nice-Guy-Syndrom verlangt eine vollkommen andere Selbst- und Weltwahrnehmung und eine Veränderung der persönlichen Paradigmen. Lassen Sie mich das erklären.
Paradigmen
Ein Paradigma ist die Straßenkarte, mit deren Hilfe wir durchs Leben navigieren. Jeder Mensch benutzt diese Straßenkarten, und jeder meint, das eigene Exemplar sei auf dem neuesten Stand und völlig akkurat.
Oft wirken Paradigmen unbewusst, sie beeinflussen jedoch unsere Haltungen und Verhaltensweisen stark. Sie sind die Filter, mit denen wir unsere Lebenserfahrungen verarbeiten. Datenmaterial, das nicht zu unserem Paradigma passt, wird ausgeblendet und erreicht nie unser bewusstes Denken. Zu unserem Paradigma passende Informationen werden durch diesen Prozess stärker gewichtet, wodurch die jeweilige Glaubenshaltung noch genährt wird.
Wie Straßenkarten können Paradigmen gute Werkzeuge für eine zügige Reise sein. Sind sie jedoch veraltet oder ungenau, können sie in die falsche Richtung oder auf eine sinnlose Fahrt durch die immer gleiche Nachbarschaft führen. Wenn das passiert, bemühen wir uns häufig einfach noch intensiver, unser ersehntes Reiseziel zu finden, fühlen uns dabei jedoch immer unzufriedener. Zwar mag ein Mensch, der sich nach einem veralteten oder ungenauen Paradigma richtet, sein eigenes Verhalten für absolut stimmig halten, doch seine Umgebung fragt sich, was ihm wohl durch den Kopf geht und ihn so handeln lässt, wie er es tut.
Die meisten Paradigmen werden entwickelt, wenn man jung, naiv und relativ machtlos ist. Oft beruhen sie auf der unzutreffenden Deutung von Kindheitserlebnissen. Da sie häufig unbewusst sind, werden sie nur selten überprüft oder neu angepasst. Leider wird von der hundertprozentigen Genauigkeit dieser Paradigmen ausgegangen – selbst wenn das nicht stimmt.
Das wirkungslose Paradigma des Nice Guys
Ein Nice Guy handelt auf Basis des folgenden Paradigmas:
Wenn es mir gelingt, meine Fehler zu verbergen, und wenn ich zu dem werde, was andere meiner Meinung nach von mir erwarten, dann werde ich geliebt, dann werden meine Bedürfnisse erfüllt und dann habe ich ein Leben ohne Probleme.
Selbst wenn dieses Paradigma nicht funktioniert, sehen Nice Guys nur eine Alternative: sich noch mehr anzustrengen.