image

SCHEIBENANEMONEN

IM MEERWASSERAQUARIUM

PFLEGE UND VERMEHRUNG

Daniel Knop

image

Bildnachweis

Fotos ohne Bildnachweis vom Autor

Die in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse, Dosierungsanleitungen etc. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und sorgfältig überprüft. Da inhaltliche Fehler trotzdem nicht völlig auszuschließen sind, erfolgen diese Angaben ohne jegliche Verpflichtung des Verlages oder des Autors. Beide übernehmen daher keine Haftung für etwaige inhaltliche Unrichtigkeiten.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert oder vervielfältigt werden.

2. Auflage 2011

eISBN: 978-3-86659-357-2

© 2008 Natur und Tier - Verlag GmbH

Inhalt

Vorwort

Was sind Scheibenanemonen?

Natürlicher Lebensraum

Physiologie und Körperbau

Abwehrverhalten

Vermehrung im natürlichen Lebensraum

Fußscheibenlazeration

Längsteilung (Longitudinalfission)

Querteilung (Transversalfission)

Geschlechtliche Vermehrung

Ernährung in der Natur

Aquarienhaltung von Scheibenanemonen

Beleuchtung

Wasserströmung

Füttern von Scheibenanemonen

Was soll verfüttert werden?

Scheibenanemonen und Korallenfische

Vermehrung im Aquarium

Nachzuchtaquarium

Induzierte Longitudinalfission

Künstliche Transversalfission (Querteilung)

Geschlechtliche Vermehrung im Aquarium

Probleme mit Scheibenanemonen

Scheibenanemonen als Plage

Vernichtung invasiv wachsender Scheibenanemonen

Ausbleichen von Scheibenanemonen

Fressen von Fischen

Aquariengeeignete Gattungen

Literatur

image

Nahaufnahme von Pseudocorynactis caboverdensis (Fluoreszenzfotografie)

Vorwort

Scheibenanemonen fristen meines Erachtens in der Riffaquaristik ein unverdientes Mauerblümchendasein, weil sich dieses Hobby immer mehr zur Haltung kleinpolypiger Steinkorallen entwickelt, die extrem empfindlich, kostbar und im Handel zunehmend schwerer erhältlich sind. Darin sehen viele die eigentliche, große Herausforderung. So erfreulich die Erfolge und Fortschritte in der Steinkorallenhaltung auch sein mögen, das Riffaquaristikhobby sollte nicht den Bezug zu pflegeleichten, robusten und überdies faszinierend schönen Tieren verlieren, zu denen Scheibenanemonen zweifellos zu zählen sind. Die Artenvielfalt ist das, was die Korallenriffaquaristik so spannend macht, und dazu gehören letztlich auch jene anspruchslosen Rifforganismen, deren Aquarienhaltung eigentlich ein Kinderspiel ist.

image

Eine hübsche Kombination unterschiedlich gefärbter Ricordea florida im Aquarium

Hinzu kommt, dass viele Beobachtungen ausschließlich im Aquarium gemacht werden können, weil sie nur in Zeiträumen möglich sind, die einen Tauchgang im Meer bei weitem überschreiten oder eine gezielte Veränderung der Umgebungsbedingungen erfordern. Zahlreiche Erkenntnisse, die mit Scheibenanemonen zusammenhängen, stammen nicht aus der Wissenschaft, sondern aus dem Hobby Riffaquaristik, und man kann davon ausgehen, dass Aquarianer durch intensive Beobachtung manch interessante Details über diese Blumentiere ans Licht bringen könnten, die auch für die Wissenschaft relevant wären, beispielsweise bezüglich der Strategien zur vegetativen Vermehrung. Das könnte ein weiterer Grund für die Aquarianer sein, sich intensiv mit den zauberhaften Scheibenanemonen zu beschäftigen. Der wesentlichste wäre aber wohl, dass diese Tiere einfach faszinierende Wirbellose sind, deren Aquarienhaltung überaus interessant ist.

Sinsheim und Manila, im Frühjahr 2008, Daniel Knop

image

Verschiedenfarbige Ricordea florida im Riffbecken

Was sind Scheibenanemonen?

Die Scheibenanemonen der Ordnung Corallimorpharia sind kleine, hübsche Blumentiere, die man als regelrechte Überlebenskünstler bezeichnen kann. Vor allem ihrer Anpassungsfähigkeit und Bescheidenheit ist es zu verdanken, dass sie sich weltweit ausbreiten und Flachwasserzonen von den gemäßigten Breiten bis in die Tropen besiedeln konnten.

Die bisher rund 50 bekannten Arten bilden dort meist kleinere bis mittelgroße Gruppen geklonter Polypen, gelegentlich aber auch riesige Bestände. Die einzelnen Polypen sitzen zwar dicht nebeneinander, sind aber am Substrat kaum durch eine gemeinsame Gewebeschicht miteinander verbunden, sondern leben solitär. Der Name „Scheibenanemonen“ lässt eine gewisse Verwandtschaft mit Seeanemonen bereits vermuten, denen sie auch in ihrer Gestalt ähneln, und die recht enge Verwandtschaft mit Steinkorallen zeigt der Name der taxonomischen Ordnung „Corallimorpharia“, in der sie geführt werden, denn er bedeutet soviel wie „die Gestalt einer Koralle besitzend“.

Im Wesentlichen bestehen Scheibenanemonen aus einer breiten, flachen Mundscheibe, unter der sich eine sehr kurze Körpersäule versteckt. Diese Mundscheiben bedecken das Bodensubstrat meist vollständig, um möglichst viel Sonnenlicht einzufangen, damit die winzigen Symbiosealgen in ihrem Innern fotosynthetisieren und damit Nahrung für den Wirt produzieren können. Einige Scheibenanemonenarten fangen zusätzlich planktonische Nahrung, und manche Arten haben sich sogar darauf spezialisiert und verzichten ganz auf Symbiosealgen, weil ihnen dies die Möglichkeit eröffnet, auch tiefere Zonen im Riff oder die Unterseiten des Gesteins im Flachwasser zu besiedeln, die den Algen nicht mehr ausreichend Licht bieten.

Was den Aquarianer an Scheibenanemonen vor allem fasziniert, sind die Farben und Musterungen: kontrastierende Radialstreifen oder fluoreszierende Rot-, Grün- oder Blautöne. Manche dieser Polypen gehören zu den farbenprächtigsten Organismen, die wir im Riffaquarium überhaupt pflegen können.

Scheibenanemonen besitzen, wie eines der folgenden Kapitel erläutert, einen Körperbau, der dem eines Steinkorallenpolypen sehr ähnelt. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass sie keinerlei Kalkskelett produzieren. Das ist wohl der Hauptgrund dafür, dass wir heute noch sehr wenig über Scheibenanemonen wissen, denn sie hinterlassen nach ihrem Absterben nichts, was auf ihre Existenz hinweisen könnte, so dass man infolge fehlender fester Strukturen auch kaum fossile Funde kennt. Das macht es sehr schwer, ihre Entwicklungsgeschichte zu rekonstruieren. In der Frühzeit der meeresbiologischen Forschung, vor ein oder zwei Jahrhunderten, war das sogar noch schwieriger, weil man damals versuchen musste, sich mit sehr begrenzten technischen Möglichkeiten ein Bild vom Leben im Meer zu verschaffen. Das Tauchen im heute üblichen Sinn war noch nicht möglich, und so bestand die wesentliche Grundlage der Meeresforschung jener Tage darin, Tiere zu untersuchen, die im erreichbaren Küstenwasser zu sehen waren oder deren kalkhaltige Überreste angeschwemmt wurden. Aber selbst heute befassen sich noch sehr wenige Wissenschaftler mit dieser Tiergruppe, weshalb in ihrer Systematik noch viele Lücken klaffen und Unsicherheiten bestehen. Darum ist damit zu rechnen, dass irgendwann in der Zukunft auf Art- und Gattungsebene wesentliche Veränderungen durchgeführt werden.

image

Discosoma-Scheibenanemonen im Aquarium

image

Rhodactis cf. rhodostoma

image

Scheibenanemonen Rhodactis mussiodes in einer Seegraswiese bei den Philippinen

Natürlicher Lebensraum