Die traumatischste Reiseerfahrung: chinesische Toiletten
Erster Reiseführer für Business-Traveller
Chinesische Reisende in Zahlen
Die beliebtesten Reiseziele der Chinesen
Wofür stehen die europäischen Länder in China?
Hey, Big Spender!
Die seltsamen Anfänge des Tourismus
Zauberwort ADS
Was macht ein Hotel attraktiv?
Weniger ist mehr: »arm« reisen
China schrumpft
Vertikal mobil
Highway to Hell
Basisdaten Verkehr
Was ist ein Doppelschlag?
Nichts geht mehr
Der chinesische Führerschein
Das digitale China
Wie viele Handys gibt es in China?
Handy-Verkäufer – ein gefährlicher Job
Ich bin mein Handy, mein Handy ist ich
Bitte ausschalten
Handy weg, Freunde weg
Internet in Zahlen (Stand Ende 2015)
Hat die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) eine Webseite?
Wie funktioniert die Internet-Zensur?
Wann wird eine Seite blockiert?
Wie kommt man trotzdem auf die zensierten Seiten?
Gaben fürs Jenseits
Die wichtigsten sozialen Netzwerke
Vom Nachahmer zum Vorreiter
Die 50-Cent-Armee
Was ist eine Online-Menschenjagd?
Zum Shoppen ins Netz
Die Zeit des Blätterns ist vorbei
Was verdienen Online-Autoren?
Die chinesische Gesellschaft
Chinas großer Gegensatz
Ist China generell eine egalitäre Gesellschaft?
Was ist ein Hukou?
Wohin mit den Kindern?
Was kostet die Bildung?
Einmal durch die Gaokao-Hölle
Namen: Man erkennt sie an der Silbenzahl
Die häufigsten Nachnamen
Was alles im Namen steckt
Wie viele Kinder dürfen Chinesen bekommen?
Einzelhaft für Mütter
Der Wandel der Statussymbole
Glamouröse Friseurinnen
Huanying Guanglin! Was machen die Begrüßungsfrauen vor den Geschäften?
Was macht einen guten Partner aus?
Was macht einen guten Ehemann aus?
Was macht eine ideale Frau aus
Immer schön blass bleiben
Was ist ein Facekini?
Warum es Schwarze in China schwer haben
Schönheit in Zahlen
Wer ist ein Loser?
Was man zum Heiraten braucht
Was ist eine nackte Hochzeit?
Wie zeigt ein chinesischer Ehemann, dass er seine Frau liebt?
Die neuen alten Konkubinen
Wie findet man einen Partner?
Soziale Absicherung in China
Stroh hinter den Ohren: Neureiche in China
Wer sind die Fu’erdai?
Hopp und Ex: Scheidungsrate in China
Scheidungsgründe im Alten China
Modetrend Haustiere
Warum lassen manche Chinesen den Fingernagel des kleinen Fingers extrem lang wachsen?
Gilt Gleichberechtigung?
Shanghaier Furien
Das Erbe des alten Mannes: Konfuzius
Sag es durch die Blume
Das politische China
Wer regiert China?
Wie heißt das höchste Machtgremium der Kommunistischen Partei?
Gibt es demokratische Wahlen in China?
Was ist ein »Paramount Leader«?
Chinas Führungsgenerationen
Gibt es unterschiedliche Lager in der KPCh?
Chinas Regierung hat alles unter Kontrolle
Wozu braucht man eine Kampagne?
Die Mao-Bibel
Wie wird Mao heute bewertet?
Die tödlichste nichtkriegerische Krise
Früher war alles besser …
Wie wird man Parteimitglied?
Was sind Prinzlinge?
Wann begann die Reform-Ära?
Deng Xiaopings bekannteste Sprüche
Warum kümmert sich die Mittelschicht so wenig um demokratische Reformen?
Was die Chinesen beschäftigt
Nordkorea, der unbequeme Freund
Wer kommt als Erster durch die Tür?
Todesstrafe für Korruption
Gut geschmiert durchs Leben
Petzen per App
Was hatte die Kulturrevolution mit Kultur zu tun?
Wer wird als verlorene Generation bezeichnet?
Acht Gründe, in der Kulturrevolution verhaftet zu werden
Die chinesische Mafia
Das Alte und das weniger alte China
Warum heißt das Reich der Mitte »Reich der Mitte«?
Was ist eine hydraulische Gesellschaft?
Wo steht die Wiege der chinesischen Zivilisation?
Das Himmelsmandat
Nur wer die Flüsse beherrscht …
Seit wann ist China »China«?
Die erste ISO-Kampagne fand in China statt
Verwirrende Namen
Woran Dynastien scheiterten
Woran Kaiser sterben
Chinas fremde Herrscher
War die Große Mauer hilfreich?
Wo leben die chinesischen Römer?
Wussten die Römer und Chinesen voneinander?
Warum suchte der Westen im Mittelalter den Kontakt zu China?
Der größte China-Verkaufsschlager aller Zeiten
Columbus’ großer Bruder
Wieso durften ausgerechnet die Portugiesen eine Siedlung in Macau errichten?
Westliche Vorreiter auf dem Weg nach China
Wieso China doch nicht christlich wurde
Britische Drogenbarone
Shanghais jüdische Wurzeln
Als China im Chaos versank
Warum wurde Hongkong an China zurückgegeben?
Warum wurde Macau erst 1999 zurückgegeben?
Das unspektakuläre Ende der Beamtenzeit
Warum fand die Revolution ausgerechnet am 10. Oktober 1911 statt?
Sun Yatsen: wichtig und unbedeutend zugleich
Chinas erste demokratische Wahl
Chinas verhinderte Dynastie
Religion und Glück
Ist Religion in China erlaubt?
Worum geht es im Daoismus
Die wichtigsten Götter des Daoismus
Om!
Wer ist die weiße Maria?
Warum gibt es so wenige Vegetarier?
Wie erkennt man den Unterschied zwischen einem buddhistischen und einem daoistischen Tempel?
Heilige Berge
Ist der Konfuzianismus eine Religion?
Chinas unsichtbare Welt
Wie passt der Ahnenglaube zum Buddhismus?
Wie wird man Dämon?
Was hilft gegen Dämonenkontakt?
Striptease fürs Jenseits
Ist Falungong eine Religion?
Gibt es Christen in China?
Mit Wind und Wasser zum Glück
Geld bekommen, Geld behalten
Das Glück fangen
Farbenspiel
Freizeit: Wenn Chinesen mal nicht arbeiten
Der Park, das erweiterte Wohnzimmer
Ein Nickerchen in Ehren …
Was ist ein Ikea-Schläfchen?
Sich um die Gesundheit kümmern
Buchmarkt China
Wie viele Bücher werden in China verlegt?
Welches Buch wurde am besten verkauft?
Feiertag der Bücher
Copyright? Brandneu!
Kino boomt
Chinesisch musizieren
Warum singen Chinesen auf der Straße oder im Bus?
Was für ein Theater!
Das Leben ist ein Spiel
Selber zugreifen
Auf den Ball gekommen
Kauf, Baby, kauf!
Kindergärten für Männer
Sprache und Schrift
Warum klingt Chinesisch immer gleich?
Chinesen singen
Beispiele für peinliche Ton-Irrtümer
Woher stammen die Zeichen?
Sieht man den Zeichen an, wie sie ausgesprochen werden?
Wieso gibt es die Zeichen überhaupt noch?
Zeichen der Macht
Ur-Zeichen, die heute noch in Gebrauch sind
Was sind Drachenknochen?
Zeichen oder Wörter?
Wieso heißt es manchmal Szechuan und manchmal Sichuan?
Was sind Kurz- und Langzeichen?
Die häufigsten Zeichen
Wie findet man ein Zeichen im Wörterbuch?
In welche Richtung schreibt man?
Wann ist man kein Analphabet mehr?
Warum man sich keinen chinesischen Namen zulegen sollte
Die geheime Bedeutung der Zahlen
Hauptsache, sie wächst: Chinas Wirtschaft
Chinesische Investoren in Europa
Wem gehört der Boden?
Enteignungen und Proteste
Warum wird in China ständig gebaut?
Wo steht die Werkbank der Welt?
Woher stammt der Großteil des christlichen Weihnachtsschmucks?
Gibt es einen Mindestlohn in China?
Was verdienen Chinesen?
Was passiert mit den Preisgeldern chinesischer Spitzensportler?
Wenn Arbeit tötet
Klotzen statt kleckern: Betriebsausflug auf Chinesisch
Wie viel Miete zahlen Chinesen?
JAC und GAC: China auf vier Rädern
Wer sind die Reichsten im Land?
Papiergeld: Vorreiter China
Yuan? Kuai? Jiao? Mao? Oder doch Renminbi?
Wer ist auf den Geldscheinen abgebildet?
Aktien für Oma
Warum wird in China so viel gefälscht?
Die neue Seidenstraße
Ab ins Meer: Hauptsache selbständig
Der größte Hafen der Welt
Seit wann gibt es Supermärkte in China?
Das kulinarische China
Nichts geht über Schwein!
Was macht die chinesische Küche aus?
Weißes Gold
Wie wird Reis angebaut?
Alles nur Reis?
Die Vielfalt der Teigtaschen
Die verschmähte Knolle
Iss dich stark und wichtig
Wo gibt es gebratenen Penis?
Kaiserküche
Wer hat die Nudel erfunden?
Ein Leben ohne Rohkost
Das böse Glutamat
Chinesisches Frühstück
Die Liebe zum Knochen
Was blubbert da auf dem Tresen?
Hund und Katze erkennen
Die beliebtesten Gerichte der Ausländer
Chinesische Gerichte, die keine sind
Kein »mein« und »dein« auf dem Tisch
Wo bleibt der Reis?
Wo bleibt der Nachtisch?
Fremde Sitten bei Tisch
Eine lauwarme Angelegenheit
Warum tragen Chinesen dauernd Urinproben mit sich herum?
Fünf Sachen die man noch mit Tee machen kann
Chinesisches Bier
Anleitung für einen gepflegten chinesischen Kater
Hauptsache rot
Das tägliche Gift: Lebensmittelskandale
Fastfood in China
Wo kann man bei McDonald’s heiraten?
Alles Käse: Milch und Laktose
Kein kalter Kaffee
Was stinkt da auf dem Nachtmarkt?
Stäbchen: Einweg, Mehrweg, alles Mist
Glückverheißende Nahrungsmittel
China wird dick
Was muss mit?
Zum Weiterlesen
Über Francoise Hauser
Françoise Hauser hat Ostasienwissenschaften und Geographie in Erlangen, Nanjing (VR China) und Tainan (Taiwan) studiert. Als freie Journalistin mit Asien-Schwerpunkt schreibt sie seit mehr als 15 Jahren regelmäßig für diverse Magazine und Zeitungen wie »inAsien«, »Asia Bridge«, »Die Welt«, »Touristik Aktuell«, »Business Traveller«, »Spiegel Online«, »Focus Online«, »Clever Reisen«, »Momentum«, »Diners Club Magazine« u.a. und ist auch als Buchautorin und Trainerin für interkulturelle und journalistische Themen tätig.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Über dieses Buch
China ist ein Land voller Mysterien, Rätsel und Widersprüche. Françoise Hauser bringt uns die interessantesten Fakten und Geschichten nahe.
Dieses Werk wurde vermittelt durch Aenne Glienke | Agentur für Autoren und Verlage, www.AenneGlienkeAgentur.de
Covergestaltung: Geviert, Grafik & Typografie, München
Coverabbildung: Getty Images / Alonso Design
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403722-6
Einleitung
Die Straßen voller Radfahrer, sozialistische Architektur aus subtropisch vermodertem Beton, die Menschen im blauen Mao-Anzug, vor Schreck erstarrend beim Anblick eines Ausländers: Das war China 1989, im Jahr meines ersten Besuchs. Als ich 1992/93 zum Auslandsstudium nach Nanjing ging, war es schon ein wenig bunter: Die ersten Diskotheken und Privatrestaurants öffneten, das Angebot der Läden und Kaufhäuser wurde größer, ja sogar eine ganz passable Pizzeria gab es schon. Nur die Überraschung beim Anblick einer Langnase war geblieben. 1997 – ich hatte zwischenzeitlich andere Orte in China besucht, nicht aber Nanjing – weigerte ich mich, den Langstreckenbus in Nanjing zu verlassen: Niemals war diese Metropole die Stadt, die ich vier Jahre zuvor verlassen hatte. Als wenn ich mich so mir nichts, dir nichts von einem Busfahrer veräppeln lassen würde! Aber sie war es doch. Praktisch über Nacht war ein Meer von Hochhäusern aus dem Boden geschossen, ich fand das Wohnheim, in dem ich ein Jahr gewohnt hatte, nicht mehr. Und an den Anblick von Ausländern hatte man sich auch schon gewöhnt. In dieser Taktung geht es bis heute weiter: Bei jedem Besuch zeigt sich mir ein neues Land, moderner, schnelllebiger, bunter. Langweilig wird es in China also nicht, auch nicht bei der dritten, vierten oder fünfundzwanzigsten Reise. Ich bin den Chinesen dankbar, dass sie sich immer wieder die Mühe machen, mich zu verblüffen: Dinge, die vor wenigen Jahren noch so typisch chinesisch schienen, ohne die man sich das Land und die Menschen gar nicht vorstellen konnte, hat man im Vorübergehen schnell mal über Bord geworfen: Fahrräder? Sieht man heute auf den großen Straßen beispielsweise kaum noch. Geblieben sind dennoch viele Kuriositäten und Eigenheiten, die den ausländischen Besucher vor Rätsel stellen und hinter denen oft eine überraschende Geschichte steckt. Eine ganze Reihe davon finden Sie in diesem Buch, genauso wie Fakten und Erklärungen, die vielleicht das eine oder andere Mysterium lüften.
Anmerken möchte ich noch: China ist unglaublich schnelllebig! Nirgendwo sonst sind Zahlen so schnell obsolet, werden so atemberaubend schnell neue Projekte angestoßen. Für jede Regel gibt es eine Ausnahme, jede Aussage über China lässt sich irgendwie und irgendwo widerlegen. Das Land ist einfach so groß und vielfältig, dass es fast schon anmaßend ist, alle 1,4 Milliarden Menschen über einen Kamm zu scheren. All jenen, die China ganz anders erlebt haben als ich, kann ich nur beipflichten – auch sie haben recht. In China ist Platz für viele Wahrheiten, die sich sogar widersprechen dürfen, ohne an Wahrheitsgehalt zu verlieren.
Eckdaten China
Fläche: ca. 9,6 Millionen km2
Ausdehnung Nord-Süd: 4500 km
Ausdehnung Ost-West: 4200 km
Einwohner: rund 1,4 Milliarden
Nachbarländer: 14
Anzahl der wilden Pandas: 1864 (Zensus 2014)
Anzahl der wilden Elefanten: ca. 250
Küstenlänge: 14000 km
Niedrigste gemessene Temperatur (in Mohe): –52,3 °C
Höchste gemessene Temperatur (in Turfan): 50,3 °C
Zahl der Millionenstädte: ca. 150
Zahl der von Menschen gepflanzten Bäume in den letzten 20 Jahren: 35 Milliarden
Prozent des nicht trinkbaren Grundwassers: ca. 60
Zahl der Fahrstühle und Rolltreppen: ca. 3,8 Millionen
Ausländer in China: ca. 900000, die meisten davon in Guangzhou, Shanghai und Beijing
Durchschnittliche Lebenserwartung: 76 Jahre
Devisenreserven: 3220000000000USD
Goldreserven: 1762 Tonnen
Land, Leute und Geographie
Was ist China?
»Dumme Frage«, mag da manch einer denken, immerhin braucht man nur den Atlas aufzuschlagen, um China zu finden. Doch die Volksrepublik ist nicht das einzige Land, das die Bezeichnung »China« trägt. Neben der Volksrepublik China Zhōnghuá rénmín gònghéguó中华人民共和国 ist in europäischen Atlanten auch die Insel Taiwan als Republik China Zhōnghuá mínguó中華民囯 eingezeichnet. Hongkong Xiānggǎng香港 und Macau Àomén澳门 wiederum gehören zwar politisch mittlerweile zur Volksrepublik, besitzen aber als Sonderverwaltungszonen noch einen Sonderstatus und werden farblich abgehoben dargestellt. Geht es nach der Volksrepublik, gehören nicht nur sie zum Staatsterritorium, sondern auch Taiwan – ein Anspruch, der lange Zeit auch umgekehrt galt und für Spannungen sorgte. Auch diverse andere Inselgruppen wie die Spratly Islands oder die Paracelsius-Inseln zählt man in Beijing selbstverständlich dazu, was bei etlichen Nachbarländern zu Verstimmungen führt.
Auch wenn man das volksrepublikanische Staatsgebiet selbst betrachtet, bleiben Fragen offen: Hier gibt es gleich eine ganze Reihe von Regionen, wie beispielsweise Tibet oder die Autonome Provinz Xinjiang, deren Bewohner sich nicht alle zwingend als Chinesen verstehen und oft eine andere Muttersprache sprechen. Die Tibetfrage ist sowieso ein Garant für emotionale Diskussionen. Die Erstellung einer simplen Karte kann daher schon zu diplomatischen Verwicklungen führen: Je nachdem, wie man beispielsweise Taiwan einzeichnet, also als Teil der Volksrepublik oder als eigenen Staat, fühlt sich eine der beiden Seiten garantiert auf den Schlips getreten.
Wo liegt Greater China?
Dazu kommt eine weitere Frage: Wie soll man mit den Regionen umgehen, die zwar kulturell chinesisch geprägt sind, aber nicht zu China gehören? Im Ausland fällt oft der Begriff »Greater China«, eine geschickte Definition, die nicht nur das chinesische Festland beinhaltet, sondern eben auch all jene Gebiete, in denen die chinesische Kultur eine entscheidende Rolle spielt, also Taiwan, Singapur, Hongkong und Macau, ohne dass sich daraus eine politische Aussage ergibt. Manchmal sind – je nachdem, wer diesen Begriff benutzt – fälschlicherweise sogar die von Chinesen besiedelten Gebiete Malaysias, Indonesiens oder Thailands gemeint, in denen die chinesischen Gemeinschaften eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielen. In den südostasiatischen Ländern macht man sich damit jedoch keine Freunde.
Wer ist Chinese?
Auch der Begriff »Chinese« lässt sich nicht so einfach definieren, denn es gibt feine Unterschiede, die aus chinesischer Sicht von großer Bedeutung sind. Dabei spielen kulturelle Identität und Aussehen eine wichtige Rolle, aber auch die Frage, ob man in China geboren wurde. Nicht zuletzt stellt sich die Frage: Wie »chinesisch« muss man sein, um als Chinese zu gelten? Ab welchem Grad der Assimilierung zählt man als Bürger eines anderen Staates? US-Amerikaner chinesischer Abstammung stellen in China oft mit Erstaunen fest, dass sich niemand darum schert, dass sie sich selbst als Amerikaner empfinden, und sie selbstverständlich als Chinesen wahrgenommen werden. Die Schätzungen, wie viele Auslandschinesen es gibt, schwanken daher je nach Quelle erheblich: Zwischen 35 und 60 Millionen sollen es sein.
Im chinesischen Kulturraum unterscheidet man zwischen:
Zhōngguórén 中国人
Wörtlich »Mensch des Reichs der Mitte«, also Staatsbürger Chinas, aber nicht zwingend chinesischer Ethnie. Auch Uighuren aus Xinjiang, Tibeter und beispielsweise Mongolen der Inneren Mongolei gehören dazu, denn sie haben einen chinesischen Pass. Bezeichnet man einen Singapurer Chinesen als Zhongguoren, macht man sich in der Regel nicht beliebt – er ist schließlich Singapurer!
Hàn 汉
Die meisten Chinesen gehören der Ethnie der Han an: Sie sind es, die wir als »Chinesen« bezeichnen und deren Kultur wir als »chinesisch« empfinden. Mit 91,6 Prozent machen sie den größten Teil der Bevölkerung aus.
Huáqiáo 华侨
So werden Chinesen bezeichnet, die in China geboren wurden, aber im Ausland leben.
Huárén 华人
auch: háiwài huárén 海外华人
Das sind Überseechinesen, die eine andere Staatsbürgerschaft als die chinesische besitzen, meist aber noch Chinesisch sprechen und in der chinesischen Kultur verwurzelt sind. In Südostasien bezeichnen sich meist all jene so, die von ihrer Umwelt als Chinesen wahrgenommen werden, so wie beispielsweise die malaysischen Chinesen, die bereits seit Generationen dort ansässig sind.
Huáyì 华裔
Dieser Sammelbegriff umfasst alle, die irgendwie chinesischer Abstammung sind, auch wenn sie sich vielleicht selbst eher einer anderen Kultur angehörig fühlen, eine andere Staatsangehörigkeit besitzen und oft auch des Chinesischen nicht mächtig sind. Äußerlich erkennt man sie dennoch als »Chinesen«.
De facto werden diese Bezeichnungen in der Literatur und im chinesischen Alltag jedoch munter durcheinandergeworfen und auf Deutsch meist mit »Überseechinesen« übersetzt. Auch mit den genauen Definitionen hält man sich im Alltag kaum auf: In den Augen der meisten Chinesen ist »Huáqiáo«, wer danach aussieht und chinesische Vorfahren hat.
Wo sonst noch viele Chinesen leben:
Land
chinesische Einwohner
Indonesien
7.500.000
Thailand
7.000.000
Malaysia
6.400.000
USA
3.800.000
Singapur
2.800.000
Kanada
1.600.000
Peru
1.300.000
Kambodscha
1.200.000
Vietnam
1.200.000
Philippinen
1.100.000
Myanmar
1.100.000
Russland
1.000.000
Afrika gesamt
1.000.000
Frankreich
700.000
Südkorea
700.000
Australien
670.000
Japan
650.000
UK
500.000
Kasachstan
300.000
Italien
200.000
Indien
190.000
Laos
185.000
Vereinigte Arabische Emirate
180.000
Brasilien
150.000
Neuseeland
150.000
Niederlande
145.000
Panama
130.000
Spanien
130.000
Kuba
110.000
Deutschland
105.000
Argentinien
100.000
Jamaika
70.000
Costa Rica
63.000
Saudi-Arabien
45.000
Surinam
40.000
Brunei
40.000
Chinesische Minoritäten
Die Ethnie der Han macht, wie gesagt, rund 91,6 Prozent aus. Die restlichen 8,4 Prozent gehören zu ethnischen Minderheiten (oft als Minoritäten shăoshù mínzú少数民族 bezeichnet) – das sind immerhin mehr als 100 Millionen Menschen! 56 anerkannte nationale Minderheiten gibt es insgesamt, deren Kultur sich teils erheblich von der der Han unterscheidet. Dazu gehören Völker wie die Miao und die Zhuang, aber auch die Uighuren und Mongolen. Prinzipiell ist es nicht von Nachteil, einen Minoritäten-Status zu besitzen, hier und da werden die Minoritäten sogar bevorzugt, zum Beispiel bei der Studienplatzvergabe oder bei der Geburtenpolitik (Die Ein-Kind- beziehungsweise inzwischen Zwei-Kind-Politik galt und gilt für die Minoritäten nicht). Politischen Einfluss besitzen sie, von einigen Aspekten der kulturellen Selbstverwaltung abgesehen, jedoch nicht: Da sie meist in den strategisch wichtigen, aber dünn besiedelten Randgebieten Chinas wohnen, reagiert die Regierung allergisch auf allzu große Autonomiebestrebungen – wollte man alle vorrangig von Minoritäten bewohnten Gebiete von China abtrennen, blieben nicht einmal 40 Prozent des volksrepublikanischen Territoriums übrig.
Was macht eine Minorität aus?
eine eigene Sprache
territoriale Geschlossenheit des Siedlungsgebiets
einheitliches Wirtschaftssystem
Zusammengehörigkeitsgefühl
Allerdings trifft dies nicht auf alle Minoritäten zu. So unterscheiden sich die Hui, die muslimischen Han-Chinesen – sprachlich kein bisschen von der Mehrheit.
Die größten Minoritäten
Name
Anzahl in Mio.
Hauptsiedlungsgebiet
Dai
1,2
Yunnan
Kasachen
1,5
Xinjiang
Li
1,5
Hainan
Hani
1,6
Yunnan
Koreaner
1,8
Jilin, Heilongjiang, Liaoning
Bai
2,0
Yunnan, Guizhou
Yao
2,8
Guangxi, Hunan
Bouyei
2,9
Guizhou
Dong
2,9
Guizhou, Hunan, Guangxi
Mongolen
6,0
Innere Mongolei, Liaoning
Tibeter
6,3
Tibet, Sichuan, Qinghai
Tujia
8,3
Hunan, Hubei, Guizhou, Chongqing
Yi
8,7
Yunnan, Sichuan, Guizhou
Miao (Hmong)
9,4
Guizhou, Hunan, Yunnan
Uighuren
10,0
Xinjiang
Mandschu
10,4
Liaoning, Hebei, Heilongjiang, Jilin
Hui-Chinesen
10,6
Ningxia, Gansu, Xinjiang, Henan, Qinghai, Yunnan
Zhuang
17,0
Guangxi, Yunnan
Was sind autonome Gebiete?
Einige der großen Minderheiten, so wie beispielsweise die Uighuren, Mongolen und Tibeter, leben in klar abgegrenzten Siedlungsräumen, die aus diesem Grunde als sogenannte autonome Gebiete zìzhìqū自治区 den Provinzen gleichgestellt sind. Der Unterschied liegt jedoch in einer gewissen kulturellen Autonomie: So erhalten Kinder beispielsweise in der Grundschule Unterricht in ihrer Muttersprache. Insgesamt gibt es fünf autonome Gebiete: Xinjiang, Ningxia, die Innere Mongolei, Tibet und das Gebiet der Zhuang als Teil der Provinz Guangxi.
Kann man Chinese werden?
Für Menschen chinesischen Ursprungs lautet die Antwort definitiv: Ja! Nach chinesischer Auffassung sind sie ja ohnehin Chinesen, die Staatsangehörigkeit reflektiert dann quasi nur noch die Tatsachen. Für alle anderen heißt es: theoretisch ja. De facto erhalten jedoch nur wenige hundert Menschen im Jahr die chinesische Staatsbürgerschaft. Einerseits scheint der Andrang nicht übermäßig groß zu sein, zum anderen sind die Kriterien nicht einfach zu erfüllen: Man muss in einem engen Verhältnis zu einem chinesischen Staatsangehörigen stehen (zum Beispiel durch Heirat) und in China leben oder einen anderen »legitimen Grund« haben. Was dies sein könnte, führt das Staatsangehörigkeitsgesetz allerdings nicht aus – eine größere Investition in China ist da sicher nicht von Nachteil.
Volksrepublikanische Chinesen, die aus eigenem Willen eine andere Staatsbürgerschaft annehmen, verlieren die chinesische. Vorausgesetzt natürlich, sie sind so naiv, dies in China öffentlich zu verkünden.
Zeitzonen
China ist ziemlich groß und zieht sich über mehr als 60 Längengrade. Am westlichsten Zipfel des riesigen Reiches geht die Sonne daher rund fünf Stunden früher unter als am östlichen Ende. Eigentlich müsste China nach den gängigen Konventionen also in fünf Zeitzonen eingeteilt sein. De facto gilt im gesamten Land jedoch Beijinger Zeit. Da wundert es wenig, dass manch ein Ort im Westen einfach inoffiziell eine eigene Zeit eingeführt hat, was den Reisenden nicht selten in Verwirrung stürzt, denn Läden öffnen dann nach lokaler Zeit, während sich die Züge und Flüge natürlich nach Beijinger Zeit richten.
Zwei Jahreszeiten – das reicht
Bei der Planung einer Chinareise kommt man um Klimadiagramme nicht herum, denn die Unterschiede sind gewaltig. Während im Norden ein kühl gemäßigtes Klima dafür sorgt, dass im Winter knackige –30 °C keine Seltenheit sind, kann man auf der südlichen Insel Hainan das ganze Jahr über baden, denn sie liegt bereits in den Tropen. Überraschend ist: Von wenigen Regionen abgesehen, kommt man in China bequem mit zwei Jahreszeiten aus: Sommer und Winter. Der Wechsel vollzieht sich innerhalb weniger Tage, so dass man bei einer einwöchigen Beijing-Reise im Oktober den ersten Tag im T-Shirt schwitzt und den letzten im Wintermantel friert.
Land unter: Pflaumenregen
Fast scheint es, China wünsche sich doch noch eine weitere Jahreszeit, und zumindest der Südosten und Osten des Landes haben einen guten Kandidaten dafür: den Pflaumenregen méiyǔ (梅雨1000霉雨100