ULRICH KÜHNE-HELLMESSEN
DIE
100
BESTEN
FUSSBALLER
2017
DIE HIGHLIGHTS DES JAHRES | |
DIE BESTEN FUßBALLER | |
INTERVIEW Christian Nerlinger »USA, China, Indien: Der globale Fußball-Hype wird weiter gehen« |
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DIE TOP 100 | |
1 Cristiano Ronaldo Los! Sei der Beste! | |
2 Lionel Messi Tango mit Ball | |
3 Neymar Das Schönste im Leben | |
4 Luis Suárez Nicht so verbissen, Señor! | |
5 Paul Pogba »Ich will großartig sein.« | |
6 Gareth Bale Hurrah! | |
7 Robert Lewandowski Fünfe auf einen Streich | |
8 Antoine Griezmann Her mit dem Titel! | |
9 Gonzalo Higuaín Wuchtbrumme | |
10 Thomas Müller Ein Schuss Anarchie | |
11 James Rodríguez Reals Nummer 10 | |
12 Karim Benzema Algerische Wurzeln | |
13 Eden Hazard Unter Brüdern | |
14 Ángel Di María Lionels »Schatten« | |
15 Sergio Busquets Der Held von Barça | |
16 Toni Kroos Man of the Match | |
17 Alexis Sánchez Kämpfen, Alex, kämpfen! | |
18 Jérôme Boateng Im Zeitgeist | |
19 David Alaba Von wegen »Gestolper«! | |
20 Sergio Agüero Cool bleiben | |
21 Koke Jammern gilt nicht | |
22 Kevin De Bruyne Die Füße stillhalten | |
23 Luka Modric Alles durchlebt | |
24 Ivan Rakitic Picasso malt | |
25 Arturo Vidal Freund der Nacht – und des Erfolgs | |
26 Pierre-Emerick Aubameyang 27 Manuel Neuer |
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28 Paulo Bruno Dybala 29 Mesut Özil |
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30 Sergio Ramos 31 Kane |
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32 Gerard Piqué 33 Marco Verratti |
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34 Renato Sanches 35 Hulk |
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36 Cesc Fàbregas 37 Edinson Cavani |
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38 Isco 39 João Mário |
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40 Álvaro Morata 41 Jordi Alba |
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42 Lucas Moura 43 David de Gea |
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44 Douglas Costa 45 Leonardo Bonucci |
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46 André Gomes 47 N’golo Kanté |
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48 John Stones 49 David Luiz |
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50 Raheem Sterling | |
51 Diego Godín / 52 Henrik Mhkitaryan 53 Granit Xhaka / 54 Marco Reus |
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55 Leroy Sané / 56 Raphaël Varane 57 William Carvalho / 58 Marcelo |
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59 Romelu Lukaku / 60 Wayne Rooney 61 Marek Hamšík / 62 Marquinhos |
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63 Andrés Iniesta / 64 Blaise Matudi 65 Mats Hummels / 66 Mario Götze |
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67 Claudio Marchisio / 68 Arda Turan 69 Sadio Mané / 70 Grzegorz Krychowiak |
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71 Miralem Pjanic / 72 Aaron Ramsey 73 Jan Oblak / 74 Saúl Ñíguez |
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75 Roberto Firmino / 76 Diego Costa / 77 Thibaut Courtois / 78 Alexandre Lacazette / 79 Oscar / 80 Philippe Coutinho |
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81 Riyad Mahrez / 82 Daniel Carvajal / 83 Mauro Icardi / 84 Anthony Martial / 85 Alex Sandro / 86 Juan Mata |
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87 Radja Nainggolan / 88 David Jiménez / 89 Javier Martínez / 90 Nicolás Otamendi / 91 Willian / 92 Michy Batshuayi |
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93 Nemanja Matic / 94 Javier Pastore / 95 Ander Herrera / 96 Christian Eriksen / 97 Shkodran Mustafi / 98 Yevhen Konoplyanka |
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99 José Giménez 100 Thiago | |
ANHANG | |
Internationale Transfers | |
Nationale Transfers | |
Meine Top-Elf |
Das Endspiel war wie schon 2014 ein Madrider Stadtderby. Real gegen Atlético, Spiel- gegen Abwehrkunst. Das Finale von Madrid wurde im Elfmeterschießen entschieden. Den letzten und entscheidenden Strafstoß verwandelte Cristiano Ronaldo – und küsste anschließend den Pokal.
Deutschland, Italien, Frankreich – die Favoritenliste war lang bei der Euro 2016. Aber keiner hatte Portugal auf dem Zettel. Die junge Mannschaft von Trainer Fernando Santos überraschte im Finale auch Gastgeber Frankreich und gewann durch das 1:0 von Éder in der Verlängerung. Es war der erste Titel für Portugals Nationalmannschaft.
Der südamerikanische Fußballverband CONMEBOL feierte seinen 100. Geburtstag. Die Sonderausgabe des Copa América wurde in den USA ausgespielt. Wie schon ein Jahr zuvor standen sich erneut Argentinien und Chile im Endspiel gegenüber, wie zuvor triumphierte Vidal über Messi. Chile gewann das Elfmeterschießen mit 4:2.
Viermal in Serie Meister – das hatte zuvor keiner geschafft. Pep Guardiola setzte fort, was Jupp Heynckes begann. In seinen drei Jahren beim FC Bayern wurde er dreimal Meister. Der Vorsprung diesmal betrug satte zehn Punkte, auch wenn Dortmund lange mithalten konnte.
In Berlin standen sich die beiden besten deutschen Mannschaften gegenüber. 0:0 hieß es nach 120 Minuten, Douglas Costa verwandelte den entscheidenden Elfmeter zum 4:3-Sieg der Bayern, die damit das Double holten. Es war ein großartiger Abschied für Pep Guardiola, der den Pokal als Erster in Empfang nehmen durfte.
Er hat es geschafft, er hat seinen Fans das ersehnte Gold geschenkt. Im Finale gegen Deutschland verwandelte Neymar einen Freistoß zum 1:0 und im entscheidenden Elfmeterschießen den letzten Elfmeter zum 6:5, nachdem Petersen verschossen hatte. Für die Elf von Horst Hrubesch hatte Schalkes Talent Meyer zwischenzeitlich ausgeglichen. Hier stemmen sich gleich beide Bender-Zwillinge gegen Brasiliens Ausnahmekönner.
Wer ist der Beste?
Die Diskussion ist so alt wie der Fußball. Jahr für Jahr wird beim »Don Ballon«, von der französischen Sportzeitung L’Équipe ins Leben gerufen, der Weltfußballer gewählt. Nationaltrainer und – Kapitäne dürfen hier abstimmen und haben sich seit 2008 für zwei Namen entschieden: fünfmal Lionel Messi, dreimal Cristiano Ronaldo. Um eine wirkliche Rangliste der Top 100 zu erstellen, bedarf es harter Fakten.
Deutschlands wertvollste Bein. Thomas Müller liegt in dieser Weltrangliste als bester Deutscher auf Platz 10.
Als Verlag und Redaktion beschlossen, ein Buch mit dem Titel »Die 100 besten Fußballer des Jahres« auf den Markt zu bringen, begann das große Rätselraten: Wie schaffe ich eine gerechte Wertung? Wie beurteilen wir, wer der Beste, der Zweitbeste, die Nummer 100 wird? Wie lassen sich Abwehrspieler und Angreifer vergleichen?
Diese Rangliste ergibt sich aus einem Punktesystem. Wir haben neben der Platzierung auch die Punkte dargestellt, um ein gerechtes Urteil zu fällen. Dieses Punktesystem setzt sich aus vier Komponenten zusammen:
- Der Marktwert. Dabei handelt es sich sicherlich um eine subjektive Zahl, gestützt auf das Online-Portal »transfermarkt.de«, das positions- und länderübergreifend den Marktwert definiert. Wir haben hier den Wert vom 30. September 2016 zugrunde gelegt und damit die Zahlen nach Abschluss der Transferperiode.
- Die Transfersumme. Haben Spieler im Sommer den Verein gewechselt, so wurde die Transfersumme berücksichtigt, die zum Teil deutlich über dem Marktwert lag. Bei Paul Pogba, dem teuersten Spieler aller Zeiten, ebenso wie bei Leroy Sané, dem teuersten deutschen Spieler aller Zeiten. Der Quotient aus Marktwert und Transfersumme ist somit die Basis unserer Rechnung.
- Die Erfolge. Wer Titel gewonnen hat, wird mit Zusatzpunkten dekoriert. Champions League, Europameisterschaft, Olympiasieg oder Südamerika-Meisterschaft bringen 10, eine nationale Meisterschaft 5 und ein nationaler Pokalsieg bringt 3 Sonderpunkte.
- Persönliche Auszeichnungen. Um eine weitere Differenzierung zu erreichen, haben wir persönliche Ehrungen berücksichtigt. Wer in seinem Land als Fußballer des Jahres ausgezeichnet wurde, erhielt 10 Zusatzpunkte. Genauso, wer in seinem Land als Torschützenkönig geehrt wurde.
Bestbezahlter deutscher Fußballer. Toni Kroos mit Präsident Florentino Pérez nach seiner Vertragsverlängerung bei Real Madrid.
Um unser Ranking plausibel zu machen, hier zwei Beispiele: Der Marktwert von Leroy Sané beläuft sich auf 30 Millionen. Manchester City aber überwies an Schalke 50 Millionen. 30 plus 50 ergibt 80. Hier haben wir den Mittelwert in Punkte umgemünzt. Da Sané keine nationalen Titel gewinnen konnte und auch ohne persönliche Auszeichnung blieb, bleibt es bei 40 Punkten. Diese Punktzahl reicht in unserem Ranking für Platz 55.
Bei Jérôme Boateng (Marktwert: 45 Millionen gleich 45 Punkte) sieht die Rechnung anders aus: Er wurde Meister (plus 5 Punkte) und Pokalsieger (plus 3 Punkte) und wurde in Deutschland zum Fußballer des Jahres gewählt (plus 10 Punkte). Daraus ergibt sich eine Punktzahl von 63 und Platz 18 in unserer Rangliste.
Damit ist Jérôme Boateng die Nummer eins unter allen Abwehrspielern der Welt. Kein anderer kommt auf eine so hohe Punktzahl, kein anderer war so erfolgreich wie der Weltmeister aus Berlin, der seit 2011 das Trikot des FC Bayern trägt und seinen Vertrag mit den Münchnern bis 2021 verlängert hat. Auf den ersten zehn Plätzen liegen – bis auf eine Ausnahme – ausschließlich Angreifer, Stürmer, Torjäger. Die Ausnahme heißt Paul Pogba. Obwohl für den Franzosen die höchste Ablösesumme aller Zeiten bezahlt wurde, ist er nicht der Beste. Pogba wurde zwar mit Juventus Turin Meister und Pokalsieger, aber mit Frankreich nicht Europameister. Dennoch zahlte Manchester United die Rekordsumme von 115 Millionen Euro.
Durch neue TV-Verträge, die seit Sommer 2016 gelten, erhält die englische Premier League für die nächsten drei Jahre 6,9 Milliarden Euro. Damit hat jeder englische Klub weit mehr Geld zur Verfügung als die Konkurrenten aus anderen Ländern. Auch die Bundesliga konnte zwar einen neuen Rekorddeal abschließen, der – erst ab Sommer 2017 gültig – für drei Jahre 4,64 Milliarden Euro garantiert, aber 30 Prozent geringer ausfällt als der der Briten. Auch deshalb spielen von den 100 besten Fußballer der Welt nur 15 in der Bundesliga, aber 36 in England. Denn keine andere Liga schwimmt dermaßen im Geld und hat so viel investiert wie die Engländer. Allein Manchester United, ohnehin der reichste Verein der Welt, investierte durch die Familie Glazer, die Inhaber von United, satte 781 Millionen, damit im Stadion Old Trafford Superstars wie Ibrahimović, Pogba, Rooney oder Schweinsteiger auflaufen. Mit José Mourinho wurde zudem der teuerste Trainer als Nachfolger von Louis van Gaal verpflichtet. Noch nie wurde im Weltfußball so viel Geld in eine Mannschaft investiert. Stadtnachbar Manchester City, seit Sommer vom Spanier Pep Guardiola trainiert, landet in diesem Weltranking mit 665 Millionen auf Platz drei. Dazwischen haben sich die »Königlichen « von Real Madrid geschoben, die einst für Bale und Ronaldo jeweils rund 100 Millionen Euro ausgegeben haben.
Bester Abwehrspieler der Welt. Jérôme Boateng auf Platz 18.
Aber Geld schießt keine Tore. Trotz dieser Wahnsinns-Investitionen beherrschen nicht die englischen, sondern nach wie vor die spanischen Klubs den europäischen Fußball. Auch 2016 wurden beide europäischen Titel von Spaniern gewonnen: Real Madrid gewann die Champions League (im Stadtduell gegen Atlético), der FC Sevilla die Europa League. Obwohl nur 28 Spieler der Top 100 in der Primera Division auflaufen, bestätigt diese Rangliste: Die besten Spieler spielen in Spanien!
Auf Platz eins (wenig überraschend): Cristiano Ronaldo. Der Portugiese hat sich uns, seinen Fans, in diesem Sommer zwei Träume erfüllt. Mit Real Madrid gewann er nach 2014 erneut die Champions League, mit Portugal wurde der exzentrische Stürmerstar überraschend erstmals Europameister. Damit hat er sich Platz eins verdient.
Lionel Messi, der wieselflinke Argentinier in Diensten des FC Barcelona, wurde spanischer Meister. Bei der Südamerika Meisterschaft verlor er das Finale gegen Chile, in der Champions League scheiterte er mit seiner Mannschaft bereits im Viertelfinale an Atlético Madrid. So blieb für ihn nur Platz zwei. Auf Platz drei liegt sein Vereinskollege und Olympiasieger Neymar, der mit Brasilien im Finale gegen Deutschland nicht nur Gold gewann, sondern auch auffälligster Akteur war und seinen Landsleuten im heimischen Maracanã einen ersehnten Traum erfüllte.
Bester Torhüter der Welt. Manuel Neuer auf Platz 27.
Unter den Top 10 sind auch zwei Spieler des FC Bayern München: Robert Lewandowski, mit 30 Treffern Torschützenkönig der Bundesliga, und sein kongenialer Angriffspartner Thomas Müller. Obwohl Deutschlands Allzweckwaffe bei der Euro 2016 ohne eigenen Treffer blieb, half er entscheidend mit, dass der FC Bayern nach wie vor zu Europas Top-Adressen gehört. So sind in den Top 100 nicht weniger als elf Bayern-Spieler vertreten, Boateng als bester Abwehrspieler der Welt auf Platz 18, Manuel Neuer als bester Torhüter der Welt auf Platz 27. Thiago Alcántara schaffte es gerade noch auf Platz 100.
Wichtige Leistungsträger aber fehlen: Weder Robben noch Ribéry oder Lahm tauchen in dieser Liste auf. Denn Marktwert und Transfersummen werden entscheidend durch das Alter geprägt und damit durch die Möglichkeit einer Refinanzierung. Arjen Robben (geb. 23.1.1984), Franck Ribéry (geb. 7.4.1983) und Philipp Lahm (geb. 11.11.1983) haben wie Xavi Alonso die 30 längst passiert, ein Weiterverkauf erscheint daher nahezu ausgeschlossen. Deshalb fehlt auch Zlatan Ibrahimović in dieser Liste, der ablösefrei von Paris St. Germain zu Manchester United gewechselt ist, dort aber mit 12,5 Millionen Euro Jahresverdienst zu den Spitzenverdienern zählt. Ibrahimović ist bereits 35. Zu Deutschlands Spitzenverdiener hat sich Toni Kroos entwickelt, obwohl er in dieser Weltrangliste des Fußballs »nur« auf Platz 16 liegt. Real Madrid belohnte seine enorme Wichtigkeit für das Spiel der »Königlichen« mit einer Vertragsverlängerung um sechs Jahre bis 2022. Diese Unterschrift ist Real 120 Millionen Euro wert, ein Jahressalär von rund 20 Millionen Euro. »BILD« rechnete daraufhin den Tagessatz auf 54.800 Euro hoch und einen Stundenlohn von 2.283 Euro aus. Trotz eines Ronaldo, eines Bale, eines Benzema sagt Real-Trainer Zinédine Zidane: »Es ist ein Glück, einen Spieler wie ihn zu haben.« Einer, der das Spiel bestimmt, einer, dem nachgesagt wird, er spiele mit der Präzision eines Navigationsgerätes. Obwohl weder seine Torerfolge noch seine Torvorlagen für Ausschläge in den Fußballdatenbanken sorgen, ist er der Spiritus Rector des Spiels, sowohl bei Real Madrid als auch in der deutschen Nationalmannschaft. Real weiß zu schätzen, was sie an ihm haben. Sehr zum Ärger des FC Bayern, der 2014 nicht bereit war, Kroos auf ein Gehaltsniveau mit einem Mario Götze zu hieven und ihn – ein Jahr vor Vertragsablauf – nach Madrid ziehen ließ.
Jubelt jetzt für Manu. Zlatan Ibrahimović, der exzentrische Schwede, fehlt in dieser Rangliste. Er ist 35 Jahre alt, sein Marktwert entsprechend niedrig.
Bei allem Geld, das nunmehr im Umlauf ist: Unter den Top 30 wurden mit Pogba und Higuaín nur zwei Spieler in der letzten Wechselperiode transferiert. Innerhalb unserer Top 100 sind es gerade 20 Prozent. Die guten Spieler wissen, was sie an guten Klubs haben. Und die guten Klubs wissen, was sie an guten Spielern haben. Deshalb hat Real den Vertrag mit Kroos vorzeitig verlängert und sein Gehalt verdoppelt. Deshalb hat auch Bayern München die Verträge mit Leistungsträgern wie Müller oder Boateng frühzeitig verlängert inclusive einer dem Marktwert angepassten Gehaltssumme. Eine längere Vertragslaufzeit erhöht zudem mögliche Ablösesummen.
Bei Bayern eine Institution. Kapitän Philipp Lahm ist nach wie vor einer der besten Rechtsverteidiger der Welt, trotz seiner 32 Jahre.
Nur durch Marktwert und Transfersummen lässt sich nicht ablesen, wer wirklich der Beste ist.
Deshalb bleibt die Diskussion, wer nun wirklich der beste Fußballer der Welt ist, eine subjektive Einschätzung. Lassen sich Positionen vergleichen? Ist Ronaldo wirklich besser als Kroos? Wie könnte Ronaldo glänzen, wenn ihn Kroos nicht ständig so hervorragend in Szene setzen würde? Warum haben es nur vier Torhüter unter die Top 100 geschafft, obwohl ein verhindertes Tor doch ebenso hoch zu bewerten ist wie ein erzieltes? Gehören nicht Lahm, Robben, Ribéry oder Ibrahimović in die Liste der Top 100, auch wenn sie eine Altersgrenze überschritten haben? Wieso hat es mit John Stones ein englischer Abwehrspieler in die Top 50 geschafft, der nicht einmal Stammspieler in seiner Nationalmannschaft ist? »Egal, welches Punktesystem zugrunde liegt: Eine Rangliste des Weltfußballs bleibt immer eine subjektive Einschätzung«, so der frühere TV-Experte Günter Netzer, der sicherlich zu den Fußball-Weisen im Lande zählt.
Dieses Buch liefert deshalb nicht nur Porträts der besten Spieler der Welt, sondern herrliches Futter für alle Fußballfans und besten Diskussionsstoff.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ulrich Kühne-Hellmessen
Herausgeber
CHRISTIAN
NERLINGER
INTERVIEW
Spieler, Sportchef, Berater. Christian Nerlinger kennt alle Facetten des Fußballs.
Christian Nerlinger (43) kennt alle Facetten des Fußballs. Von 1993 bis 2005 war er Profi, spielte für Bayern, für Dortmund, die Glasgow Rangers und den 1. FC Kaiserslautern. Er war als Nachfolger von Uli Hoeneß erst Manager, dann Sportdirektor beim FC Bayern. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der Sport-Management-Agentur SAM-Sports, einer Tochter des Medienkonzerns ProSiebenSat.1, betreut hier u. a. Jérôme Boateng und Jonathan Tah. Er hat die Entwicklung des Fußballs hautnah miterlebt und einen dreidimensionalen Blick auf das weltweite Geschehen. Er sagt: »Fußball ist Fußball geblieben. Wer glaubt, dass Fußball heute ein Computerspiel ist, wird scheitern.«
Herr Nerlinger, beginnen wir gleich bei dem Transfer des Jahres: Inwieweit ist eine Summe von 115 Millionen für einen Spieler wie Paul Pogba gerechtfertigt – a) aus Sicht eines Sportdirektors, b) aus Sicht eines Investors?
CHRISTIAN NERLINGER Diese Frage kann nur der Klub selbst beantworten. Wenn wir von diesen Ausschlägen sprechen, sind wir vor allem bei den englischen Klubs. Wenn wir sehen, wie die Engländer international abschneiden, in der Champions League, in der Europa League, muss man doch zu der Erkenntnis kommen: Diese Summen sind weder zielführend noch notwendig. Zu einer guten Fußballmannschaft gehört mehr als nur ein dickes Bankkonto.
ManU ist der reichste Verein der Welt. Ist diese Investition in einen Spieler wie Pogba eine Marketingmaßnahme, um die internationale Positionierung zu sichern?
NERLINGER Im Fußball ist der Wertmesser der Trophäenschrank. Es geht natürlich auch um die Erschließung neuer Märkte, aber in erster Linie um Titel, um nationale und internationale Erfolge. Darüber erfolgt die Positionierung. Also muss man dem Erfolg alles unterordnen. Die Engländer werfen die Marketingmaschinen an, fliegen in der Weltgeschichte herum, wodurch das Sportliche zu kurz kommt. Deshalb ist es auch wichtig, dass die handelnden Personen den Fußball verstehen und nicht nur Bilanzen lesen können.
Sie meinen wie bei Bayern, wo mit Hoeneß, Beckenbauer, Rummenigge stets ehemalige Weltklassefußballer an der Vereinsspitze standen?
NERLINGER Ja, das Spiel selbst, die Entwicklung einer Mannschaft muss im Mittelpunkt stehen. Deshalb finde ich auch das Projekt Leipzig so faszinierend. Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz hat mit Ralf Rangnick einen ausgewiesenen Fachmann als Sportdirektor installiert und überlässt ihm den Aufbau der Mannschaft. Das zeugt von Vertrauen und von Weitsicht. Wenn nur Investoren das Sagen haben, wird das nix. Fußball ist kein Computerspiel, wo sich durch Kaufen und Verkaufen eine titelfähige Mannschaft zusammenstellen lässt.
Für ein Talent wie Leroy Sané, nicht mal Leistungsträger, auch noch kein Stammspieler in der Nationalmannschaft, wurden in diesem Sommer 50 Millionen Euro bezahlt. Ist das die Entwicklung des Fußballs?
NERLINGER Wenn ein Trainer wie Pep Guardiola einen Spieler unbedingt haben will, steigt natürlich der Preis. Deutsche Vereine zeigen, dass es auch anders geht: Bayern mit Kimmich, Leverkusen mit Tah oder Brandt, Dortmund mit Weigl. Was zum Beispiel Manchester United gemacht hat, ist Kapitalvernichtung. Sie holen Luis van Gaal und sein Team, geben ihm alle Vollmachten, einschließlich der Spielertransfers – und wechseln ihn mitsamt den Spielern nach einem Jahr wieder aus. Schneller lässt sich Geld nicht verbrennen. Zwar hat die Bundesliga von der englischen Investitionswucht profitiert, weil frisches Geld reingespült wurde. Aber Kontinuität ist Voraussetzung für sportlichen Erfolg.
JUNGE PROFIS BRAUCHEN EIN UMFELD ZUR ENTSCHLEUNIGUNG
Wenn Sie zurückschauen, wie sich der Fußball in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat: Können Sie das Wachstum nachvollziehen?
NERLINGER Ich habe meinen ersten Vertrag 1992 unterschrieben. Uli Hoeneß hat damals angekündigt, dass Spieler bald eine Million verdienen können. Da habe ich glänzende Augen bekommen. Längst ist die 10-Millionen-Grenze geknackt. Ja, die Entwicklung ist ein Wahnsinn, ging viel schneller als erwartet, aber es ist ein Markt.
DER FUSSBAL HAT ALLE GESELLSCHAFTSSCHICHTEN ERREICHT
Wie erklären Sie sich diesen Fußballboom?
NERLINGER Der Fußball hat alle Gesellschaftsschichten erreicht. Heute ist Fußball nicht nur etwas für Hardcore-Fans, sondern für die ganze Familie. Meine Kinder, vier, sechs und acht Jahre alt, sammeln Panini-Bilder, laufen in Trikots ihrer Idole herum. Bald wollen sie ins Stadion. Frauen und Mädchen spielen nicht nur immer häufiger aktiv, sondern sind genauso infiziert vom Fußball-Virus. Davon profitieren die TV-Anstalten. Die Rechte, auch Teilrechte, werden immer gefragter und dadurch immer teurer. Die Fernsehmacher sind bestimmt keine Wohltäter, sondern getrieben von Angebot und Nachfrage. Ich habe zwei Jahre in Glasgow gespielt. Da wurde am 25.12. gespielt. Und das Derby zwischen Celtic und den Rangers war am 1.1. um 12 Uhr angesetzt. Die Arenen waren voll, die Leute saßen in den Pubs oder zu Hause vor dem Fernsehschirm. Fußball bietet die totale Faszination.
Das ist gewachsene Tradition, das ist der Markt. Dazu ist der Fußball immer professioneller geworden, in jeder Beziehung. Ich finde, dass die Bundesliga eine ausgezeichnete Balance gefunden hat: moderne Stadien, hervorragende Nachwuchs-Leistungszentren, innovative Trainer, die immer wieder frischen Wind reinbringen und gute Philosophien entwickeln. Der Fußball funktioniert bei uns besser als anderswo. Spieler, Trainer und alle Angestellten profitieren von diesem Markt.
Wie wichtig ist die Infrastruktur für das Boomgeschäft? Deutschland hat – auch durch die WM 2006 – die modernsten Sportarenen der Welt …
NERLINGER Ich bin ein Kind des Olympiastadions. Ich habe es geliebt, aber es war nicht mehr zeitgemäß. Wenn ich heute die Allianz Arena sehe, zeigt es doch, dass alle Gesellschaftsschichten hervorragend bedient werden können. Da sind die 106 Boxen, die ausverkauft sind. Die Business Seats sind begehrt und in den Kurven sind die Eintrittskarten nach wie vor Tickets für jedermann und bezahlbar. Da wird die ganze Bandbreite hervorragend abgedeckt. Es herrscht eine tolle Stimmung, die Sicherheitsstandards sind hoch, das passt und ist sicherlich ein wichtiges Kriterium, warum der Fußball in Deutschland so gut funktioniert.
Sie betreuen mit Jérôme Boateng einen der Weltmeister mit der auffälligsten Entwicklung.
NERLINGER