Die Einhundert Ratschläge des Padampa Sangye
aus dem Französischen von
Padmakara Übersetzungen
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Die Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel
Les Cent Conseils de Padampa Sangyé
bei Éditions Padmakara, 24290 Saint-Léon-sur-Vézère, France
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© 2000 Éditions Padmakara
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Unter Verwendung eines Bildes: © Matthieu Ricard
Bildnachweis: © Arbor Verlag, Freiamt
Lektorat: Michael Stürzer
Satz und Gestaltung: Ingeburg Zoschke
E-Book Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.
ISBN Print 978-3-89901-580-5
ISBN E-Book 978-3-95883-182-7
Vorwort von Kyabje Trulshik Rinpoche
Die erleuchteten Qualitäten meines Dharma-Lehrers Kyabje Dilgo Khyentse von Ringu Tulku Rinpoche
Vorbemerkung
Dilgo Khyentses Kommentar zu den Einhundert Ratschlägen des Padampa Sangye
S. H. Dilgo Khyentse Rinpoche
Der Grundtext
Anmerkungen
Om swasti In Verehrung werfe ich mich vor dem erhabenen Vidyadhara des Langen Lebens nieder, dessen Geschichte ganz außergewöhnlich ist, denn der Löwe der Rede, inkarniert als menschliches Wesen, lebte nicht weniger als sechshundert Jahre in Indien und anderen Ländern.
In Tibet sprach er zu der Bevölkerung von Tingri einhundert Verse, voll des Reichtums der tiefgründigen Unterweisungen, sie sind berühmt und viel gepriesen. Hier nun ein Text, in dem sie auf das Beste erklärt werden.
In seiner ganzen Länge aus der Vajra-Rede des Allwissenden Halters der Lehren stammend, des unwandelbaren erhabenen Fahrzeugs, der tanzenden, willentlichen Reinkarnation von Jamyang Khyentse Wangpo, des Zweiten Buddha Tibets, Manjushri in Person; diesem Text erweise ich meine aufrichtigste Verehrung!
In Indien unter dem Namen Acharya Kamalashila bekannt, hat sich Padampa Sangye – so sein tibetischer Name – dreimal in Tibet aufgehalten. War das so, weil der Buddha in seinem Körper der Weisheit aus ihm seinen Jünger gemacht hatte? Padampa erzählte oft, dass der Buddha ihm einen wundersamen Stein gegeben habe. Diesen Stein warf er eines Tages in Richtung Tibet, mit dem Wunsch, er möge dort hinfallen, wo die Wesen für die Lehren empfänglich seien. Auf der Suche nach dem Stein betrat Padampa Tibet über Lateu in der Provinz Tsang. Dort war der Stein im heutigen Gebiet von Tingri Langkor niedergefallen. Die Legende erzählt, dass, als Padampa dort eintraf, alles unter einer Schneedecke lag, bis auf eine dunkle Stelle, wo der Schnee weggeschmolzen war. Und hier fand der Acharya den wundersamen Stein wieder. Es heißt, dass der Stein beim Aufprall ein Geräusch wie »ting« gemacht hatte, von daher rührt der Name Tingri – Tingberg. Was das Wort Langkor angeht, so ist es eine Abänderung von lakor oder lawai korwa, wörtlich »Umschreitung der Moschushirsche«, weil Padampa sich den Ort zur Bleibe gewählt hatte, wo die Hirsche im Kreis herumspazierten.
Bei seinem letzten Aufenthalt in Tibet hatte Padampa Gelegenheit, Jetsün Milarepa zu treffen. In dessen Biografie heißt es, dass die beiden erhabenen Meister sich gegenseitig ihre Wunderkräfte an einem Ort vorführten, der heute Nyingdje Drönkhang, »Herberge des Mitgefühls«, genannt wird.
Jamyang Khyentse Wangpo, Halter der Sieben Überlieferungen, war eine Emanation des Acharya Kamalashila oder Padampa Sangye. Später inkarnierte er sich aufs Neue als diese magische Erscheinung, Herrscher unter allen verwirklichten Gelehrten, Beschützer unseres Mandala, dessen Glück verheißende Namen, die man vor Ehrfurcht kaum auszusprechen wagt, sind: Kyabje Dilgo Khyentse Rinpoche, Glorreiches Banner der Lehren des Erhabenen und Unwandelbaren Fahrzeugs oder Furchtloser Mond der Ausgezeichneten Klarheit – Namen, die einem glorreichen Banner gleichen, das auf dem Gipfel der Welt flattert.
Und eben dieser große Meister ist es, der zu den »Einhundert Ratschlägen für das Volk von Tingri« eine mündliche Erläuterung gegeben hat, die von Padmakara Übersetzungen überarbeitet und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Darüber freue ich mich aufrichtig, es ist wirklich wunderbar, dass sowohl ganz gewöhnliche Menschen als auch fortgeschrittene Praktizierende diesen Text studieren sowie darüber reflektieren und meditieren können.
Dieses Vorwort stammt von einem der demütigsten Diener der erhabenen Wesen, an deren Spitze der Verfasser des nachfolgenden Kommentars zu den »Einhundert Versen« steht, von dem, der »Tulku von Tsarong Trulshik Shadeou« genannt wird, dem unwissenden Mönch Ngawang Chöskyi Lodrö, der mit gefalteten Händen am 8. Dezember 1999 in »Tashi Pelbar Ling« in der Dordogne dieses Gebet sprach. Möge das Gute zunehmen!
Dilgo Khyentse war ein außerordentlich großer Gelehrter, es gab im Buddhismus nichts, was er nicht wusste. Außerdem verfügte er auch in den angrenzenden weltlichen Gebieten über große Bildung. Rinpoche stand dem 16. Karmapa sehr nah, er besuchte ihn oft und sie gaben sich gegenseitig Belehrungen und Einweihungen. In Sikkim vermittelte Dilgo Khyentse den Rinchen-Terzöd-Zyklus, einen Schatz an Einweihungen und Übertragungen, die zu geben mehrere Monate dauert. Diese empfing ich und wurde damit auch zu Rinpoches Schüler.
Rinpoche lehrte ununterbrochen, Tag und Nacht. Um drei Uhr morgens begann er mit den Vorbereitungen, für vier Uhr bestellte er uns, dann saß er schon auf dem Thron und lehrte, machte aber eine kleine Pause, wann immer jemand kam, um ihn sehr freundlich zu begrüßen. Es ging dann so weiter, selbst wenn nach dreiundzwanzig Uhr noch jemand in sein Zimmer kam: Dann saß Rinpoche im Bett und fing gleich an, den Dharma zu erklären, wenn er darum gebeten wurde. Manchmal sprach er auch weiter, während er auf der Toilette war, das habe ich selbst erlebt!
Irgendwie hat Rinpoche es geschafft, darüber hinaus mehr als vierundzwanzig Bücher zu schreiben. In Tibet verbrachte er ungefähr zwanzig Jahre im Retreat, dort führte er auch zahlreiche drupchen durch.
Dabei sah Rinpoche nie müde aus, er trank seinen Buttertee und lehrte und praktizierte ohne Unterbrechung. Als er älter wurde, versuchte sein Enkelsohn, Shechen Rabjam Rinpoche, für etwas mehr Ruhe zu sorgen. Er bat die Besucher, erst ab neun oder zehn Uhr morgens zu Rinpoche zu gehen. Aber es gab immer Leute, die trotzdem früher kamen, also ging es eigentlich so weiter wie vorher.
Fast alle Lamas sämtlicher Linien, ob nun Kagyu, Nyingma, Sakya oder Gelug, auch Seine Heiligkeit der Dalai Lama, sie alle waren Khyentse Rinpoches Schüler. Es gibt so gut wie keine Lamas, die nicht Belehrungen und Einweihungen von ihm erhalten haben. Seine Belehrungen und Einweihungen kamen aus allen Traditionen. Er benutzte die Lehren mit größtem Geschick, je nachdem, was für die jeweiligen Schüler besonders geeignet und hilfreich war.
Wir konnten auch mit all unseren Problemen und Fragen zu ihm kommen, er hörte sie gern an und besprach sie mit uns. Aber wenn ich ehrlich bin, dann hatten wir nicht viele Fragen an ihn – selbst wenn wir mit vielen Fragen angekommen waren, sobald wir bei ihm waren, waren alle Fragen verschwunden. Selbst wenn man sich seine Fragen vorher aufgeschrieben hatte, merkte man, es war gar nicht nötig zu fragen.
Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama empfing Belehrungen von Khyentse Rinpoche, und der König von Bhutan betrachtete ihn als seinen persönlichen königlichen Lehrer. Von der Nyingma-Linie wurde er zum Oberhaupt gewählt. Trotzdem blieb er weiterhin erreichbar für jeden und behielt engen Kontakt zu allen.
Bis zu seinem Tod war Khyentse Rinpoche sehr beschäftigt, er schrieb auch viele Briefe an seine Schüler und an Hilfesuchende.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemals wieder einen derartigen Lama geben wird. Sein Mitgefühl und seine Weisheit waren unermesslich.
* Aus einem Vortrag, gehalten in Heidelberg im August 2002. Transkribiert von Alain Sattler, editiert von Anthony Bruno, übersetzt von Maria Hündorf. Mit freundlicher Genehmigung von Bodhicharya Deutschland.
Diesen Kommentar zu Padampa Sangyes »Einhundert Ratschläge für das Volk von Tingri« hat Kyabje Dilgo Khyentse Rinpoche in Shechen Tennyi Dargyeling, seinem Kloster in Nepal, im Jahr 1987 gegeben.
Kyabje Dilgo Khyentse Rinpoche stützt seinen Kommentar auf zwei verschiedene Versionen des Grundtextes:
1. rJe btsun Dam pa Sangs rgyas kyis Ding ri par zhal chems su bstal pa Ding ri brgya rtsa ma (in 100 Versen, Xylografie, 12 Blätter, Tingri Langkor Kloster, Tibet).
2. rGya gar gyi grub thob chen po Dam pa rGya gar ram Dam pa Sangs rgyas zhes pa’i gsung mgur zhal gdams Ding ri brgyad cu pa (in 80 Versen: S. 31/4 – S. 36/6, Bd. pa des gDams ngag mdzod von Jamgön Kongtrul Lodrö Thaye).
Übersetzung aus dem Tibetischen von Matthieu Ricard, deutsche Übersetzung von Sabine von Minden, Padmakara Übersetzungen.
Wenn wir einer Belehrung zuhören oder sie studieren, sollten wir zu Anfang stets den Vorsatz fassen, zum Wohl aller Wesen Erleuchtung zu erlangen. Die einzige Möglichkeit, diesen Wunsch zu verwirklichen und damit die Welt vom Leiden und dessen Hauptursache, der Unwissenheit, zu befreien, liegt in der spirituellen Praxis. Aus diesem Grund und im Bewusstsein der Seltenheit und Kostbarkeit der Lehren müssen wir sie mit großer Aufmerksamkeit und einer altruistischen Einstellung aufnehmen und anschließend in die Praxis umsetzen.
Die »Einhundert Ratschläge für das Volk von Tingri« sind das geistige Vermächtnis eines großen indischen Weisen, des Paramabuddha Padampa Sangye (pha dam pa sangs rgyas). Dieser war in einer seiner früheren Inkarnationen ein enger Schüler des Buddha gewesen, der ihm vorausgesagt hatte, er werde in einem späteren Leben unzähligen Wesen von großem Nutzen sein. Und so wurde er als pa dampa, der »erhabene Vater«, geboren.
Padampa war ein großer Gelehrter, der zu Füßen von einhundertfünfzig verschiedenen Meistern studiert und ihre Lehren praktiziert hatte, wodurch er zu einer wahren Schatzkammer an spirituellem Wissen wurde. Gleichzeitig war er ein großer Yogi, der viele Visionen hatte und zahlreiche Wunder wirkte, die von seiner Verwirklichung zeugten. Am Ende erlangte er den Vajra-Körper jenseits von Geburt und Tod.
Padampa Sangye reiste dreimal nach Tibet und ebenso oft nach China. Im Schneeland verbreitete er die Lehre der »Befriedung des Leidens«1, eine der acht großen Traditionen des tibetischen Buddhismus, die noch heute praktiziert wird.
Lange Zeit hielt er sich im Hochtal von Tingri an der tibetisch-nepalesischen Grenze auf. Unter den zahlreichen Schülern, die er dort hatte, standen ihm vier besonders nahe. Als einer von ihnen nach langer Abwesenheit nach Tingri zurückkehrte, war er erschüttert, seinen Meister so gealtert vorzufinden. Voller Trauer sagte er zu ihm: »Erhabenes Wesen, wenn Ihr diese Welt verlasst, werdet Ihr zweifellos von Glückseligkeit zu Glückseligkeit gehen, was aber wird aus uns, dem Volk von Tingri? In wen können wir unser Vertrauen setzen?«
Für Padampa war der Tod nur das Hinüberwechseln von einem Buddhagefilde zum anderen. Für seine Schüler aber hieß dies, nie mehr sein Gesicht zu sehen, nie mehr seine Stimme zu hören. Bei diesem Gedanken kamen ihnen die Tränen. Und so gab ihnen Padampa diese Einhundert Ratschläge.
»In einem Jahr«, so sagte er zu ihnen, »werdet ihr hier den Leichnam eines alten indischen Einsiedlers vorfinden.«
Ein Jahr verging, und Padampa wies Anzeichen einer schweren Erkrankung auf. Auf die besorgte Frage seiner Schüler nach seiner Gesundheit antwortete er lakonisch: »Mein Geist ist krank.« Und zu ihrer Verblüffung erklärte er: »Mein Geist hat sich vollkommen mit der Welt der Phänomene vermischt.« Auf diese Weise brachte er zum Ausdruck, dass er keinerlei dualistische Wahrnehmung mehr hatte. Dann fügte er mit gelassenem Humor hinzu: »Körperliche Krankheiten kann man heilen, diese Krankheit aber ist unheilbar.« Schließlich richtete er den Blick gen Himmel und starb.
Sein spirituelles Vermächtnis sind die »Einhundert Ratschläge für das Volk von Tingri«, die tiefsinnig und doch leicht verständlich sind. Wer ernsthaft praktiziert, wird in ihnen alle für die wahre Dharma-Praxis erforderlichen Unterweisungen finden.
Verehrung dem spirituellen Meister. Hört mir zu, vom Glück begünstigtes Volk von Tingri!
Zuerst erweist Padampa seinem Meister als der Quelle des Segens und als Verkörperung aller Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seine Verehrung. Die Leute von Tingri sind für ihn vom Glück bevorzugt, weil sie den brennenden Wunsch verspüren, den Dharma zu studieren und zu praktizieren, und es damit verstehen, ihrem Leben einen Sinn zu geben.
So wie abgetragene Kleider nie wieder wie neu werden, ist es sinnlos, den Arzt zu rufen, wenn ihr auf den Tod krank seid.
So wie ein Kleidungsstück im Lauf der Zeit fadenscheinig wird und schließlich in Stücke zerfällt, verbraucht sich unser Leben Tag um Tag, Sekunde um Sekunde. Nichts und niemand kann diesen unerbittlichen Vorgang aufhalten, und am Ende müssen wir alleine sterben und alles zurücklassen. Wir werden aus unserer vertrauten Umgebung herausgezogen wie ein Haar aus einem Klumpen Butter.2 Im Augenblick des Todes ist unser einziger Beistand die spirituelle Praxis, und unsere einzigen Freunde sind die im Laufe unseres Lebens ausgeführten positiven Taten.
Alle Flüsse fließen dem Meer zu. Und alle Lebewesen bewegen sich auf ein einziges Ziel hin.
So wie alle Flüsse am Ende in das Meer münden, hat auch unser Leben als einzig möglichen Ausgang den Tod. Deshalb gibt es nichts Wertvolleres als die spirituelle Praxis, weil sie uns im Augenblick des Todes beisteht.
Hier nun die Ratschläge eines, der wie ein Vögelchen von einem Ast bald davonfliegen wird.
Die illusorischen Besitztümer, die ein gewöhnlicher Mensch hinterlässt, haben für ihn zum Zeitpunkt des Todes keinerlei Wert mehr. Die Buddhas und Meister hingegen hinterlassen die von ihnen gegebenen Lehren als lebendigen Ausdruck ihrer Weisheit und bieten damit denen, die den Weg zur Befreiung einschlagen möchten, eine ständige Quelle der Inspiration. Denn wenn wir ihre Lehren praktizieren, können wir die gleiche Ebene der Verwirklichung erreichen wie sie.
Manche Leute meinen, es sei keine Eile geboten und sie hätten immer noch genügend Zeit vor sich, einen spirituellen Meister zu finden und Dharma zu praktizieren. Diese Einstellung verleitet sie dazu, den Dharma zugunsten von weltlichen Beschäftigungen zurückzustellen. Der Tod wird dann nur der jämmerliche Schlusspunkt eines sinnlosen Lebens sein.
Wenn es Zeit zum Säen ist, verschiebt der Bauer seine Arbeit nicht in weite Ferne, sondern fängt gleich damit an. Ebenso solltet ihr, wenn die günstigen Bedingungen für das Praktizieren des Dharma zusammentreffen, eure ganze Energie ohne jegliche Verzögerung auf die Praxis konzentrieren.
Unsere Taten, Worte und Gedanken bestimmen unser Karma, das Glück oder Leid, das uns erwartet. Wenn sich die Waagschale unserer Taten zur negativen Seite neigt, werden wir in den niederen Daseinsbereichen von Samsara leiden. Wenn sie zur positiven Seite neigt, werden wir fähig sein, uns aus Samsara zu befreien und Buddhaschaft in einem einzigen Leben zu erlangen. Die Wahl ist einfach: Vermeiden wir die Ursachen für Leiden und sichern wir uns das Glück.
Wenn wir als menschliche Wesen an einem Ort, wo der Buddhismus blüht, geboren wurden und einen spirituellen Lehrer finden, wird uns mit Sicherheit klar werden, dass es für dieses Leben und für die kommenden von unermesslichem Nutzen ist, dessen Unterweisungen zu befolgen. Wir merken, wie die weltlichen Zerstreuungen und Beschäftigungen uns in Samsara gefangen halten, und der intensive Wunsch, uns daraus zu befreien, wird in uns wach. Wir stehen nun an einem Scheideweg: Der eine Weg führt zur Befreiung, der andere in ein jammervolles samsarisches Schicksal.
In einem Sutra heißt es: »Der Körper ist das Boot, das zur Küste der Befreiung führt, oder der Stein, der uns in den Abgrund des Samsara hinunterziehen kann. Der Körper ist der Diener des Guten wie des Bösen.«3
Es ist also ganz wesentlich, die richtige Richtung einzuschlagen und alle Taten, Worte und Gedanken zum Dharma zu lenken, denn dadurch bekommen sie eine positive Färbung, ähnlich wie bei einem Kristall, der die Farben der Unterlage reflektiert, auf die man ihn stellt.
Als Anfänger sollte man seine ganze Energie darauf verwenden, positive Tendenzen herauszubilden und negative Gewohnheiten abzulegen. Der Brahmane Upagupta, der zur Zeit des Buddha lebte, hatte folgende Methode gefunden, seine Wachsamkeit zu schärfen und seinen Fortschritt zu messen: Abends legte er für jede negative Handlung während des Tages einen schwarzen Kieselstein und für jede positive einen weißen beiseite. Am Anfang war das Häufchen mit den schwarzen Steinen weitaus höher als das mit den weißen, doch nach und nach wurden sie beide gleich groß und schließlich war er so weit, nur noch weiße Kiesel anzusammeln.