Das ABC für einen respektvollen Umgang zwischen Pferd & Mensch
➤ Für ein sicheres und harmonisches Miteinander
➤ Das 1x1 einer vertrauensvollen Kommunikation
Eine „wahrhaftige“ Kommunikation zwischen zwei Lebewesen entsteht für mich in dem Augenblick, in dem man seinem Gegenüber wirklich zuhört, seine Individualität mit all seinen Wünschen, Eigenarten und seinem Wesen so akzeptiert wie sie ist. Auf dieser Basis entwickelt sich ein Gespräch, ein Dialog, ein Austausch, bei dem jeder einen kleinen Teil seiner eigenen Welt dem anderen offenbart, sie ihm also ein Stück weit öffnet und mit ihm teilt.
Die Basis dafür, dass überhaupt eine Kommunikation stattfinden kann, ist eine gemeinsame Sprache, diese kann verbal oder nonverbal sein. Dadurch ist es unserem Gesprächspartner möglich (Körper-)Signale deuten zu können. Als Fluchttier entgeht dem Pferd keine noch so kleine Regung seines Gegenübers. Durch seine feine Beobachtungsgabe nimmt das Pferd jede kleine Veränderung in Gestik, Mimik, der Stimmungslage oder in den körperlichen Reaktionen seines Menschen wahr. Pferde spüren unseren Herzschlag, eine tiefe gleichmäßige Atmung und sie schätzen ruhige, klare und bewusste Körperbewegungen sowie eine von Herzen kommende aufrichtige und liebevolle Intention.
Kommunikationsprobleme zwischen Pferd und Mensch resultieren meiner Ansicht nach oft daraus, dass sich zwei unterschiedliche Individuen, welche verschiedenen Spezies angehören, einfach nicht verstehen, infolgedessen entstehen Ärger, Frustration, Angst, Hilflosigkeit oder Resignation.
In meiner täglichen Praxis als Ausbilderin begegnen mir viele Menschen, die sich nach einer vertrauensvollen Partnerschaft und einer Verständigungsebene sehnen, auf der sie ihrem Pferd ohne Gewalteinwirkung und Zwang erklären können, was genau sie sich wünschen.
Conny Weidenauer ist es in diesem Buch gelungen, dem Leser Schritt für Schritt Wege aufzuzeigen, die zu einer besseren Verständigung zwischen Pferd und Mensch führen, sodass Missverständnisse gar nicht erst entstehen.
Ich freue mich sehr, dass dieses Werk eines der ersten Bücher ist, die in unserem Verlag erscheinen und bin ebenso glücklich, dass Conny Weidenauer dieses für jeden Pferdemenschen so wertvolle Buch geschrieben hat. Conny ist für mich eine Ausbilderin, die in ihrer Kommunikation mit Pferd und Mensch immer wieder eine gute Balance zwischen Freude und Fachkompetenz, zwischen Verständnis und Klarheit findet. Ob junge oder traumatisierte Pferde, Pferde mit ganz alltäglichen oder schwerwiegenden Problemen, ob mehr oder weniger anspruchsvolle Menschenpersönlichkeiten – Conny findet durch ihre ehrliche und von ganzem Herzen offene Art einen Weg zu ihnen. Es ist großartig für mich, diese Gabe zu beobachten und mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich sehe, wie sich ihr Gegenüber in dieser Energie wohlfühlt, ihr vertraut und all seine Ängste und Sorgen fallenlassen kann. Ich freue mich, Conny, dass du mit diesem Buch auch uns Ausbildern einen Leitfaden in die Hand gegeben hast, den wir an unsere Schüler weitergeben können!
Mögen sich deine wundervolle Arbeit und dieses Buch weit verbreiten und Freundschaft sowie eine Ebene voller Respekt zwischen Pferd und Mensch in die Welt hinaustragen! Es ist schön, dass es Ausbilder und Menschen wie dich gibt!
Erziehung ist Kommunikation
In einem Sommer traf ich Anja und Juri. Anja hatte erst vor kurzem, ermutigt durch ihre Kinder, zu reiten begonnen. In der Reitschule bekam sie Juri zugewiesen, einen ausdrucks- und bewegungsstarken Norweger. Im Dressur-Unterricht war er vor allem bei den erfahreneren Reitern beliebt. Im Umgang mit den Reitanfängern zeigte er jedoch eine andere Seite und so mancher ließ sich von seinen Drohgebärden beim Longieren, Putzen oder Satteln einschüchtern, so auch Anja. Mit ihr hatte sich die Situation bereits verfahren und Anja zweifelte daran, dass man als Erwachsener noch reiten lernen könne.
Das erste, was die beiden lernten, waren der Unterschied und das klare Bestimmen von Abstand und Nähe. Mithilfe von rückwärts und seitwärts weichenden Übungen wurde Juri auf Distanz gebracht und Anja konnte endlich durchatmen. Ich erinnere mich gern an diese ersten, sehr emotionalen Stunden. Die beiden fanden eine neue Klarheit und entwickelten ein gemeinsames Zeichensortiment für rückwärts, vorwärts, links und rechts. Anja stellte bald fest, dass sich ihr Schulpferd im dauernden Protest befand. Sie sagte damals, es sei, als ob er gegen alles revoltiere, was sie sage. Also versuchten wir gemeinsam herauszufinden, was dahinter steckte. Wir hatten ihn in der Herde beobachtet, wussten, dass er ranghoch und dominant war. Im Umgang mit dem Menschen schien er jedoch nicht nur stark zu sein – da war auch eine Art Unsicherheit bei allem Neuen. Wir mischten daraufhin unsere Einheiten mit Dingen, die er schon kannte, die ihm Spaß machten und hielten alles Neue kurz, sinnvoll und erfolgreich für das Pferd. Als wir beispielsweise das Longieren wieder zu erarbeiten begannen, übten wir zuerst das Losschicken, belohnten dann eine Viertelrunde auf dem Zirkel durch eine Pause, dann eine halbe Runde, schließlich eine ganze Runde und so weiter. Juris Lerneifer stieg, seine Ohren blieben immer häufiger freundlich gespitzt. Die Verdrossenheit wich langsam – und zwar auf beiden Seiten. Diese Erfahrung hat in mir den Wunsch geweckt, auch anderen Menschen helfen zu wollen, die das Reiten und die Pferde aus Verzweiflung aufgeben möchten, weil sie einfach nicht zu einem positiven Miteinander finden. Die Ideen für eine erfolgreiche Kommunikation sind nun in diesem Buch für Sie zusammengefasst und aufgeschrieben. Es würde mich glücklich machen, wenn auch Sie in diesem Leitfaden Tipps finden, die Ihnen helfen, eine wahre Freundschaft und ehrliche Partnerschaft mit Ihrem Pferd zu entwickeln.
Wie die Geschichte von Anja und Juri weiter ging, erfahren Sie am Ende des Buches. Die Quer-Leser und Neugierigen können also gleich dorthin blättern, die Stück-für-Stück-Leser können zuerst Philosophie und Übungen lesen und sich die Geschichte bis zum Schluss aufheben.
Nun viel Spaß beim Lesen und Entdecken!
Das Pferd scheint uns als „Haustier“ so vertraut und hat doch viele Eigenschaften, die uns nicht bewusst sind. Das Wissen um die Bedürfnisse und Handlungshintergründe eines Pferdes verändert unsere innere Haltung und beeinflusst unser Handeln positiv.
Wer regelmäßig mit Pferden umgeht, weiß, dass in unserem Alltag immer wieder kleine oder größere Schwierigkeiten und Kommunikationsprobleme auftreten können. Manchmal nehmen wir diese jedoch gar nicht wahr, da sie uns Menschen unbedeutend erscheinen – und dann ist uns unverständlich, warum plötzlich eine Sache, die gestern noch mit unserem Pferd funktionierte, heute überhaupt nicht mehr klappt. Manchmal sehen wir auch über Schwierigkeiten hinweg, arbeiten darum herum. Das kann das Vorbeireiten an den Mülltonnen betreffen – dann nehmen wir in Zukunft einen anderen Weg – oder das Spritzen durch den Tierarzt, was vielleicht eines Tages lebenswichtig werden könnte.