Anna Trökes
Yoga der Verbundenheit
Die Kraft des Herzens wahrnehmen und entfalten
Knaur e-books
Anna Trökes ist eine Pionierin des deutschen Yoga. Sie ist seit mehr als 30 Jahren eine Institution in der Yoga-Lehrer-Ausbildung des Berufsverbandes der Yoga-Lehrenden in Deutschland (BDY) und unterrichtet europaweit Yoga-Philosophie, Pranayama, Meditation und die fortgeschrittenen Aspekte der Hatha-Yoga-Praxis. Die bekannte Autorin hat mehr als 30 Bücher veröffentlicht.
eBook-Ausgabe 2017
Knaur eBook
© 2017 O. W. Barth Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Susanne Klein
Alle Zeichnungen im Innenteil: Nike Schenkl
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München/shutterstock
ISBN 978-3-426-44068-1
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Noch mehr eBook-Programmhighlights & Aktionen finden Sie auf
www.droemer-knaur.de/ebooks.
Sie wollen über spannende Neuerscheinungen aus Ihrem Lieblingsgenre auf dem Laufenden gehalten werden? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter.
Sie wollen selbst Autor werden? Publizieren Sie Ihre eBooks auf unserer Akquise-Plattform www.neobooks.com und werden Sie von Droemer Knaur oder Rowohlt als Verlagsautor entdeckt. Auf eBook-Leser warten viele neue Autorentalente.
Wir freuen uns auf Sie!
Vgl. dazu Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit. Hamburg 2006, S.179.
Diese Interpretation stammt von R. Sriram (Mitschrift der Autorin bei einer Fortbildung zur Yoga-Philosophie).
T. K. V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation. Petersberg 1997, S.31.
Ayya Khema: Ein Leben in Liebe und Weisheit. Oy-Mittelberg 2009, S. 41.
Siehe dazu sein Buch Das achtsame Gehirn. Freiamt 2007.
Dieser Prozess wird ausführlich beschrieben in Brené Brown: Laufen lernt man nur durch Hinfallen. München 2016.
Ebd., S. 118.
Ebd., S. 134.
Maitri geht zurück auf die Wortwurzel Mitram = Freund.
Aus dem Vortrag »Vom kleinen Ich zum großen Wir« auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld vom 11. bis 14. Juni 2015 in Bad Kissingen.
Ebd.
In einem persönlichen Gespräch aus dem Jahr 2009.
Ursula Lyon und Gerald Schinagl: Licht auf Deinem Weg. Norderstedt 2016, S. 22.
Mehr dazu in Anna Trökes und Dr. Bettina Knothe: Neuro-Yoga. München 2014.
Ulli Olvedi: Die Energien des Lebens und des Sterbens. München 2013, S. 120.
Aus dem Vortrag »Wir-Bewusstsein« auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld vom 11. bis 14. Juni 2015 in Bad Kissingen (in eigener Mitschrift).
Pema Chödrön: Wenn alles zusammenbricht. München 2001, S. 118.
Dalai Lama, Desmond Tutu und Douglas Abrams: Das Buch der Freude. München 2016, S. 61.
Ayya Khema: Ein Leben in Liebe und Weisheit. Oy-Mittelberg 2009, S. 94.
Aus dem Vortrag »Empört euch mit Mitgefühl – Buddhismus und Politik« auf dem Kongress 2016 der Akademie Heiligenfeld zum Thema »Spiritualität im Leben«.
»Vom kleinen Ich zum großen Wir«, Vortrag auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld.
»Das Wir in der Kommunikation«, Vortrag beim Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld 2015.
Ayya Khema: Ein Leben in Liebe und Weisheit. Oy-Mittelberg 2009, S. 100.
Aus dem Vortrag von Annette Kaiser »Das Herz im Zentrum jetzt« auf dem Kongress 2016 der Akademie Heiligenfeld zum Thema »Spiritualität im Leben«.
Unser Herz schlägt nie regelmäßig wie ein Uhrwerk, sondern der Abstand zwischen zwei Herzschlägen ändert sich ständig. Diese scheinbare Unregelmäßigkeit, die Herzfrequenzvariabilität oder Herzratenvariabilität (HRV), ist bei gesunden Menschen kein Ausdruck von Herzrhythmusstörungen, sondern die Folge einer gut funktionierenden Anpassung der Herzfrequenz an aktuelle Herz-Kreislauf-Bedingungen. Am Zustandekommen der HRV sind verschiedene Organsysteme beteiligt wie zum Beispiel das Herz, das vegetative Nervensystem und das Blutgefäßsystem. Aus diesem Grund bilden sich Störungen in verschiedenen Organsystemen als Störungen der HRV ab. Die HRV kann man deshalb als Globalindikator für alle psycho-neuro-kardialen Prozesse auffassen.
Interbeing ist ein Begriff, der von dem vietnamesischen buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh geprägt wurde. Er bezeichnet die wechselseitige Verbundenheit und das Aufeinander-bezogen-Sein allen Seins auf allen Ebenen und das grundsätzliche Einssein in der Unterschiedlichkeit.
Genauer gesagt im Narayana Sukta, einer Hymne aus dem Yayur-Veda.
Der Lotos ist das Symbol der Makellosigkeit, der absoluten Reinheit. Er ist im Schlamm verwurzelt, wird aber nie von ihm oder von dem, was auf ihn fällt, verunreinigt. Die Lotosblüte öffnet sich mit dem Sonnenaufgang und schließt sich wieder, wenn das Licht verschwindet. Der Lotos schwimmt auf dem Wasser, wurzelt aber gleichzeitig ganz tief in der Erde.
Aus dem Vortrag »Wir-Bewusstsein« auf dem Kongress 2015 der Akademie Heiligenfeld (in eigener Mitschrift).
Aus dem Vortrag von Annette Kaiser »Im Zentrum steht das Herz jetzt« auf dem Kongress der Akademie Heiligenfeld 2016.
Begriff aus der Systemtheorie, wonach der Mensch als ein komplexes und offenes System betrachtet werden kann, das aus zahlreichen miteinander verknüpften Regelkreisen besteht.
Aus dem Vortrag »Das Wir in der Kommunikation« auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld 2015.
Alle hier zitierten Stellen der Katha-Upanishad stammen aus Eknath Easwaran: Die Upanischaden. München 2008.
Ayya Khema: Ein Leben in Liebe und Weisheit. Oy-Mittelberg 2009, S. 86 f.
Claus Eurich: Interbeing. Vom kleinen Ich zum großen SELBST. In: Transpersonale Psychologie und Psychotherapie. Heft 2/2006, S. 41–53.
2016 im Rahmen einer Weiterbildung in Yoga-Philosophie in Berlin.
Das bedeutete für Arjuna, dass sein Lebenssinn darin begründet lag, sich als Verfechter der Rechtsansprüche der ihm anvertrauten Menschen auf das Schlachtfeld zu begeben und dafür zu kämpfen, dass sowohl für seine Familie als auch für die Gesellschaft an sich die rechte Ordnung wiederhergestellt wird.
Aus eigenen Mitschriften von einem Tagesseminar mit R. Sriram zum Thema Karma-Yoga am 3.11.2010 in Berlin.
Im Konzept der Gunas stehen sich u.a. das Bewegte (Rajas) und das Träge (Tamas) als polare Kräfte gegenüber. Die von dieser Polarität ausgehende Dynamik zieht den Geist ständig hin und her.
Zitiert nach Sri Aurobindo: Bhagavadgita. Gladenbach 1981, S. 19.
Aus einem Interview mit Mark Whitwell, erschienen in Anna Trökes: Die 7 Schätze des Yoga. München 2010.
Zitiert nach Sri Aurobindo: Bhagavadgita. Gladenbach 1981, S. 115.
Die folgenden Ausführungen über den Bhakti-Yoga basieren auf eigenen Mitschriften von Ausführungen von Ela Thole während verschiedener Seminare über die Bhagavadgita im Rahmen der von der Autorin angebotenen TRIKA-Yogalehrerausbildungen in Berlin.
Zitiert nach Sri Aurobindo: Bhagavadgita. Gladenbach 1981, S. 80.
Ulli Olvedi: Die Energien des Lebens und Sterbens. München 2013, S. 44.
Nicht zu verwechseln mit dem Gott Yama, der im Hinduismus als der Gott des Todes über die Seelen richtet, oder den Yamas, den Regeln für das Leben in der äußeren Welt (meist zusammen mit den Niyamas genannt).
David Servan-Schreiber: Die Neue Medizin der Emotionen. München 2006, S. 71.
Das Wort bedeutet einfach »den Laut ›sit‹ machen«. Wichtig: Im Sanskrit wird das »s« immer stimmlos ausgesprochen (wie bei »Sitz«)!
Zitiert nach Anna Trökes und Beate Glet: Hatha-Yoga-Pradipika – Eine Abhandlung über den Hatha-Yoga. Berlin 2014, S. 23.
Pema Chödrön: Liebende Zuwendung. Freude im Herzen. Bielefeld 2006, S. 24.
Diese Form der Meditation ist gemeinhin bekannter unter der Bezeichnung »Metta-Meditation«. Metta auf Pali und Maitri in Sanskrit meinen das Gleiche – liebende Güte; da wir hier vorrangig die Sanskrit-Namen verwenden, wird diese Übung hier als Maitri-Meditation bezeichnet.
Andreas Weber: Alles fühlt. Klein Jasedow 2014, S. 141.
Ebd., S. 248.
Im Vortrag »Vom kleinen Ich zum großen Wir« auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld 2015.
Thomas Steininger und Jeff Carreira: Der Kosmos in uns. In: Evolve – Magazin für Bewusstsein und Kultur, Heft 06/2015, S. 34.
Erich Fromm: Die Kunst des Liebens. Berlin 2010, S. 142.
Diese Ausführungen basieren auf meiner Mitschrift während Alfred Pietzkos Vortrag »Vom kleinen Ich zum großen Wir« auf dem Kongress »Wir« der Akademie Heiligenfeld 2015.
Der griech. Begriff kósmos bedeutet »Ordnung«, auch »Weltordnung« oder »staatliche Ordnung«.
Zitiert nach Annette Kaiser: Eine Welt, eine Menschheit, ein Bewusstsein. Grafing 2015, S. 108.
Ebd.
Andreas Weber: Alles fühlt. Klein Jasedow 2014, S. 14.
Ebd.
Ebd., S. 15.
Andreas Weber: Die Wiederentdeckung der Wirklichkeit; Vorwort in David Abram: Im Bann der sinnlichen Natur, Klein Jasedow 2012, S. 14.
Ebd.
Anna Trökes: Die kleine Yoga-Philosophie. München 2013, S. 250 f.
Kreuz Verlag, Freiburg 2013.
Ebd., S. 135.
Ebd., S. 139.
So lautet ein Buchtitel von ihm aus dem Jahre 1981.
Hans Peter Dürr: Teilhaben an einer unteilbaren Welt. In: Gerald Hüther und Christa Spannbauer: Connectedness. Bern 2012, S. 19.
Ebd., S. 20.
Fritjof Capra: Das Tao der Physik. München 2012, S. 223.
Hans Peter Dürr: Teilhaben an einer unteilbaren Welt. In: Gerald Hüther und Christa Spannbauer: Connectedness. Bern 2012, S. 22.
In einem Interview mit Lorenz Marti für den Schweizer Radiosender DRS, Zeit für Perspektiven vom 13.7.2008.
Andreas Weber: Alles fühlt. Klein Jasedow 2014, S. 59.
Andreas Weber: Lebendigkeit – eine erotische Ökologie. München 2014, S. 55.
Ebd.
Andreas Weber: Alles fühlt. Klein Jasedow 2014, S. 245. (Er bezieht sich dabei auf die Forschungen der Biologin und Erfinderin der Endosymbionten-Hypothese Lynn Margulis.)
Ebd., S. 247.
Zitiert nach dem Glossar auf der Webseite www.intersein.de, die Bezug nimmt auf Thich Nhat Hanh: Jeden Augenblick genießen. Theseus Verlag, Bielefeld 2004.
Andreas Weber: Alles fühlt. Klein Jasedow 2014, S. 158.
Ebd. S. 159.
Claus Eurich: Interbeing – Vom kleinen Ich zum großen SELBST. In: Transpersonale Psychologie und Psychotherapie, Heft 2/2006, S. 41 (Artikel zum Herunterladen auf seiner Webseite www.interbeing.de; Stand: 10.11.2016).
Dalai Lama, Desmond Tutu und Douglas Abrams: Das Buch der Freude. München 2016, S. 279.
Nachzulesen im World Happiness Report der UNO für 2015, hier zitiert aus: Das Buch der Freude, a.a.O.
Joachim Galuska: Die Vergegenwärtigung des Lebens und die Evolution des Bewusstseins. In: J. Galuska (Hrsg.): Bewusstsein. Berlin 2014, S. 176.
Ebd., S. 178.
Der Appell des Dalai Lama an die Welt – Ethik ist wichtiger als Religion. Wals bei Salzburg 2015.
Mehr dazu zum Beispiel in: Claus Eurich: Aufstand für das Leben. Petersberg 2016.
Bodhichitta meint ursprünglich (und in der buddhistischen Praxis bis heute), nicht aus Eigennutz, sondern zum Wohl aller empfindenden Wesen nach Erleuchtung zu streben.
David Mitchie: Täglich 1 x Erleuchtung. München 2013, S. 105.
Ebd., S. 218.
Es ist doch wirklich sehr bemerkenswert, dass die meisten der hier kursiv gestellten Begriffe aus dem Reich der Musik/der Akustik stammen!
Mitschrift während eines Tagesseminars zur Bhagavadgita am 3.11.2010 in Berlin.
In der Übertragung von T. K. V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation. Petersberg 1997, S. 79.
Sehr lesenswert ist dazu die Dankesrede von Carolin Emcke anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2016 an sie; nachzulesen unter www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/1244997/ (Stand: 8.11.2016).
Asteya wird oft wörtlich mit »Nicht-Stehlen« übersetzt, was allerdings in unserem Kontext viel zu eng gefasst ist. Deswegen ziehe ich die Übersetzung von Desikachar »Nichtbegehren oder die Fähigkeit, uns von dem Wunsch nach Dingen, die uns nicht gehören, zu lösen« vor.
Brahmacharya wird meist mit »Enthaltsamkeit« übersetzt, was allerdings heutzutage oft missverstanden wird. Deswegen ziehe ich hier Desikachars Interpretation »Mäßigung in all unserem Tun« vor.
T. K. V. Desikachar: Über Freiheit und Meditation. Petersberg 1997, S. 85.
Ebd., S. 81.
Ebd., S. 86.
Ebd., S. 87.
Diese drei Qualitäten werden im Yoga-Sutra zwei Mal ausführlich behandelt: zum einen recht sachlich gleich zu Beginn des zweiten Kapitels, um zu beschreiben, auf der Grundlage welcher Qualitäten wir unsere Übungspraxis und unseren Yoga-Weg gestalten sollen, damit unser Tun Wirkung entfalten kann; zum anderen beschreibt Patañjali genau diese Qualitäten noch einmal auf einer viel persönlicheren Ebene im zweiten Kapitel im Rahmen der Niyamas, bei denen es explizit darum geht, zu überdenken, wie wir mit uns selbst umgehen wollen, um ein ausgewogenes und sinnvolles Leben zu führen. Der Text des Sutra weist naturgemäß kleine Überschneidungen an beiden Stellen auf, die sich auch hier nicht vermeiden ließen.
Dalai Lama und Desmond Tutu: Das Buch der Freude. München 2016.
Viele Jahre schon ist der Plan zu einem Buch mit diesem Thema in mir gereift. Ich bin sehr viel unterwegs und unterrichte in den verschiedensten Schulen und Yoga-Lehrausbildungen im deutschsprachigen Raum, sodass ich sehr gut mitbekomme, was die Menschen bewegt und was genau sie im Yoga suchen. Mir wurde immer wieder deutlich, wie wichtig allen das Gefühl der Gemeinschaft in ihrer Yoga-Gruppe ist, denn das soziale Klima in unserer Welt wird seit Langem spürbar kühler. Was die meisten aber noch kaum bedenken, ist, dass die Gemeinschaft der Menschen, die sich mit Yoga beschäftigen und sich seinen Werten und seiner Ethik verbunden fühlen, zwar ständig wächst, dass es aber abgesehen von Aspekten der gesunden Lebensführung (zum Beispiel Veganismus) kaum Überlegungen gibt, was es heißen könnte, Yoga wirklich zu leben.
Als ich diese Fragestellung für mich selber reflektierte, kristallisierte sich für mich eine Einsicht ganz deutlich heraus: Yoga zu leben heißt NICHT, irgendeinem Dogma zu folgen. Dagegen spricht schon, dass sich im Laufe der vielen Jahrhunderte unzählige Traditionslinien und Schulen entwickelt haben, die bis heute ein großartiger Ausdruck der Diversität des Yoga sind.
Vielmehr ließen die Quellentexte und die Begegnungen mit Menschen, die schon lange Yoga und Meditation unterrichten, etwas ganz anderes in den Mittelpunkt rücken: Yoga zu leben heißt, ihn als einen Weg und eine Praxis zu verstehen, die uns hilft, mit uns selbst in Beziehung zu treten, das Heilsame und Gute in uns zu kultivieren (wie zum Beispiel Mitgefühl) und unser eigenes Erkennen, Wissen und Handeln in den Dienst der Menschheit zu stellen.
Für mich persönlich wurde dabei ganz deutlich, dass ich mich als Yoga-Übende und noch viel mehr in meiner Funktion als Yoga-Lehrende als einen Menschen und eine Bürgerin sehe, die gerade durch die stetige Beschäftigung mit den Themen des Yoga zu einem bewusst politischen Menschen geworden ist. Und ich denke, dass wir, wenn wir die Aufgabenstellung und die Ethik dieses Weges ernst nehmen und wirklich versuchen, demgemäß zu leben, einen kaum zu unterschätzenden gesellschaftlichen Beitrag leisten können. Wenn wir das erkennen, werden wir lernen, diesen Beitrag durch aktives und proaktives Handeln noch angemessener zu gestalten.
Der wesentlichste Beitrag von uns Yoga-Übenden für unser gesellschaftliches Wohlergehen besteht vielleicht darin, dass wir mit der Unterstützung der Konzepte des Yoga beginnen können, gut für unsere körperliche, geistige und emotionale Gesundheit und Entwicklung zu sorgen. Damit setzen wir auf jeden Fall dem aktuellen Trend etwas entgegen, der sich in einer signifikanten Zunahme von psychischen Störungen ausdrückt, die unter anderem darin gründen, dass wir gar nicht mehr mitkriegen, in welchem Maße uns der Wahn der Selbstoptimierung ergriffen hat und wie sehr wir uns oft selber ausbeuten und uns dadurch in körperlicher, seelischer, geistiger und vor allem auch sozialer Hinsicht vernachlässigen.
Als ich im Prozess des Schreibens für dieses Buch selber alles las, was mir zum Thema Verbundenheit wichtig erschien, wurde mir erst einmal bewusst, welche Brisanz in dieser Arbeit steckt. Mir wurde klar, dass ich die Fähigkeit zu wahrer Verbundenheit nur dann würde entwickeln können, wenn es mir gelänge, sie mit mir selbst zu verwirklichen. Diese Erkenntnis bewirkte bei mir einen intensiven Selbsterforschungsprozess, bei dessen Bestandsaufnahme sich vor allem zeigte, wie stark die Prägungen meiner Erziehung mich noch immer beherrschten. Das bewirkte, dass mich die Bearbeitung der Themen Selbstakzeptanz, Selbstliebe, Selbstvergebung und Entfaltung der Herzqualitäten in einen wahren Strudel der Emotionen riss, die in der Erkenntnis gründeten, wie wenig nahe ich mir doch in Wahrheit war und dass auch ich unter dem ständiger Druck selbstständiger Arbeit deutliche Tendenzen der oben beschriebenen Vernachlässigungen zeigte.
Ich entschloss mich, meinen Fokus nicht nur im Alltag, sondern auch in der Übungspraxis nun ganz auf die Entfaltung von Verbundenheit zu mir selbst und meiner Umwelt auszurichten, was bewirkte, dass die Übungen eine deutlich andere Wirkung auf mich entfalteten. Ich bemerkte, dass ich irgendwie weicher, durchlässiger, freundlicher wurde – und ich merkte auch, dass ich oft ziemlich verwirrt war, weil ich den sicheren Boden vertrauter Prägungen und Verhaltensmuster zu verlassen begann. Je tiefer ich in die Thematik eintauchte und je tiefer ich sie verstand, desto mehr wurde mir klar, wie sich die Normen unserer Gesellschaft auf die Art, wie wir unser Leben gestalten, auswirken – und in welch starkem Maße ich dieses Spiel mitgespielt hatte.
Das Recherchieren und Schreiben ließ mich aber nicht nur vieles hinterfragen, sondern stellte mir gleichzeitig auch genügend Konzepte zur Verfügung, um weiter an mir zu arbeiten und einen Prozess zu durchleben, den ich heute als nicht nur hilfreich, sondern sogar insgesamt als segensreich beschreiben würde. Genauer gesagt, befinde ich mich noch immer in diesem Prozess. Er wurde kürzlich noch einmal richtig angestoßen durch die Lektüre des gerade zum Abschluss dieses Manuskriptes erschienenen wundervollen Titels Buch der Freude, in dem der Journalist Douglas Abrams Gespräche mit Erzbischof Desmond Tutu und dem Dalai Lama führt, um zu ergründen, wie es möglich ist, dass sie so viel Freude erfahren und diese ständig großzügig um sich herum verbreiten, obwohl sie selber doch jahrelang schwerstes Leid erfahren haben. Die beiden Friedensnobelpreisträger ließen keine Zweifel daran, dass sie nur deshalb dazu in der Lage seien, weil sie erkannt hatten, wie wichtig es ist, Mitgefühl zu entwickeln und die Mitmenschen als Wesen zu sehen, die genau wie wir glücklich und frei von Leid sein möchten. Besonderes der Dalai Lama betonte immer wieder, dass er seine Kraft und seine Entschlossenheit daraus schöpft, dass er sich als »einer von sieben Milliarden Menschen« versteht. Er fühlt sich als einer von ihnen, der sein Denken, Fühlen, seine Meditationen und sein Handeln ganz in den Dienst der Allgemeinheit gestellt hat. In seiner Widmung, ein Leben zum Wohle aller Wesen zu führen, sieht er die Quelle seiner Freude. Und sicher ist das auch der Grund, warum er uns heute als eines der großen Symbole für Verbundenheit und Mitgefühl steht, wonach wir uns alle so sehr sehnen.
In unseren modernen westlichen Industrienationen strebt offenbar alles in die Vereinzelung. Etwa seit Mitte des letzen Jahrhunderts und mit der drastischen Zäsur durch den Zweiten Weltkrieg scheint die Auflösung tradierter Familienstrukturen unaufhaltsam, viele Dörfer veröden und in den Städten wie Berlin oder Hamburg liegt der Anteil der Single-Haushalte bereits bei ca. 30 Prozent – Tendenz steigend. Inzwischen haben sich die meisten von uns daran gewöhnt, dass unsere sozialen Beziehungen zunehmend unverbindlicher werden und immer häufiger der persönlichen Begegnung entbehren. Ich weiß aus meinem eigenen sozialen Kontext, dass eine Verabredung mit einer Freundin oft genug einer langwierigen logistischen Meisterleistung gleicht und dass die Einladung zu einem Geburtstag oder einem Abendessen von vielen weniger als eine Freude, sondern vielmehr als eine zusätzliche Belastung empfunden wird.
Auch in den Yoga-Kursen schleicht sich diese Unverbindlichkeit ein. Die Menschen kommen, ziehen sich um, legen sich auf die Matte, üben mit sich, ziehen sich wieder um und sind dann auch schon wieder verschwunden. Niemand scheint mehr die Zeit oder auch nur das Interesse für ein Gespräch, für ein Glas Wein danach in vertrauter Runde zu haben. In vielen Yoga-Studios bleibt man lieber anonym – und ungestört. Wo könnte da Raum bleiben für Kontakte, die unsere Herzensbedürfnisse nach Verbundenheit stillen?
Dieser Rückzug in die Abgrenzung, in das Leben als Einzelgänger, bleibt nicht ohne Folgen. Untersuchungen der Krankenkassen belegen eindeutig, dass Menschen, die alleine leben und nur wenig sozial aktiv sind, sehr oft vereinsamen. Einsame Menschen haben nachweislich ein anfälligeres Immun- und Herz-Kreislauf-System. Sie leiden mehr unter stressbedingten Erkrankungen und vor allem an Depressionen und Angststörungen. Und man hat sogar festgestellt, dass sie signifikant weniger lange leben als Menschen, die sich in eine feste Beziehung oder Gemeinschaft eingebunden fühlen. Viele Singles sind keineswegs freiwillig allein, aber den meisten von ihnen fehlt es bedingt durch ihre hohe Arbeitsbelastung schlicht an Zeit und Gelegenheit, um andere Menschen kennenzulernen und eventuell entstehende Beziehungen zu pflegen. Virtuelle Kontakte sind da oft der einzige Ersatz. Und weil wir immer mehr arbeiten, wächst auch die Zahl der Einsamen stetig weiter. Viele dieser Menschen, die sich vereinsamt fühlen, berichten, dass sie ihr Herz verschließen, um sich ihren Gefühlen nicht so aussetzen zu müssen und sich weniger verletzlich zu fühlen. Sie schotten sich damit emotional ab.
Einsam fühlen sich vor allem diejenigen, die nie die Gelegenheit hatten zu lernen, mit sich selbst in Beziehung zu treten – eine Fähigkeit, die weder in der Erziehung durch die Eltern oder in unseren Schulen noch gesamtgesellschaftlich gefördert wird. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass man noch nicht so lange weiß, wie hochgradig sozial unsere menschlichen Gehirne veranlagt sind. Die neurowissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre belegen jedoch klar, dass unser Gehirn vor allem ein soziales Organ ist. Ohne den Kontakt zu anderen Menschen kann sich unser Gehirn in der Kindheit nicht genügend entwickeln und in seinen verschiedenen Bereichen vernetzen, denn wir lernen das meiste nicht ausschließlich durch Nachahmung, sondern besonders in den ersten Lebensmonaten durch die Mimik und Körpersprache, mit der unsere Eltern und andere Familienmitglieder auf unsere frühen Kommunikationsversuche reagieren. Und wir entwickeln uns vor allem dadurch, dass wir uns gesehen und geliebt fühlen. Gerade in der Kindheit ist unser Herz noch sehr offen, und wir suchen die Sicherheit und Geborgenheit von Herzensbeziehungen, um Vertrauen in uns selbst und die Welt zu entwickeln.
Neurobiologen wie Joachim Bauer konnten außerdem sehr deutlich nachweisen, dass Kooperation, also ein Miteinander-in-Beziehung-Treten, ein Sich-gegenseitig-Sehen, eine emotionale Resonanz und gemeinsames Handeln etwas ist, was offensichtlich von der Evolution gefordert und gefördert wird, denn besonders in der Kindheit hängen unser Wohlbefinden und unsere psychische und körperliche Gesundheit entscheidend davon ab, in welchem Maße unser neurobiologisches (!) Bedürfnis nach Bindung befriedigt werden kann.[1]
Auch als Erwachsene erfahren wir unsere Umwelt als einen emotionalen Resonanzraum, auf den wir ständig unbewusst reagieren, aber auf den wir auch mit unserem eigenen Gestimmtsein spürbar einwirken. Eigentlich handelt es sich um zwei stark miteinander vernetzte Räume: einen äußeren und einen inneren Resonanzraum. Der innere Raum, den wir hier als Erstes betrachten wollen, ist der Bereich, in dem wir mit uns selbst unser ganzes Leben verbringen. Obwohl dies unser eigentlicher Lebensraum ist, kennen ihn die meisten von uns kaum. Wir sind uns im Innersten fremd, wissen wenig über uns, bzw. es stellt sich das, was wir über uns zu wissen meinen, bei genauerem Hinschauen nur als ein Konglomerat all der vielen Meinungen und Sichtweisen über uns selbst heraus, die man uns beigebracht und anerzogen hat. Wir kennen unseren Charakter, unsere Persönlichkeit, und damit unser Ego, und wir kennen die vielen Rollen, die wir im Leben zu spielen haben, inklusive der damit jeweils verbundenen Konzepte, Ansichten und Gefühle. Da aber leider niemand uns beigebracht hat, eine Herzensbeziehung zu uns selber einzugehen, kennen wir unser eigentliches Wesen nicht. Wir können ihm näherkommen, wenn wir uns fragen, ob ein bestimmter Persönlichkeitsaspekt (»ich bin immer sehr freundlich«) oder eine Rolle (die der Frau, der Yoga-Lehrerin, des Vaters usw.) tatsächlich alles ausdrückt, was uns im Wesentlichen ausmacht. Die Antwort kann dabei immer nur Nein sein, denn wir spüren und wissen ganz natürlich, dass wir viel mehr sind als nur dieser eine Aspekt. Es ist unser Herz, das mit seiner Sehnsucht unsere Vision von Ganzheit und Verbundenheit in sich trägt und hütet.
Um mit uns selbst vertraut zu werden und uns als den Menschen kennenzulernen, der unter all diesen Rollen und Charakterzügen steckt, braucht es nicht nur Zeit. Was es vor allem braucht, ist die Ahnung, dass es da jemanden in uns gibt, der der eigentliche Bewohner dieses inneren Raumes ist, und es braucht das Interesse, dieses innere Wesen zu spüren und ihm begegnen zu wollen. Der Weg zu uns selbst ist also ein Weg des Spürens, des Sich-Öffnens und des Sich-Einlassens – und damit immer ein Weg des Herzens.
Wenn man uns darauf aufmerksam macht, erinnern wir uns alle an eine Instanz in uns, die uns schon durch unser ganzes Leben begleitet. Sie war mit uns, als wir noch ein Kind waren, als wir uns durch die Gefühlsstürme der Pubertät quälten und auch als wir ins Berufsleben starteten. Es ist dieses innere Wesen, das wir treffen, wenn wir uns einmal die Zeit nehmen, die Augen zu schließen und in uns zu gehen. Es ist alterslos und unveränderlich, es ist das Herz-Bewusstsein unseres Da-Seins. Wie ein stiller Beobachter erfüllt es unseren inneren Raum. Im Yoga wird es das Selbst (Atman) genannt und seit mehr als 2500 Jahren genau erforscht. Wenn wir unser Selbst kennenlernen, bewusst damit zu leben lernen und schließlich mit ihm in Beziehung treten, werden wir nie wieder einsam sein. Wir haben damit die wichtigste und lohnendste Beziehung überhaupt begründet: eine Herzensbeziehung und Verbundenheit mit uns selbst. Über die Wichtigkeit, uns selbst zu verstehen, schrieb C. G. Jung: »Deine Vision wird nur dann klar, wenn du in dein eigenes Herz schaust. Wer nach außen schaut, träumt; wer nach innen schaut, erwacht.«
Seit alters her ist der Yoga ein Weg der Selbsterforschung und der Selbsterkenntnis. In all den bedeutenden Yoga-Schriften, die uns überliefert sind, geht es nicht darum, eine Philosophie und damit eine Theorie des Yoga zu entwickeln und zu entfalten, sondern vielmehr darum, eine Wissenschaft des Selbst (Atma Vidya) zu begründen. In den Quellentexten finden wir die Konzepte, die uns helfen, die verschiedenen Ebenen unseres Seins zu erkennen und einzuordnen. Vor allem aber zeigen uns diese Texte eine Vielzahl an Methoden, die uns – am besten mit der Unterstützung eines erfahrenen Lehrers – darin unterstützen, mit unserem Herzen und damit mit uns selbst in Kontakt zu treten. Yoga lädt uns ein, nicht nur mit unserem Verstand, sondern auch vom Herzen her zu erforschen, wodurch unser Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln geprägt worden ist und in welchen Automatismen wir gefangen sind. Dieses methodische Wissen, das über Generationen hinweg immer wieder erprobt und verfeinert wurde, stellt uns Kriterien zur Verfügung, anhand derer wir überprüfen und vor allem spüren können, ob das, was wir denken, fühlen und tun, für uns förderlich, hilfreich und heilsam ist – oder eben nicht. Ist es förderlich, führt es uns in den Kontakt mit uns selbst; ist es nicht förderlich, bewirkt es, dass wir uns verlieren. Nicht unser Verstand, sondern unser Herz ist die Instanz, die zweifelsfrei weiß, welcher Weg uns in die Verbundenheit führt.
Wenn wir diese Methoden der Selbsterforschung nutzen, kann neben Selbstverbundenheit auch Selbstwirksamkeit entstehen – also die Fähigkeit, zu erkennen, was wir wirklich brauchen, und als Konsequenz das Vermögen, achtsam für uns selber zu sorgen. Auf dieser Selbstfürsorge gründet dann bald eine natürliche innere Bereitschaft, sich auf die Menschen, die einem nah sind, und auch ganz generell auf andere Menschen einzulassen. Hier beginnt die Herzensbildung des Yoga.
In vielen Quellentexten des Yoga finden wir solche gangbaren und im Alltag umsetzbaren Methoden, um diesen Weg zu gehen. Genau davon soll dieses Buch handeln. Es ist ein Yoga-Buch, in dem die geistige und emotionale Übungspraxis im Vordergrund steht. Diese Entfaltung von emotionaler, sozialer und somit spiritueller Kompetenz im Sinne einer Herzensbildung wird Ihre körperliche Übungspraxis befruchten und ihr eine heilsame Ausrichtung geben, die Ihre Seele nähren und beglücken wird.
Der wichtigste Quellentext, auf den ich mich hier beziehen werde, ist das Yoga-Sutra. Es entstand ungefähr um Christi Geburt und wird dem Yoga-Meister Patañjali zugeschrieben. Wir wissen so gut wie nichts über diesen Autor, noch nicht einmal, ob er wirklich gelebt hat. Dennoch hat sein Werk die Jahrhunderte in großer Frische überstanden und ist heute so aktuell wie damals. Das Sanskritwort Sutra bedeutet »Faden«, und somit versteht sich das Yoga-Sutra als ein Leitfaden des Yoga. Es behandelt in vier Kapiteln und 198 Sutras (Versen) die Methodik des Yoga. Gleichzeitig ist es eine äußerst genaue Analyse der Funktionsweise des menschlichen Geistes und unserer Emotionen. Patañjali beschreibt genau und umsetzbar, wie Yoga zu üben sei, damit der Geist nachhaltig zu Ruhe und Klarheit finden kann. Er verdeutlicht, wodurch ihm diese Ruhe und Klarheit normalerweise abhandenkommt, wenn er sich in den Projektionen seiner selbst und der anderen Menschen verliert. In diesem Zustand ist der Geist nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass in ihm etwas lebt und wirken will, das unabhängig von all dem existiert, was ihn unablässig beschäftigt, bewegt und umtreibt: das Selbst.
Patañjali beschreibt sehr genau alles, was unseren Geist eintrübt, und dann auch schrittweise den Weg in die Klarheit, in der wir uns selbst wiederfinden können. Wenn wir mit seiner Hilfe lernen zu erkennen, was uns von uns selbst entfernt, verliert dies an Kraft, mit der es normalerweise im Unbewussten wirkt. Aus der Erkenntnis unserer geistigen Strukturen und der störenden Kräfte kann sich Achtsamkeit entwickeln. Patañjali liefert uns dazu alle Werkzeuge, die wir brauchen. Im Folgenden werde ich detailliert auf sie eingehen.
Der zweite für unser Thema interessante Quellentext ist die Bhagavadgita. Dieser »Gesang (Gita) des Erhabenen (Bhagavan)« schildert die Belehrung des Fürsten und Kriegers Arjuna durch Krishna, als dieser, bedingt durch eine Reihe extrem ungünstig verlaufender Ereignisse, vollkommen verzweifelt ist; denn Arjuna soll einen Krieg mit einem Zweig seines eigenen Clans führen, was er ablehnt, da er dann womöglich Mitglieder seiner eigenen Familie töten müsste. In dieser ihm ausweglos erscheinenden Situation erläutert ihm sein Lehrer Krishna die Wege des Yoga, die ihm helfen, wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen, sich zu beruhigen und wieder klar und entscheidungsfähig zu werden. Krishna gilt in Indien als Inbegriff eines spirituellen Lehrers. Er ist ein Aspekt des großen hinduistischen Gottes Vishnu, der als Erhalter der Welt das Prinzip des Lebendigen an sich verkörpert. Dieser Gott wird in der Bhagavadgita als der höchste Lehrer angesehen, denn er ist bis in das Tiefste dem Wissen an sich (Vidya) verbunden. Dadurch erschließt sich ihm natürlicherweise die ganze, große Lebensperspektive seines Schülers Arjuna, und er weiß, welche Aufgabe dieser in seinem Leben zu erfüllen hat, um dem großen Ganzen (der Weltordnung – Dharma) zu dienen.
Dazu führt ihn Krishna in die vier Yoga-Wege der Bhagavadgita ein:
den Jñana-Yoga (Weg der Erkenntnis)
den Dhyana-Yoga (Weg der Meditation)
den Karma-Yoga (Weg des absichtslosen Handels) und
den Bhakti-Yoga (Weg der Hingabe an das Göttliche).
Die Bhagavadgita beschreibt den Prozess, in dem Arjuna lernt, sein Selbst zu erkennen und sich als Teil des Göttlichen zu verstehen. Wir können Krishnas Lehren aber auch modern interpretieren als Coaching-Tools auf dem Weg zu mehr innerer Ruhe, Klarheit und Einsicht in das eigene Dasein, und damit als einen Weg zu mehr Akzeptanz und Hingabe an das, was das Leben für uns bereithält. Vor allem aber lehrt uns die Bhagavadgita, sich dem eigenen Herzen zuzuwenden und sich damit der Liebe für das Leben und das Sein zu öffnen. Und in diesem Sinne werde ich mich auch für unseren Kontext auf diesen Text beziehen.
Die dritte Gruppe an relevanten Texten zu unserem Thema sind die Upanishaden. Die Bezeichnung kommt aus dem Sanskrit und bedeutet wörtlich »das Sich-in-der-Nähe-Niedersetzen«; gemeint ist damit, sich zu Füßen eines Lehrers (Guru) hinzusetzen, also die traditionelle Form der spirituellen Belehrung.
Die Upanishaden sind eine Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus und Bestandteil der uralten indischen Weisheitstexte, die unter dem Begriff Veda (Wissen) zusammengefasst werden. Sie sind Ausdruck der Sichtweise der philosophischen Schule des Advaita-Vedanta, die davon ausgeht, dass es nur das Eine – ohne ein Zweites – gibt, das alles durchdringt. Dieses Eine gilt als das Absolute, also als das, was als göttliches Prinzip über bzw. hinter allen Göttern des hinduistischen Pantheons steht.
Die meisten Upanishaden-Texte entstanden zwischen dem 2. und 6. Jahrhundert v. Chr. Sie sind trotz ihres Alters Zeugnisse einer zeitlosen Weisheit und Mystik, mit der sie jeden Menschen in der Tiefe seines Herzens anzusprechen vermögen, denn diese Texte berühren die tiefsten Fragen, die die Menschheit seit je bewegen. In unserem Zusammenhang interessiert vor allem, welche Erkenntnismethoden und welche Wege der Selbsterforschung sie uns überliefern. In einer der ältesten Upanishaden heißt es eindringlich: »Du bist, was dein tiefstes, treibendes Begehren ist. Wie dein Begehren ist, so ist dein Wille. Wie dein Wille ist, so ist dein Tun. Wie dein Tun ist, so ist dein Schicksal.« (Brihadaranyaka Upanishad, IV.4.5.)
Hier wird uns die Notwendigkeit aufgezeigt, genau zu erforschen, was uns bewegt und antreibt. Auch dieser Frage werde ich versuchen in diesem Buch auf den Grund zu gehen.
Da ich mich all diesen Texten schon sehr lange verbunden fühle, wird vieles von dem Wissen, das sie vermitteln, in meinen Ausführungen ineinanderfließen, denn schließlich vermitteln uns ja all diese Quellen die Essenz des Yoga: die Erkenntnis der Verbundenheit allen Bewusstseins und allen Seins.