Wenn ich die Wahl habe zwischen Kind und Karriere, nehme ich das Sofa

Als hätte mich etwas Fieses in den Arsch gebissen, stolpere ich mit der Eleganz einer besoffenen Ballerina in den Flur und starre auf das Stück Plastik, das im Badezimmer am Waschbecken liegt und so tut, als wäre nichts.

Für einen Moment stehe ich einfach nur da. Wie ein lebensuntaugliches Opossum, das sich plötzlich Aug in Aug mit einem Raubtier wiederfindet und nun mit der Entscheidung, ob es weglaufen oder sich totstellen soll, restlos überfordert ist.

In Filmen ist das der Moment kurz vor der Apokalypse. Bevor der Höllenschlund sich öffnet, um Buffy oder sonst einen zu vernachlässigenden Nebendarsteller zu verschlingen. Ich erwarte schon das Einsetzen einer Mundharmonika, um die Dramatik dieses Augenblicks gebührend zu unterstreichen. Doch es passiert nichts. Also wirklich rein gar nichts. Keine Apokalypse, kein Höllenschlund, nicht einmal ein Raubtier.

Nach einer Weile tapse ich zurück ins Badezimmer. Am Waschbecken angekommen, muss ich feststellen, dass das Ergebnis immer noch dasselbe ist:

Schwanger.

Wie höhnisch neun simple Buchstaben aussehen können, denke ich und muss mich zusammenreißen, um nicht quer über die Fliesen zu kotzen. Muss falsch sein, nuschle ich vor

Dabei habe ich nichts gegen Kinder. Nicht per se. Sie sind wunderbar. Solange sie einen Mindestabstand von fünf Metern zu mir halten und ich sie nicht anfassen, füttern, sauber machen oder an ihnen riechen muss. Ich empfinde es schlichtweg als unfair, dass sie die einzige Bevölkerungsgruppe auf der Welt sind, die sich komplett irrational und geradezu wahnsinnig verhalten darf und trotzdem immer noch als süß empfunden wird. (Etwas, was mir regelmäßig verwehrt wird.)

Man kann mit ihnen kein gescheites Gespräch führen, und ihre Vorstellung oder gar praktische Umsetzung von Grammatik ist geradezu eine Zumutung. Hinzu kommt, dass rund 80 Prozent ihrer Körperöffnungen undicht sind. Und wenn sie irgendwann halbwegs stubenrein sind, entpuppen sie sich als das reine Böse unter der Sonne, dem man sein restliches Leben das Konzept von sozialem Miteinander und Ethik einbläuen muss. Ein Konzept, das ich selbst bestenfalls rudimentär verinnerlicht habe – und ein kurzer Blick in die täglichen Nachrichten zeigt, dass ich da nicht die Einzige bin.

Nein, ich habe mich nie als potenzielle Mutter gesehen, sondern eher als der Typ Mensch, der sich im hohen Alter mit wirrem Haar, irrem Blick und siebzehn Katzen in einem Ein-Zimmer-Apartment in Marzahn wiederfinden würde. Man kennt den Typ aus RTL2.

Kacken und Kotzen tun Katzen ebenfalls, aber bei ihnen ist zumindest gesichert, dass sie nicht eines Nachts unerwartet an deinem Bett stehen, mit Hockeymaske und Kettensäge, um mit dir ein überemotionales Gespräch über deine fragwürdigen Erziehungsmethoden zu führen. Und nun das.

Ich habe vor einigen Tagen schon einen Test gemacht,

Wenige Sekunden bevor ich jedoch anfange zu hyperventilieren, kommt mir doch noch die rettende Erkenntnis: Das Ergebnis kann überhaupt nicht richtig sein! Schließlich handelt es sich bei diesem Ding um eine Art Minicomputer und wenn die mit einer Sache nicht klarkommen, dann ist das Flüssigkeit. Pipi und Technikkrams sind keine Freunde – das weiß jeder, dem sein iPhone schon mal ins Klo gefallen ist. Die stehen sich wie Nazis und Bolschewisten gegenüber, feindselig, unversöhnlich, und am Ende muss der eine den anderen vernichten! Das ist bekannt. Und ich muss so etwas wissen: Ich habe studiert.

Um ganz sicherzugehen, rufe ich meine beste Freundin Caro an und berichte ihr, dass ich nicht schwanger sei und, um mir das bestätigen zu lassen, heute noch zu einem Arzt gehen würde und sie mir bitte bis dahin das schwitzige Händchen halten solle.

Caro lebt eigentlich in Bonn und ist nur für ein paar Tage mit ihrer neuen Flamme in Berlin, den sie umgehend mit einem Reiseführer bewaffnet zum Sightseeing alleine zum Brandenburger Tor schickt, um sich mit mir in Friedrichshain zu treffen.

Als ich das kleine, französische Café nahe der Warschauer Straße betrete, kommt sie mir schon freudestrahlend entgegengestürzt.

«Du bist schwanger!», jauchzt sie.

«Nein», fauche ich, «bin ich nicht!»

«Oh mein Gott», sprudelt es aus ihr heraus, «das ist alles so aufregend!» Sie klingt, als wären wir 15 und ich kurz davor, mir gegen den Willen meiner Eltern ein Tattoo stechen zu lassen.

Sie grinst mich breit an: «Und?»

«Und was?», erwidere ich trocken.

«Hast du dir schon überlegt, was du lieber hättest: ein Mädchen oder einen Jungen?»

Ich verdrehe die Augen.

«Ich. Bin. Nicht. Schwanger», stöhne ich, «aber ein Mädchen.»

«Verstehe», sagt sie und zwinkert mir zu, «dann kommen wir zu dem wirklich wichtigen Thema.»

«Und das wäre?»

«Wer ist der Vater?»

Das Arschloch

«Arschloch», zischte ich halblaut vor mich hin, während ich wütend die Wand anstarrte, als gälten meine Worte ihr. «So ein verdammtes, blödes, elendiges, arschgesichtiges Arschloch!» Ich stieß die Worte einzeln hervor und fühlte mich wie Gollum. Vermutlich sah ich gerade auch so aus wie diese ebenfalls tragisch missverstandene Gestalt.

«Männer sind Arschlöcher», presste ich zwischen den Zähnen hervor, «Beziehungen sind Arschlöcher! Alles Arschlöcher!» Ich unterbrach meinen Touretteanfall und stampfte unter weiteren Flüchen und Beleidigungen in die Küche, wo ich einen Eimer Ben & Jerry’s aus dem Tiefkühlfach riss.

Ich goss eine halbe Flasche Baileys in den Eis-Eimer und beobachtete mit Wohlwollen, wie sich die einzelnen Komponenten zu einem einzigen glückverheißenden Gemisch vereinten. Ein kulinarischer Liebesakt zwischen Eiscreme, rohen Teigstückchen und Alkohol. Es gibt einfach Momente im Leben, in denen es unmöglich ist, etwas anderes zu essen. Einen Salat zum Beispiel. Niemanden, der jemals emotional aufgebracht war, dürstet es plötzlich nach Salat oder Low Carb. Nein, man braucht Alkohol, weißen Zucker und leere Kohlenhydrate!

«Ich habe das Gefühl, du empfindest mehr für mich als ich für dich», äffte ich Oles Stimme nach, während ich zurück ins Wohnzimmer zum Schreibtisch marschierte.

«Gefühle!», brummte ich, schob mir entschlossen einen

Es hatte mich nicht überrascht, dass er anrief. Wir waren schließlich für Mittwoch verabredet gewesen und wollten eigentlich nur noch entscheiden, wo genau wir an diesem Abend hingehen würden. Aber dann druckste er so seltsam am Telefon herum, fragte, wie mein Wochenende war und anderen Unsinn. Die Antwort interessierte nicht mal mich selbst. Keine Ahnung, warum es ihm so schwerfiel, direkt zur Sache zu kommen. Vielleicht ist dieses Rumgedruckse aber auch normal, wenn einem unvorhergesehen die Eier flöten gehen und der Testosteronpegel ins Bodenlose sinkt.

Und dann fiel der Satz: «Ich habe das Gefühl, du empfindest mehr für mich als ich für dich.»

Ich stockte und runzelte die Stirn so stark, dass mein Gehirn zu schmerzen begann.

«Aha», sagte ich irgendwann laut und: «Okay.» Vielleicht auch noch «Alles klar», und schließlich irgendwas banal Dämliches wie: «Tschö dann!»

Die nächsten Minuten verschwimmen in meiner Erinnerung. Die Wut kroch ganz langsam von unten nach oben an mir empor und breitete sich unaufhaltsam in meinem Körper aus.

«Hatte der gerade mit mir Schluss gemacht?», krächzte es in mir. Irgendwo unter meiner Schädeldecke raunte jemand «Der hat gerade mit dir Schluss gemacht!» zurück. Danach wurde es laut und wüst und ziemlich ordinär. Ich überlegte kurz, ihn noch einmal anzurufen. Ihm eine Nachricht zu schreiben. Irgendwas Scharfsinniges im Sinne von «Deine Mutter!» – aber wozu?

Ich hatte Ole auf einer Poetry-Slam-Lesung im St. Oberholz in Mitte kennengelernt, wo er sich über das dauerpräsente Selbstmitleid der Vortragenden echauffierte. Er war dabei auf

Aber solche wie Ole gab es zu Hunderten. Wenn nicht Tausenden. Ich brauchte ihn nicht. Siegessicher gab ich bei Google Dating Portal ein und 18700000 Ergebnisse zauberten sich wie von Geisterhand herbei.

Wenn sich auf RTL2 ständig irgendwelche Männer Frauen aus Russland oder Thailand oder anderen Ländern mit seltsamen Vorstellungen von Demokratie und/oder Emanzipation ordern konnten, würde ich ja wohl einen finden, mit dem man eine schöne Zeit haben kann, ohne dass man gleich über Gefühle redet oder sich ständig fragt, ob der andere welche hat, und wenn ja, ob diese stärker oder schwächer als die eigenen sind und wenn ja oder nein, warum?

Fast ein halbes Jahr waren wir miteinander gegangen. Was nichts anderes hieß, als dass ich in dieser Zeit einfach nicht mit anderen Männern schlief und davon ausging, dass er dasselbe auch nicht tat. Nur eben mit anderen Frauen. (Wobei ich es generell schön finde, wenn der monogame Aspekt stillschweigend als geschlechterübergreifend verstanden wird.)

Wir trafen uns meistens nur am Wochenende, weil wir beide unter der Woche viel zu tun hatten. Er mit seinem Job als Filialleiter eines Supermarktes und ich mit der Uni und der schwelenden Doktorarbeit. Wir gingen essen, wir schauten fern, wir vögelten. Was man eben so macht. Letzteres nicht so oft, wie ich es gerne gehabt hätte. Wenn ich ehrlich bin, sogar viel zu wenig. Aber wenn wir vögelten, war es gut.

Dieser Erwartungsbullshit. Ich war nicht auf der Suche nach der Liebe, ich war auf der Suche nach jemandem, der mir den Rücken kraulte, der mit mir zusammen am Wochenende eins mit dem Sofa werden wollte und die gleiche unangemessene Aufregung verspürte, wenn es darum ging, Dinge mit Käse zu überbacken. So etwas musste doch möglich sein. Und wo, wenn nicht im Internet sollte ich so jemanden finden? Im Internet gibt es alles, dachte ich und scrollte mich durch die Ergebnisse.

Verliebten sich dort nicht laut irgendwelcher Werbeanzeigen alle elf Minuten Menschen ineinander? Wie schnell müsste ich erst jemanden finden, nun da ich nicht mal mehr plante, mich zu verlieben, sondern einfach nur noch eine schöne Zeit haben wollte?

Ich klickte mich durch die verschiedensten Portale und Profile, durch Fotos von sehr schönen, sehr durchschnittlichen und sehr hässlichen Männern, ich klickte und wühlte mich durch eine unendliche Masse von potenziellen Penissen.

«Oh, das wird sehr, sehr großartig!», raunte ich sehr, sehr betrunken.

Der Mann

Man muss weder besonders nüchtern noch besonders intelligent sein, um zu wissen, dass es im Netz zwei Sorten von Online-Dating-Portalen gibt. Die für die finanzstarke Elite – die auch nicht nervös mit dem Lid zuckt, wenn sie sieben Euro für einen laktosefreien Latte macchiato grande mit Soja und ohne Schaum bezahlen soll, und deswegen auch kein Problem damit hat, irgendwo in den Untiefen des Netzes eine mehrmonatige Mitgliedschaft zwecks Operation Enduring Loveship in der Preisklasse eines Kleinwagens oder einer Schwarzmarktniere abzuschließen. Das Ganze hat den Vorteil, dass eine gewisse Exklusivität gewahrt wird – was nichts anderes ist als natürliche Selektion. So bleibt der einkommensschwache Pöbel mit seinen KIK-Klamotten und dem Volvo weit weg vom bevorzugten Genpool. Auf Werberdeutsch heißt das dann: «Für Akademiker und Singles mit Niveau.»

Was für die anderen übrig bleibt, ist die sexuelle Resterampe des Internets, wo alles landet, was paarungswillige Genitalien, aber Ebbe im Portemonnaie hat. Und damit auch ich.

Nachdem ich mich am Abend kolossal betrunken und in insgesamt fünf Portalen angemeldet hatte, ging ich die ganze Sache am nächsten Morgen ein wenig planvoller an: Ich löschte vier meiner Profile wieder und blieb bei dem einzigen, über dem zumindest nicht mit grellen, leuchtenden Lettern FICKEN! zu stehen schien.

Die ersten Wochen verliefen trotzdem verhältnismäßig enttäuschend, und ich verstand, warum so viele nach Partnerschaft lechzende Menschen ihr Heil auf den kostenpflichtigen Plattformen suchten. Denn hier waren nicht nur vor allem Männer anwesend, die die Kosten der anderen Portale scheuten, sie scheuten ebenfalls die ordnungsgemäße Verwendung von Grammatik, Rechtschreibung und/oder Scham.

«Du bist süß. Magst treffen?»

 

«Hi, voll schöne Foto! Ich würd dich gern mal lecken.»

 

«Bist du rasiert?»

Eine intellektuelle Sonderausgabe der Evolution jagte die nächste. Daher waren meine Erwartungen auch nicht einfach nur tief gestapelt, als ich auf ein Date mit einem dieser Herren ging, nein, sie lagen quasi zerschmettert auf dem Boden. Es konnte also nur aufwärts gehen.

Der Mann sah laut Profilfoto blendend aus und verfügte nach eigenen Angaben sogar über einen Hochschulabschluss. Ich gestehe ganz freimütig, dass mich nach so vielen wüsten Emails allein die richtige Verwendung des Genitivs in seinen Nachrichten ein wenig geil machte. Und: Der Mann war 40 – ein beinahe perfektes Alter!

Jüngere Männer wissen in der Regel nicht so recht, was sie im Leben und generell wollen – außer Geschlechtsverkehr –

Bei unserem Date im Café Upflamör in Kreuzberg schien bei dem Mann nach erster, kritischer Einschätzung meinerseits jedoch alles zu stimmen: Er war groß und hatte honigbraunes, volles Haar (da jauchzt der Genpool!), hatte, wie ich, vor Äonen von Jahren einmal Geschichte studiert (da freut sich das Hirn! Und die Grammatik!), trug braune Lederflicken auf den Ellbogen seines pastellblauen Pullovers (da gluckst das konservative Modeherzchen!) und ein MacBook in seiner Tasche (da applaudiert das antifeministische Frauchen, das gut verdienende Männer mag und gerne versorgt wird!).

Alles Anzeichen dafür, dass er kein hochfunktionaler Psychopath war, der die Frauen, die er so im Internet kennenlernte, gerne häppchenweise in einer Kühltruhe aufbewahrte.

Der Mann kam eigentlich aus Hamburg, war aber jetzt für drei Monate beruflich in Berlin und kannte hier niemanden. Perfekt, perfekt, perfekt, dachte ich. Nicht nur, dass er in drei Monaten wieder weg sein und das Ganze damit ein Mindesthaltbarkeitsdatum haben würde. Als Journalist hatte er auch noch einen Beruf! Normalerweise hatten alle Männer, die man in Berlin traf, bestenfalls «Projekte», was in der Regel nur ein Euphemismus für «Kriegt gerade gar nichts gebacken!» und «Alter, ich bin so derbe arbeitslos und pleite!» ist.

Wir redeten drei Stunden. Über Berlin, über Hamburg, über die Menschen hier und dort, über Hitler, über Hitlers Frauen und unsere gemeinsame Liebe zu Dokus darüber auf Phoenix.

Fast schien es, als hätte ich endlich die Beziehung gefunden, die ich immer gesucht hatte. Und hin und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich wehmütig im Kalender die Wochen und Tage zählte, bis er Berlin – und mich – wieder verlassen würde.

Meine bisherigen Beziehungen waren immer anders verlaufen, wobei die Frage, ob sie diese Bezeichnung überhaupt verdienten, an anderer Stelle noch zu klären ist. Sie dauerten nie länger als ein paar Monate und endeten meist damit, dass ich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten so genervt war, dass ich dem Ganzen den Gnadenschuss verpasste. Die Häufigkeit, mit der ich mir jeweils die Beine rasieren musste, der Grad der schlabbrigen Feuchtigkeit, wenn jemand mich küsste – es waren in der Regel solche Dinge, die dazu führten, dass ich meinen Beziehungsstatus bei Facebook schnell wieder auf Single änderte.

Diese Frauen, die durch Walt Disney, Twilight und 50 Shades of Koitus dem Irrglauben anheimgefallen waren, da draußen gäbe es eine Person, die die perfekte Ergänzung zum eigenen Ich darstellte, die es unter allen Umständen zu suchen und finden galt, an dessen Existenz das ganze vermaledeite Glück hing – ich war nie eine von ihnen.

Ich glaube dementsprechend auch nicht an die große Liebe, sondern nur an einen unausgeglichenen Hormonhaushalt. Wenn es den Topf zu meinem Deckel, meinen significant other, irgendwo geben sollte, ist er vermutlich ein 52-jähriger Chinchilla-Züchter, der ohne Strom und WLAN in den peruanischen Anden lebt – und wenn mir diese letzte Beziehung eines gezeigt hatte, dann, dass dieser Gefühlskrams nichts für mich ist. Zumindest dachte ich das.

Ungefähr in der fünften Woche unserer zwanglosen Spaßgemeinschaft war ich ohne den Mann auf der Geburtstagsfeier einer Kollegin aus der Uni. Die Kollegin hieß Sonja oder Sabine oder keines von beiden. So genau weiß ich das nicht mehr. Letztlich war ich nur deswegen auf der Party, weil man mir Bier versprochen hatte. Die Stimmung war gut, wenn nicht gar glänzend. Im Wohnzimmer der WG war ein riesiges Berghain-artiges DJ-Pult aufgebaut und über dem DJ hing eine aufblasbare Sexpuppe an ein Kreuz genagelt. Es war alles ganz entzückend.

Am Anfang war mir der Kerl gar nicht aufgefallen. Er war einen Kopf kleiner als ich, hatte dunkle, gelockte Haare und war einfach plötzlich da. Stand in meiner Nähe, lachte über meine Witze länger und lauter, als es die normale Höflichkeit gebot, suchte den Blickkontakt zu mir und sandte auch sonst Signale männlicher Paarungswilligkeit aus. Es gibt diesen Moment, in dem eine Frau ohne weitere Worte weiß, dass ein Mann mit ihr

Der kleine Kerl sah süß aus, wenn er auch ein wenig zu alt war. Er sagte, sein Name wäre Uli. Uli roch gut, zumindest für jemanden auf einer Berliner WG-Party nach vier Bier und – plötzlich schoss es mir durch den Kopf! Dachte ich ernsthaft daran, mit dem kleinen Kerl zu schlafen? Wollte ich tatsächlich mit ihm fremdgehen? War das überhaupt fremdgehen? Würde es den Mann verletzen, wenn ich es täte und er es herausfände? Nicht, dass er es herausfinden würde, wie sollte er auch – aber spielte das eine Rolle?

«Was?» Der kleine Kerl sah mich mit großen, braunen Augen an. So wie ein Retriever, der darauf wartete, ob man ihn jetzt mit nach Hause nahm oder doch hier im Tierheim zurückließ.

«Was?», schrie ich über die wummernden Boxen hinweg zurück.

«Du sagtest, ob das eine Rolle spielt?», brüllte der kleine Kerl, und plötzlich tat er mir leid. Ich war kurz versucht, ihm den Kopf zu tätscheln, und sagte nur: «Es spielt keine! Ich muss los, mach’s gut, Axel!»

«Uli, ich heiße Uli …», rief er mir noch hinterher, aber das hörte ich schon nicht mehr.

Noch im Treppenhaus schrieb ich dem Mann:

Bist du noch wach? Bin in der Nähe. Öde Party. Könnte noch vorbeikommen.

Keine Minute später kam die Antwort:

Klar. Komm vorbei. Freu mich.

Nach dem Sex lagen wir nackt und eng aneinandergeschmiegt auf dem Bett. Gedankenverloren betrachtete ich die über den Boden verstreuten Klamotten. Der Mann hatte die Wohnung von irgendeinem Studenten, der sich ohnehin keine Zwei-Zimmer-Wohnung in Kreuzberg leisten konnte, untergemietet – und nachdem wir in den letzten fünf Wochen auf jedem nur erdenklichen Möbelstück, das nur halbwegs so aussah, als könnte es mich tragen, Geschlechtsverkehr gehabt hatten, war der Aufschlag, den besagter Student ihm zwecks Möbelabnutzung aufgezwungen hatte, wieder vergessen.

«Alles okay?», fragte der Mann schließlich.

«Hmm. Ja, glaub schon», sagte ich und versuchte, die Party und die dabei aufgeworfenen Fragen von mir wegzuschieben. Ich wollte jetzt keine ernsten Gespräche führen. Und mit «nicht jetzt» meinte ich «nie». Wir waren nackt, unser Herzschlag war noch immer unregelmäßig, und der Schweiß auf unserer Haut war noch nicht getrocknet – das waren Momente, in denen man nicht redete, in denen man schwieg. Und zwar mit Wonne.

«Du glaubst?», hakte der Mann nach und drehte mich herum, sodass er mir in die Augen gucken konnte. Verdammt, was waren diese Augen blau, dachte ich nur und stöhnte. «Auf der Party war so ein Typ», sagte ich schließlich widerwillig, vergrub mich in seiner Brust und spielte mit seinen Brusthaaren, die er extra für mich nicht mehr abrasierte, weil ich seit Tom Selleck eine abnormale Anziehung zu Brustpelz verspürte.

«Was für ein Typ?»

Irgendwo, weit entfernt lauschte Gott und schlug sich facepalmartig mit solcher Kraft ins Gesicht, dass es andernorts zu donnern anfing.

«So, so, der hat dich angemacht», sagte der Mann, und ich war ihm sehr dankbar, dass er nicht lachte. Ich richtete mich trotzig auf: «Ich hätte mit ihm schlafen können, weißt du? Also, wenn ich gewollt hätte!»

«Und wolltest du?»

«Nein! Ich meine … Ich weiß nicht. Vielleicht. Eher nicht.»

Der Mann grinste wie ein Zwölfjähriger: «Na, dann ist doch gut.»

«Gut? Nichts ist gut! Vielleicht hätte ich ja mit ihm schlafen wollen, aber ich weiß nicht, ob wir so was machen, ob du das möchtest, also mir ist das ja egal, wirklich, ist es. Ich wusste es nur nicht. Weißt du?»

«Ne. Weiß ich nicht.»

Ich kniff die Augen zusammen. Wie ein Raubtier, das unschlüssig war, ob da jetzt Freund oder Feind oder Fresschen vor einem saß. Vielleicht nicht gerade wie ein extrem gefährliches Raubtier, sondern eher wie ein Marder oder ein wirklich wütender Wombat.

«Eigentlich ist es doch ganz einfach: Triffst du dich aktuell mit anderen Männern?»

Ich schüttelte den Kopf.

«Würdest du dich gerne mit anderen Männern treffen?»

Ich überlegte kurz, doch es klang wie etwas furchtbar Anstrengendes: «Nein.»

«Na, siehst du. Ich auch nicht. Und was müssen wir da denn noch mehr wissen oder sagen?»

The winter of our discontent

Alles, was perfekt zu sein scheint, muss irgendwann scheitern. So will es das Gesetz. Beziehungsweise mein Karma. Ich glaube zwar nicht an Karma, aber das ist meinem Karma herzlich egal.

Rund sechs Wochen und zwei Schwangerschaftstests später sitze ich also im Wartezimmer eines mir unbekannten Frauenarztes und streichle summend das Leder der Sessel. Die Frauenärztin, zu der ich normalerweise gehe, ist auf irgendeiner Fortbildung, und deswegen hocke ich nun bei einem mir völlig Fremden, dessen Praxis im Internet eine 4/5-Sterne-Bewertung bekommen hat.

Unruhig rutsche ich auf dem unbequemen Sessel hin und her. Was verleitet Ärzte eigentlich dazu, ihr Wartezimmer mit Stühlen zu bestücken, die orthopädisch fast an Körperverletzung grenzen, vor allem wenn die Kundschaft primär aus Frauen besteht, die sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch mit der grazilen Schwermut eines angeschossenen Seeelefanten bewegen können?

Als ich hereingerufen werde, finde ich mich einem Mann ungewissen Alters gegenüber, irgendwas zwischen 53 und 97, mit weißem, überraschend vollem und fluffigem Haar, das bei näherer Inspektion sicherlich nach Kokos oder Mango duften würde. Seine Hände sind von feinen, blauen Äderchen überzogen und lassen eine den Haaren vergleichbare Pflege

Nachdem ich mein Anliegen geschildert habe, erhebt er sich und öffnet die zweiflüglige, weiße Tür zum Nebenzimmer.

«Na», sagt er, «dann schauen wir mal nach.»

Beim Anblick des Behandlungsstuhls wird mir schlagartig klar, dass der fremde Mann mit den kalten, rauen Händen einen vaginalen Ultraschall bei mir durchführen möchte.

Die aufkeimende Unruhe unterdrückend folge ich ihm und setze mich artig auf den Stuhl, wobei ich augenblicklich beginne im Geiste Texte zu rezitieren, die ich vor Jahren in der Schule auswendig gelernt hatte:

Now is the winter of our discontent

«Das wird jetzt ein wenig kalt.»

Made glorious summer by this sun of York

«Soooo, dann schauen wir mal.»

And all the clouds that hung upon our house

«Das da ist Ihre Gebärmutter.»

In the deep bossom of the ocean buried

«Und da haben wir die Fruchthöhle.»

Now, are our hou- fruchtwas?

«Hier. Sehen Sie? Recht eindeutig.» Er fährt mit seinem Finger über den Ultraschall und befummelt auf dem Bildschirm etwas, was für mich wie ein Kaugummi aussieht.

«Vielleicht ist es ein Tumor», meine ich trotzig, da ich nach acht Staffeln Dr. House und zehn Staffeln Grey’s Anatomy durchaus in der Lage bin, so etwas zu diagnostizieren. «Glaube ich eher nicht», sagt er trocken. «Sie können sich wieder anziehen. Wir machen zur Sicherheit noch eine Urinprobe.»

Ich kann es kaum glauben, aber es war unleugbar. Ich kann die Wahrheit nicht länger verdrängen. Ich habe einen Tumor.

«Was?», frage ich.

«Ob Sie verstanden haben, was ich gesagt habe?»

Ich kneife die Augen zusammen: «Ehm. Ja. Ich meine, nein. Was?»

Er zieht die makellos gezupften Augenbrauen kritisch nach oben, und für einen Moment ist es wie damals im Geschichtsunterricht, als mein Lehrer mich mit vorwurfsvoll mahnendem Blick ansah, weil er merkte, dass ich einen Cheeseburger aß.

«Also», sagt er, inzwischen sichtlich genervt, «das Testergebnis ist eindeutig positiv.»

«Was meinen Sie mit eindeutig?»

«100 Prozent.»

«Und wenn Sie 100 Prozent sagen, meinen Sie was? 95, 70, 50?»

«Hören Sie, ich verstehe, wenn das für Sie vielleicht unerwartet kommt, aber Sie sind schwanger. Eindeutig und 100-prozentig. Daran gibt es nichts zu rütteln. Ich verschreibe Ihnen jetzt erst einmal Folsäuretabletten, und alles Weitere besprechen Sie dann mit Ihrer Frauenärztin, sobald sie wieder da ist.»

Ehe ich mich versehe, stehe ich in der Apotheke und bekomme einen endlosen Vortrag über alles, was ich nun darf und soll und muss, aber vor allem, was ich nun alles nicht mehr darf – so viel, was ich nicht mehr darf! Ich bekomme allerhand Tabletten, damit das Kind nicht mit offenem Rücken oder Flossen oder einem Penis auf der Stirn zur Welt kommt; ich habe

Auf halbem Wege fällt mir ein: «Käse, ich wollte doch Käse!» Ich biege beim REWE ab, stehe vor dem Käseregal, vor so viel Käse – und hatte die Frau in der Apotheke nicht gerade noch gesagt, ich dürfe nun keinen Rohmilchkäse mehr essen?

Ich schaue auf den Babybel in meiner Hand, Rohmilchkäse, Rohmilchkäse, was ist das überhaupt, und wo steht das, und was passiert, wenn ich welchen esse, und überhaupt habe ich doch keine Ahnung, was ich hier tue.

Ich spüre, wie mein Herz immer schneller und schneller zu schlagen beginnt und schließe die Augen.

«Ein Baby!», denke ich, während ich höre, wie das Blut in meinem Kopf hin- und herschießt. «So eine verdammte Drecksscheiße, ich kriege ein Baby!»

Und plötzlich kann ich nicht anders. Ich muss lächeln.

Das Ticken

Doch das Lächeln ist mir anschließend recht schnell wieder vergangen. Normalerweise vergisst der Mann alles, was ich ihm so erzähle – was verzeihlich ist, da ich ziemlich viel erzähle. Nur dass ich an dem Tag einen Schwangerschaftstest machen wollte – das vergisst er natürlich nicht. Das war so typisch.

«Was ist eigentlich bei dem Test rausgekommen?», fragt er während des Abendessens wie aus dem Nichts, und ich bin so überfordert, dass ich augenblicklich außerstande bin, ihm etwas anderes zu sagen als die Wahrheit. Vielleicht hätte ich gerne selbst noch ein wenig Zeit gehabt, um das Ganze zu verarbeiten, zu verdauen, um zu überlegen, wie ich was jetzt machen soll, was ich überhaupt machen will und vor allem kann.

Erst dann – bei meiner durchschnittlichen Entscheidungsgeschwindigkeit ungefähr zum zehnten Geburtstag des Kindes – hätte ich ihm von dem Test erzählt. Eventuell. Aber doch bitte nicht schon jetzt!

«Ich bin schwanger», nuschle ich in meine Bolognese hinein und versuche zu ignorieren, wie seine Kinnlade fast gegen die Tischplatte donnert: «Wirklich?»

«Jepp.»

Zu sagen, seine Reaktion fällt in den Bereich totalen Entsetzens, wäre untertrieben. Ich vermute, im gesamten Führerbunker herrschte im April 1945 eine entspanntere, zenmäßigere Atmosphäre als in jenem Moment in diesem Zimmer. Wobei

Für eine gefühlte Ewigkeit sagt niemand von uns etwas. Was vielleicht normal ist, wenn man sich seit nicht mal drei Monaten kennt, die ganze Zeit vorrangig bis kurz vorm Beckenbruch gevögelt hat und dann plötzlich schwanger ist.

Doch während ich noch damit hadere, was ich selbst denn möchte, sagt er in die Stille des Raumes plötzlich: «Wenn du willst, komme ich mit.»

«Wohin?», frage ich und fürchte die Antwort schon zu kennen.

«Na, zum Termin beim Frauenarzt», sagt er, «für die Abtreibung.»

Statt zu antworten, wütend oder traurig zu werden, blinzle ich vor mich hin. Für ihn ist eine Abtreibung selbstverständlich. Warum auch nicht? Wir kennen uns erst seit kurzem. Alles andere wäre unvernünftig. Wobei es vermutlich dem Umstand der besagten wenigen Monate zu verdanken ist, dass er noch gar nicht wissen kann, dass ich und vernünftige Entscheidungen nicht so oft im selben Atemzug genannt werden …

Tausend Sachen schießen mir gleichzeitig durch den Kopf, während er mich einfach nur anstarrt und auf eine Reaktion von mir wartet. Was, wenn ich das Kind gegen seinen Willen bekäme, es alleine großziehen würde? Sollte es in Berlin aufwachsen oder doch lieber in einer anderen Stadt und in dem Bewusstsein, dass eine Schlafanzughose keine adäquate Bekleidung für den Supermarkteinkauf ist? Würde ich (Gott steh mir bei) nach Bonn, zu meiner Familie, zurückgehen? Würde ich es finanziell überhaupt verkraften, ein Kind großzuziehen? Wie viel kostet so was? Was, wenn es mich nicht mag? Was, wenn ich es nicht mag? Weil es dumm ist. Oder weil es

Die Antworten sind allesamt beängstigend. Nichts, aber auch wirklich rein gar nichts spricht auf rationaler Ebene dafür, Kinder zu bekommen. Der einzige Grund, warum wir Kinder in die Welt setzen – unabhängig davon, wie genau unsere individuelle Begründung lautet – ist nun mal: Egoismus.

Und ich bilde da keine Ausnahme: Denn mir wird überraschend schnell klar, dass mich eine Abtreibung schlicht vernichten würde. Psychisch, seelisch, emotional – egal, welches schicke Adjektiv man bevorzugt.

«Sag doch was», höre ich seine Stimme irgendwann zu mir herüberwabern.

«Ich wollte nie Kinder haben», sage ich, und er atmet laut und erleichtert aus.

«Okay, gut. Wir kriegen das hin», flüstert er mehr zu sich selbst.

«Nein. Du verstehst nicht», erwidere ich, «ich wollte früher nie Kinder haben.»

Ich versuche zu ignorieren, wie sich seine Augen weiten und er um Fassung ringt, und ich sollte ihm seine Reaktion nicht übelnehmen und tue es trotzdem. Unsere Beziehung, das was wir hatten, die Unbeschwertheit, die Leichtigkeit, sie ist in diesem Moment fort, und wir beide wissen instinktiv, sie wird nicht wiederkommen.

Aus den zwei Menschen, die sich in ihren leidenschaftlichsten Momenten so ineinander verkeilten, dass sie fast wie ein einziger Organismus wirken mussten, sind innerhalb weniger Minuten Gegner geworden. Feindselig. Wütend. Hilflos.

Früher war ich der festen Überzeugung gewesen, ich würde

Das und die Tatsache, dass Kinder nichts anderes als Miniatur-Ausgaben jener grauenvollen Spezies sind, von der ohnehin schon viel zu viele Mitglieder auf diesem schmucken Planeten umherwandern, führte dazu, dass ich ein ausgeprägter Misanthrop wurde und die diskussionswürdige Ansicht vertrat, dass alle eigenen Anstrengungen, diese Gattung zu erhalten, tunlichst zu unterlassen seien.

Wenn man unbedingt ein Kind hegen und pflegen und lieben wollte und ein Haustier kein adäquater Ersatz war, dann sollte man doch bitte eines aus Indien adoptieren. Dann wäre das Ganze zumindest nur noch halb so egoistisch und viel ökonomischer.

Kurz vor meinem 30. Geburtstag jedoch passierte es: Ich war an Weihnachten bei meiner Familie, und alle Cousinen und Cousins mit ihren Männern und Frauen und vor allem Kindern waren da. Sie schrien, nuschelten, spuckten, pupsten und sabberten – also die Kinder – und plötzlich, während der Braten serviert wurde, und der zweijährige Samuel an dem Versuch, Papas Weinglas zu erobern, scheiterte und Großmutters weiße Tischdecke auf ewig ruinierte, hörte ich es. Erst ganz leise. Und dann, im Laufe des Abends, immer lauter. Das Ticken.

Ich sah diese Kinder, und meine Hormone spielten wie aus dem Nichts verrückt, flüsterten bedrohlich: «Das wirst du nie haben. All das wirst du nie haben. Du wirst nie erleben, wie es ist, wenn dich dein eigenes Kind anlacht, wenn es seine

Jahahaha, lachte ich zurück, ich werde aber auch nie orangefarbene Kotze von weißen Tapeten abwischen oder vollgeschissene Bodys auswaschen. Die biologische Uhr kicherte ein wenig, so als hätte ich etwas furchtbar Einfältiges gesagt, schmiss die Hormonproduktion noch ein bisschen mehr an und sorgte dafür, dass sich der Satz «Das wirst du nie haben!» so fest in mein Hirn fräste, dass ich die restlichen Feiertage fast zu weinen anfing, wenn ich ein Kleinkind auch nur ansah.

Zurück in Berlin stabilisierte sich mein «Zustand» wieder. Zumindest dachte ich das. Denn nur wenige Monate später sitze ich hier – schwanger und von Mutter Natur wie eine läufige Hündin ausgetrickst – in meiner kleinen Wohnung und starre ein Loch in den ochsenblutfarbenen Fußboden.

«Was soll das heißen: Du wolltest früher nie Kinder haben?», brüllt der Mann und hat dabei sichtlich Mühe, nicht komplett die Fassung zu verlieren. «Du hast doch nicht etwa vor, es zu behalten?»

Ich merke, wie mir, wie uns die Situation entgleitet und wir kurz davor stehen, irgendwelche Dinge zu tun oder zu sagen, die dazu führen werden, dass wir als tragischer Einspieler in den Abendnachrichten landen.

«Ich glaube, du solltest jetzt gehen», sage ich mit tonloser Stimme und schaue ihm fest in die Augen. Ihm jetzt bloß nicht den Rücken zudrehen, bloß nicht den Augenkontakt unterbrechen. Was als Tipp im Umgang mit Grizzlys in der freien Natur gilt, kann hier nicht verkehrt sein.

Seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen, und an der Art, wie seine Unterlippe zuckt, kann ich sehen, dass er noch etwas sagen will, meint, noch etwas sagen zu müssen,

Nachdem die Tür mit einem Knall ins Schloss geflogen ist, sinke ich auf den Fußboden und beginne einfach zu weinen. Die Überforderung bricht aus mir heraus, vermengt sich mit der Hilflosig- und Ratlosigkeit zu einem verhängnisvollen Gemisch.

«Mir doch egal!», entfährt es mir schließlich trotzig zwischen zwei gepressten Atemstößen. Wütend streiche ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Dieser Ficker. Soll er doch machen, was er will.

Ich kriege dieses Baby, komme, was wolle.