Shoreham-by-Sea, England
Für die Leute zählte er zu denjenigen, die der Kreditkrise anheimgefallen waren, den Opfern eines unsichtbaren Feindes, der Rezession. Paddy Fox trank mit Wut im Bauch aus seinem Pint. Er war niemandes Opfer. Nachdem er sich die Stellenangebote zum dritten Mal angesehen hatte, zerknüllte er die Zeitungsseite. Der Groll, den er gegen sie hegte – die Wut auf seinen ehemaligen Chef –, hatte während der sechs Wochen, seitdem es geschehen war, nicht nachgelassen. Er musste niemandem etwas beweisen. Schließlich war er James »Paddy« Fox und zwanzig Jahre lang beim Special Air Service gewesen, also galt er etwas. Scheiß auf all diejenigen, die das nicht erkannten.
Als sein Handy klingelte, nahm er es schnell in die Hand und ging ran. »Ja?« Obwohl er schon vor Jahren nach Hereford und dann Sussex gezogen war, hatte er seine Stimme nach wie vor eine kehlig schottische Färbung. Da es zunächst still in der Leitung blieb, wusste er gleich, dass ihm irgendein Unternehmen etwas andrehen wollte, noch bevor der Anrufer seinen Text aufsagte.
»Spreche ich mit Mr. James Fox?«
»Jetzt nicht mehr.« Er trennte die Verbindung.
Kohle, Kohle, Kohle! Alle Welt schien sein Bestes zu wollen, bloß nicht ihn selbst. Er glättete das Papier wieder und kreiste eine weitere Anzeige ein, wobei das Logo von Dymex auf dem Kugelschreiber vor seinen Augen verschwamm. Tracy arbeitete noch dort, doch warum er einen Stift der Firma behalten hatte, wusste er nicht. War er ein sprichwörtliches Büßerhemd, das er sich überstreifte?
Fox stürzte den Rest Pale Ale hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Vorerst nur diese zwei und später mehr, wenn er, wie er bereits ahnte, nach Zoff mit Tracy aus dem Haus stürmte. Das geschah nahezu täglich, seitdem er »überflüssig« – so sah er es – geworden war. Nun schaute er an der schmierigen Theke des Crown & Anchor entlang, wo niemand saß. Außer Burt, dem Lokalbesitzer mit den Hängebacken, sowie »Old Dave«, der mit seiner Zeitung und einem Glas Guinness in der Ecke hockte, als gehöre er zur Einrichtung, war niemand zugegen. Fox schüttelte den Kopf. Was für ein Drecksladen von Kneipe … Es handelte sich um die letzte in Shoreham, die noch »aufgedonnert« werden musste, wie er es nannte – mit einem neuen Anstrich, schicker Beleuchtung und doppelt so hohen Getränkepreisen. So blieb sie die einzige Kneipe, deren Gäste im Schnitt über zwölf Jahre alt war, zumindest in seinen Augen. Er stand auf, stellte sein leeres Glas auf den Tresen und nickte Burt zu, bevor er den Pub verließ. Draußen war gerade Hauptverkehrszeit, und viele Autofahrer nahmen die engen Seitenstraßen, weil sie Staus vermeiden wollten. In gewisser Weise schätzte sich der ausgediente SAS-Soldaten glücklich, nicht mehr zur Geschäftswelt zu gehören – aus dem Hamsterrad raus zu sein, obwohl er sich noch immer darüber aufregte, wie es sich ergeben hatte.
Nachdem er in einen rundum verglasten Versammlungsraum bestellt worden war, hatte er den Jüngeren in seinem Designeranzug und unverkennbarem dunkelblauen Hemd abschätzig angesehen. Der Mann sprach, während ihm Fox' unentwegt in die Augen blickte.
»Es tut mir leid, Paddy, ganz ehrlich, aber wie Ihnen zu Beginn des Consultings unseres Unternehmens bewusst gemacht wurde, müssen wir Kürzungen vornehmen. Dabei gilt es, möglichst gerecht zu bleiben.«
Darauf folgte eine Pause, in der er – Leo Sawyer – auf Fox' Antwort wartete. Dessen direkte Vorgesetzte Janet Cope räusperte sich hustend, auch weil ihr die Stille unerträglich war.
»James, wir bedauern wirklich sehr, Sie entlassen zu müssen, doch wie beschlossen wurde, brauchen wir nur zwei, nicht drei Vertriebsingenieure.«
Paddy starrte die »hohen Tiere« nacheinander an. »Was ist mit der Stelle in Saudi?« Seine Stimme hallte laut in dem kleinen Glaskasten.
Cope zuckte zusammen, während Sawyer nervös an seiner Krawatte nestelte.
»Sie kamen nicht dafür infrage, bedaure«, antwortete der Chef in einem seines Erachtens einfühlsamen Tonfall. Er kam sich regelrecht von Fox' grünen Augen durchbohrt vor.
»Aber ich spreche Arabisch! Kann das irgendeiner der anderen Bewerber?« Paddys Gesicht war ein wenig röter als üblich geworden.
Cope ereiferte sich. »Also James, ich kann nachvollziehen, dass Sie sich aufregen, aber das ist kein Grund zum Schreien.«
Paddy strafte sie mit einem verächtlichen Blick. »Nur meine Mutter darf mich James nennen.«
Auch seine Vorgesetzte errötete nun leicht und schaute nach unten.
Sawyer schob Fox ein Blatt Papier über den Tisch. »Wenn Sie sich das bitte anschauen würden. Wir zahlen Ihnen Ihren nicht beanspruchten Urlaub voll aus, außerdem drei Monate Abfindungsgeld – so steht es in Ihrem Vertrag – und einen zusätzlichen Bonus für all Ihre harte Arbeit während der letzten fünf Jahre.«
»Sechs Jahre. Ich fing 2004 hier an.« Paddy nahm das Dokument und überflog die achtunddreißig Zeilen.
»Natürlich, sechs Jahre, mein Fehler.«
»Ihre Entlassung tritt umgehend nach Ende des heutigen Arbeitstages in Kraft. Das heißt, sie können sich ab morgen nach einer neuen Anstellung umsehen. Wir möchten Sie nicht daran hindern, einen neuen Job zu finden. Für uns ist das wirklich sehr bedauerlich.« Cope setzte ihr affiges Lächeln auf, das er schon am ersten Tag gehasst hatte, als sie seine Vorgesetzte geworden war.
Er faltete das Blatt, steckte es in seine Hemdtasche und erhob sich. Wieder starrte er die beiden Bosse an. Sawyer wollte noch etwas sagen, doch Fox hielt eine Hand hoch.
»Danke für Ihre offenen Worte.«
Die Kollegenschaft verrenkte ihre Hälse, während er durch das offene Großraumbüro zu seinem Platz ging. Einige versuchten, seinem Blick auszuweichen, manche wollten mitfühlend wirken, doch er fand die einen wie die anderen einfach nur armselig. Seine beiden Vertriebsmitarbeiter, die man nicht abgestoßen hatte, waren wenig überraschend nirgendwo zu sehen. Als er zu seinem Schreibtisch kam, machte er sich daran, den Inhalt der Schublade in seinen Pilotenkoffer zu räumen. Er fand Sawyer seit je unsympathisch. Nachdem Tracy auf der Weihnachtsfeier im Vorjahr etwas über seine Beteiligung an Operation Wüstensturm im Zweiten Golfkrieg herausgerutscht war, hatte der Chef Fox ständig wegen seiner Vergangenheit gelöchert. Alsdann hatte Sawyer, der seinen eigenen Worten zufolge der »Reservistentruppe« angehöre, sie alle – also die ganze Verkaufs- und Marketingabteilung – zu einem Wochenende Paintball eingeladen, um den Gemeinschaftsgeist zu stärken. Werbeleiterin Tracy war dabei gewesen, und laut ihrer Aussage sei der Kerl eine »echte Witzfigur«. Beim nächsten »Betriebsevent« hatte Fox bemerkt, wie er sie angaffte, und ihm den Spitznamen »Stielauge« gegeben. Eigentlich dachte er aber, bei Sawyer rege sich nur etwas, wenn er die örtliche Schwulenbar aufsuchte.
Als er aufschaute, sah Fox den Sicherheitswächter mit einem Klemmbrett in der Hand aus dem Büro des Geschäftsführers kommen. Er nahm dem Mann nichts übel.
»Hi Mick, werden Sie mich beim Verlassen des Geländes begleiten?«
»Tut mir leid.« Der Gefragte legte das Brett auf Fox' Tisch. »Sie müssen mir den Wagenschlüssel geben und hier unterschreiben.«
Paddy nahm kopfschüttelnd den Schlüssel seines 3er-BMWs heraus und ließ ihn in Micks aufgehaltene Hand fallen. »War ja klar, jetzt muss ich drei Meilen bis zum Bahnhof laufen.«
»Danke.« Der Wächter sah sich kurz um, bevor er beinahe flüsternd hinzufügte: »Mr. Sawyer hat Ihnen wohl nicht angeboten, Sie in seinem Z4 zu fahren, oder?«
»Ich bin nicht schwul.«
Mick musste schmunzeln. »Ich habe in zehn Minuten Pause, dann bringe ich Sie zum Bahnhof.«
»Das wäre nett, Kumpel, vielen Dank.«
So konnte es eben gehen auf der Welt. Mick besaß mehr Anstand als der Rest der Belegschaft zusammen. Er klopfte dem Gefeuerten auf eine Schulter und ließ ihn beim Zusammenräumen allein. Fox steckte weiter persönliche Papiere in die Fächer seines Koffers. Sawyer und Cope blieben im Besprechungszimmer abgeschottet, schauten verbissen auf Dokumente, um sich den Anschein zu geben, sie hätten zu tun, und hofften, er werde verschwinden. Nachdem Fox den Koffer geschlossen hatte, ging er zur Treppe. Im Vorbeigehen klopfte er an eine Scheibe des Versammlungsraums, woraufhin die beiden Männer darin ruckartig mit den Köpfen nach rechts fuhren. Er grinste und zeigte ihnen einen ausgestreckten Mittelfinger.
Draußen überquerte er die Straße zum Fluss hin und dann die Fußgängerbrücke. Der Pegel war hoch wie üblich, weshalb das Wasser vielmehr einem zähen Schlammstrom glich – verdammt ätzend, wenn man ihn fragte, doch das hatte Tracy beim Kauf des Hauses nicht getan, das den Fluss überblickte. Als er das Gegenufer erreichte, hörte er sie bereits. Die Kids aus den Appartementgebäuden in der Gegend waren wieder unterwegs und fuhren auf ihren »Minimotos« Slalom um Autos. Jim regte sich bestimmt wieder auf; das tat er ständig.
Und tatsächlich: »Runter von der Fahrbahn, verflucht! Ich rufe die Polizei!«, brüllte Jim Reynolds, Dekorateur im Ruhestand und Stimme der Moral in der Straße, den Motorrollern hinterher.
Paddy lachte. »Guten Abend, Jim« Er mochte seinen Nachbarn, auch wenn er sich über ihn lustig machte.
»Von wegen gut, die Rotzlöffel foltern mich schon eine Stunde lang! Sollten sie nicht in der Schule sein?« Er winkte mit seiner Heckenschere.
»Jim, es ist schon fast sechs Uhr.«
»Ach, dann sollten sie eben am Arbeiten sein oder über ihren Hausaufgaben brüten. In deren Alter habe ich als Anstreicher Häuser verschönert.«
»Tun sie auch – mit Graffiti.«
Die Siedlung war als neueste Erschließungsmaßnahme für Berufstätige mit zwei Komma vier Kindern und BMW angepriesen worden, doch in Wirklichkeit benutzten die Jugendlichen aus den Sozialwohnungen in der Nähe die ruhigen, freien Straßen ohne Schlaglöcher, die am Ufer des Adur entlangführten, als private Rennstrecke.
Der alte Mann zog seine Gartenhandschuhe aus und kratzte sich am Kopf. »Schon was Neues in Sachen Job?«
Fox zog die Schultern hoch. »Wer würde ein altes Schlachtross wie mich noch einstellen?«
»Darin besteht das Problem: Undankbarkeit. Man hätte dir einen Orden verleihen sollen.«
Reynold wusste, dass sein Nachbar als Mitglied des SAS während seiner Dienstzeit in den Irak geschickt worden war. Fox hatte aber nicht Bravo Two Zero angehört, wie er ständig von allen gefragt wurde, die seinen Werdegang kannten, sondern an einem Vorstoß tief ins Landesinnere teilgenommen, den man bis heute nicht publik machte. Seine Einheit war zum Auskundschaften als Vorhut der Bündnisarmee geschickt worden – eines Koalitionsheeres, das sich nie oder besser gesagt erst zehn Jahre später dort eingefunden hatte. Über diese Mission schwieg er sich stets aus. Reynolds, seinerseits einst Soldat während der Sueskrise, brachte Fox großen Respekt entgegen.
»Vielleicht kriegen wir Gedenktafeln an unsere Häuser, wenn wir beide tot sind«, frotzelte Fox.
Auf einmal hörten sie basslastige Musik von hinten, und Tracy, die seit fünf Jahren mit ihm verheiratet war, kam mit ihrem Saab-Cabriolet herangerast.
»Na, wenn das nicht Ghetto Gertrude ist!«
Reynolds kicherte, als sie in die Auffahrt einbog. »Hallo Herzchen.«
»Hi Jim.« Sie lächelte ihn freundlich an, blickte aber streng drein, als sie sich an ihren Gatten wendete: »Je schneller du die alte Mühle aus der Garage schaffst, desto besser. Ich verstehe nicht, warum du sie überhaupt hast!«
»Sie ist ein Klassiker, Schatz.« Jeden Abend dieselbe Leier, wenn Tracy ihren Neuwagen gezwungenermaßen draußen abstellen musste … »Hilf mir mal mit den Taschen.«
»Sehr wohl, Ma'am.« Fox zwinkerte seinem Bekannten zu und ging zum Auto.
Reynolds nahm seine Heckenschere wieder zur Hand und fuhr mit dem Stutzen seiner ohnehin makellosen Sträucher fort.
Paddy trug seiner Frau die Laptoptasche nach, die angeblich zu schwer für sie war. Als er hineinkam, sah sie die Post durch.
»Erzähl mal, was du heute so getrieben hast, während ich meiner Arbeit nachging.« Das verlangte sie jeden Tag mit zunehmender Geringschätzung.
Nachdem Fox die Tasche abgestellt hatte, holte er tief Luft. »Ich habe mich im Internet umgesehen, meinen Lebenslauf für die Jobbörse hochgeladen, meine E-Mails gecheckt und den Wasserhahn in der Küche repariert.«
Tracy nickte. »Was noch?«
»Wie, was noch?«
»Hast du nur einen der Vermittler angerufen, deren Nummern ich dir gegeben habe?« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.
Er schaute auf die Öffnung zwischen den Knöpfen ihrer Bluse und den roten Stoff ihres BHs. Tracy hatte zwei herrliche Brüste. »Nein, mach ich morgen.«
Da verzog sie ihr Gesicht. »Das sagst du jetzt schon seit einer Woche, Paddy!«
»Schon klar, Liebling, ich weiß.« Standpauke olé …
»Du findest keine neue Stelle, indem du dir den ganzen Tag lang die Eier schaukelst.«
»Wie hätte ich dann den PC bedienen können?«
Sie ging nicht auf seinen bemühten Witz ein. »Du bist mittlerweile fast zwei Monate lang arbeitslos.«
»Es sind sechs Wochen.«
»Exakt. Was soll werden, wenn du die Abfindung aufgebraucht hast?« Sie kniff ihre Augen zusammen.
Paddy seufzte. Sie hatten sich bei Dymex kennengelernt, wo zumindest sie nach wie vor arbeitete. »Ich habe genug zur Seite gelegt, und außerdem verdienst du das Doppelte von dem, was ich zuletzt hatte.«
»Was? Du willst mir auf der Tasche liegen? Du – ein Mann – bist bereit, dich von mir aushalten zu lassen?« Ihr Streit glitt nicht zum ersten Mal in diese Richtung ab, und dementsprechend gut einstudiert wirkten ihre Sätze.
»Sei nicht sexistisch.« Er stichelte nur zu gern an seiner ach so politisch korrekten Frau. »Ich werde nicht bei dir schmarotzen, sondern schon noch was finden.«
Sie wandte sich ab und ging nach oben. »Ich dusche jetzt.«
Fox beobachtete, wie ihr Po unter dem straffen Stoff ihres Rocks zuckte. Selbst wenn sie wütend war, himmelte er sie an. Dabei murmelte er vor sich hin: »Hallo Schatz, wie geht es dir? Hattest du einen guten Tag? Keine Sorge …« Er lächelte verschmitzt. Also gut, ein Risotto in die Mikrowelle werfen, eine Flasche von dem chilenischen Merlot öffnen, den sie gern trinkt, und für ein wenig Entspannung sorgen.
Hochsicherheitspolizeistation Paddington Green, London
Snow bestätigte am Empfang die Rückgabe seiner Habseligkeiten. »Sollte ich mich geehrt fühlen, weil Sie persönlich gekommen sind?«
»Ja«, antwortete Patchem kurz und bündig.
Der Beamte am Tisch warf Snow einen finsteren Blick zu. »Sie dürfen jetzt gehen.«
»Besten Dank.«
»In Zukunft rufen Sie uns um Himmels willen an, um nachzuhaken, wenn sich jemand als SIS-Agent ausgibt.«
»Selbstverständlich, Sir.« Der Diensthabende machte nicht den Eindruck, Patchems Vorwurf zur Kenntnis zu nehmen. »Lassen Sie sich nicht von mir aufhalten.«
Draußen stiegen sie in seinen Lexus und fuhren los.
»Danke, Jack. Also gut, warum sind Sie gekommen?«
Der Bereichsleiter des SIS schaute über seine Schulter, als er sich in den Verkehr einordnete. »Ich wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden. Etwas ist im Busch, Aidan. Die Regierungskommandozentrale fängt vermehrt Funksprüche ab, in denen die Rede von irgendeinem Anschlag ist, der bald erfolgen soll. MI5 zieht momentan denkbare Ziele in Betracht, ist aber noch nicht fündig geworden. Meinem Kollegen dort zufolge gleicht es einer Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.«
»Und warum ist der Nachrichtendienst daran interessiert?«
»Weil diese Andeutungen größtenteils aus Saudi-Arabien kommen. Das betrifft uns insofern, als ich neben meiner Rolle im Ressort Russland jetzt auch die Leitung für den arabischen Raum übernehme, bis der Chef die Stelle wieder permanent besetzt.«
»Glückwunsch.«
»Den brauche ich nicht, sondern Ihre Hilfe.« Patchem machte eine Pause, als sie einen Kreisverkehr verließen. »Hören Sie, ich bin Russlandexperte. Das weiß auch unsere Generaldirektorin, doch sie bestand darauf. Aidan, offen gestanden verstehe ich reichlich wenig vom Mittleren Osten und brauche aus dem Grund Agenten, auf die ich mich verlassen kann. Ich habe Sie zu MI6 geholt, weil es mich beeindruckt hat, was sie in Kiew geleistet und wie Sie es getan hatten.«
»Danke, Jack, aber ich kenne mich auch nicht gut mit dem Mittleren Osten aus.«
»Im Ressort Arabien herrscht Chaos, und ich weiß nicht, wem ich dort vertrauen kann.« Patchem musste die Belegschaft erst noch kennenlernen. »Ich brauche mein eigenes Team.«
Sie erreichten Snows Wohnung. »Wie lautet nun mein Auftrag?«
»Ich habe keinen für Sie, noch nicht.«
Der Bereichsleiter stoppte den Lexus, woraufhin sich die beiden anschwiegen. Er starrte ins Leere.
»Alles okay mit Ihnen?«
»Durrani war ein Freund von mir.«
»Tut mir leid.«
»Was? Ach, verstehen … ja, es war ein anstrengender Tag.«
»Danke fürs Herbringen.«
»Danke fürs Zuhören.«
»Möchten Sie einen Drink?«
»Möchten, ja. Dürfen? Nein. Jacquelyn wartet zu Hause auf mich.«
Riad, Saudi-Arabien
Er hörte eigenartigen Lärm und roch etwas Vertrautes, worauf er sich keinen rechten Reim machen konnte … Natürlich, brennendes Öl! Ruckartig schlug der Saudi seine dünne Bettdecke beiseite und stürzte zum Fenster.
Flammen stoben aus seiner Garage, und schlimmer noch: Das Feuer wanderte auf seinen Rolls-Royce Phantom zu! Fassungslos, wie er war, brachte er keinen Ton heraus, um seinen Sicherheitsmann zu rufen, während die flackernden Flammen hypnotisch von seinem Schlafzimmerfenster reflektierten. Er zog die Balkontür weit auf und trat nach draußen, wo ihm die Hitze wie aus einem Ofen ins Gesicht schlug.
Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, rief Al Kabir seinen Wächter. Zwei Schatten huschten hinter der Grundstücksmauer auf einen Pick-up-Truck zu. Dieser fuhr dann mit ausgeschalteten Scheinwerfern ins Dunkel der Wüste davon. Plötzlich zischte es laut aus der Garage, gefolgt von einem explosionsartigen Knall, dem gleich ein weiterer folgte. Dann rollte eine Flammenwand auf Al Kabirs neusten Wagen zu. Er klammerte sich an das Balkongeländer, aber bevor er sich bewegen oder noch ein Wort äußern konnte, brannte der Rolls-Royce.
Fouad Al Kabir fuhr erschrocken aus seinem leichten Vormittagsschlaf hoch. Es war kein Traum gewesen. Das Feuer hatte einen Schaden von mehr als einer Million Dollar angerichtet. Neben dem Phantom waren zwei weitere teure Vintage-Rolls verbrannt. Der älteste – einer mit Holzrädern – hatte seinem Großvater gehört. Nun stand er auf. Die Wagen ließen sich nicht ersetzen; aus dem Grund war der Prinz so wütend und traurig. Einen neuen Phantom hatte er schon bestellt, doch die anderen zwei? Er trat verzweifelt gegen den Mauerrest der Garage. Für ihn persönlich war es schrecklich, auf Staatsebene jedoch empörend: Man hatte ihn angegriffen, den Prinzen Fouad Al Kabir aus dem Hause Saud! So etwas war bis dato beispiellos. Er fürchtete sich zwar nicht – das Konzept Angst war ihm fremd –, regte sich aber auf.
Nun patrouillierten zwanzig weitere Mitglieder des königlichen Garderegiments des Landes, der Einheit mit der einzigen Aufgabe, die Angehörigen der Saud-Dynastie zu schützen, um seinen »Palast«. Sein Bruder hatte ihn des Leichtsinns beschuldigt, weil er in seinem kleinen Haus in der Wüste geblieben war, doch auch Sicherheitsmaßnahmen zählten zu jenen Begriffen, die Fouad nicht so ganz verstand. Er stammte aus königlichem Hause, warum also sollte er in Gefahr schweben? Im Gegensatz zu seinen Brüdern – besonders Umar – verließ er das Königreich nur ungern. Er brauchte nicht über seine Grenzen zu reisen, sondern spielte gerne vor Ort den Geschäftsmann und Gelehrten.
Unter seinem Gewand brummte es. Verdutzt zog er sein Vertu heraus und nahm den Anruf entgegen. »Ja?«
»Hoheit, Friede sei mit Euch. Ich hoffe, Ihr seid wohlauf«, begann eine Stimme in klassischem Arabisch.
»Meine Rede. Mit wem spreche ich?« Fouad stellte fest, dass die Nummer nicht angezeigt wurde.
»Ein demütiger Diener Gottes.« Der Unbekannte machte einen überschwänglichen Eindruck.
»Wie ich. Und?« Jeder Muslim war ein Diener Gottes; der Mann hatte das Offensichtliche gesagt.
»Er befahl mir, Eure englischen Wagen zu verbrennen.«
»Was?« Fouad glaubte, sich verhört zu haben. »Sie haben meine Wagen verbrannt?«
»Das ist richtig, Eure Hoheit.«
Fouad wurde fuchsteufelswild. »Dafür werden sie büßen.«
»So es sein Wille ist.« Der Anrufer hielt inne; er hörte, dass der Prinz am anderen Ende angestrengt Luft holte. »Indem ich dies tat, wollte ich Eure Aufmerksamkeit auf mich lenken. Ist es mir gelungen?«
Fouad hielt sich an einer Palme fest, um gerade stehen zu bleiben. Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging. »Was wollen Sie?«
»Ihr sitzt im Führungsausschuss des weltgrößten Ölversorgers Saudico.« Der Fremde machte eine weitere Pause.
Der Prinz wusste nicht, wie er reagieren sollte; hier sprach jemand, den er nicht kannte, auf höchst unverschämte Weise zu ihm. »Ja, das stimmt.«
»Ihr müsst den Konzern anweisen, sofort damit aufzuhören, den Ungläubigen Öl zu verkaufen.«
Fouad stockte kurz, bevor er herzhaft loslachte. »Müssten Sie nicht dafür sterben, königliches Eigentum zerstört zu haben, würde ich sie für einen äußerst humorvollen Mann halten.«
Der Unbekannte wurde wütend. »Verspottet mich nicht, Narr.«
»Was?« Der Prinz trennte die Verbindung. Auf solche Weise war er noch nie beleidigt worden.
Er ging zur Terrasse und schnippte mit den Fingern, um anzuzeigen, dass er etwas Kaltes zu trinken wollte. Könnte er den Anruf zurückverfolgen lassen? Er würde den Polizeichef fragen. Just als er sich hinsetzen wollte, vibrierte das Handy erneut.
»Ja?«
»Es war unklug, unser Gespräch so zu beenden.«
Fouad hielt den Daumen über die »Abbrechen«-Taste. »Falls ich Ihnen in irgendeiner Weise Milde hätte entgegenbringen wollen, tue ich das jetzt definitiv nicht mehr. Sie werden sowohl für Ihre Taten als auch für diese Frechheiten hingerichtet.« Das ließ diese fremde Person doch wohl reumütig werden, oder?
Sie beruhigte sich wieder. »Hört auf, dem Westen Öl zuzuführen, oder Eure Tochter wird diejenige sein, die stirbt.«
Daraufhin ließ der Prinz sein Glas fallen. Es zerbrach auf den Bodenplatten. Prompt eilte ein Diener herbei, um die Scherben einzusammeln, doch er stieß ihn beiseite. »Was haben Sie gesagt?«
»Prinzessin Jinan …«
»Wagen Sie es nicht, ihren Namen auszusprechen …« So rot im Gesicht war er noch nie gewesen.
»Prinzessin Jinan ist nicht mehr in der Schule, wir haben sie.«
Da wurde Fouad schwindlig. Er schäumte vor Zorn und fuchtelte mit beiden Armen, um seine Sicherheitsleute zu verständigen. »Sie lügen.«
Es knackte in der Leitung, diesmal hatte der Anrufer die Verbindung getrennt. Der Prinz haderte damit, die Informationen zu verarbeiten; wenngleich er mehrere Personen anrufen wollte, wusste er nicht, wen zuerst. Der Kommandant der Wachen traf ein und verbeugte sich.
»Rufen Sie Ihre Männer an, die auf meine Tochter aufpassen! Sofort!«
Der Mann verbeugte sich wieder und verschwand im Haus. Fouad wählte die Nummer seines Bruders, die er auswendig kannte, und hielt sich das Telefon ans Ohr. Währenddessen tauchte der Militäroffizier wieder mit einem anderen Gerät auf.
»Eure Hoheit.«
Der Prinz riss ihm das Nokia aus der Hand und schaute aufs Display. Dabei blieb ihm fast das Herz stehen. Es war ein Foto seiner Tochter mit einer Pistole am Kopf. Er fühlte sein Herz rasen und fasste sich mit rechts an seine fette Brust … Al Kabir bekam kaum mehr Luft. Er sackte in einen Sessel. Sein Vertu war nun mit seinem Bruder in England verbunden, der seinen Namen rief. Der Prinz geriet in Panik, während sich seine Entourage anschickte, ihm Luft zuzufächeln.
»Eure königliche Hoheit.« Am anderen Ende der Leitung in London verstand man die Stimme des Wachkommandanten klar und deutlich. »Prinz Fouad geht es nicht gut.«
»Wieso das?« Prinz Umar machte sich Sorgen um seinen geliebten jüngeren Bruder.
»Er fiel in Ohnmacht, nachdem er schlechte Neuigkeiten erfahren hatte.«
»Die da wären?«
Major Hammar tat sich schwer, die Nachricht in angemessene Worte zu kleiden. »Jemand hat die Prinzessin entführt.«
»Entführt? Aber sie ist doch in Brighton, an der Roedean.« Der Mann in der saudischen Botschaft bekam es auf einmal mit der Angst zu tun.
Shoreham-by-Sea, Großbritannien
Fox schaute auf seine Uhr. Das Vorstellungsgespräch in der Innenstadt hätte er sich getrost schenken können, angetreten und abgeblitzt in weniger als einer Stunde. Der zuständige Bearbeiter – irgendein Jungspund Mitte zwanzig mit Gel in den Haaren – hatte ihn mit Fragen darüber bedrängt, warum er sich für den passenden Kandidaten halte, schließlich sei er für diese Stelle überqualifiziert. Der Knabe war anscheinend beleidigt gewesen, da sich Fox strikt geweigert hatte, über seine Militärzeit zu sprechen. In seinem Lebenslauf wurde nur seine Stammtruppe aufgeführt, die Gordon Highlanders, nicht das Regiment.
Auf dem Weg nach draußen hatte Fox die anderen Bewerber gesehen, alle rund zehn Jahre jünger und zwanzig Pfund schwerer. Er brauchte sich keine Hoffnungen zu machen, doch das war ihm scheißegal. Als er auf die Straße kam, sah er ein Auto, das er kannte. Der dunkelrote BMW Z4 seines ehemaligen Vorgesetzten Leo Sawyer parkte vier Häuser weiter in einer Kurve. Es ließ sich eindeutig am Nummernschild erkennen, das bestätigte, dass er in der Tat ein arroganter Arsch war: LE07 SAW. Fox stutzte. Was hatte dieser Emporkömmling von Geschäftsmann hier zu suchen? Ihm kam ein finsterer Gedanke, und tief aus seinem Inneren kochte Wut hoch, wie er sie seit Jahren nicht empfunden hatte. Er blieb stehen und nahm sein Handy heraus, um Tracy anzurufen. Während er mit dem Telefon am Ohr weiterging, sah er ihren Wagen in der Einfahrt. Als von hinten ein Motorroller an ihm vorbeiraste, zuckte er zusammen. Ein dämlicher alter Sack, der fahrig wird.
»Wo bist du?«, fragte sie sofort.
»Ich steige gerade in den Zug nach Victoria, und du?«, log er, während er ihr stehendes Auto im Auge behielt.
»Bin noch im Büro, dürfte aber wohl daheim sein, wenn du es bist. Muss nur kurz was erledigen.«
Fast hätte Fox das Telefon auf den Boden geschmettert, beherrschte sich aber schließlich doch und klappte es zu. »Stielauge« pimperte seine Frau. Er ging den Weg entlang, warf sein Jackett mit dem Koffer auf die Wiese und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war von innen verriegelt, und der Schlüssel steckte noch im Schloss. Erneut packte ihn die Wut, als er die Klingel betätigte. Keine Reaktion, also fing er an, mit beiden Fäusten dagegen zu schlagen. »Aufmachen!«
Drinnen tat sich etwas, ein Vorhang bewegte sich. Paddy trat einen Schritt zurück und wollte etwas rufen, als noch ein Roller vorbeisauste. Als er sich in die Richtung umdrehte, aus welcher der Lärm kam, bogen zwei Limousinen in die Straße ein, beide zu schnell für die Kurve.
Fox nahm sie wie in Zeitlupe wahr. Der erste musste ausscheren, um den Jugendlichen auf dem Roller nicht zu rammen. Dieser holperte auf den Gehsteig und fuhr weiter, der Wagen hingegen, ein Ford Mondeo, rollte auf der anderen Seite über den Bordstein und krachte gegen die Mauer des Garagenplatzes.
Das Metall knirschte und quietschte heftig beim Aufprall. Der Fahrer des zweiten Wagens trat ungefähr fünfzehn Meter dahinter auf die Bremse und kam auf gleicher Höhe zum Stehen. In dem Moment vernahm Fox Lärm und Bewegung in seinem Haus. Er rannte über die Straße zur Unfallstelle, denn Raserei hin oder her, die Insassen brauchten Hilfe. Die Fahrerseite hatte die Wand zuerst geküsst, und die zersplitterte Windschutzscheibe war mit Blut bespritzt. Fox schaute hinein. Der Fahrer lebte nicht mehr – das stand fest –, doch sein Nebenmann rührte sich noch. Er streckte einen Arm aus, um die Tür aufzuziehen, und sah eine Pistole im Fußraum liegen. Auf der Rückbank wimmerte jemand.
Fox versuchte, etwas zu sehen; hinten lag halb ausgestreckt ein arabisch aussehendes Mädchen mit Klebeband über dem Mund und am Rücken gefesselten Händen. Unter ihr lag ein Mann, der versuchte, sie von sich zu stoßen. Fox fiel noch eine Waffe ins Auge, eine Halbautomatik. Als ihm die Kleine in die Augen schaute, sah er an ihrem flehentlichen Blick, dass sie sich fürchtete.
Ohne Zögern hob Fox die Pistole vorm Vordersitz auf, machte einen Schritt zurück und schoss dem Beifahrer von der Seite in den Kopf. In dem engen Raum knallte es wie Donnerhall. Vorübergehend taub öffnete er die Hintertür, woraufhin das Mädchen fast herausrutschte. Der letzte Überlebende schlug die Augen auf und griff nach seiner Waffe. Paddy zog das Mädchen ganz heraus und feuerte dem Typen zweimal in die Schläfe.
Plötzlich fielen weitere Schüsse von hinten. Fox warf sich auf das Mädchen und ging mit ihm hinter der Wagentür in Deckung. Besser schützen konnten sie sich nicht. Mehr Schüsse und jetzt auch Schreie. Mit der Pistole in beiden Händen sprang er auf und suchte sich sofort ein Ziel. Es war ein Insasse des zweiten Autos, der im vollen Lauf auf ihn zukam – mit einem Sturmgewehr in den Händen, wie es aussah. Fox' erster Schuss traf ihn in die Brust, der zweite in den Kopf. Der Mann drehte sich zur Seite hin um sich selbst und brach zusammen.
Dann Bewegungen von rechts, noch ein Angreifer. Dieser blieb sicherheitshalber dicht an den Häusern, während er sich näherte. Die beiden feuerten gleichzeitig, dann duckte sich Fox wieder und schaute nach dem Mädchen; es lag zitternd am Boden. Nachdem er Luft geholt hatte, richtete er sich abermals auf. Er gab noch einen einzelnen Schuss auf sein Ziel ab, das sich jetzt wieder zum Wagen zurückzog, während der Fahrer ungeduldig nach ihm rief. Ein weiterer Mann kam hinzu und lief in die Schusslinie, als Fox auf das davonfahrende Auto anlegen wollte. Dieser Kerl trug ein dunkelblaues Hemd und eilte auf direktem Weg zu dem Z4. Paddy überlegte einen Sekundenbruchteil lang, bevor er ihm einmal in den Rücken schoss.
Die Heckräder des zweiten Wagens scherten aus und quietschten, als er verschwand. Fox hatte keine Munition mehr und kam nicht dazu, die andere Waffe aufzuheben, da er sich das Kennzeichen merken wollte. Die Gardinen nahezu aller Fenster in der Umgebung wackelten. Zwei Teenager mit Kapuzenpullovern standen wie vom Blitz getroffen neben ihren Rollern und hielten Handys hoch, um die Geschehnisse zu filmen. Als sie bemerkten, dass Fox sie anstarrte, nahmen sie die Beine in die Hand, freilich indem sie ihre gar nicht heißen Öfen anschoben.
Fox bückte sich nach dem Mädchen und half ihm auf. Er sprach es auf Arabisch an: »Dir kann nichts mehr passieren. Ich ziehe jetzt das Klebeband von deinem Mund.«
Es stöhnte vor Schmerz, als er es tat, und fing zu schluchzen an, während er die Fesseln löste. Er schätzte es auf ungefähr siebzehn, eine hübsche junge Frau. Sie hielt sich die Hände vors Gesicht.
»Komm mit.« Fox fasste sie behutsam an und zog sie an einem Arm. Gemeinsam gingen sie zur Tür des Hauses seines Nachbarn. Reynolds öffnete mit verstörter Miene, und Fox schob das Mädchen zu ihm.
»Jim, pass auf sie auf.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, kehrte er zur Straße zurück und beugte sich zu dem ersten Schützen herab, um dessen Puls zu prüfen. Der Mann war tot, doch Fox versetzte dem Sturmgewehr einen Tritt, sodass es zum Fahrbahnrand rutschte, und ging dann weiter zu demjenigen mit dem dunkelblauen Hemd, seinem Ex-Chef Leo Sawyer. Der Vertriebsmanager lag mit offenen Augen auf dem Rücken und keuchte. Fox' einzige Kugel war glatt durch seinen Oberkörper beziehungsweise einen Lungenflügel gegangen. Er zielte mit der leeren Pistole auf Sawyers Kopf, um ihn das Klicken hören zu lassen.
Er brachte ihm kein Mitgefühl entgegen; der Mann hatte versucht, ihn fertigzumachen, und seine Ehefrau gefickt. Es war eine bewusste Entscheidung gewesen, getroffen in weniger als einer Sekunde, woraufhin sich sein Zorn und Rachedurst in der einen Kugel manifestiert hatten. Ihm war völlig schnuppe, ob Sawyer überlebte oder verreckte.
Nach den beiden Schergen in dem Wagen an der Mauer zu schauen war nicht nötig, denn er hatte aus unmittelbarer Nähe abgedrückt und ihre Schädel halb weggeschossen. Ergo wusste er, dass sie nicht mehr lebten.
Nun nahm er sein Handy heraus und verständigte den Notruf unter 999. Der Telefonist bestätigte seine Mobilnummer und fragte, welchen Dienst er benötige, um ihn durchstellen zu können. Bevor Fox weitersprechen konnte, hörte er Sirenengeheul näherkommen. Er ließ sich auf dem Bürgersteig nieder und wartete darauf, dass man ihn festnahm. Wieder einmal hatte er der Welt bewiesen, dass er nur eines gut konnte: Töten.
Datscha des Präsidenten, Verwaltungsbezirk Minsk, Weißrussland
Plattgedrückte dunkle Haare, eine weinrote Krawatte auf gestärktem, weißem Hemd und tiefblauem Anzug. Swerow bewunderte sich im Spiegel. Er musste unbedingt einen ordentlichen Eindruck machen, denn immerhin sollte er der allererste Leiter des weißrussischen Geheimdienstes KGB sein, den die BBC interviewte.
Als ihn die Sendeanstalt über die Botschaft kontaktiert hatte, war er zunächst nicht bereit gewesen, dem Journalisten ein Visum für die Einreise ins Land auszustellen. Nach kurzer Überlegung allerdings hatte er eingesehen, dass die womöglich positive Werbung dem Ansehen des Landes sehr helfen würde. Deshalb hatte er eingewilligt und sich die jüngsten Berichte besorgt, die auf dem Mist des Mannes gewachsen waren, um seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen.
Sie würden sich ganze dreißig Minuten lang für das BBC-World-Format »Hard Talk Extra« unterhalten. Swerow hatte die Liste vorangegangener Interviewer mit regem Interesse gelesen, denn einen Teil der Leute bewunderte er, wohingegen er andere keines Blickes gewürdigt hätte, so sie je in seiner Heimat aufgekreuzt wären. Der Präsident war nun über den Nutzen im Bilde, den diese Unterhaltung bringen würde, und nahm an, sie sei von vornherein die Idee des Geheimdienstleiters selbst gewesen. Größenwahnsinnige wie das Staatsoberhaupt – natürlich hätte er diese Einschätzung nie laut geäußert – ließen sich leicht beeinflussen.
Swerow verließ das Bad der Datscha des Präsidenten und nahm im Arbeitszimmer Platz. Die Visagistin der BBC hatte ihn bereits geschminkt, was er zwar weibisch fand, aber für ein notwendiges Übel hielt. Der Tontechniker klemmte ihm einen Abnehmer an den Aufschlag seines Jacketts – »falls das da ausfällt«, hatte er mit Bezug auf das Mikrofon mit wuschelig grauem Überzug erklärt, das außer Reichweite über seinem Kopf hing. Der BBC-Journalist hieß Simon White und wurde seinem Namen gerecht, da er vermutlich der Mensch mit dem teigig-hellsten Teint war, den Swerow je gesehen hatte. Mit seiner hageren Figur wirkte er im Fernsehen kräftiger als in natura, doch sein Blick strahlte etwas finster Erbittertes aus.
Swerow hatte einen Monat im Voraus eine Liste von Fragen verlangt und wollte keine weiteren beantworten, außer sie wurden gefaxt und von ihm abgesegnet. Er sprach »gutes Englisch«, wie er selbst glaubte, deutete aber an, sich wohler dabei zu fühlen, das eigentliche Interview auf Weißrussisch führen zu dürfen. Dummerweise hatte der Produzent darum gebeten, es auf Englisch zu halten, da dies dem Stil der »Hard Talk«-Reihe entsprach. Swerow akzeptierte mit der Begründung, man müsse so reden wie der Westen, wenn man ihn »umwerben« wolle. Während des vergangenen Monats hatte Swerow mit den Fremdsprachenlehrern des KGB geübt. Sein Englisch war mehr als nur »gut«, denn er beherrschte es flüssig und spielte dies nur deshalb herunter, weil er nicht als Muttersprachler durchging. Er hatte noch einen Akzent und geriet zuweilen ins Stocken, um die treffenden Worte zu finden. Sein Englisch blieb also in seinen Augen lediglich »gut«.
Während sich die Filmcrew bereit machte, fiel Swerow Whites professionelles Benehmen auf. So etwas ging allen weißrussischen Journalisten ab. Müßig zu erwähnen natürlich, dass dies nicht für diejenigen galt, die bei den staatlichen Zeitungen »Golas Radzimy« (Stimme des Mutterlandes) und »Narodnaja« (Wille des Volkes) in Lohn und Brot standen. Als die Leute vom BBC fertig waren, teilten sie ihm mit, die Aufnahme würde nun beginnen. Swerow nickte und sammelte sich. Er kannte die Reihenfolge der Fragen und hatte seine Antworten auswendig gelernt, schwitzte aber dennoch, und zwar nicht wegen der grellen TV-Scheinwerfer. Der Regisseur gab Zeichen, woraufhin White anfing, seinen Text vor laufender Kamera aufzusagen.
»In einer Rede im Jahr 2005 nannte die damalige US-Staatssekretärin Condoleezza Rice sechs weltweite ›Vorposten der Tyrannei‹. Diese waren Kuba, Iran, Burma, Nordkorea, Simbabwe und Weißrussland. Mein heutiger Gast ist jemand, dem diese Behauptung gar nicht gefiel. Iwan Swerow, der Leiter des weißrussischen Geheimdienstes KGB. Direktor, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, mit ›Hard Talk‹ zu sprechen.«
Swerow nickte. Gar nicht gefiel es ihm, so vorgestellt zu werden, doch er hatte eine Antwort darauf parat. Den Amerikanern würde die Zornesröte ins Gesicht steigen.
»Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, die Lügen richtigzustellen, welche die ehemalige Regierung Bush über mein Land verbreitet hat.«
White hatte mit diesen Worten gerechnet. »Wenn ich damit beginnen dürfte, was Ihrem Präsidenten vorgeworfen wurde. Er hat – angeblich, wohlgemerkt – Demonstrationen zerschlagen, unabhängige Medien und politische Widerständler verfolgt sowie Wahlen manipuliert.«
Swerow blickte argwöhnisch drein. »Wer hat so etwas gesagt? Gewiss keine glaubhaften Regierungen. Präsident Lukaschenko regiert Weißrussland schon seit über fünfzehn Jahren. Er gab uns über fünfzehn Jahre Stabilität. Kann das irgendeiner unserer ehemals sowjetischen Nachbarn von sich behaupten? Es stimmt, Lukaschenko hat die Macht aufgrund seines Versprechens erlangt, »die Mafia zu stoppen«, also der Korruption unserer vorigen Führungsriege ein Ende zu bereiten. Ihm illegale Machenschaften vorzuwerfen ist Unsinn!«
Obwohl ihn das förmliche Englisch seines Gesprächspartners beeindruckte, unterbrach White ihn. »Was sagen Sie dazu, dass Staatssekretärin Rice Weißrussland zu den Vorposten der Tyrannei zählte?«
»Sekretärin Rices Bemerkung lief sehr weit an der Wirklichkeit vorbei. Wir luden sie ein, um sich selbst ein Bild von unserem Land zu machen. Diese völlig haltlosen Klischees und Vorurteile waren schlechte Ausgangspunkte für die Entwicklung einer wirksamen Politik, was Amerikas Auslandsbeziehungen betraf. Im Namen meiner Regierung stelle ich nun auch ihrer Nachfolgerin Mrs. Clinton frei, uns zu besuchen. Lassen Sie uns nun genauer auf das Wort ›Tyrann‹ eingehen. Was ist ein Tyrann? Ein Mensch, der Macht über einen Staat erlangt hat. Ein Herrscher, der die Interessen einer kleinen Gruppe über jene der Mehrheit stellt. Was dies betrifft, hat Präsident Lukaschenko die Interessen des weißrussischen Volkes über jene der übrigen Nationen der Welt gestellt. Jetzt möchte ich auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ›Tyrann‹ zurückkommen. Im griechischen Altertum waren Tyrannen diejenigen, die es mithilfe der Armen an die Spitze schafften, nachdem sie ihnen Land gegeben und sie aus Knechtschaft oder Sklaverei befreit hatten. Der Ausdruck bezog sich schlicht auf jemanden, der die amtierenden Regenten durch die Unterstützung des Volkes stürzen konnte. Präsident Lukaschenko genießt diese Unterstützung. Staatssekretärin Rice drückte sich unbesonnen aus. Könnte es sein, dass sie selbst nicht ganz verstand, was sie sagte?« Swerow verschränkte seine Arme. Er war sehr zufrieden mit seiner Antwort, vor allem dem Wortspiel.
White blieb ungerührt. »Darf ich wieder? Die Abstimmung von 2007, aus welcher der Präsident als Sieger hervorging, wurde aufgrund mutmaßlicher Manipulation kritisiert.«
Swerow schüttelte empört den Kopf. »Wahlbeobachter waren zugegen und versichern das Gegenteil.«
Er fuhr damit fort, den politischen Weg seiner Regierung zu beschreiben, und verlieh ihrer Hoffnung auf eine ausgedehntere Kooperation mit Europa Ausdruck.
White nickte. Er ließ sich nicht für dumm verkaufen. Die Berichterstattung über die Demonstrationen in Minsk nach der Wahl – gewaltsam aufgelöst durch schwerbewaffnete Beamte der Bereitschaftspolizei – war ihm geläufig.
»Warum beschrieb die Organisation zum Schutz der Pressefreiheit und Menschenrechte von Journalisten Weißrussland dann als eines der zehn ›schlimmsten Länder‹ zur Ausübung dieses Berufs?«
»Auch das beruht auf Unwahrheiten. Halten wir uns die Fakten vor Augen. Seit 1994 hat der Präsident den gesetzlichen Mindestlohn verdoppelt und die Inflation durch staatliche Preiskontrolle eingedämmt. Kann das so schlecht sein?«
»Aber Pressefreiheit, ist die denn nicht wichtig?«
»Freiheit jeglicher Art ist wichtig. Ich sehe es als meine Pflicht an, sie zu bewahren. Der Staatssicherheitsdienst existiert zu ebendiesem Zweck.«
White ließ nicht locker. »Aber warum gibt es dann keine unabhängige Presse oder andere solcher Medieneinrichtungen in Weißrussland?«
Swerow versuchte, sich seinen Verdruss nicht anmerken zu lassen, dass der Journalist das Interview in eine andere Richtung als abgesprochen lenken wollte. Vielleicht hatte er ihn zu vorschnell von jenen Aktivisten ausgenommen, die darauf aus waren, seine Regierung und ihre Leistungen zu diffamieren. Er zwang sich zur Ruhe und beantwortete die Frage: »Wir heißen jedes Medium in Weißrussland willkommen, Sie legen Zeugnis davon ab. Unser Buchverlagswesen dient als weiteres Beispiel dafür. Es floriert, und wir exportieren zahlreiche russischsprachige Bücher in andere GUS-Staaten.«
White schaute kurz auf seine Notizen. Auch diese Reaktion – Ausflüchte – hatte er erwartet. Kein Wort war über die vielen unabhängigen Zeitungen gefallen, die den Betrieb gezwungenermaßen wegen »bürokratischer Unstimmigkeiten«, darunter die Unfähigkeit, regelmäßige Veröffentlichungstermine wahrzunehmen, einstellen mussten. Er bemühte eine andere Herangehensweise. »Stimmt es nicht, dass das Problem in Weißrussland …«
»Problem!« Swerow verlor allmählich seine Contenance.
»Würden Sie mich ausreden lassen? Das ›Problem‹ besteht nicht in offizieller Zensur, die Ihre Staatsverfassung explizit untersagt, sondern in den vielen gesetzlichen Mitteln zur Beschneidung der Meinungsfreiheit und Tilgung von innerem Widerstand, habe ich recht?«
Swerow fixierte den Journalisten, was dem Kameramann nicht entging. »Welche sollen das sein?«
»Verbote, Weißrussland international ›an den Pranger zu stellen‹ und ›den Präsidenten zu beleidigen‹. Dies gilt als kriminell und wird mit zwei beziehungsweise fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet.«
»Ja, das ist richtig«, bestätigte der KGB-Leiter. »Diese Gesetze schützen das Ansehen und den guten Ruf unseres Landes.«
White wollte wieder einlenken. »Aber …«
Swerow würgte ihn ab. »Jetzt lassen Sie mich ausreden. Ich möchte die britische Gesetzgebung zitieren, Ihre eigene und den Artikel über ›Anstiftung zum Rassenhass‹. Er verbietet ›vorsätzliches Aufstacheln zum Hass gegen Angehörige einer Rasse durch Verbreitung von rassistischem Gedankengut im Volk oder öffentliche Hetzreden, rassistische Webseiten sowie aufwieglerische Gerüchte über Einzelpersonen oder Gruppen bestimmter Ethnien, um Rassendiskriminierung zu schüren‹.«
Er machte eine Pause, in der er sich etwas darauf einbildete, die Zeilen Wort für Wort verinnerlicht zu haben. »Ebendies verhindern auch unsere Gesetze. Gezielte Verbreitung von Hass auf Weißrussland und sein Oberhaupt.«
»Aber diese Gesetze werden sehr frei ausgelegt. Nehmen wir zum Beispiel den Fall von Mikolai Markewitsch, dem Chefredakteur der Zeitung ›Den‹. Er wurde 2002 zu anderthalb Jahren Zwangsarbeit verurteilt, weil er Anstoß an Präsident Lukaschenko genommen hatte …«
Swerow beugte sich im Sitzen nach vorne. »Unsere Gesetzgebung gibt vor, dass ich mich aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht zu einzelnen Fällen äußern darf.«
»Aber sie möchten doch bestimmt hören, was Mr. Markewitsch selbst über die Angelegenheit zu sagen hatte, oder?«
»Ich denke nicht, dass Ihre Zuschauer die Lästerei eines verurteilten Straftäters hören wollen.«
Der Geheimdienstleiter war drauf und dran, das Interview abzubrechen, fürchtete sich aber davor, was der Präsident davon halten würde. Er hatte einen guten Start hingelegt und einige überzeugende Punkte hervorgebracht, doch nun galt es, dafür zu sorgen, dass es in gleicher Weise weiterging. White würde ihn weder klein noch schwach dastehen lassen.
Der Brite schürzte seine Lippen, bevor er fortfuhr: »Die EU hat ihre Türen für Sie geschlossen. Erkennen Sie nicht, dass Sie der einsame Wolf in Europa sind?«
»Weißrussland macht sich seit 1998 aktiv im Rahmen der Bewegung der blockfreien Staaten stark, die rund einhundertsechzehn Mitglieder zählt. Das ist die Mehrheit der Staaten der Welt. Somit stehen wir nicht allein auf weiter Flur. Das Land verfügt über eine funktionierende Wirtschaft. Wir exportieren über fünfundfünfzig Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes und achtzig Prozent unserer Industrieerzeugnisse. Es gibt nicht viele Länder mit so hohen Ausfuhranteilen auf der Welt. Darum glaube ich ungeachtet meines Wunsches, Weißrussland könne enger mit den EU-Mitgliedern zusammenarbeiten, dass wir keinen großen Vorteil daraus ziehen würden, wenn wir beiträten, sondern vielmehr die Gemeinschaft selbst.«
»Das meinen Sie doch nicht etwa ernst.« White war verblüfft. Diese Antwort bedeutete praktisch, dass Weißrussland der EU den Rücken kehrte.
»Es geht uns gut. Wir pflegen alte Freundschaften, etwa mit Russland oder der Ukraine, neue zu anderen NAM-Staaten und solchen, die wir durchaus gerne besser kennenlernen würden, ob in der Europäischen Union oder den USA. Allerdings sind wir im Augenblick völlig zufrieden und ganz gewiss nicht ›allein‹. Wie sagt man bei Ihnen? Wir haben genug ›Pfeile im Köcher‹.«
»Und der Lebensstandard in Weißrussland, ist er nicht niedriger als im Westen?«
»Woran machen Sie das fest, an der Zahl der aus den USA importierten Güter?« Swerow schüttelte seinen Kopf erneut und lächelte weltklug, wie er glaubte. »Ziehen wir den Bericht der Kinderrechtler Save The Children in Betracht, der einhundertsiebenundsechzig Länder berücksichtigte. Weißrussland bietet demzufolge unter allen früheren Sowjetstaaten den höchsten Lebensstandard für Frauen und Kinder, der noch dazu höher ist als jener der jüngsten EU-Mitglieder. Unser Land steht in der postsowjetischen Ära an erster Stelle, was die Produktion von und Versorgung mit Agrargütern pro Kopf angeht, nicht zu vergessen den Anteil am Bruttosozialprodukt, den wir in die Bildung investieren, sowie die Zahl der Bürger, die sich für einen höheren Bildungsweg entscheiden. Weißrussland übertrifft alle GUS-Staaten im verallgemeinerten Human Development Index, dem Maßstab für Wohlstand der Vereinten Nationen. Was soll also das Gerede von einem niedrigeren Lebensstandard. Irrt sich die UN etwa?«
White nickte nur. Der Geheimdienstler wusste eine Antwort auf alles, womit er zwar gepflegte Fernsehunterhaltung bot, aber keinen politischen Scharfsinn bewies. Der Interviewer wollte das Gespräch weiter vorantreiben. Als Nächstes wollte er auf Tourismus zu sprechen kommen und dann das von der Regierung erteilte Auftrittsverbot in Weißrussland für bestimmte »Rockgruppen« anschneiden.
Als sie mit allen Fragen durch waren, nahm der Tontechniker sein Mikrofon zurück und bedankte sich. Swerow starrte White an, der sich mit seinem Zweitregisseur austauschte. Man betraute mehr Personen mit der Produktion dieser Sendung, als der KGB-Mann gedacht hatte, doch andererseits handelte es sich um die BBC, die etwas von ihrem Handwerk verstand, wie er annahm.
Riad, Königreich Saudi-Arabien
Fouad Al Kabir hielt sein mit Diamanten besetztes Vertu-Handy in der rechten Hand und zählte seine Betperlen mit links. Der Anruf kam vom saudischen Botschafter in London persönlich, seinem Bruder. Jinan, seine Älteste, befand sich in Sicherheit! Der Prinz blickte aus dem Fenster seines Büros im Obergeschoss über die Stadt und dankte Allah für die Befreiung seiner Tochter.
»Aber was ist mit ihren Entführern?« Sie mussten zur Rechenschaft gezogen werden.
»Zwei sind geflohen, die anderen tot«, gab Umar Al Kabir an.
»Bist du sicher, dass sie außer Gefahr ist?« Der Jüngere wollte, dass ihm der Ältere Gewissheit verschaffte.
»Fouad, Jinan hat mich selbst angerufen.«
Die Sonne spiegelte sich grell in der Fensterscheibe, während sie über der Wüste unterging, ihr Licht eine Mischung aus Rot- und Goldtönen im Raum. Endlich entspannte sich Fouad, während ihm Umar unterbreitete, was Jinan über ihre Entführung aus der Schule und den Mann erzählt hatte, der wie aus dem Nichts aufgetaucht sei, um sie zu befreien.
»Bruder, das ist ein ehrenwerter Mensch. Er verdient eine Belohnung.«
»Du hast recht«, entgegnete der Botschafter.
»Wo ist meine Tochter gerade?«
»In Sicherheit. Ich werde sie selbst abholen. Als ihr Onkel möchte ich das niemand anderem überlassen. Eine Stunde, dann bin ich bei ihr.«
»Danke dir.«