DIE AUTORIN
© Erin Summerill
SARA B. LARSON hat, seit sie denken kann, Geschichten geschrieben – obwohl sie heute ihren Computer benutzt anstelle eines Meerjungfrauenheftchens. Sie lebt in Utah mit ihrem Mann und ihren drei Kindern und schreibt, wenn ihre Kinder Mittagsschlaf halten, und während der einsamen Nachtstunden, wenn die meisten Menschen schlafen. Ihr Mann behauptet, sie hätte ein Diplom in Multitasking gemacht. Gelegentlich zieht sie sich mit Weingummis in die Badewanne zurück.
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Von der Autorin sind außerdem bei cbt erschienen:
Schwert und Rose (Band 1)
Schwert und Glut (Band 2)
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Sara B. Larson
Schwert
und Flamme
Aus dem Englischen
von Antoinette Gittinger
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1. Auflage 2017
Deutsche Erstausgabe September 2017
c 2016 by Sara B. Larson
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Endure« bei Scholastic Press, an imprint of Scholastic Inc., New York.
© 2017 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Antoinette Gittinger
Lektorat: Catherine Beck
Umschlaggestaltung und -illustration: © Isabelle Hirtz, Inkcraft
he ∙ Herstellung: eS
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-18259-5
V001
www.cbt-buecher.de
Für meine Eltern, die mir beigebracht haben, zu träumen und nie aufzugeben. Ich werde euch nie genug für alles danken können, was ihr für mich getan habt.
Und für all jene, die einen geliebten Menschen verloren haben – blickt zum Himmel hoch und erinnert euch.
Prolog
Damian
MEIN VATER HATTE mich gelehrt, dass man sich die Loyalität seiner Untertanen einzig und allein dadurch sichern könne, dass man ihnen Furcht einflößt. Durch Grausamkeit und Terror sicherte er sich seine Macht. Meine Mutter hingegen brachte meinem Bruder und mir etwas völlig anderes bei: Ein König – ein guter König – muss so sein, wie ihn sein Volk braucht.
Ich halte mich an ihre Worte.
Gegenüber den trauernden Frauen bin ich voller Mitgefühl und Freundlichkeit. Gegenüber den Generälen, die meine Armeen anführen, zeige ich Entschlossenheit und Unerbittlichkeit. Gegenüber den jungen Damen des Hofstaats verhalte ich mich höflich, aber zwangsläufig distanziert.
Seit jeher bin ich bemüht, der Mann zu werden, der ich sein muss, um zu überleben. Ich muss mich immer verstellen, muss immer eine Rolle spielen. Es gibt Zeiten, da befürchte ich, mich zu verlieren, mein wahres Ich einzubüßen. Doch diese Angst geht nur mich etwas an. Sie trägt nicht dazu bei, Heime für die Waisen und Frauen zu bauen, die durch die Schreckensherrschaft meines Vaters gebrochen zurückgelassen wurden. Sie kann das zerstörte Antion nicht wieder zusammenfügen oder verhindern, dass wir zu einem weiteren ungewollten Krieg gedrängt werden. Das Einzige, was zählt, ist, dass ich durchhalte und tue, was ich tun muss.
Und genau das mache ich.
Bis die Nacht hereinbricht, ich in meinem Bett liege, niedergedrückt vom Gewicht eines Königreichs, und versuche, trotz des Drucks all dessen, was ich zu tun hoffe, all dessen, was ich bewirken will – all dessen, was ich fürchte –, noch Luft zu bekommen. Und plötzlich verfolgt mich der Duft von Gardenien, vermischt mit dem Kupfergeschmack von Blut.
Die Erinnerung an meine Mutter ist erfüllt von Glück und Schrecken zugleich, ein Gemisch aus Wohlbehagen und Entsetzen. Ich versuche, das Schlechte durch das Gute zu verdrängen. Nachts ruht ihr Arm auf meiner Schulter, ein beruhigendes Gewicht. Ich habe noch den Duft ihres Gardenienparfums in der Nase. Victor liegt auf der anderen Seite. Als sich die Decke der Dunkelheit über uns breitet, hüllt uns ihre Stimme ein. Sie begann jede ihrer Geschichten mit »Es war einmal vor langer Zeit …« Ihr blevonesischer Akzent verwandelte ihre Worte, ließ sie fast magisch erscheinen. Sie zeichnete Bilder für Victor und mich, hielt uns in ihren schützenden Armen, zusammengerollt auf ihrem riesigen Bett. Ihre Geschichten hatten immer ein gutes Ende, erfüllten uns mit einem warmen Glücksgefühl, als wir in den Schlaf sanken. Aber sie hauchte ihr Leben in einer Blutlache aus, starb durch die Hand meines Vaters. Seit damals überkommen mich nachts Albträume, in denen ich die purpurrote Blutlache vor mir sehe.
Sollte jemand meine Geschichte erzählen, würde dies mit ihrer Stimme geschehen.
Es wurde einmal ein Prinz geboren. Er war der zweite Sohn und vergötterte seinen älteren Bruder, wie es alle jüngeren Söhne zu tun pflegen – auch wenn es meistens insgeheim geschah. Seine Mutter liebte beide Söhne. Sie erzählte ihnen Geschichten und brachte ihnen die Zauberei bei. Für den jungen Prinzen war sie die Verkörperung von Magie. Als er herausfand, dass er ebenfalls wundersame Dinge vollbringen konnte, lehrte sie ihn, sein Geheimnis für sich zu behalten – ja, es nicht einmal seinem Bruder zu verraten. Dieser pflegte ihn bis aufs Blut zu reizen, war aber der Erste, der sich gegen jeden stellte, der es wagte, den jungen Prinzen schräg anzublicken. Sie brachte ihm bei, dass Magie in der Welt, die sein Vater geschaffen hatte, ein Todesurteil bedeutete. Er betrachtete die Zauberei als fabelhaftes Spiel, eins, das er unbedingt gewinnen wollte, auch wenn er nicht genau wusste, welcher Preis lockte. Sie versprach, dass sie ihm, wenn er älter wäre, alle Geheimnisse ihres Volks und den Zauber, den sie beide ausübten, verraten würde.
Sie waren glücklich, wenn sie zusammen waren.
Doch dann nahm ihm sein Vater, der König, die Mutter. Gerade noch sah ihn seine Mutter an, deren Augen vor Tränen glänzten, die all ihre geheimen Bitten und Ratschläge verrieten, und im nächsten Augenblick war sie tot. Ermordet. Niemand konnte dem König Paroli bieten, nicht einmal seine Söhne. In jener Nacht hielt der ältere Bruder den jüngeren in den Armen. Obwohl sie bereits halb erwachsene Männer waren, schluchzten sie in der dunklen Stille, in der sie einst die Stimme und die Berührung ihrer Mutter genossen hatten, als seien sie noch Kinder.
Der Krieg begann. Das Leben des jungen Prinzen war nie mehr so, wie es gewesen war.
Und dann wurde ihm auch noch sein Bruder genommen.
Nach und nach verlor der Prinz alle Menschen, die er geliebt hatte, bis er völlig allein war, abgesehen von einer Heilerin, die sich mit seinem Halbbruder tief im Inneren des Palasts versteckte … die versuchte, das einzige Kind ihrer ehemaligen Herrin zu beschützen und ihm die Blutwurz zu bringen, die seine Fähigkeiten verbergen und ihm das Leben retten würde.
Dem Prinzen blieb keine andere Wahl, als sich zu verändern. Er verbarg sein wahres Ich und gab vor, jemand zu sein, der er nicht war. Er wuchs heran, wurde erwachsen und spielte weiterhin seine Rolle, doch in seinem Inneren träumte er und schmiedete Ränke.
Bis zu dem Tag, an dem eine junge Frau seiner Leibgarde beitrat – ein Mädchen, das vorgab, ein Junge zu sein. Er kannte ihr Geheimnis, denn wie alle Zauberer besaß er die Fähigkeit, die wahre Identität eines Menschen zu erahnen – ob Mann oder Frau, Zauberer oder nicht. Er hatte Angst um sie, fürchtete, dass Iker, der schwarze Zauberer, der für den König arbeitete, es herausfinden und sie bestrafen würde. Aber nichts geschah – zumindest anfangs. Sie bewies immer wieder ihre Fähigkeit und der schwarze Zauberer ließ sie in Ruhe. Der Prinz beobachtete sie viele Monate lang und träumte von Dingen, die sich nie erfüllen konnten. Sie hatte gelitten, hatte Verluste erlitten. Die Traurigkeit umhüllte sie wie eine zweite Haut. Aber sie hatte immer noch ihren Zwillingsbruder Marcel.
Zum ersten Mal seit Jahren wünschte sich der Prinz, er selbst sein zu dürfen und nicht jemand, den er vortäuschen musste, um sich vor den Machenschaften seines Vaters zu schützen. Er verspürte das Verlangen, ihr gegenüber er selbst zu sein, doch er wagte es nicht. Zu viel lastete auf seinen Schultern.
Und dann starb ihr Bruder, und Iker trat in Aktion, wählte sie aus, Damians Tür Tag und Nacht zu bewachen. Der Prinz erkannte, dass sein Vater ihn verdächtigte – und Iker benutzte das Mädchen als Möglichkeit, um ihn zu manipulieren und einzuschüchtern.
Der Prinz hatte einen Plan umgesetzt, in den nur wenige eingeweiht waren. Es war ein gefährlicher Plan, der darauf abzielte, seinen Vater vom Thron zu stürzen und die Gräueltaten gegen das Volk von Antion sowie den Krieg, der nie hätte stattfinden sollen, zu beenden. Und dieser Prinz … er beschloss, alles auf eine Karte zu setzen, als er sich mitten in der Nacht seiner Leibwache öffnete, ihr langsam und behutsam zeigte, wer er wirklich war.
Und gemeinsam gestalteten sie die Welt wieder freundlicher, brachten dem Volk von Antion die Hoffnung zurück. Gemeinsam schenkten sie ihm die Freiheit.
Genauso hätte meine Mutter meine Geschichte erzählt. Ich frage mich, ob sie das Ende kennt – falls sie mich immer noch im Auge behält. Ob sie stolz auf den Mann ist, der zu werden ich versucht habe, oder den König, der ich bin.
Alexa und ich hatten Erfolg. Trotz meiner Angst ließ ich zu, dass ich sie liebte. Und gemeinsam besiegten wir Iker und meinen Vater. Der junge Prinz, der den Thron nie hätte erben sollen, war plötzlich der König von Antion.
Aber erneut lauern überall Gefahren, drohen, uns auseinanderzureißen – mein Königreich in Stücke zu reißen. Ich will mich nicht geschlagen geben. Ich werde Antion aus dem tiefen Elend befreien, in das uns mein Vater trieb. Und ich will sie nicht verlieren, um keinen Preis.
Ich bin Damian, der König von Antion, und niemand wird mir je wieder jemanden nehmen, den ich liebe.
Eins
Alexa
DAMIAN GING VOR dem großen Fenster mit Blick auf den Hof auf und ab. Die Krone schmückte sein dunkles Haar und die Nachmittagssonne überzog alles in der Bibliothek mit einem goldenen Schimmer. General Tinsos Schreiben lag auf dem Tisch. Seine Kriegsdrohung hing in der Luft, schwer und unergründlich. Dieselbe Vorahnung, die ich früher gehabt hatte – dass mehr um uns herum vorging, als uns klar war –, belastete mich ebenso wie die Schuldgefühle im Hinblick auf das, was ich ihm noch gestehen musste.
»Ich kann nicht zulassen, dass du ihm nachgehst«, sagte Damian schließlich mit gepresster Stimme. »Ich weiß, dass du seine beste Chance bist, aber ich brauche dich auch. Vor allem, wenn ich einen neuen Krieg nicht verhindern kann.«
»Ich weiß.« Ich stand neben seinem Schreibtisch, beobachtete ihn und versuchte zu entscheiden, wann und wie ich es ihm sagen sollte. Ich musste Rylan hinterhergehen. Nicht nur, um meinen Freund zu retten, sondern auch, um eine Möglichkeit zu finden, Rafe zu töten und mich von seiner Kontrolle zu befreien.
Schließlich hielt er inne, wandte sich mir zu. Er hatte dunkle Ringe unter den strahlend blauen Augen, die Erschöpfung und Sorge der letzten Tage zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Die Bartstoppeln auf seinen Wangen waren ein sicheres Zeichen seiner Zerstreutheit. Ich hatte ihn noch nie anders erlebt als gut rasiert. Eine Ausnahme bildete unser Marsch durch Antion nach Blevon, als er vorgegeben hatte, eine Geisel zu sein. »Ich bin der König. Man erwartet von mir, dass ich weiß, was zu tun ist, um mein Volk vor dem Untergang zu bewahren. Ich habe bereits so viel getan. Ich habe Jahre damit verbracht, herauszufinden, wie ich Iker und meinem Vater Einhalt gebieten könnte.« Er wirkte sehr niedergeschlagen, schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. »War alles umsonst?«
»Nein, es war nicht umsonst.« Zögernd trat ich auf ihn zu. Heute Morgen, als ich in den Palast zurückgekehrt war, war er noch so voller Hoffnung gewesen, und vor allem nachdem wir Jax besucht und mit eigenen Augen gesehen hatten, dass Lisbet ihn von den Wunden und der Krankheit geheilt hatte, die er sich im Dschungel zugezogen hatte.
Doch dann war plötzlich General Ferraun aufgetaucht und verlangte eine sofortige Audienz unter vier Augen. Damian hatte sich nur ungern von mir getrennt, hatte mir aber versprochen, sofort nach mir zu schicken, wenn er wieder allein wäre.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Jax wirklich wohlauf war, hatte mich Lisbet in mein Gemach zurückgeschickt und gedrängt, mich zu erholen. Sie hatte mich begleitet und die Stiche entfernt, die mir Tanoori verpasst hatte, und meinen Rücken geheilt. Kaum war sie gegangen, war ich eingeschlafen. Aber mich hatten schreckliche Albträume gequält, bis mich ein Klopfen an der Tür hochschrecken ließ. Damian befand sich in der Bibliothek und wollte mich sehen.
Als ich eintrat, fand ich einen anderen Mann vor als den, der mir im Morgengrauen außerhalb der Palastmauern entgegengelaufen war. Er wandte sich mir zu und sein Gesichtsausdruck ließ mich erschaudern. Die Hoffnung von heute Morgen war wie weggewischt und seine Miene verriet etwas Düsteres, Wildes.
Sie haben erneut angegriffen, erklärte er mir. General Ferraun wurde gerade unterrichtet. Ein weiteres Dorf war völlig zerstört worden – alle, bis auf eine vor Kummer halb wahnsinnige Frau, die entsandt wurde, um von dem Massaker zu berichten, wurden getötet. Wenn ich nicht anfange, gegen sie zu kämpfen, werden sie uns alle töten, und ich werde der König eines Friedhofs. Sie lassen mir keine Wahl. Und dank meinem Vater haben wir keine Zauberer, um uns zu verteidigen, mit Ausnahme von mir und Eljin – sofern er bereit ist, gegen sein eigenes Volk zu kämpfen. Egal, wie ich mich verhalte, mein Volk wird sterben.
Und dann ging er wieder auf und ab. Ich stand neben seinem Schreibtisch und beobachtete ihn. Ich sehnte mich danach, ihm zu helfen, ihn zu trösten und diesen Krieg zu verhindern, wusste aber nicht, wie.
Während ich langsam auf Damian zuging, beobachtete er mich schweigend. Schließlich blieb ich vor ihm stehen, legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm hochzublicken. Ich legte die Hand um sein Kinn, und er schloss die Augen und drückte einen Kuss auf meine Handfläche. »Es war nicht umsonst«, wiederholte ich. »Und wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Gib deinem Volk den Befehl, hierherzukommen. Erteile Anweisungen, dass die Dörfer und Städte evakuiert werden. Alle Bewohner sollen ihre Lebensmittel und Vorräte mit nach Tubatse bringen, in den Palast. Lass alle Waffen in Antion einsammeln und sorg dafür, dass deine Feinde zu dir kommen, statt durch den Dschungel zu schleichen und deine Untertanen in ihren Häusern zu ermorden.«
»Und ihnen eine große Zielscheibe bieten, die sie zerstören können?« Damians Augen blickten düster. »General Ferraun und ich haben alle Möglichkeiten durchgespielt. Die Menschen geraten bereits in Panik und strömen in Scharen nach Tubatse. Wir haben nicht genügend Unterkünfte, um sie alle aufzunehmen, oder Lebensmittel, um sie zu ernähren. Ganze Familien leben auf der Straße, fürchten sich, in ihre Häuser zurückzukehren, da sie Angst haben, ihr Dorf werde als Nächstes überfallen.«
»Ich verstehe, was du sagen willst, aber unsere Armee ist am Ende«, konterte ich. »Wir besitzen nicht genug Männer, um Patrouillen durch den Dschungel zu schicken. Wenn wir so viele Menschen wie möglich hierherbringen, können wir zumindest eine Verteidigungslinie errichten und haben eine Chance zu kämpfen.«
»Und wir werden alle sterben.« Damian wandte sich um und blickte aus dem Fenster. Vermutlich, um seine Hoffnungslosigkeit vor mir zu verbergen, aber ich sah die Resignation in seinem Blick
»Hör auf damit, sofort.« Ich ergriff seine Hand und drückte sie fest. »Du darfst nicht aufgeben. Wenn du es tust, dann sterben wir wirklich alle.«
Er starrte weiterhin aus dem Fenster.
»Damian.« Meine Stimme klang schneidend und schließlich wandte er mir den Blick wieder zu. »Wir haben unüberwindliche Hindernisse überwunden. Erinnerst du dich, was du heute Morgen zu mir gesagt hast? Gemeinsam schaffen wir alles, ja?«
Er nickte, und ein Muskel zuckte auf seiner Wange.
»Wir werden Antion nicht untergehen lassen, ich verspreche es.«
Damians Blick wanderte über mein Gesicht und verriet tiefe Verzweiflung, was in mir eine Gefühlslawine auslöste, die mich von Kopf bis Fuß erfasste. Das Einzige, was ich tun konnte, war, ihn zu lieben. Ich konnte ihn in den Armen halten und ihm zuflüstern, dass alles gut werden würde, auch wenn wir beide wussten, dass es eine Lüge war. Er hatte sich gerade zu mir heruntergebeugt, seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinen, als es an die Tür klopfte. Eine Ewigkeit lang rührte er sich nicht, dann riss er sich zusammen und rief mit fester Stimme: »Herein.«
Ich trat zurück und wandte mich der Tür zu.
Deron betrat die Bibliothek und lächelte Damian zu. »Sire, ich habe gute Neuigkeiten. Eljin ist aufgewacht und fragt nach Euch.«
Zwei
ELJIN WAR AUF Kissen gestützt im Bett aufgerichtet, ohne Hemd. Ein riesiger Verband war fest um seine Rippen geschlungen. Tanoori saß auf der anderen Seite des Betts, ein offenes Buch im Schoß. Als wir eintraten, lächelte sie. Ich konnte den Blick nicht von Eljin wenden und bekam vor Erleichterung weiche Knie, als ich ihn lebend und wach vor mir sah. Lisbet hatte uns zwar versichert, dass er überleben werde, aber ich hatte ihr nicht wirklich geglaubt. Durch meine Schuld hatte er enorm viel Blut verloren.
Auch wenn er aufrecht im Bett saß, ging es ihm offensichtlich noch nicht gut – er war noch nicht völlig geheilt. Aber nach dem, was letzte Nacht passiert war, war es ein Wunder, ihn in dieser Verfassung zu sehen. Er war blass und seine Maske fehlte, sodass seine Narben zu sehen waren. Ich hatte nie erwogen, meine Narben auf diese Weise zu verbergen, aber in diesem Augenblick dämmerte mir, wie ähnlich wir uns nach meinem Kampf mit Iker waren. Unbewusst hob ich die Hand, um meine vernarbte Haut zu berühren, ließ sie jedoch schnell wieder fallen, als ich sah, dass er mich beobachtete.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, dich wach zu sehen«, sagte Damian, als er auf Eljins Bett zutrat, um seine Hand zu drücken.
»Und ich freue mich, dich zu sehen«, erwiderte er, und ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ich hatte ihn nur einmal ohne Maske gesehen, als ich sie während eines Sparrings im Schloss seines Vaters in Blevon mit dem Schwert heruntergeschlagen hatte. Mir wurde klar, dass ich ihn noch nie zuvor lächeln gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund machte mir diese Erkenntnis das Herz schwer.
»Mein Leben war nie in Gefahr, denn sie brauchte einen lebenden König, um Königin zu werden«, erklärte Damian mit sichtlichem Widerwillen.
»Sie hat uns alle an der Nase herumgeführt.« Verständnisvoll blickte Eljin zu Damian hoch. »Es gibt keinen Grund, sich zu schämen.«
»Mit Ausnahme von Alexa«, gab Tanoori zu bedenken.
Als mir bewusst wurde, dass ich es Damian oder den anderen immer noch nicht gesagt hatte, überkamen mich Schuldgefühle. Zwar war es Vera nicht gelungen, mich unter ihre Kontrolle zu bringen oder zu töten, doch dies galt nicht für ihren Bruder. Ich hatte mit Rafe einen Handel geschlossen, ihm angeboten, mir im Austausch gegen Jax’ Leben einen Befehl zu erteilen. Ein hohes Risiko, das damit geendet hatte, dass ich gezwungen war, ihn vor allen Bedrohungen zu schützen – ein Befehl, der mir immer noch in der Seele brannte, da er mich unfähig machte, ihm in irgendeiner Weise zu schaden. Zumindest war Vera tot – getötet von Damian, dem es irgendwie gelungen war, ihren Befehl, mich zu ermorden, außer Kraft zu setzen. Ihre Kontrollgewalt war mit ihr gestorben. Aber Rafe lebte noch. Und hatte weiterhin Macht über mich. »Damian, du hast ihre Kontrolle über dich durchbrochen. Ich hätte nicht geglaubt, dass dies möglich sei.« Ich verdrängte die Gedanken an Rafe und das Geheimnis, das ich immer noch nicht offenbart hatte.
Er blickte mich an und schenkte mir ein kleines Lächeln. »Während ich unter ihrer Kontrolle stand, hatte ich die ganze Zeit grauenhafte Kopfschmerzen. Als sie mir befahl, dich zu töten, wusste ich tief in meinem Inneren, dass ich es nicht tun sollte. Doch als ich versuchte, mich ihrem Befehl zu widersetzen, hatte ich das Gefühl, man spalte mir den Schädel.«
»Vielleicht war es dein Geist, der sich wehrte«, überlegte Tanoori.
Wir schwiegen, bis ich sagte: »Nun, ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass du ihren Befehl nicht ausgeführt hast.«
»Ich auch.« Damians Blick suchte meinen und ich musste ein Schaudern unterdrücken. Wenn er nicht die Stärke oder Macht gehabt hätte, sich Veras Kontrolle über seinen Willen zu entziehen, würde ich jetzt nicht hier stehen.
Es klopfte an die Tür und dann streckte ein Bote den Kopf zur Tür herein.
»Majestät, der General bat mich herauszufinden, ob Ihr bereit für die Versammlung seid?«
Das Lächeln um Damians Mundwinkel war wie weggewischt. »Ja, natürlich. Sag ihm, dass wir uns in zehn Minuten im Thronsaal treffen.«
Der Bote nickte, verbeugte sich und zog sich zurück.
Damian drückte Eljins Schulter. Zwischen ihnen ging irgendetwas vor sich, das ich nicht deuten konnte. Dann erhob sich der Mann, den ich liebte, und an seine Stelle trat der König, dem ich diente. Ein Vorhang hatte sich über sein Gesicht gesenkt und er hatte den tpyischen Gesichtsausdruck, den er zeigte, wenn er seine Gefühle zu verbergen versuchte. Er wandte sich mir zu, und als er sprach, klang seine Stimme sehr beherrscht. »Komm, Alexa, es ist Zeit zu entscheiden, was getan werden muss.« Er blickte zu Tanoori hinüber. »Wenn du willst, kannst du mitkommen, denn das betrifft uns alle.«
Sie blickte Eljin an und er nickte. »Geh nur, ich bin hier, wenn du zurückkommst.«
Tanoori stand auf, den Blick noch immer auf ihn geheftet, aber er hatte den Kopf bereits abgewandt und schloss die Augen.
Wortlos folgten wir Damian aus dem Raum, um uns zu der Versammlung zu begeben, die er und der General anberaumt hatten.
Drei
DAMIAN HIELT INNE, um einen Blick auf die Versammlung zu werfen – es waren nur die wenigen Ausgewählten, die die Wahrheit kannten, oder zumindest den größten Teil davon –, und ging dann wieder auf und ab.
Tanooris Hände klammerten sich an die Falten ihres Rocks, als sie zum König hochblickte, ebenso die von Leonora, des Mädchens, das mir sein Nachthemd gegeben und mir geholfen hatte, zu Damian zu gelangen, als Vera den Palast unter ihren Willen gezwungen hatte. Ich wusste nicht, weshalb sie hier war, aber Tanoori hatte darauf bestanden, sie mitzubringen.
Vielleicht hoffte sie, Leonora könne helfen, die Ängste der Menschen zu zerstreuen, wenn sie erfuhr, wie sehr diese dem König am Herzen lagen. Die Kunde von General Tinsos Brief, in dem er erneut den Krieg erklärte, hatte sich in Windeseile im Palast verbreitet. Die Angst von Damians Untertanen war sogar ans Ohr der Wachen gedrungen, wie mir Deron berichtete, während wir darauf warteten, dass alle sich versammelten. Er meinte, die Leute würden sich zunehmend Gedanken darüber machen, wem die wahre Loyalität des Königs gelte – was er tun würde, wenn er gegen das Volk seiner Mutter kämpfen müsste. Einige wollten auch Antworten über Veras Verbleib erhalten. Sie wollten wissen, welche Macht sie ausgeübt und was sie ihnen allen angetan hatte.
Meine Hand ruhte auf meinem Schwertknauf. Obwohl alle hier Versammelten enge Verbündete und Freunde waren, war ich immer noch nervös und fürchtete, jeden Augenblick könne eine neue Gefahr drohen – und ich wollte nicht überrumpelt werden. Rafe hatte dafür gesorgt, dass ich ihm nichts tun konnte, aber immerhin hatte ich weiterhin die Möglichkeit, Damian zu beschützen. Jedenfalls, solange Rafe nicht derjenige war, der ihm nach dem Leben trachtete.
Trotz meines eigenen inneren Aufruhrs achtete ich darauf, meine Miene unter Kontrolle zu halten, den Schmerz und die Schuldgefühle zu verbergen, die tief in mir tobten und mir durch und durch gingen. Ich musste Damian die Wahrheit sagen, und zwar bald. Wir mussten auch so bald wie möglich mit Eljin reden. Allein. Ich wollte Antworten über Blevon – über Sì Miào Chán Wù, den Tempel in Blevon, und Rén Zhῠsas, die drei mächtigen Zauberer, die dort lebten. Eljin hatte erwähnt, dass er sie um Hilfe bitten werde, wenn es mit Vera und Damian einen schlechten Verlauf nahm. Rafes Worte im Dschungel kamen mir wieder in den Sinn und ließen mich nicht in Ruhe. Er hatte behauptet, dass die Dansii die Geheimnisse kennen würden, die Blevon unter keinen Umständen preisgeben wollte. Er hatte erwähnt, dass die Dansii weitaus mehr Macht besäßen als die Blevoneser.
Die Zeit für Geheimnisse war vorbei. Eljin musste das einsehen. Dafür würde ich sorgen.
Und da war noch das Problem mit dem Mann in den Verliesen. Ich hatte niemandem berichtet, was er gesagt und mir angetan hatte – der Mann, der sich selbst Manu de Reich os Deos nannte.
Und natürlich Rylan. Ich musste ihn zurückholen, musste ihm hinterhergehen, ob es Damian gefiel oder nicht, denn es war meine Schuld, dass er von den Dansii verletzt und gefangen genommen worden war.
Ich hatte das Gefühl, dass wir in alle möglichen Richtungen gedrängt wurden, ohne zu wissen, woher die eigentliche Drohung kam – oder was der Zweck der Angriffe war. Wir mussten einen Plan aufstellen und etwas tun.
Als ich hochblickte, beobachtete mich Damian. Unsere Blicke trafen sich. Einen Augenblick lang lüftete er die Maske, die er aufgesetzt hatte, und ich bemerkte die Angst hinter seiner beherrschten Miene. Aber der Augenblick war schnell vorbei und er wandte den Blick ab.
Es erschien mir so unwirklich, dass ich erst heute Morgen aus dem Dschungel gekommen war und er von der Stadtmauer aus verzweifelt Ausschau nach mir gehalten hatte. Nachdem Jax mitten in der Nacht im Palast aufgetaucht war, krank und lediglich in Begleitung von einem von Rafes Männern, fürchtete er das Schlimmste. Es kam mir vor wie ein Traum, dass Jax wirklich zurück war und Lisbet ihn von dem Dschungelfieber, das ihn geschüttelt hatte, heilen konnte.
Die Tür neben Damian öffnete sich, und Lisbet kam herein, Jax an der Hand. Sie hatte seinen Körper geheilt, aber ihre Macht reichte nicht aus, um auch den emotionalen Schaden zu beheben, den seine Entführung verursacht hatte. Jax klammerte sich an Lisbet, als sie auf Tanoori und Lenora zugingen. Seit er in seinem Gemach aufgewacht war, geheilt von der Tortur des Vortags, war er ihr nicht mehr von der Seite gewichen. Als ich sah, wie sich Damians Halbbruder an Lisbet festklammerte, überkam mich tiefe Traurigkeit. Die Unschuld eines weiteren Kindes war durch das Wüten des Kriegs zerstört worden. Zum Glück war er nicht mit dem Tod konfrontiert worden, aber er war nahe davor gewesen. Lisbet hatte den Arm um ihn gelegt, das Gesicht Damian zugewandt. Sie wartete, wie alle anderen. Der leere Platz neben ihr war unübersehbar, da Eljin immer noch ans Bett gefesselt war und auf seine Genesung wartete.
»Ich denke, wir sollten beginnen«, sagte Damian schließlich.
Ich spürte mehr, als dass ich es sah, wie Deron neben mir erstarrte und sich gegen das wappnete, was kommen mochte. Auch ich blickte zu Damian hin, fragte mich, was er wohl sagen würde. Er hatte mir nichts von einem Treffen erzählt. General Ferraun stand neben Lisbet und Jax, die Schultern steif unter den goldenen Epauletten seiner Uniform, die seinen Rang anzeigten. Die Wachposten standen zu beiden Seiten des Königs, in der üblichen Position, auch wenn dies keine offizielle Veranstaltung war. Tanoori und Lenora standen rechts von mir, aneinandergeklammert.
»Ihr alle seid Menschen, denen ich vertraue – oder Menschen, die das Vertrauen jener genießen, die mein Vertrauen haben.« Er warf einen Blick auf Lenora, die neben Tanoori stand. »Wir werden belagert, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mein Königreich – mein Volk – vor weiterem Leid zu bewahren. Ich mag zwar der König von Antion sein, aber ich gebe zu, dass ich Probleme habe zu entscheiden, was das Beste ist. Deshalb seid ihr hier. Um mir und General Ferraun dabei zu helfen, eine Entscheidung zu treffen. Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen eure Hilfe.«
Ich hatte so viel Lebenszeit darauf verwendet, Damian zu beschützen, doch seit ich mich in ihn verliebt hatte, galt dieser Wunsch nicht nur für seine körperliche Sicherheit. Bei seinem Anblick wurde das Verlangen in mir, ihn vor Leid zu bewahren, so übermächtig, dass ich mich zwingen musste, ruhig zu bleiben, statt zu ihm zu gehen und seine Hand zu nehmen. Er stand aufrecht da, sein Gesicht so ruhig und selbstsicher wie immer, auch wenn seine Worte das Gegenteil ausdrückten. Sogar als er eingestand, dass er Hilfe benötige, gelang es ihm noch, Macht und Sicherheit auszustrahlen, die seine Untertanen beruhigen würden. Aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie die Wahrheit aussah.
»Sire, ich bitte darum, sprechen zu dürfen.« Tanoori hob die Hand, und Damian nickte und bedeutete ihr mit einer Geste, fortzufahren. »Ihr habt mir die Obhut über die anderen Frauen und Babys vom … vom … übertragen.«
»Ja«, unterbrach Damian Tanoori, als ihr die Worte fehlten, um das Bruthaus zu bezeichnen, zu dem sein Vater sie verurteilt hatte – und das nur aufgrund des Verbrechens, Waise zu sein. »Und du hast deine Aufgabe bemerkenswert gut erfüllt.«
»Danke.« Tanoori neigte den Kopf. »Aber einige der Frauen – ich eingeschlossen – wollen mit ihrem Leben mehr anfangen.«
»Das war zu erwarten, aber ich sehe keinen Zusammenhang mit der derzeitigen Situation«, erwiderte Damian.
»Majestät, wir wollen kämpfen«, stieß Lenora hervor und stellte sich neben Tanoori, die Schultern gestrafft und das Kinn vorgereckt. »Wir wollen lernen, uns selbst zu verteidigen, und Euch helfen, die Feinde zu bekämpfen, die Antion bedrohen.«
Damian runzelte die Stirn, und ich hörte, wie ein paar Wachen um uns herum fassungslos miteinander flüsterten.
»Unmöglich«, donnerte General Ferraun, bevor Damian etwas sagen konnte. »Ich habe keine Zeit, meine Männer anzuweisen, Frauen darin zu unterrichten, wie man mit einem Schwert umgeht. Sie sollten Uniformen ausbessern, Verbände vorbereiten und all das tun, was getan werden muss, um die Männer zu unterstützen, die in diesem Krieg kämpfen werden.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass Frauen nicht kämpfen lernen können?«, wandte sich Lenora an den General, sichtlich gekränkt von seinem herablassenden Ton. »Was ist mit Alexa? Ist sie nicht ein Beispiel dafür, wozu eine Frau imstande ist?«
»Es gibt eine Menge Frauen, die hierbleiben und genau die Dinge tun wollen, die Ihr vorschlagt«, fügte Tanoori jetzt etwas beschwichtigender hinzu. »Aber einige von uns wollen mehr machen. Wir wollen uns nie wieder hilflos fühlen oder unfähig, uns selbst zu beschützen.«
»Selbst wenn ich davon überzeugt wäre, dass ihr Mädchen das Kämpfen lernen könnt, hätte ich nicht genug Männer und die Zeit, um euch auszubilden.« Das Gesicht des Generals lief vor Zorn hochrot an. »Das ist kein Spiel – wir haben es mit einem Krieg zu tun!«
»Glaubt Ihr, wir wissen das nicht?«, schrie Lenora zurück.
»Schluss jetzt.« Damians Stimme übertönte sie.
Sofort verstummten alle und blickten den König an. Er atmete tief durch und verkniff die Lippen zu einem Strich, während er überlegte. »Tanoori, wie viele Frauen wollen das?«, fragte er schließlich.
Als der General protestieren wollte, hob Damian die Hand, und General Ferrauns Mund klappte wieder zu.
»Wie schon gesagt, wollen die meisten Frauen hierbleiben und auf andere Art helfen« erwiderte Tanoori. »Vor allem jene mit Babys oder die Schwangeren. Aber sechs oder sieben möchten kämpfen lernen.«
Damian hüllte sich einen langen Moment lang in Schweigen; dann nickte er kurz. »Uns fehlen Männer, aber wir können einen oder zwei dazu abstellen, euch zumindest das grundlegende Sparring und Verteidigungstechniken beizubringen. Dann könnt ihr untereinander üben, bis ihr den Stand der anderen Soldaten erreicht habt. Wenn ihr kämpfen wollt, werde ich euch nicht aufhalten. Wir brauchen jede erdenkliche Hilfe, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine Frau unter richtiger Anleitung genauso kampffähig ist wie ein Mann.« Er bedachte mich mit einem grimmigen Lächeln der Anerkennung und ich neigte leicht den Kopf.
»Danke, Sire.« Tanoori verneigte sich ebenfalls, genauso Lenora. »Wir lernen schnell, Eure Männer werden nicht viel Zeit vergeuden müssen, das verspreche ich.« Sie sagte dies an General Ferraun gewandt, der die Lippen voller Missfallen kräuselte. Doch er nickte ebenfalls, wenn auch knapp.
»Wie der König wünscht«, sagte er lakonisch.
»Nachdem wir dies nun geregelt haben, sollten wir zum dringlichsten Problem zurückkehren.«
Von meiner Position direkt neben Damian konnte ich sehen, dass die Ader an seiner Schläfe hervorgetreten war, ein sicheres Zeichen dafür, dass er Kopfweh hatte. Aber er verbarg es, als er auf die Versammelten blickte.
»Wir haben mehr als ein großes Problem, das wir besprechen müssen, und ich hoffe, dass ihr Beiträge leistet oder Erkenntnisse liefert, damit wir Lösungen finden können.« Er wandte sich General Ferraun zu. »Konntet Ihr etwas aus den Gefangenen aus Dansii herausbekommen?«
»Ich habe Eurem Wunsch entsprechend den Mann verhört. Er war jedoch nicht bereit, irgendwelche Informationen preiszugeben, sondern sprach darüber hinaus Drohungen gegen Euch aus und …«
Als er verstummte, erstarrte Damian neben mir. »Und?«, forderte er ihn auf.
»Und gegen andere, die Euch nahestehen«, räumte General Ferraun ein. Sein Blick wanderte zu mir und dann wieder zurück zum König.
Damian ballte die Hände zu Fäusten und seine Miene zeigte Wut. Mich durchlief ein kalter Schauder, als ich an Manu dachte, den Furcht einflößenden Mann in den Verliesen, der mit Vera in den Palast gekommen war. Entgegen Damians Wunsch hatte ich ihn persönlich befragt und er hatte mir irgendwie eine grauenhafte Vision vorgegaukelt – eine Vision von Damians Tod. Er hatte mich Dinge hören, sehen, ja fühlen lassen, die unwirklich waren. Er hatte Drohungen gegen Damian ausgesprochen, behauptet, dass der »wahre König« sein König Armando sei, der uns alle vernichten würde. Armando würde mich benutzen, und wenn er mit mir fertig wäre, würde er mich töten. Ich hatte vorgehabt, es Damian zu erzählen, aber bei all den Ereignissen …
»Ich habe ihn zum Tode verurteilt. Er wird heute Abend enthauptet, als abschreckendes Beispiel für die anderen Dansii«, fuhr der General schnell fort. »Wir werden diesem Mann nichts Nützliches entlocken können und ich habe ein schlechtes Gefühl. Vor langer Zeit habe ich gelernt, meinen Instinkten zu vertrauen. Ich weiß, dass Ihr, wenn möglich, Blutvergießen vermeiden möchtet, aber ich bitte Euch dringend, meinem Urteil zuzustimmen.«
»Ja. Je eher er tot ist, desto besser«, brummte Damian.
Erstaunt über die Heftigkeit des Königs furchte der General die Stirn.
»Die übrigen Dansii müssen so bald wie möglich verhört werden. Sie standen Vera nahe, vielleicht könnten sie …«
»Damian, ich muss dir etwas sagen«, unterbrach ich ihn. »Der Mann in den Verliesen, er …«
Ich wurde durch einen Schrei aus dem Korridor unterbrochen, gefolgt von dem Aufprall eines Körpers.
»Was war das?«, fragte Jerrod alarmiert, der auf der anderen Seite neben Damian stand.
Dann flog die Tür neben uns auf. »Majestät! Er ist …«
Was auch immer der wachhabende Soldat hatte äußern wollen, wurde erstickt, als ihn von hinten ein Schwert durchbohrte, durch seinen Magen drang und dann wieder verschwand. Mit einem gequälten Schrei, der in einem Gurgeln endete, fiel der Mann tot zu Boden.
Und hinter ihm stand, das blutige Schwert umklammert, der Mann in der schwarz-weißen Robe, der sich Manu de Reich os Deos nannte.