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Ilona Bürgel

Warum
immer mehr
nicht immer
richtig ist

Neue Wege zu Erfolg
und Wohlbefinden

Kösel

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Copyright © 2017 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag/Illustration: Weiss Werkstatt, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-19927-2
V001

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

1 Wenn Anstrengung Wohlbefinden kostet

Die Hintergründe der Anstrengung

Anstrengung wird falsch verstanden

Die neuen Katalysatoren der Anstrengung

Wie Überanstrengung entsteht

Die täglichen Anstrengungsfallen

Vorgelebte Anstrengung: die Prioritätsfalle

Gefährlichste Anstrengung: die Verantwortungsfalle

Unsichtbare Anstrengung: die Maßlosigkeitsfalle

Verführerische Anstrengung: die Glücksfalle

Automatische Anstrengung: die Stressfalle

Ansteckende Anstrengung: die Burnout-Falle

Täuschende Anstrengung: die Zukunftsfalle

Gelernte Anstrengung: die Grübelfalle

Mangelnde Anstrengung: die Disziplinfalle

Fühlbare Anstrengung: die Stimmungsfalle

Das Anstrengungsfazit

2 Die Wahrheit über Wohlbefinden

Warum ich keinen Burnout hatte

Die Entdeckung des Wohlbefindens in der Forschung

Die Weiterentwicklung der Positiven Psychologie

Gute Nachrichten in Sachen Alter

Das Recht auf und die Pflicht zum Wohlbefinden

Wohlbefinden ist eine Entscheidung

Wohlbefinden braucht passende Aktivität

Das Beste aus dem Wohlbefinden machen

Was den Erfolg verbessert

Wer profitiert wann?

Die Wohlbefindensirrtümer

Kurzfristige Belohnungen

Vergnügen, das uns betrügt

Wohlbefindenstheorien auf dem Praxisprüfstand

Das Konzept für den Arbeitsalltag

Die eigene Arbeit in Zahlen

Das Wohlbefindensfazit

Mehrdimensionales Wohlbefinden

Die Neudefinition von Wohlbefinden

3 Anstrengung, die Wohlbefinden garantiert

Lösung 1: Gutes kommt von Gutem

Lösung 2: Das rechte Maß

Lösung 3: Selbst bestimmen

Respektvolle Selbstwertschätzung

Freiwillige Selbstverantwortung

Wohlwollende Selbstdefinition

Positive Selbstausrichtung

Beglückendes Selbstmanagement

Heilende Selbsterkenntnis

Unschlagbare Selbstmotivation

Dienende Selbstdisziplin

Süße Selbstfürsorge

Ausblick

Dank

Quellen

Einleitung

Ich hatte noch nie einen Burnout. Und ich möchte, dass er Ihnen ebenfalls erspart bleibt. Erfreulicherweise hatte ich auch sonst nie eine größere Krankheit. Ich gestehe weiter, ich bin noch nie einen Marathon gelaufen und habe noch nie 20 Kilogramm abgenommen. Ich war auch noch nie auf einem sehr hohen Berg, weder mit noch ohne Sauerstoff. Ich habe also keine Leistung zu bieten, die Sie ehrfürchtig erschauern lässt. Vielleicht bin ich aber gerade deshalb genau die richtige Ansprechpartnerin für Sie. Weil Sie und ich ein normales Leben haben, bei dem es ganz einfach darum geht, es gut zu meistern.

Dabei ist es schon eine besondere Leistung, all die Dinge unter einen Hut zu bekommen, die wir täglich stemmen müssen: den ständigen Neuerungen und höheren Anforderungen in Beruf und Privatleben gerecht zu werden; die nächste Umstrukturierung der Abteilung zu bewältigen ebenso wie das nächste Softwareupdate und den wachsenden Zeitdruck; nicht mehr nur schön, intelligent und gesund sein zu wollen, sondern trotz Dauerbelastung energievoll und vor allem gelassen und glücklich.

Die Selbstantreiber »Streng dich an«, »Sei tapfer und diszipliniert« haben uns, was unsere Produktivität betrifft, weit gebracht. Doch im neuen Jahrtausend reicht dies leider nicht mehr aus. Schlimmer noch, wir schaden uns dadurch sogar selbst. Der Grund dafür ist, dass wir das Konzept Anstrengung missverstehen. Um dies zu ändern, gibt es dieses Buch.

Uns stehen so viele Möglichkeiten offen, aber wir haben wenig Zeit dafür. Eigene und fremde Maximierungsansprüche setzen uns unter Dauerdruck. Wir fürchten, etwas zu verpassen, nicht gut genug zu sein oder die falschen Entscheidungen zu treffen. Parallel dazu haben wir in den letzten Jahrzehnten unsere Erwartungen in allen Lebensbereichen immer weiter nach oben geschraubt. Wir erreichen immer mehr und kommen trotzdem nicht mehr an. Noch schlimmer: Wir werfen auf diesem Weg unsere Kraft mit vollen Händen zum Fenster hinaus – als Gefangene unserer Maßstäbe und unserer Anstrengungskultur. Und wir merken es nicht einmal.

Gleichzeitig ist da die Sehnsucht, dass es doch auch anders gehen müsste. Dieses leise Ticken der Uhr des Lebens, die, je mehr wir in unseren Tag hineinpacken, immer schneller zu laufen scheint. Das macht uns Angst, doch wie reagieren wir darauf? Indem wir noch mehr tun und dabei hoffen, das Glück nach Feierabend oder spätestens im Ruhestand zu finden.

Anstrengung wird doppelt missverstanden:
Für das ersehnte Wohlbefinden strengen wir uns nicht genug an, für die falschen Ziele umso mehr. Das kostet Wohlbefinden.

Ich weiß, wovon ich spreche. Aus einer Unternehmerfamilie stammend, bin ich mit zwei Lebensmaximen aufgewachsen: Bildung und Leistung. Sätze wie »Von nichts kommt nichts« oder »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen« waren mir schon früh vertraut, und meine Großeltern und Eltern lebten dies vor. Allerdings war ich die Erste, die nach der Schule studieren konnte und auf direktem und kürzestem Weg Karriere gemacht hat. Dabei ist mir der Erfolg keineswegs einfach zugefallen, im Gegenteil. Um die sehr guten schulischen Leistungen zu bringen, die man selbstverständlich von mir erwartete, musste ich von Jahr zu Jahr mehr arbeiten. In der Abiturstufe hatte ich zum Beispiel Mathenachhilfe. Gleichzeitig lernte ich Klavier und Stenographie und startete mit einer dritten Fremdsprache, was mir aber schnell zu viel wurde. Ich sang im Chor und gab selbst Nachhilfe. Man könnte sagen, eine typische gutbürgerliche, vielseitige Bildungsbiografie.

Bereits sehr früh war mir klar, dass ohne Anstrengung nichts geht. Anstrengung an sich ist eigentlich gut für unser Gehirn. Es bringt nämlich die besten Leistungen, wenn wir ein klein wenig über unsere Möglichkeiten gefordert werden. Problematisch wird es dann, wenn wir das Prinzip Anstrengung ohne Einschränkung anwenden und außerdem in allen Lebensbereichen. Ein Beispiel: Sobald das Thema Partnersuche für mich aktuell wurde, ging ich nach genau dem gleichen Prinzip vor. Liebenswert und attraktiv zu sein knüpfte ich an immer höhere Bedingungen. Und wenn eine Beziehung nicht funktionierte, lag es nahe, die »Schuld« in der eigenen unzureichenden Leistung zu suchen. Was nehmen wir im Interesse der Liebe nicht alles in Kauf? Wie oft passen wir uns an und versuchen, fremde Wünsche auf unsere Kosten zu erfüllen. Das kann nie gut gehen und hat oft doppelten Frust zur Folge.

Auch im Studium setzte sich meine Anstrengungskarriere fort. Der scheinbare Beweis dafür, dass meine Art zu leben richtig war, waren die guten Noten und der gute Abschluss. Ich habe als Jahrgangserste promoviert und schnell eine attraktive Anstellung in der Wirtschaft gefunden. Die Kehrseite der Medaille war, dass ich die Anzahl der Feiern mit Kommilitonen an zwei Händen abzählen konnte. Bin ich damals überhaupt in den Urlaub gefahren? Ich weiß es nicht mehr. Ich war früh die Erste und abends die Letzte in der Bibliothek. Ja, ich habe durch strebsames Arbeiten meine Ziele, zum Beispiel die Promotion, erreicht, und ich finde das nach wie vor richtig. Doch man sollte sich immer klarmachen, dass alles seinen Preis hat. Die Gefahr am Prinzip Anstrengung ist nicht nur die Überanstrengung. Sondern dass ständige Anstrengung als etwas ganz Normales angesehen wird, gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar erwünscht ist, und dass wir durch gute Ergebnisse belohnt werden. So fällt uns oft gar nicht auf, dass wir dabei etwas verpassen. Dieses Leben macht zum Beispiel einsam. Vielleicht haben Sie beim Lesen auch schon gedacht: »Was für eine Streberin«. Genau. Strebsamkeit ist zwar ein hoher Wert, aber mit einem Streber möchte man nichts zu tun haben!

Die Kunst ist es, eine Balance zu finden. Die Balance zwischen der Anstrengung, die wir aufwenden müssen, um das zu erreichen und aufzubauen, was wir uns im Leben wünschen, und auf der anderen Seite genug Zeit und Raum für uns und andere Menschen, für Hobbys und vor allem Erholung. Dass wir die Balance leider meist nicht finden, ist die Ursache dafür, dass immer mehr Menschen, vor allem psychisch, erschöpft sind. Nicht weil wir älter werden und weniger aushalten, sondern weil wir uns zu lange überfordert und bei dem Prinzip Anstrengung den Genuss und die Erholung vergessen haben.

In kaum einem anderen Land gibt es ein so dramatisches Missverhältnis zwischen den guten Arbeits- und Lebensbedingungen einerseits und dem als schlecht erlebten eigenen Befinden andererseits. Die Lösung scheint in einem besseren Umgang mit den Stressoren unserer Zeit zu liegen. Doch ist das wirklich so? Auf die Frage, was uns denn so stresst, sagen wir laut Statistik am häufigsten »die Arbeit«. Doch wir übersehen dabei die eigentliche Quelle unserer Probleme: unser Denken. Es beeinflusst, was wir erwarten, was wir tun und was wir demzufolge erleben. Nicht allein die Arbeit, die ständige Erreichbarkeit oder die Schnelllebigkeit unserer Zeit lasten auf uns, sondern die Haltung, die wir haben, die Gedanken, die wir uns machen und mit denen wir uns gegenseitig anstecken.

In den kommenden Jahren wird es immer mehr darauf ankommen, sich bei dem, was man tut, wohlzufühlen, besonders während der Arbeit. Das hilft, in Zeiten der Instabilität, Stagnation oder des Ausbleibens von Wachstum durchzuhalten. Außerdem kann uns das aus dem Hamsterrad des vorwiegend an Quantität orientierten »Höher-Schneller-Weiter« heraus und hin zu mehr Lebens- und Arbeitsqualität führen. Und schließlich wirkt es sofort wohltuend und kann dadurch Produktivität und Leistungsfähigkeit im Beruf sowie Lebensfreude und Gesundheit im Privatleben steigern.

Wohlbefinden, egal ob beruflich oder privat, das sind die vielen kleinen täglichen guten Dinge, und das ist zudem ein generelles Gefühl der Zufriedenheit mit dem Leben, nicht etwa die seltenen außergewöhnlichen Erlebnisse wie eine Beförderung oder eine Weltreise. Es geht also darum, die täglich guten Dinge erst einmal zu sehen und zu schätzen. Und dann auch darum, unser Verhalten zu ändern: Täglich treffen wir Hunderte Entscheidungen, bei denen wir unaufmerksam sind. Dabei wäre es doch einfach, sich immer wieder einmal zu fragen, ob man sich etwas Gutes tut.

Die meisten Menschen fühlen sich allgemein wohl. Nicht immerzu und in riesigem Ausmaß, aber als Tendenz. Dies zu erhalten, egal was Ihr Leben noch bringt, oder es sogar auszubauen, darum geht es in diesem Buch.

Sie können es von vorn lesen, Sie können aber auch einzelne Abschnitte auswählen, die Sie besonders interessieren. Ich habe kleine Einheiten für Sie gestaltet, damit Sie selbst nach einem anspruchsvollen Arbeitstag noch Lust und genug Kraft für ein solches Häppchen haben. Auf diese Weise können Sie hoffentlich schon beim Lesen anwenden, worüber ich schreibe: Wir fühlen uns wohl, wenn wir auf die richtige Art und Weise gefordert sind, und wenn wir uns wohlfühlen, leisten wir, was wir wollen und sollen – ganz ohne gestresst zu sein.

Im Sinne der einfachen Lesbarkeit verwende ich im Text nur die männliche Form der Substantive.

Viel Freude wünscht Ihnen