Isabelle Nazare-Aga
Dies ist
mein Leben
So befreien
Sie sich
vom Einfluss
manipulativer
Eltern
Aus dem Französischen
von Felix Mayer
Kösel
»Ich bin ganz allein und nie rufst du mich an, dein alter Vater ist dir ja egal.«
»Ach ja, du hattest mir Blumen geschickt. Du solltest mal den Floristen wechseln.«
»Wie dumm muss man sein, wenn man so viel studiert hat und dann so wenig verdient?«
Kommen Ihnen solche Sätze bekannt vor? Kennen Sie die darin versteckte Botschaft? Beschleicht Sie manchmal der Verdacht, dass Ihre Eltern Sie manipulieren? Die Psychologin Isabelle Nazare-Aga deckt die Taktiken und egoistischen Manöver auf, mit der manche Eltern das Selbstvertrauen ihrer Kinder bis ins Erwachsenenalter untergraben. Vor allem aber zeigt sie, wie Sie diese Verstrickungen erkennen und sich aus ihnen befreien können, um ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Psychotherapeutin und Coachin Isabelle Nazare-Aga hat sich auf das Thema Manipulation und seine Auswirkungen spezialisiert. Dazu hat sie bereits mehrere Bücher geschrieben, die in Kanada und Frankreich zu Bestsellern wurden. Sie hält außerdem Seminare zu den Themen Selbstbewusstsein, persönliche Werte, Kommunikation und Stressmanagement.
www.isabellenazare-aga.com
Fast alle Eltern wenden manchmal gegenüber ihren Kindern kleine Tricks an. Aber es gibt auch solche, die zu ihrem eigenen Vorteil ihre Kinder nach allen Regeln der Kunst negativ beeinflussen. Nach dem Motto »Teile und herrsche« entfremden sie Familienmitglieder voneinander oder treiben einen Keil zwischen den Partner und das Kind. Sie mischen sich in alles ein, schützen eine schlechte Gesundheit vor oder profilieren sich auf Kosten anderer. Dabei gehen sie so geschickt vor, dass sich die Kinder nicht einmal als Erwachsene ganz sicher sein können, ob sie wirklich manipuliert werden. Doch es gibt eindeutige Anzeichen: Isabelle Nazare-Aga deckt charakteristische Verhaltensweisen und typische Situationen auf, die eine solche manipulative Persönlichkeit entlarven. Gestützt auf zahlreiche Fallbeispiele aus ihrer Praxis erklärt sie die Mechanismen der Manipulation und zeigt, wie man sich aus diesen zerstörerischen Verstrickungen befreien kann, um selbstbestimmt zu leben.
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Deutsche Erstausgabe
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Les parents manipulateurs bei Les Éditions de L’Homme, Montréal, Kanada
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Copyright © 2014 Les Éditions de L’Homme,
division of Groupe Sogides inc. (Montréal, Québec, Canada)
Umschlag: Weiss Werkstatt, München
Umschlagmotiv: shutterstock/aarrows
Satz: Fotosatz Amann, Memmingen
ISBN 978-3-641-20430-3
V001
www.koesel.de
Inhalt
Einleitung
Woran erkennt man manipulative Eltern?
Die 30 Merkmale der manipulativen Persönlichkeit
Ist manipulatives Verhalten pathologisch?
Der verstellte Blick
Warum wir manipulative Menschen häufig nicht erkennen
Der Irrglaube, die Liebe könne den anderen retten
Die Kunst, das zu zerstören, was glücklich macht
Negative Wellen
Familienfeste unter Hochspannung
Spielverderber
Liebende Menschen werden auf Distanz gehalten
Abwertung des Kindes
Zu früh selbstständig
Das pathologische Verhältnis zu Geld
Unerklärlicher Geiz
Die Unfähigkeit, zu leihen oder zu geben
Habgier bei Erbschaften
Absurde Aussagen und abwegiges Verhalten
Absurde Aussagen
Lügen, Auslassungen, Geheimniskrämerei
und Gerüchte
Abwegiges Verhalten
Die angeblich schwache Gesundheit
Ihre Mutter zweifelt an Ihren Beschwerden
Ihr Vater zweifelt an Ihren Ärzten
Gespieltes Mitgefühl
Übermäßig egozentrische Eltern
Uninteressiertes Zuhören
Kein echtes Interesse am Leben der anderen
Manipulative Eltern bemühen sich nicht um
die Familie
Manipulative Eltern tun nur widerwillig
einen Gefallen
Die anderen müssen sich ihrem Willen beugen
Manipulierer nehmen Ihr Territorium in Besitz
In schwierigen Situationen bleibt Unterstützung aus
Manipulative Eltern schützen ihre Kinder nicht
Eigentlich wollte eine manipulative Mutter keine Kinder
Eltern mit hochgradig gestörter Persönlichkeit
Gibt es Auswege?
Schwerwiegende Folgen
Auswirkungen auf Kinder
Wenn ein Kind sich opfert
Wenn Flucht dringend geboten ist
Wenn die Familie sich gegen Sie stellt
Versöhnung mit einem Teil der Familie
Von wiederholten Trennungen bis zum endgültigen Bruch
Vergeben ist schwierig, Vergessen unmöglich
Befreiung von eingefahrenen Mustern
Entkommen und wieder zu sich selbst finden
Schlussbetrachtung
Danksagung
Anhang
Anmerkungen
Weitere Bücher von Isabelle Nazare-Aga
Einleitung
Im Lauf meiner beruflichen Tätigkeit habe ich bereits zwei Bücher über manipulative Persönlichkeiten veröffentlicht, die sich beide an ein breiteres Publikum richteten. Jedes Mal ist das Thema auf sehr großes Interesse gestoßen. Hunderttausende Leser haben sich auf Anhieb in den beschriebenen Beziehungsmustern wiedererkannt, die eine so zerstörerische und vergiftende Wirkung haben und sowohl in Liebesbeziehungen auftreten können wie auch innerhalb der Familie, in Freundschaften oder im beruflichen Umfeld. Seit etwa 20 Jahren untersuche ich die verschiedenen Ursachen, wegen derer so viele Menschen sich nicht aus einer Beziehung mit einer krankhaften Persönlichkeit lösen, obwohl sie dauerhaft darunter leiden. Dabei suche ich vor allem Antworten auf folgende Fragen: Weshalb ertragen wir die Beziehung mit einem manipulativen Menschen? Und wie ist es möglich, dass wir uns dessen so lange nicht bewusst sind, obwohl wir das krankhafte Verhalten des anderen Tag für Tag erleben?
Ein Manipulierer, egal ob Mann oder Frau, zeichnet sich dadurch aus, dass er sein wahres Gesicht verbirgt, solange er in Gesellschaft ist. Sein Ehepartner und seine Kinder dagegen werden täglich, oft über viele Jahre hinweg, im Stillen durch sein Verhalten traumatisiert. Die meisten von ihnen zeigen körperliche und seelische Symptome sowie Verhaltensauffälligkeiten, die anfangs nicht zu erklären sind. Darüber hinaus neigen die Betroffenen dazu, sich selbst infrage zu stellen, obwohl die Ursachen ihrer Probleme beim anderen liegen.
Alle manipulativen Persönlichkeiten vereint, dass sie mindestens 14 der 30 Merkmale aufweisen, die ich in meinem ersten Buch von 1997 definiert habe. Ihre Verhaltensweisen, Äußerungen und Haltungen fallen jedoch ganz unterschiedlich aus, je nachdem, in welchem Umfeld sie ihre Macht ausüben. In meinem Buch aus dem Jahr 2000 habe ich ihr Verhalten in Paarbeziehungen beschrieben, sei es in einer Ehe oder einer Lebensgemeinschaft, sei es mit Kindern oder ohne. Doch auch manipulative Eltern legen gegenüber ihren Kindern bestimmte wiederkehrende Verhaltensmuster an den Tag. Damit beschäftigt sich das vorliegende Buch.
Was möchte ich damit erreichen? Indem ich zahlreiche Erfahrungsberichte wiedergebe, möchte ich zum einen das Bewusstsein der Betroffenen schärfen – also von Kindern manipulativer Eltern –, damit sie endlich in der Lage sind, ihr Leiden in Worte zu fassen. Zum anderen scheint es mir wichtig, die unterschiedlichen Profile manipulativer Persönlichkeiten aus klinischer Sicht zu beschreiben. Ich glaube, dies kann vor allem für Beschäftigte im Gesundheits-, Sozial- und Rechtswesen von Bedeutung sein.
Als ich Erfahrungsberichte über Manipulierer in Familien gesammelt habe, musste ich überrascht feststellen, dass Mütter fünfmal häufiger als manipulativ beschrieben werden als andere Familienmitglieder. Daraus zu schließen, es gäbe mehr manipulative Mütter als Väter, wäre jedoch übereilt (abgesehen von den »charakterlich Perversen«1, die zu 90 Prozent Männer sind). Hier ist Vorsicht geboten: Umfrageergebnisse dürfen nicht auf das tatsächliche Vorkommen übertragen werden. Wenn Befragte verstärkt von bestimmten Ereignissen oder krankhaften Persönlichkeiten berichten, bedeutet das nicht automatisch, dass diese auch in der gesamten Gesellschaft vorherrschend sind.
Doch wie erklären sich die vielen Berichte über manipulative Mütter? Offenbar sind Traumagedächtnis und emotionales Erinnerungsvermögen besonders dann aktiv, wenn eine Mutter ihrem Kind nicht die bedingungslose Liebe schenkt, die es braucht. Einer manipulativen Mutter fehlt das, was man gemeinhin als mütterlichen Instinkt bezeichnet. In Fachkreisen spricht man hier von einer narzisstischen Persönlichkeit. Auch heute noch ist es schmerzvoll und schwierig, derlei Feststellungen zu treffen. Mangelnde Liebe aufseiten der Eltern oder gar seelischer Missbrauch sind in unserer Gesellschaft noch immer Tabuthemen. Ständig hören wir, dass alle Eltern ihre Kinder lieben, dass alle Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen und dergleichen mehr. Doch ob dem wirklich so ist, hängt von der Persönlichkeit der Eltern ab.
Auf den folgenden Seiten werden die Kinder solcher Väter und Mütter viele Verhaltensweisen, Äußerungen und Einstellungen beschreiben, die sie bei ihren Eltern erlebt haben, ohne zu wissen, dass sich darin eine krankhafte Persönlichkeit ausdrückt. Wenn Sie diese Erfahrungen nicht teilen, wird Sie die Darstellung derart vergifteter Beziehungen in all ihren Facetten möglicherweise irritieren.
Einige der erwachsenen Betroffenen haben darum gebeten, dass ihre Berichte entgegen den Gepflogenheiten unter ihren echten Vornamen angeführt werden. Sie erhoffen sich davon, dass die Menschen in ihrem Umfeld ihr Leiden erkennen, das so lange unausgesprochen geblieben ist. Außerdem wollen sie einen Beitrag dazu leisten, dass die Gesellschaft für das Schicksal ungeliebter Kinder, die Opfer krankhafter oder kranker Eltern sind, sensibilisiert wird. Manche haben es als Erleichterung empfunden, ihre Erlebnisse in Worte zu fassen, andere haben ihre Berichte mit einem flauen Gefühl im Magen geschrieben. Diese Erfahrungsberichte, auf die ich meine Überlegungen stütze, weisen allesamt eine erstaunliche Genauigkeit auf, obwohl manche Ereignisse schon über 40 Jahre zurückliegen.
Das »politisch korrekte« Denken verlangt, krankhaftes Verhalten in sämtlichen gesellschaftlichen Schichten gleichermaßen zu verorten. Doch der Blick auf die Wirklichkeit zeigt, dass extrem narzisstische Persönlichkeiten, die unbedingte Macht über ihre Mitmenschen ausüben wollen, sich nicht in jedem beliebigen Milieu herausbilden. Diesen Menschen ist vor allem ihr Image wichtig – und Geld. Ihre Kinder stehen bei ihnen nicht an erster Stelle. Vielmehr benutzen sie sie, um ihr narzisstisches Selbstwertgefühl zu steigern und sich im Glauben an sich selbst zu bestärken. Wie gehen sie dabei vor? Und vor allem: Woran erkennt man sie?
Dieses Buch deckt die typischen und häufig auftretenden Anzeichen von Störungen im Familiengefüge auf, die durch den Einfluss manipulativer Eltern verursacht werden. Die elterliche Manipulation zeigt sich etwa in der wiederkehrenden Anspannung, die bei jeder Familienfeier herrscht, in der fehlenden Anteilnahme der Eltern am Glück und an der Freude ihrer Kinder sowie in ihren Bemühungen, die Kinder von Menschen fernzuhalten, die ihnen mit Liebe begegnen. Dabei halten sich diese Eltern mit herabsetzenden Äußerungen – die sie in der Öffentlichkeit nur selten von sich geben – im Familienkreis nicht zurück.
Manipulative Eltern beeinflussen gezielt das Selbstwertgefühl eines oder mehrerer ihrer Kinder. Zu diesem Zweck räumen sie ihnen Sonderrechte ein oder lassen sie im Gegenteil ihre Zurückweisung auf je unterschiedliche Weise spüren. Die Berichte, die die folgenden Analysen begleiten, stammen sowohl von jungen als auch von erwachsenen Menschen. Letzteren wird oft erst durch den zeitlichen Abstand bewusst, dass und wie sehr sie etwa unter übertriebener Knauserigkeit oder einer abstrusen Kleinkariertheit gelitten haben, die bei manchen zum Beispiel dazu geführt haben, dass die Fortsetzung ihres Studiums gefährdet war.
Dass manipulative Eltern für ihre Kinder kein Mitgefühl aufbringen, ist oftmals unverständlich, da sie doch für andere Leute sehr wohl etwas zu empfinden scheinen. Menschen mit einer solchen Persönlichkeitsstruktur können in der Öffentlichkeit bestimmte Seiten ihrer selbst verbergen, während sie im privaten Kreis alle Masken fallen lassen. Ihr Umfeld erkennt weder, wie verächtlich, konfus und irrational ihre Äußerungen bisweilen sind, noch wie widersprüchlich ihr Verhalten oft ist. Einer der Gründe dafür ist, dass manipulative Menschen sehr gut lügen und Geheimniskrämerei betreiben können oder Dinge mit solcher Überzeugung behaupten, dass niemand auf die Idee kommt, Zweifel anzumelden. Typisch für manipulative Eltern ist außerdem, dass sie auf eine schwere Erkrankung ihres Kindes gleichgültig reagieren oder diese sogar anzweifeln. Im Gegenzug neigen manipulative Eltern – vor allem Mütter – dazu, bei sich selbst jedes kleine Wehwehchen zu dramatisieren und andauernd über Erschöpfung zu klagen.
Im Folgenden werde ich auch die verschiedenen Strategien vorstellen, die manipulative Eltern nutzen, um mithilfe ihrer Kinder ihre überzogenen narzisstischen Bedürfnisse zu befriedigen. Besonders schwerwiegend sind die Fälle, in denen ein Elternteil nicht nur manipulativ ist, sondern darüber hinaus auch seelischen Missbrauch betreibt. Dies kommt nicht so oft, aber immer noch häufig genug vor. Ich werde einige verstörende Berichte wiedergeben, die veranschaulichen, welche Schreckensherrschaft solche Eltern über ihre Kinder ausüben.
Schließlich werde ich den Blick auf die Opfer lenken. Welche Langzeitfolgen hat das Zusammenleben mit manipulativen Eltern? Wie können die Wunden geheilt und die Nachwirkungen gemildert werden, und wie kann man sich gegen künftige Angriffe schützen? Es gibt verschiedene Wege, sich dem Zugriff manipulativer Eltern zu entziehen oder zumindest ihren Einfluss einzudämmen oder zu neutralisieren.
Um jedoch den Aussagen und dem Verhalten solcher Eltern entgegentreten zu können, muss man die Merkmale manipulativer Persönlichkeiten kennen und ihre innere Struktur verstehen. In diesem Buch möchte ich Methoden aufzeigen, um manipulative Eltern zu identifizieren und das persönliche Leiden zu beenden, das schon viel zu lange dauert.