PRAXISHILFEN
Praktische Geriatrie
Der ältere Patient beim Hausarzt
Der ältere Patient beim Hausarzt, Band 6
Sterbende bis zuletzt zu begleiten, gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines jeden Hausarztes, heute nicht weniger als in früheren Zeiten. Gerade weil sich die Palliativmedizin als eigenständige Disziplin etabliert hat und die Hospizbewegung in der Gesellschaft höchste Anerkennung genießt, verlangt hausärztliche Sterbebegleitung eine ständige Aktualisierung von Wissen und Können auf diesem Gebiet. Die zunehmende Zahl älterer Patienten und ihr Wunsch, in „häuslicher“ Umgebung sterben zu können, zwingt den Hausarzt, sich fachlich versiert und kollegial auf die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der Palliative Care einzulassen.
Die Herausgeber Dr. Landendörfer und Prof. Dr. Mader sind langjährig erfahrene Hausärzte. Mit der Reihe „Praxishilfen – Praktische Geriatrie“, die in Kooperation mit der Zeitschrift Der Allgemeinarzt erscheint, stärken Sie Ihr geriatrisches Know-how. Kompakt und direkt umsetzbar lesen Sie im Band 6 das Wichtigste zum Thema „Sterbebegleitung im Alter“:
Besonderheiten der geriatrischen Palliativbetreuung
Kommunikation als Grundlage der Sterbebegleitung
Schmerzen im Alter
Geriatrisch-palliative Schmerztherapie
Symptomlast älterer Palliativpatienten
Spiritualität und Ethik am Lebensende
Vorausverfügung und Vorsorgeplanung
Umgang mit dem Betäubungsmittelrecht
Praxisgerechte
palliative Behandlungsmaßnahmen
Der neue Band von Dr. Landendörfer, Hausarzt und Geriater, legt besonderen Wert auf Praxisnähe. Zusammengefasst beschreiben seine 10 Kasuistiken alltagsnah den gemeinsamen Weg einer älteren Krebspatientin und ihres Hausarztes von der Diagnose bis zum Sterbetag. Damit wird beispielhaft dargestellt, was das Besondere einer hausärztlichen Sterbebegleitung im Alter ausmacht.
„Gerade den Hausärztinnen und Hausärzten als zentrale Ansprechpartner für ältere Menschen kommt eine besondere Bedeutung bei der Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen zu. Palliative Geriatrie erfordert Spezialwissen und viel Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen.“
Melanie Huml, MdL,
Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege
Dr.med.Peter Landendörfer ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatzbezeichnungen Klinische Geriatrie, Betriebsmedizin und Sportmedizin. Studium der Humanmedizin in Hamburg und Erlangen. Nach dem Staatsexamen 1973 Assistenzarzt in Erlenbach/Main und Scheßlitz. 1976 Niederlassung in Heiligenstadt/OFr. Seit 2005 Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin an der Technischen Universität München mit dem Schwerpunkt "Der alte Mensch beim Hausarzt". Zahlreiche Buch-und Zeitschriftenveröffentlichungen zur geriatrischen Problemen des Hausarztes.
PRAXISHILFEN
Praktische Geriatrie
Der ältere Patient beim Hausarzt
Hausärztliche Palliativmedizin im Team
Band 6
10 Kasuistiken, 26 Tabellen, 21 Abbildungen
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-87409-608-9 (EPUB)
ISBN 978-3-87409-609-6 (Mobi)
Band 6 der Reihe Praxishilfen–Praktische Geriatrie
Herausgeber der Reihe:
Dr. med. Peter Landendörfer, Geriater
Prof. Dr. med. Frank H. Mader
Fachärzte für Allgemeinmedizin, Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin an der Technischen Universität München
Autor:
Dr. med. Peter Landendörfer
Facharzt für Allgemeinmedizin, Geriatrie
91332 Heiligenstadt
Dieses Buch wurde mit größtmöglicher Sorgfalt geschrieben; dennoch sind einzelne Fehler nicht auszuschließen. Darüber hinaus ist, wie jede Wissenschaft, auch die Ernährungswissenschaft ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische
Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse. Soweit in diesem Buch eine Dosierung oder Applikation sowie sonstige Daten erwähnt werden, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass die Angaben dem aktuellen Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprechen. Es kann jedoch vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand der Originalliteraturstellen auf ihre Richtigkeit und/oder Aktualität überprüft werden.
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Titelillustration: © Claus Ast
1. Auflage 2015 |
In Kooperation mit:
Der Allgemeinarzt
www.allgemeinarzt-online.de
Vorwort |
|
Geleitwort |
|
Abkürzungsverzeichnis |
|
1. |
Hausärztliche Sterbebegleitung |
1.1 |
Was ist im Alter anders? |
1.2 |
Sterbeorte |
1.3 |
Herausforderungen |
2. |
Kommunikation als Grundlage der Sterbebegleitung |
2.1 |
Konfrontation mit Sterben und Tod |
2.2 |
Hilfen für die Gesprächsführung |
2.3 |
Kommunikation mit Dementen |
3. |
Versorgungsstrukturen |
3.1 |
Allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung |
3.2 |
Palliative Care Team (PCT) |
3.3 |
Hospizvereine und Hospize |
4. |
Messinstrumente in der Palliativmedizin |
5. |
Schmerzen |
5.1 |
Schmerzen im Alter |
5.2 |
Schmerzanamnese |
5.3 |
Schmerzarten |
5.4 |
Medikamentöse Schmerztherapie |
5.5 |
Koanalgetika und adjuvante Substanzen |
6. |
Gastrointestinale Symptome |
6.1 |
Anorexie-Kachexie-Syndrom |
6.2 |
Diagnostik |
6.3 |
Therapie |
6.4 |
Enterale/parenterale Ernährung |
7. |
Husten und Atemnot |
7.1 |
Husten |
7.2 |
Atemnot |
7.3 |
Terminale Rasselatmung |
7.4 |
Notfall „Finale Atemnotattacke“ |
8. |
Angst und Depression |
8.1 |
Angst und Angstbewältigung |
8.2 |
Depression |
9. |
Hautprobleme |
9.1 |
Hautpflege als palliative Basistherapie |
9.2 |
Wundbehandlung nach palliativen Grundsätzen |
9.3 |
Symptomkontrolle bei palliativen Wunden |
9.4 |
Problembereich: Aszites |
10. |
Spiritualität, Ethik und Rechtsfragen am Lebensende |
10.1 |
Hausarzt und Spiritual Care |
10.2 |
Ethische Fragen am Lebensende |
10.3 |
Rechtliche Fragen zur Vorausverfügung und Vorsorgeplanung |
11. |
Finalphase und Tod |
11.1 |
Finale Symptomkontrolle |
11.2 |
Palliative Sedierung |
12. |
Literaturhinweise |
13. |
Anlagen |
Die Begleitung seiner sterbenden Patienten ist so alt und so selbstverständlich, wie es den Beruf des Hausarztes gibt. In meinen nun fast 40 Jahren hausärztlicher Tätigkeit konnte ich viele Patienten beim Sterben begleiten und habe diesen Dienst in Dankbarkeit für ihre Treue zu meiner Kunst immer gerne getan. Nach wie vor sterben die allermeisten Menschen in „häuslicher“ Umgebung. Und so ist der „alte Hausarzt“ auch weiterhin der Begleiter seiner sterbenden Patienten.
Zwei wesentliche Voraussetzungen müssen ihn für diesen Dienst auszeichnen: zunächst einmal das fachliche Können: Das hat sich durch den Segen der modernen Palliativmedizin grundlegend geändert. Vielen Patienten ist dadurch die Angst vor dem Sterben genommen und so entzieht sie jedwedem Gerede über die Sinnhaftigkeit einer aktiven Sterbehilfe alle Argumente.
Ein Zweites ist seine Haltung. Gerade auf dem letzten Abschnitt einer Lebensreise zeichnet sich die persönliche Haltung des Arztes durch eine „metaphysische Ehrfurcht“ vor dem Patienten aus. Viktor von Weizsäcker, der große Arzt, Forscher und Philosoph, hat dies so ausgedrückt: „Realisierbar ist das Wollen nur, wenn man es realisieren kann, und so ist es gebunden an ein Können. Sein Wert entstammt aus dem Dürfen, seine Wirklichkeit hängt am Können. Das Dürfen zieht es mit seiner Kraft an, dem Können schleppt es sich nach.“
Danken möchte ich an dieser Stelle der Bamberger SAPV unter Leitung von Kollegen Dr. Jörg Cuno. Vielen meiner Patienten wurde damit der letzte Lebensweg leichter gemacht. Mir sind sie stets eine wertvolle fachliche und kollegiale Ergänzung.
Ebenso möchte ich meinem Hausapotheker Pharmazierat Dr. Günter Beck für die fachliche Überprüfung der pharmazeutischen Inhalte danken.
Dr. med. P. Landendörfer
Heiligenstadt, Mai 2015
Gewidmet meiner Frau Maria
und unserem Sohn Kilian
Der demographische Wandel ist in vollem Gange. Von den heute Geborenen wird weit über die Hälfte ein Alter von 80 Jahren und mehr erreichen können. Im Älterwerden liegen zweifellos Chancen für die moderne Gesellschaft, gleichzeitig gehen damit auch Risiken einher. Beispielsweise treten zunehmend komplexere Krankheitsbilder und Symptome auf.
Zu einer modernen geriatrischen Versorgung gehört neben der Prävention, Kuration und Rehabilitation auch die Palliatiwersorgung. Ziel von Palliative Care ist es, durch eine ganzheitliche medizinischpflegerische, psychosoziale und spirituelle Begleitung schwerstkranken und sterbenden Menschen ein würdiges, möglichst symptomfreies Leben bis zuletzt zu ermöglichen.
Der Aufbau einer guten hospizlichen und palliativmedizinischen Versorgung gehört zu den großen Herausforderungen eines modernen und menschlichen Gesundheitswesens und ist erklärtes Ziel Bayerischer Gesundheitspolitik. Denn ethische und moralische Grundwerte einer Gesellschaft erweisen sich vor allem daran, wie diese mit ihren Kranken, Alten und Sterbenden umgeht.
Gerade den Hausärztinnen und Hausärzten, als zentrale Ansprechpartner für ältere Menschen, kommt eine besondere Bedeutung bei der der Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen zu. Wichtig dabei ist, dass sich alle Beteiligten regelmäßig fort- und weiterbilden. Denn palliative Geriatrie erfordert Spezialwissen und vor allem viel Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, die Rat und Informationen in dieser Broschüre suchen, viel Erfolg und Erfüllung bei ihrer weiteren Arbeit. Mein aufrichtiger Dank und meine hohe Wertschätzung gilt Ihnen allen für Ihr großes persönliches Engagement in der Betreuung und Behandlung von Schwerstkranken und Sterbenden. Mit Ihrer Arbeit leisten Sie tagtäglich einen unermesslichen Beitrag zu einer menschlichen Gesellschaft.
Melanie Huml MdL
Bayerische Staatsministerin
für Gesundheit und Pflege
AAPV |
Allgemeine ambulante Palliativversorung |
ACE |
angiotensin converting enzyme |
ÄQM |
analgetische Äquivalenz zu Morphin |
ASS |
Acetylsalicylsäure |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BMI |
Body-Mass-Index |
Btl. |
Beutel |
BtM |
Betäubungsmittel |
BtMG |
Betäubungsmittelgesetz |
BtMVV |
Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung |
d |
Tag |
EAPC |
European Association for Palliative Care |
ECOG |
Eastern Cooperative Oncolology Group |
GI |
gastrointestinal |
GKV |
Gesetzliche Krankenversicherung |
gtt. |
Tropfen |
h |
Stunde |
HWZ |
Halbwertzeit |
Inj. |
Injektion |
i.v. |
intravenös |
KPS |
Karnofsky Performance Status |
LCP |
Liverpool Care Pathway for the Dying |
Lsg. |
Lösung |
MDK |
Medizinischer Dienst der Krankenkassen |
MOR-NRI |
μ-Opioid-Rezeptor-Agonisten / Noradrenalin Reuptake-Inhibitoren |
MNA |
Mini-Nutritional Assessment |
NRI |
Noradrenaline reuptake inhibitors |
NRS |
Numeric Rating Scale |
NSAR |
Nichtsteroidale Antirheumatika |
PEB |
Plasmaeiweißbindung |
p.o. |
peroral |
PTC |
Palliativ Care Team |
QTZ |
QT-Zeit |
rekt. |
rektal |
SAPV |
Spezialisierte ambulante Palliativversorung |
s.c. |
subkutan |
SGB |
Sozialgesetzbuch |
StGB |
Strafgesetzbuch |
Supp. |
Suppositorium /en |
Tbl. |
Tablette/n |
TTS |
transdermales therapeutisches System |
UAW |
unerwünschte Arzneimittelwirkungen |
VRS |
Verbal Rating Scale |
WD |
Wirkdauer |
WE |
Wirkeintritt |
WHO |
World Health Organization |
Von professioneller Sterbebegleitung redet heute jeder. Seit die Palliativmedizin als eigene Spezialdisziplin in den Fächerkanon der Medizin aufgenommen worden und die Hospizbewegung flächendeckend etabliert ist, genießt Sterbebegleitung in der Gesellschaft höchste Anerkennung. Immer noch sterben viele, vor allem ältere Patienten zu Hause, und sie finden in ihrem Hausarzt den letzten Begleiter. Da auch sie einen Anspruch auf die Errungenschaften heutiger Sterbebegleitung haben, kann kein Hausarzt auf umfassende Kenntnis und Fertigkeiten der Palliativmedizin verzichten. Er profitiert von der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den örtlichen ambulanten Palliativdiensten. Diese sind aufeinander angewiesen und ergänzen sich in idealer Weise.
Palliative Care ist nach Definition der WHO ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen – und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, die untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. [1]
Palliative Care ist in einem möglichst frühen Krankheitszustand einzusetzen und:
bietet Erleichterung von Schmerzen und deren belastenden Symptomen;
bejaht das Leben und betrachtet Sterben als normalen Prozess;
beabsichtigt den Tod weder zu beschleunigen noch zu verzögern;
integriert die psychologischen und spirituellen Aspekte der Patientenbetreuung;
bietet ein Unterstützungssystem, um Patienten das Leben bis zum Tod zu ermöglichen;
bietet den Familien Unterstützung, mit der Krankheit des Patienten und der eigenen Trauer fertig zu werden;
wählt einen interdisziplinären Zugang, um sich mit den Bedürfnissen des Patienten und seiner Familie zu befassen, einschließlich des Beistands während der Trauerarbeit, sofern nötig;
verbessert die Lebensqualität und kann auch den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Es gilt der Grundsatz: „Nicht dem Leben mehr Zeit hinzufügen, sondern der verbleibenden Zeit mehr Leben.“ [2]
Typische Indikationen für eine palliative Behandlung sind:
Schmerzen;
Müdigkeit (Fatigue);
Übelkeit, Erbrechen;
Ernährungsstörungen;
Atemnot;
Schlafstörungen;
Anämien;
Depressionen, Ängste. [3]
Die psychosoziale Belastung gerade auch der pflegenden Angehörigen darf nicht außer Acht gelassen werden. Hausarzt und Pflege müssen sich immer wieder neu darauf einstellen.
Der ältere Mensch leidet an seiner Multimorbidität und den damit verbundenen alltäglichen Funktionsdefiziten. Mit zunehmendem Alter wird die Multimorbidität durch intermittierende akute, durchaus lebensbedrohliche Erkrankungen unterbrochen. Dennoch möchte er in seinem Rahmen sinnvoll, mit ausreichender Lebensqualität, vor allem aber in seiner selbstgewählten Umgebung leben können. Nur so kann er dieses Leben in seiner „Bedeutung für andere auch lebenswert“ erfahren. [4]
Die hausärztlich-geriatrische Betreuung kann auf die bewährten Therapiemöglichkeiten der palliativen Medizin zurückgreifen. Vital gefährliche Krankheiten sind beispielsweise:
terminale Herz-, Lungen, Nierenerkrankungen;
finale neurologische Erkrankungen, wie Schlaganfall, Morbus Parkinson;
Endstadien einer Demenz;
postoperative Komplikationen. [5]
Hausärztlich-geriatrische Palliativmedizin zeichnet sich durch eine enge Verzahnung der klassischen geriatrischen Betreuung und der speziellen Maßnahmen palliativer Versorgung aus (Tab. 1).
Zu den klassischen Problemen des höheren Alters zählen: