Geschichten von Gott in der Welt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Grafik und Gestaltung: Elke Brosch
Titelfoto: Harald Morsch
© 2016 by Bonifatius GmbH Druck · Buch · Verlag Paderborn
ISBN 978-3-89710-675-8
eISBN 978-3-89710-714-4
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme.
Gesamtherstellung:
Bonifatius GmbH Druck · Buch · Verlag Paderborn
Vom Klettern auf Bäume
Der erste Eindruck
Wie man sich bettet
Bärbel
Die Vertreibung aus dem Garten Eden
Welt der Wunder, Teil I
Wahrheiten über Träume
Wenn ihr nicht werdet …
Der Gesprächskreis I
Gottes Notizen
Montageanleitungen
Danke
Der Gesprächskreis II
Katzenstreu und Kratzbäume
Paradies und Paradas
Welt der Wunder, Teil II
Was wäre die Welt ohne Gott
Von der Erschaffung der Welt
Entschuldigung
Mein Treffen mit Ingrid
Der Gesprächskreis III
Die Weltenführung
Welt der Wunder, Teil III
Warum lässt Gott das zu? (für Anselm)
Die guten Hirten
Am Bahnhof
Die Abwesenheit
Danke an Frank Becker, Claudia Auffenberg, Walter Gödden, Gerhard Rams, Harald Morsch und Ekki für ihre Unterstützung.
Es war im August, als ich Gott kennenlernte. Ich hatte im REWE einen Zettel aufgehängt: „Gott und die Welt – Lass uns darüber sprechen“ und daran zwölf kleine Abreißzettel mit meiner Telefonnummer getackert. Ich stand gerade vor meiner Kaffeemaschine und sah zu, wie der Kaffee durchlief, als mein Handy klingelte. Natürlich klingelte es nicht, sondern der „Walkürenritt“ von Richard Wagner schreckte mich aus meinen Gedanken. Fast ein wenig ungehalten meldete ich mich mit einem knappen „Ja?“.
„Bin ich da richtig? Ich habe Ihren Aushang gelesen.“
„Sie meinen ‚Gott und die Welt‘?“
Am anderen Ende war es so lange still, dass ich mir den inzwischen durchgelaufenen Kaffee in die Tasse schütten konnte.
„Ja“, sagte die sanfte Stimme, „‚Gott und die Welt‘. Ist das noch aktuell?“
Ich nahm einen Schluck Kaffee und schaute auf die Zeitung. Im August schienen sich alle zu langweilen. Die „Saure-Gurken-Zeit“ drängelte sich in den Lokalteil.
„Kinder klettern nicht mehr auf Bäume“, murmelte ich.
„Was meinen Sie?“, fragte die Stimme.
Ich versuchte ein Gähnen zu unterdrücken, welches mir nur halbwegs gelang.
„Entschuldigen Sie“, sagte ich. „Ich bin noch nicht ganz wach.“
„Warum sind sie noch nicht wach?“
Ich wollte nicht von meinen Schlafstörungen erzählen.
„Ich habe nur in der Zeitung gelesen, dass Kinder nicht mehr auf Bäume klettern.“
Es trat wieder dieses sonderbare Schweigen ein, als hätte ich etwas Wichtiges gesagt, über das man erst nachdenken musste.
„Kinder klettern nicht mehr auf Bäume“, wiederholte die Stimme. „Vielleicht wissen sie nicht, dass man so zum Himmel kommt.“
Ich lachte. Ich war nicht überrascht, dass mein Aushang besonders die komischen Vögel anlocken würde. Ich hatte gestern von einer Frau geträumt, die in viel zu großen Schuhen durch die Stadt stöckelte. Heute sah ich einen Mann in einem Restaurant, der so lange daran glaubte, dass kein Salz aus dem Salzstreuer kam, bis seine Suppe versalzen war. Alle waren auf dem Weg zu mir.
„Die Anfrage ist noch aktuell“, sagte ich. „Ich suche einen Gesprächskreis, in dem man ungezwungen über Gott und die Welt reden kann.“
„Ich bin dabei.“
„Das ist schon mal ein Anfang“, sagte ich. „In Wahrheit sind Sie bisher der Einzige, der sich gemeldet hat. Sonst hat noch niemand sein Interesse bekundet.“
Bevor der Anrufer den nächsten Satz aussprechen konnte, ahnte ich schon, dass er ihn sagen würde.
„Vielleicht wissen sie nicht, dass man so zum Himmel kommt.“
Ich war als Kind gerne auf Bäume geklettert. Es reizte mich, immer einen Schritt weiter zu gehen, als ich mich eigentlich traute. Komischerweise hatte ich mehr Angst, wieder den Baum herunterzuklettern. Warum konnte man nur mit Mut den Himmel erreichen, und warum durfte man dort nicht bleiben?
„Die Kinder haben heutzutage Angst, dass ihnen beim Bäumeklettern das Smartphone aus der Tasche fällt“, sagte ich.
Hinter mir lachte jemand. Meine Mitbewohnerin Bärbel saß in der Küche und spielte mit ihren Katzen. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. Sie musste die Nacht auf dem Sofa verbracht haben. Ich ignorierte sie einfach, was manchmal das Beste war, wenn man keine schlechte Laune bekommen wollte.
„Ich glaube nicht“, entgegnete die Stimme am Handy. „Wir brauchen nur mehr Vertrauen.“
Ich schaute auf die Küchenuhr. Es war noch keine 8.00 Uhr. Kein Wunder, dass ich so lange brauchte, bis unser Gespräch zu mir durchdrang. Wer rief denn so früh an?
„Dann bleibt es dabei?“, fragte ich ungeduldig.
„Ich freue mich“, sagte die Stimme. „Lassen Sie uns über Gott und die Welt reden. Vielleicht erfahre ich dadurch mehr über mich.“
Ich blickte aus dem Fenster. Die Sonne schien. Nach dem Regen in der Nacht glänzten Baum, Strauch und Wiese.
„Am besten treffen wir uns im Domcafé“, sagte ich. „Morgen habe ich Zeit. 15.00 Uhr ist Kaffeezeit, da kann man sich gut unterhalten und Kuchen essen.“
„Mir soll es recht sein. 15.00 Uhr passt gut.“
„Wie erkenne ich Sie?“, fragte ich und kam mir vor wie in einem Agentenfilm.
„Sie werden mich schon erkennen.“
Wollte er singend das Café betreten? Hockte dann ein Hase auf seiner Schulter? Trug er eine Schützenuniform? Ich war skeptisch. Was wusste ich schon über meinen Gesprächspartner. Ich hatte nichts in der Hand. Hinter mir stand Bärbel auf und trug ihre beiden Katzen aus der Küche, als wäre das, was nun beredet wurde, nicht für Katzenohren bestimmt. Ich räusperte mich.
„Wenn ich Sie noch nach Ihrem Namen fragen dürfte?“
„Gott“, sagte die Stimme.
„Gott?“, wiederholte ich, als hätte ich ihn nicht verstanden. „Gott wie Gott?“
„Genau“, hörte ich. „Gott wie Gott. Ganz einfach.“
Ich war sprachlos. Da wollte mich doch jemand auf den Arm nehmen? Ich schüttelte den Kopf und vergaß, was ich fragen wollte.
„Sie wollen mich doch kennenlernen“, sagte die Stimme. „Sie bekommen Infos aus erster Hand. Lassen Sie uns über Gott und die Welt reden.“
Ich nickte. So begannen meine Geschichten mit Gott.
Ich saß im Domcafé und war gespannt, ob ich Gott erkennen würde. Umgab ihn ein Heiligenschein? Natürlich kannte ich all die Darstellungen, mit denen sich Menschen ein Bild von ihm machten. Man kam einfach nicht an Gott vorbei. Dachte ich nicht sogar beim Aufgehen der Sonne an ihn? Spürte ich nicht seine Gegenwart, wenn das Licht sich durch die Bäume brach? Sah ich nicht sein Bild vor mir, wenn ich einsam war und voller Furcht? Was sollte ich nur machen, wenn mir Gott nicht sympathisch war? Wie würde ich reagieren, wenn Gott so aussah wie mein Nachbar, Herr Möllmann?
Ich schaute auf die Uhr. Gott war zu spät. Was war denn das? Sollte die Welt ursprünglich in fünf Tagen erschaffen werden? Unpünktlichkeit konnte ich nicht ertragen. Auf einen ersten guten Eindruck schien Gott nicht viel Wert zu legen. Ich fragte mich sofort, ob ich ihm das richtige Café genannt hatte. Vielleicht saß Gott im Café Röhren und wartete dort, am Fenster sitzend, auf mich. Ich schaute mich um. War Gott schon hier und ich hatte ihn nur noch nicht erkannt?
Das Domcafé war wie immer gut gefüllt. Sogar im hinteren, abgetrennten Teil saß eine Reisegruppe und wollte es sich bei Kaffee und Kuchen gemütlich machen. Die Geräuschkulisse klang aufgeregt und übermütig, so überbrückte man die Zeit, bis endlich der Kuchen kam. Ein Verliebter mit Blumen kam herein und setzte sich zu der Frau, die direkt neben der Kuchentheke saß. Sie küssten sich. Theoretisch konnten alle Gott sein, außer vielleicht dem Mann, der gerade seinen Kaffee anmahnte. Ich hoffte, dass Gott mit der Welt ein wenig geduldiger war.
Einen Tisch weiter saß Herr Zielitz, der immer dort saß und von dem man nicht wusste, was er machte, außer dass er immer in diesem Café saß und Zeitung las. Er hatte früher mal Zigarren geraucht. Das fehlte mir. Es sollte Ausnahmen geben. Meinetwegen sollten alle in diesem Café das Rauchverbot einhalten müssen, aber nicht Herr Zielitz. Er sah ohne seine Zigarre gar nicht wie Herr Zielitz aus. Wir nickten uns zu. Ich stellte mir gerade vor, dass ich in einem großen Kaufhaus unterwegs wäre und auf Gott warten müsste, dann könnte ich ihn ausrufen lassen. „Gott, bitte an der Information melden!“
„Entschuldigen Sie meine Verspätung“, sagte plötzlich eine Stimme. „Ich wurde aufgehalten.“
Ich blickte auf. Vor mir stand Gott. Gott, trug einen Trainingsanzug und lachte mich an. So sah Gott aus. Ich erkannte mich in ihm wieder. Wie hatte ich nur zweifeln können. Alles war so einfach. Gott kam durch die Tür eines Cafés und ließ alle Wunder aus, außer dass er lächelte. Er setzte sich zu mir und reichte mir die Hand. „Gott“, stellte sich Gott vor. „Ich weiß“, sagte ich und wunderte mich, dass ich mich nicht unter dem Tisch verstecken wollte.
„Der erste Eindruck kann sehr wichtig sein“, sagte ich. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht enttäuscht.“
Gott griff nach der Speisekarte und blätterte darin.
„Ich hatte mal eine Freundin, da war der erste Eindruck nicht so gut“, sagte ich. „Und trotzdem waren wir drei Jahre zusammen. Das geht auch, aber es war halt nicht so schön. Außer wenn man Ärger mag.“
Was redete ich denn da? So banales Zeug interessierte Gott sicher gar nicht.
„Kennen Sie das Tages-Du?“, fragte Gott plötzlich. „Man erzählte mir, dass Golfspieler es nutzen. Man duzt sich an dem Tag, wo man miteinander Golf spielt, und ansonsten bleibt man beim ‚Sie‘.“
Schlug mir Gott gerade vor, dass wir uns duzten? Natürlich duzte ich Gott, wenn ich zu ihm betete, aber wenn er einem so leibhaftig gegenübersaß, war die Annäherung doch etwas gewagter.
„Meine Mutter“, stammelte ich, „fährt sogar mit ihrem Auto, bevor sie es in die Werkstatt bringt, durch die Waschstraße, damit die sensiblen Jungs beim Reifenaufziehen einen guten Eindruck von dem Auto kriegen. Ist das nicht rührend?“
Gott ließ mich reden.
„Ich habe dann zu ihr gesagt: Das ist genauso, als wenn man eine wichtige Operation vor sich hat und geht vorher noch mal zum Friseur.“
„Und dann sagt der Arzt, dass der Gesundheitszustand leider bedenklich ist, aber der Friseur sei klasse“, schloss Gott meinen Monolog ab.
Ich lachte erleichtert. Gott hatte Humor, nun verstand ich einiges auf der Erde besser.
„Ich heiße Gregor“, sagte ich und gab Gott die Hand.
„Gott“, sagte Gott. „Nenn mich einfach Gott.“
Ich konnte es kaum glauben. Ich befand mich im Tages-Du mit Gott. Welch ein Fortschritt. Mein erster Eindruck muss gut gewesen sein.
„Woher haben Sie denn …“, ich verbesserte mich. „Ich meine natürlich: Woher hast du denn diesen Trainingsanzug?“
Gott zeigte mir stolz die Streifen auf Hose und Jacke.
„Ich erinnere mich gerade daran, was die Menschen für einen ersten Eindruck hinterlassen, wenn sie auf die Welt kommen“, sagte Gott.
Ich nickte zustimmend, ohne genau zu wissen, auf was Gott hinauswollte.
„Wir sehen so zerknittert aus. Wir weinen, sind hungrig, können alleine keinen Schritt machen“, sagte ich.
Die Bedienung stand an unserem Tisch: „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Ja“, sagte ich. „Bringen sie mir und … meinem Gast einen Kaffee? Danke.“
„So ist es“, nahm Gott den Faden wieder auf. „Die Babys brauchen jemanden, der ihnen hilft, auf die Beine zu kommen. Alleine könnten sie das Leben nicht meistern.“
Ich putzte mir die Nase.
„Und wie komisch wir aussehen. Manche Babys haben gar keine Haare, andere sehen aus wie Hippies. Wie klein, zart und hilflos wir sind.“
Gott nickte.
„Und trotzdem werden wir geliebt“, sagte Gott. „Und weißt du, warum?“
Ich dachte nach.
„Weil wir Verwandtschaft sind?“
„Ja, wir sind alle miteinander verwandt.“
Gott nickte.
„Wir helfen allen, die in Not sind“, sagte Gott. „Wir rücken zusammen, wenn jemand Platz braucht. Wir geben ab, wenn jemand nichts hat.“
Ich trank einen Schluck von meinem Kaffee.
„Wir helfen, weil wir alle miteinander verwandt sind“, fasste ich zusammen. „In dieser Stadt sind auf jeden Fall alle miteinander verwandt.“
Gott stand auf und umarmte mich. Ich ließ es geschehen, obwohl es mir ein wenig peinlich war.
„Da bin ich aber froh, dass wir alle miteinander verwandt sind“, rief Gott aus und schaute sich im Café um. Der Gedanke war so betörend, dass wir uns alle zunickten und geborgen fühlten.
Wir ließen es draußen Abend werden. Als das Domcafé schloss, ging ich mit Gott durch die Stadt. Die Glocken läuteten. In einem Tchibo-Schaufenster entdeckte ich den Trainingsanzug, den Gott trug. Ich fragte mich, wie Gott vorher angezogen war. Vielleicht war der erste Eindruck nur denen wichtig, die schnell einen afrikanischen Elefanten von einem indischen Elefanten unterscheiden mussten. Vor der Franziskanerkirche saß ein Mann in einem Rollstuhl und spielte ein Lied auf der Gitarre. Auch er trug den Trainingsanzug, der im Augenblick so angesagt war. Gerade stimmte er ein Lied an, das ich nicht kannte. Ich sang trotzdem mit. Was hatte ich schon zu befürchten? Ich hatte Gott in meinem Chor.
Gott ist mir schon einer. Ich war überrascht, wie viel Vertrauen er in uns Menschen hatte. Erst stellte sich heraus, dass er keinen Schlafplatz hat und dann, dass ihm das letztendlich egal war. Ich meine, man muss doch einen Platz in der Welt haben, wo man zur Ruhe kommen kann.
„Ich bin müde“, sagte Gott. „Ich möchte schlafen.“
Zum Glück hatten noch alle Läden auf. Wir brauchten eine Matratze. Gott brauchte eine Matratze. Wir steuerten gleich das nächste Concord-Matratzen-Lager an.
„Du hast kein Gästebett?“, fragte Gott.
„Heiße ich Hilton?“, sagte ich. „Komme ich gelaufen, wenn man ‚Zimmerservice‘ ruft?“
Gott schien sich ganz auf mich zu verlassen. Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte ich das nur Bärbel erklären? Bärbel hieß meine Mitbewohnerin. Wir wohnten zusammen in zweieinhalb kleinen Zimmern, die nur durch einen langen Flur getrennt waren. Eigentlich wohnte Bärbel gar nicht mehr dort, aber sie hatte es noch nicht geschafft auszuziehen, und so improvisierten wir ein wenig und spielten WG.
„Ich wohne in einer WG“, sagte ich.
„WG?“, fragte Gott hoffnungsvoll. „Du hast einen Wintergarten?“
„Nein“, sagte ich, „WG steht für Wohngemeinschaft.“
Gott klatschte in die Hände, was Gott oft tat, wenn er erfreut war.
„Eine Wohngemeinschaft ist großartig, da seid ihr doch auf Gäste eingerichtet.“
Ich nickte, aber mehr nach dem Motto: Warte ab, bis du Bärbel getroffen hast.
Bärbel hatte Angewohnheiten, die mich nicht nur an schlechten Tagen auf die Palme brachten. Zum Beispiel ließ sie überall ihre Strümpfe liegen. Es war erstaunlich, an welchen Orten ich schon einen Strumpf von ihr gefunden hatte. Wenn sie geduscht hatte, konnte man das Bad nur mit Stiefeln betreten. Morgens rauchte sie bereits und drückte dann die Zigarettenkippen in einem Eierbecher aus. Das machte sie nicht gerade zur Mitbewohnerin des Jahres. Sie nervte mich einfach so sehr, dass ich oft ungerecht zu ihr war, und das nervte mich am meisten.
Wir fuhren zum Frankfurter Weg, wo das Matratzenkaufhaus Concord in einer Art Container untergebracht war. Gott konnte unmöglich auf dem Sofa in der Küche schlafen, zumal auf dem die zwei Katzen von Bärbel schliefen und es ihnen sogar als Kratzbaum diente. Bärbel selbst hatte nur ein kleines Zimmerchen am Ende des Flurs, welches mal ein begehbarer Wandschrank gewesen war. Wie gesagt, wir wohnten sehr beengt, zumal Bärbel selbst eine Fabriketage in Nullkommanix mit ihren Klamotten verstopfen würde.
„Mach dir keine Umstände“, sagte Gott. „Ich bin mit allem zufrieden.“
„Das muss in der Familie liegen“, sagte ich. „Ein wenig wohnlicher als in einem Stall ist es bei mir schon.“
Gott lachte, als er den Witz endlich verstanden hatte. Wir schauten uns um. Gott war begeistert. Er fand Matratzen Concord wundervoll. Eine Matratze hatte Gott noch nie gekauft. Freudestrahlend hörte er der Schlafberaterin zu, die uns gleich am Eingang abfing und Gott mit ihrem Lächeln umwarb.
„Die richtige Matratze und das richtige Schlafumfeld sind die wichtigsten Faktoren für einen optimalen Schlaf“, säuselte die Verkäuferin. „Durch die Erstellung Ihres ganz persönlichen Schlafprofils sind wir in der Lage, Sie umfassend und kompetent zu beraten.“
„Halt“, sagte ich. Das ging mir alles viel zu schnell. Gott durfte nicht gleich jedem vertrauen, der uns etwas verkaufen wollte.
„Darf ich etwas zum Schlafumfeld beifügen?“, fuhr ich ihr ins Wort. „Über uns wohnt ein Schlagzeuger und unter ihm haben alle wenig Geld.“
Die Schlafberaterin schluckte. Ich hatte sie aus dem Konzept gebracht. Aber nur kurz.
„Ich empfehle Ihnen unsere 7-Zonen-Komfortschaum-Matratze Nova Perfect für nur 159,92 Euro.“
„Oh Frau Concord“, schwärmte Gott. „Sie sind perfekt.“
Ich schluckte, als ich den Preis der Matratze hörte, zumal ich begriff, dass es sich hierbei um das „Schnäppchen“ handelte.
„Ich vertraue Ihnen“, sagte Gott zu der Schlafberaterin und klatschte in die Hände. „Die Matratze ist großartig.“
Bei meinem Plan, den Preis herunterzuhandeln, sind solche Begeisterungsstürme nicht gerade hilfreich. Gott legte sich seufzend auf die Schlafunterlage.
„7-Zonen-Komfortschaum-Matratze, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, flüsterte Gott. „Da wird man schon vom Flüstern müde.“
Gott schloss die Augen.
„Wie man sich bettet, so liegt man“, flüsterte ebenfalls die Schlafberaterin.
Ich nickte.
„Können wir noch mal über den Preis reden?“
Die Schlafberaterin schaute auf Gott, der friedlich auf der Matratze lag.
„Wie können Sie nur in so einem Augenblick über Geld reden?“, tadelte sie mich.
„Wenn man keins hat, spricht man immer über Geld.“
Sie überlegte und ließ dabei mit dem Zeigefinger ihre Unterlippe federn wie ein Trampolin.
„Ich kann Ihnen dazu noch dieses Spannbetttuch schenken.“
Sie zeigte auf einen Stoß Spannbetttücher, der direkt neben der Infotheke aufgebaut war. Auf dem Spannbetttuch waren Fußbälle und das Maskottchen der letzten Weltmeisterschaft zu sehen.
„Die Weltmeisterschaft ist doch schon längst vorbei“, sagte ich.
„Ja und“, sagte sie, „Erinnerungen sind immer aktuell.“
Ich staunte. Woher hatte sie nur diese Erkenntnisse?
„Also gut“, sagte ich, „ich kaufe die Matratze, aber nur, wenn im Preis auch die sofortige Anlieferung ist.“
Sie verdrehte die Augen, aber wir hatten Glück. Sie nickte.
„So soll es sein“, sagte ich. „Packen Sie die Matratze ein. “
Gott und ich fuhren zu mir. Der Mitarbeiter des Matratzenlagers stellte uns die Matratze an die Hauswand. Zum Glück war die Matratze so biegsam, dass wir sie gut durch das enge Treppenhaus bekamen.
„Heute werde ich schlafen wie ein Murmeltier“, flüsterte Gott.
Ich stand unten und trug. Gott ging voran und zog.
„Kann es sein, dass man automatisch leise spricht, wenn man eine Matratze in den Armen hält?“, bemühte ich mich bewusst laut zu sprechen.
„Pssst“, machte Gott
Ich schloss die Wohnungstür auf.
„Hallo?“, rief ich. Wir hatten Glück. Meine Mitbewohnerin Bärbel war nicht zu sehen, nur ihre Katzen schlichen durch die Wohnung und hielten für sie die Augen offen. Als ich mich zu Gott umdrehte, hatte er bereits die Matratze am Fuß meines Bettes abgelegt und bedankte sich für den Tag.
„Wenn man gut betet, dann schläft man auch gut“, flüsterte Gott.
Ich gähnte. Matratzen kaufen macht müde. Danach schlief ich so tief, wie schon lange nicht mehr. Ich träumte davon, dass Gott mich besuchen würde.
War das nur ein Traum?
Als ich am nächsten Morgen in die Küche kam, saß Bärbel am Frühstückstisch und gähnte. Gott stand vor dem Fenster und prüfte die Blumenerde des Kaktus, der auf unserer Fensterbank stand. Meine Mitbewohnerin sah blass und müde aus. Sie fuhr Taxi und war gerade von ihrer Nachtschicht gekommen.