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WAHRE
HALLUZINATIONEN

Terence McKenna

WAHRE
HALLUZINATIONEN

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Impressum

Verlegt durch:

NACHTSCHATTEN VERLAG AG

© 2016 deutsche Rechte bei Nachtschatten Verlag AG

Unveränderter Nachdruck des 1989 bei Sphinx Medien Verlag Basel erschienenen Buches.

Originaltitel: True Hallucinations

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald, Lüterkofen

ISBN 978-3-03788-506-2

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronischer digitaler Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlages erlaubt.

INHALT

Willkommen zu Wahren Halluzinationen!
von Micky Remann

Einleitung

1 Das Geheimnis ruft

2 In des Teufels Paradies

3 Einen geisterhaften Pfad entlang

4 Das Lager aufgeschlagen, dort, wo ein Eingang ist

5 Eine kurze Begegnung mit dem Anderen

6 Intermezzo in Kathmandu

7 Eine violette Psychoflüssigkeit

8 Das geklärte Opus

9 Ein Gespräch über fliegende Untertassen

10 Das Opus wird fortgesetzt

11 Das Experiment in La Chorrera

12 Im Strudel

13 Im Spiel auf den Feldern des Herrn

14 Im Rückblick

15 Eine fliegende Untertasse voller Geheimnisse

16 Die Rückkehr

17 Sag, was bedeutet das?

18 Das Kommen des Strophariaden

19 Der Anschluß Hawaii

20 Die Überseele, eine fliegende Untertasse aus Erde

21 Offenes Ende

Bibliographie

Anmerkungen

WILLKOMMEN ZU WAHREN HALLUZINATIONEN!

Geschichte, das ist doch dieser kurze, etwas ruppige Übergangstrip, dem sich Pilze essende Affen unterziehen, ehe sie erwachsen und zu freifliegenden Engeln werden. In jeder Sekunde durchlaufen sie, genau wie du und ich, die komplette Entwicklung vom Affen zum Engel und treten in Resonanz mit allen Zwischenphasen, mit vergangener wie zukünftiger Zeit und den darin enthaltenen Querverbindungen. Daß die grandiose Palette nur häppchenweise und im Halbschlaf wahrzunehmen ist, verdanken wir, die Neandertal-Engel, der sich so bezeichnenden Realität. Realität definiert als dasjenige Kuchenstück, auf welches gerade die kulturgeschichtlich sanktionierte Lampe scheint. Weil dahinter aber keine große Wattleistung steckt, stehen die Neugierigen unter den Lebenden mit einem ziemlich dürftigen und flickschusterhaften Bild des Universums wie auch des eigenen Bewußtseins da. Halluzination wird genannt, wenn du beim Sehen auf Farben stößt, die du mit dem eigenen Geist beleuchten mußt, um von ihnen zu erfahren, daß sie genauso existieren wie Giraffe, Tintenfisch und Libelle, die auch nicht irreal sind, nur weil sie aussehen, als könnte es sie gar nicht geben. Wahr werden Halluzinationen, sobald du dich erinnerst, daß es keine unwahren gibt. Und diese Erkenntnis beschwingt wie nichts auf der Welt den Umgang mit diesen.

Jetzt schaukeln wir also im Boot der menschlichen Geschichte dahin, und je höher die Wogen gegen die Bordwand schwappen, desto sichtbarer wird das Meer der Zeit, durch das wir navigieren; sein Tidenhub, seine Topographie, seine Tumulte. Die Konturen von Zeitebben und Zeitfluten erscheinen im Urnebel der auf ihre Form wartenden Gelegenheiten. Ab und zu blinkt ein Leuchtturm. Sobald nun die Affen mit Hilfe der Leuchtpilze die Zeitwellen zu einer geordneten, chaosdynamischen Landkarte zusammenfügen lernen – sie folgt den Regeln des I Ging –, können sie ihre Position orten und zugleich erkennen, wohin die Zeit die ganze Zeit geht, daß wir uns inzwischen auf dem obersten fraktalen Kamm der Gesamtgeschichtswelle befinden, kurz vor der Ziellinie, kurz vor dem Jackpot. «Es ist Zeit, mit den Engelsflügeln zu flattern!» schallt es aus allen Affenmolekülen. Die Frage lautet also: was sind das für Pilze?

Sie wehen als winzige Sporen durch die vakuumhaften Weiten des Weltalls, sie landen auf dem nächstbesten Planeten mit wohlgesonnener Biosphäre, sie wachsen heran im Dung wiederkäuender Huftiere, und sie bieten sich umherschweifenden, zweibeinigen Allesfresser-Primaten telepathisch zum Verzehr an. Kaum sind die Pilze im Zielkörper eingetroffen, verrichten sie ihren biokybernetischen Minnedienst. Sie schütteln allen Neurotransmittern des Gast-Hirns persönlich die Hände, sie schließen es ans Spinnengewebe der kosmischen Weisheit an, sie überbringen evolutionäre Grüße von den Universen nebenan, und sie öffnen ganz nebenbei sämtliche Schleusen, die das Denken und Fühlen gehemmt haben. Diejenigen, die die Pilze verzehren, sehen sich auf einem kontemplativen Trampolin durch die Ekstasen von Mythos, Kalauer, Raumfahrt, Sex und Quantenschamanismus hüpfen. Und in aller Ruhe werden sie mit der Drehzahl des großen Mysteriums synchronisiert, von wo aus es keine Rückkehr in die selbstverschuldete Doofheit von Second-Hand Erkenntnis und institutionalisierter Sozialverkalkung mehr gibt.

Warum machen die Pilze das? Andererseits, warum nicht? Vielleicht bereitet es ihnen maßloses Vergnügen, hunderttausendmillionenjährige Rumpelstilzchen zu spielen; vielleicht sind sie geil darauf, zur planetaren Intelligenzverschönerung beizutragen, wo immer sie einen Planeten mit rudimentärer Intelligenz antreffen; vielleicht lassen sie spaßeshalber eines dieser Dialogprogramme laufen, bei denen selbstreflektives Schöpfungsbewußtsein aus mechanischen Reflexinstinkten wächst wie Mandelbrots «Apfelmännchen»-Geometrie aus dem Garten von Euklid. Manchmal verkleiden sich die Pilze auch als außerirdische Invasoren. Das tun sie aus Mitleid mit unserer Einfalt, weil wir uns nichts Besseres vorstellen können, und um uns nicht unnötig damit zu beunruhigen, wer oder was sie wirklich sind.

Oder die Mayas in Mexiko. Je mehr Pilze sie verzehrten, desto präziser wurde ihre Astronomie. Europa hingegen verbrannte seine pilzkundigen Astronominnen und zog dann mit Rachsucht im Herzen aus, um auch den Rest der Welt mit dem eigenen Manko in Einklang zu bringen.

Bewußtseinsintensivierende Pflanzen gehören zur Ökologie des Kosmos wie bewußtseinsintensivierende Endorphine zur Neurologie von Säugetieren. Ein Mensch ohne sie ist wie ein Bienennest ohne Bienen. Oder wie ein Computer ohne Software, und der ist ungefähr so viel wert wie ein solider, doch etwas sperriger Briefbeschwerer. Unglücklicherweise unternehmen die unter ihrem Eigengewicht ächzenden Briefbeschwerer der westlichen Welt alles, um die brachliegende Realität ihres Nervensystems, das heißt die Freiheit von Erleuchtung und Abenteuer nicht wahrnehmen zu müssen, und New Age ist über weite Strecken der Versuch, high zu werden, ohne Drogen zu nehmen. Nenne es Hyperspace oder Ewigkeit, aber irgendwann schlägt die psychedelische Vorschau in Kunst und Wirklichkeit um wie Dada in den Duden. Schon sind UFOs und andere voll bizarrem Mitgefühl strotzende Hebammen der menschlichen Überseele dabei, uns einzulotsen. Die Antwort müssen wir nicht suchen, wir müssen ihr nur ins Gesicht sehen. Die Antwort wächst mitten unter uns, sie lehrt uns die Ehe zwischen menschlicher und pflanzlicher Intelligenz und verkündet die Entkreuzigung der Großen Göttin, auf daß unter dem Glanze ihres Busens alle fühlenden Wesen die ihnen angemessenen geo-tantrischen Beziehungen eingehen.

Einmal nur habe ich Terence McKenna deprimiert erlebt. Das war, als er den Gedanken äußerte, es könne ein Mensch sterben, ohne je ein markantes psychedelisches Erlebnis gehabt zu haben. Terence McKenna vertritt die Auffassung, daß das einzig Unwichtige an der psychedelischen Erfahrung der Versuch sei, sie für irrelevant zu erklären.

Viele Leute können hellsehen, Terence kann hellsprechen. Daß er bei gewissen ethnopharmakologischen Anlässen drei Dutzend neue Naturgesetze in radikal obskuren Milchstraßen auf einmal entdeckt, ist die eine Sache, die im Prinzip jeder und jede nachvollziehen kann. Die andere, auf lange Sicht bedeutendere, ist Terences Bereitschaft, seine Entdeckungen verstandesmäßig zu überprüfen, und koste es, daß sie ihm selbst unglaublicher erscheinen, als seinem inzwischen recht zahlreichen Publikum.

Ein Interviewer des «L. A. Weekly» fragte ihn unlängst, welches denn die organisch-planetaren Werte jenseits des Konsumdenkens seien. Terence antwortete: «Nun, das Leben hat Vorrang, vor dem Tod brauchen wir uns nicht zu fürchten, die Sexualität ist die Glorie der Lebenserfahrung und so weiter und so fort …»

McKennas naturphilosophische Eluzidationen klingen im menschlichen Ohr wie ein Rockfestival von Elfen, Kobolden und Nymphen, die aber allesamt in Berkeley studiert haben («die erste Pflicht eines politischen Aktivisten ist, sich zu psychedelisieren») und die zusammen mit keltisch-poetischen Extraterrestriern Forschungsfahrten über die Teller der Wissenschaft hinaus in die Dschungel des Amazonas unternehmen. Von nicht mehr und nicht weniger künden die vorliegenden Wahren Halluzinationen.

Weil kein amerikanischer Verleger sie drucken wollte, zirkulierten sie jahrelang als «Talking book» in Kassettenform, vom Autor selbst besprochen. Es ist sicher kein Zufall, daß die Spielzeit der Tapes identisch ist mit der Fahrzeit eines Greyhoundbusses zwischen San Francisco und Los Angeles, wo ich sie das erste Mal hörte. Vorher war ich Terence bei der Ojai Foundation in Südkalifornien begegnet. Er trug eine punkige Sonnenbrille, saß unter einer Eiche und erläuterte anhand eines sonnenkollektorbetriebenen Apple Computers die vier Zöpfe, an denen wir uns aus dem zeitgenössischen Sumpf in die galaktische Mainstream-Transzendenz emporziehen werden: der Feminismus, Kybernetik, Weltraum und Psychedelik. Ich war begeistert! Seitdem zitiere ich gern freimütig aus dem Füllhorn seines Gedankenguts, allerdings, wie auch im Falle vorliegender Zeilen, nicht immer mit vollständiger Quellenangabe, und die einzige Entschuldigung für diesen Raub sehe ich in der Tatsache, daß das endgültige Copyright hier nicht bei Terence, der Person, sondern bei McKenna, dem Pilzgeist liegt.

Terence McKenna ist alles andere als ein Luftkopf. Nicht nur ist er ein Familienvater und profilierter Exponent des psychedelischen Rationalismus, sondern auch der große junge Mann einer skeptischen Halluzinologie. Die Debatte um diese Disziplinen wird spätestens dann öffentlich werden, wenn wir aufhören zu glauben, daß irgend eine physische Autorität oder metaphysische Ideologie irgend eine Antwort habe, der wir mehr trauen müßten als unserem Geburtsrecht auf gnostische Selbsthilfe. Das anhaltende Phänomen «Leben», das uns stets aufs neue mit seinem spendablen Dasein erstaunt, ist genetisch nicht haltbar ohne die Dimension des Numinosen, ohne die Eigenerkenntnis des sich selbst reflektierenden Unsichtbaren. Seine Facetten mögen außerlogisch scheinen, doch seine Schönheit hat Methode. Expeditionen dorthin werden nie aufhören und nie langweilig. Indem sie sie betreten, erschaffen die Helden und Heldinnen die Kaleidoskope, die zu erkunden sie ausgefahren sind. Kein Wunder, daß unbotmäßige Einsichten ihnen entgegenflitzen wie Glühwürmchen oder Meteoriten in einer lauen Sommernacht. Wußtest du schon, daß die Sprache, der Logos schlechthin, ein Geschenk der Pilze an die Affen war, um sie zum Fliegen zu befähigen? Als Eva und Aladin erstmals an jener Frucht nibbelten, blickten sie prompt in die paradiesische Wunderlampe und waren so baff, daß sie Sprache erfinden mußten, um ihrer erkenntnistheoretischen Verblüffung Ausdruck zu verleihen. Aber ihre Erben sprachen sie schuldig und verstiegen sich im Laufe der Jahrtausende zu der feigen Blasphemie, daß man zur Erkundung des Universums zwar eine Bibel, vielleicht auch ein Fernrohr, nicht aber eine psychoaktive Pflanze heranziehen dürfe. Und wußtest du schon, daß erst das müßige Rauchen von Hanf die Idee hervorbrachte, kunstvoll-dreidimensional geflochtene, auch ökonomisch nützliche Stricke aus ihnen herzustellen?

Wo die pflanzliche die menschliche Weisheit symbiotisch nährt, offenbart sich die wahre Natur auch der kybernetischen Intelligenz. Man nennt einen Computer «Apple», Apfel, weil die post-historische Biologie im Apfel einen aboriginalen Computer weiß. Daß wir überhaupt eine Unterscheidung zwischen Drogen und Computern treffen, unterstreicht nur, wie wenig wir von beiden verstehen. Mein Neuer Mac VI ist ein goldener Ohrring, der vom Bewußtsein aus bedient wird und über ein Modem mit dir, ja mit dir, sowie mit deiner Freundin oder deinem Freund und dem Rest der Schöpfung verbunden ist.

Die Reise unter die Oberfläche des kartographierten Weltgeistes erfordert genausoviel Aufmerksamkeit wie sie die portugiesischen Entdecker im 15. und 16. Jahrhundert aufbringen mußten, um an den Gestaden Afrikas, Asiens und Amerikas nicht auszuflippen.

Mit Hilfe pflanzlicher Fregatten für die Segelfahrten des Bewußtseins kann jede Person zum Magellan im Wohnzimmer, zum Vasco da Gama der Futonmatratze werden. Darüber hinaus weisen die psychedelischen Kontinente den Vorteil auf, daß ihre Flora und Fauna studiert, aber nicht ausgeschlachtet werden kann; daß ihre einheimischen Stämme und Zivilisationen, deren es unzählige gibt, zwar äußerst kontaktfreudig sind, sich aber jeder Kolonialisierung hohngrinsend entziehen; daß ihre Heimatdimensionen zwar besucht, sogar bewohnt, aber offenbar nicht erobert werden können.

Oder täuschen wir uns da? Finden wir schon morgen im Immobilienteil der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» annonciert: Herrliche psychedelische Grundstücke in günstiger Lage zu verkaufen, neurologische Autobahnabfahrt ganz in der Nähe, ideal für Einfamilieneigentumshalluzinationen. Seriöse Interessenten wenden sich ans Maklerbüro Hyper, Space & Braincash Ltd.?

Betrachtet man eine Substanz unter dem Aspekt, ob sie auf das Denken einen reduzierenden oder einen erweiternden Einfluß ausübt, ob sie das Verhalten dumpf oder beweglich macht, ist Terence McKennas pro-psychedelische Position eine Anti-Drogen-Position. Denn die gängigen Pillen, Rauch und Schniefwaren, Psychochemikalien und Fernsehshows wirken sich auf die Vielfalt und Gesundheit der Hirnsynapsen aus wie Zement, machen süchtig nach mehr Zement und sind aus diesem Grunde meist ebenso legal. Pflanzlich-schamanische Psychedelika hingegen ätzen mit ihrem wonnigen elan vital alle Paradigmen auf, besonders die liebgewonnen eigenen, sie lösen Loyalitäten zu allen Glaubenssystemen, egal wie wichtig sie sich nehmen und wie mächtig die Institutionen sind, die sich auf sie berufen. Was die Fundamentalisten jeder Schattierung dabei am meisten beunruhigt, ist die Tatsache, daß viele Leute sich von der psychedelischen Erfahrung nicht nur nicht abhalten lassen, sondern dabei auch noch lachen können, egal wie weit sie in die Grauzone des Psychotischen vorstoßen mögen.

In einer Zeit des intellektuellen Just-say-Noismus vertritt Terence den klassischen Grundsatz der Pharmakologie der Aufklärung: Erzieh dich selbst und treff dann deine Entscheidung. Eine Regierung hat genausowenig Recht, Bewußtseinsformen zu illegalisieren, wie sie ein Recht hatte, Sklavenmärkte zu legalisieren.

Terence ist weit davon entfernt, irgend jemand zu irgend etwas zu überreden, wozu sie oder er sich nicht berufen fühlt. Allerdings stellt er allen kritisch Interessierten gerne seine Methode vor: Nimm dir einen freien Tag, setz dich alleine und im Dunkeln still hin, atme wie ein Buddhist und erlaube fünf Gramm Pilzen, in Stoffwechsel mit dir zu treten.

Wie schon die Upanischaden kündeten, kann der Guru dir zwar den Weg zur Toilette weisen, doch mußt du den Schließmuskel selber öffnen. Daß die westliche Kultur ihren psychedelischen Schließmuskel mit der ihr eigenen Krampfhaftigkeit geschlossen hält, hat ihr zwar einen gewissen puritanischen Profit beschert – Kontrolle –, jedoch um einen hohen Preis – Glück. Das Ergebnis läßt sich an Gebäuden, Gesprächen und Gesichtern ablesen. Und doch war auf Dauer nicht zu verhindern, daß dahinter eine Erkenntnis dämmerte: Der ganze Tausch Glück gegen Kontrolle war von Anfang an nichts als sysiphusischer Blödsinn, ein Opfergang, in dessen Zuge wir einerseits zu verstopften Materialisten und andererseits zu psychedelischen Analphabeten verkommen sind.

Pilzpioniere wie Terence McKenna unternehmen den Versuch, die versunkenen Fähigkeiten des halluzinogenen Lesens und Schreibens wiederzubeleben. Kein Wunder, daß sie sich dabei an die Ränder der Zivilisationswalze begeben, dorthin, wo die pflanzliche Trance-Kommunion nicht als pathologische Irrung verpönt, sondern als konstituierend für das Gemeinwohl angesehen wird – wie im Amazonasgebiet, dem Hauptschauplatz der vorliegenden Geschichte. Die Abholzung des tropischen Regenwaldes bedroht schließlich auch die biologische Basis der Wahren Halluzinationen. Um zu retten, was zu retten ist, legte Terence McKenna in Hawaii einen tropischen Wundergarten an. Seine Stiftung «Botanical Dimensions» hat sich zum Ziel gesetzt, Pflanzen mit schamanischer oder naturheilkundlicher Geschichte zu sammeln, zu studieren und zu verbreiten.

Die reduktionistische Wissenschaft rupft jeden mystisch leuchtenden Kohlkopf auseinander und erklärt ihn für ein banales Gemüse. Terence untersucht den Kohl mit gleicher, wenn nicht größerer Akribie und legt unter den Blättern des holographischen Edelgemüses eine Perle frei, von deren Vorhandensein selbst die lizenzierten Mystiker nichts wußten. Was die Kirchen verschweigen, bringen die Pilze an den Tag und fordern nicht einmal, daß du daran glaubst: Religion ist abtrünniger Schamanismus, denn sie hat den heiligen Pilz mit dem dekadenten Dogma vertauscht, dies der Gemeinde aber nicht mitgeteilt.

Die psychedelische Erfahrung fließt immer über den Rand der Tasse, die irgend jemand zu ihrer Beschreibung hinhält, und heiße er Terence McKenna. Insofern wäre nichts verhängnisvoller, als ihn für einen Experten oder einen Evangelisten in dieser Angelegenheit zu halten.

Das psychedelische Selbst kennt keine vorgefertigten Konfektionsgrößen. Nur du und der Pilz können wissen, welche niedagewesenen Verwendungen für deinen Körper, deine Seele und deine Gefühle es zu ergründen gilt, wie weit oder wie eng deine Haut ins Universum hinein geschneidert werden soll, um wieviel Zentimeter der muffige Egovorhang zu lüften ist, der die Bühne deiner yogischen Authentizität verhüllt, wo die einzigen Mysterienspiele stattfinden, denen zu applaudieren sich lohnt. Dramen wie: was ist die Natur der Natur, und wer entscheidet, was aus mir in ihr wird?

Weil zwei Menschen sich voneinander unterscheiden wie ein Biber von einer Brombeere, werden zwei psychedelische Exkursionen nie gleich ausfallen. Aber ans örtliche Lagerfeuer zurückzukommen und die Reisetagebücher zu vergleichen gehört vom Paläolithikum bis zur Neuzeit zu den befriedigendsten gesellschaftlichen Ereignissen der Gattung homo sapiens und ist ein Schlag ins Gesicht jeder depressiven Geschichtsphilosophie. Die Zukunft hat schon seit alters her die Vergangenheit umspukt mit ihren astralen Rätseln von Erlösung und Vollkommenheit. Jetzt, gegen Ende der Zeitspirale, hören sie auf, Rätsel zu sein. Kein Unbewußtes braucht sich mehr in den apokalyptischen Talaren von Bewußtseinsrichtern zu verbergen, die nie mehr zu sagen hatten als die Spielkarten aus Alice im Wunderland. Unbehindert schweift der Blick auf die in voller Blüte stehende Panorama-Realität, denn das schimmernde Mysterium leibt und lebt hinter dem gekrümmten Horizont des Begehrens, der Wahrhaftigkeit.

Kultur ist der Versuch, bestimmte Halluzinationen kollektiv zu stabilisieren und somit juristisch wahr werden zu lassen. Zu diesem Zweck werden die Halluzinationen mittels Sprache und Symbolen in die Zeit geleimt. Sobald sie ausgetrocknet sind, gelten sie als harte Realität. An der Basis jeder Kultur steht eine verkleisterte Halluzination ihrer selbst, aber ab und zu bricht die Leimkruste auf und der Stein der Weisen kullert wie flüssiges Licht hervor, so daß unter Schluchzen und Schaudern der Schunkelruf ertönt: Nie wieder laßt uns die Geleimten sein!

Hinter der Sprache gibt es eine unsichtbare Landschaft der Zeit, es gibt Berge und Täler, auf die die Worte projiziert werden wie neurolinguistische Wegweiser. Sie deuten, während der Geschichtsprozeß sich wie ein Golem durch die Lande wälzt, auf einen von ihm unkorrumpierbaren Mega- und Omegapunkt. Er enthält vom Buddhismus die Psychologie, vom Schamanismus die Botanik, von der Aufklärung die Unterscheidungsfähigkeit, von den Sechzigern den Hedonismus, von den neunziger Jahren den weiblichen Mut zur Katastrophe, also zur Geburt, und vom 23. November des Jahres 2012 die kumulative Logosynthese. Um uns zu retten, müssen wir schneller ins Reich des Unvorstellbaren vorstoßen, als die Sanduhr des Vorstellbaren abläuft. Entweder wir schaffen die Geburt, oder das letzte, was dieser Globus erleben durfte, war seine eigene Abtreibung. Psychedelische Erkenntnisse sind gelegentlich schreckenerregend, weil sie die Zuckerschicht entfernen, mit der wir unsere routinierten Reflexe, unsere klein-psychologischen Krämer- und Sandkastenspiele umgeben haben, statt daß wir aufwachen und den Planeten streicheln, der sich unter unserer Ignoranz schüttelt wie ein nasser Hund auf der Intensivstation. Andererseits hat jede noch so mikroskopische Verrichtung weltweite Folgen, wenn sie mit Sorgfalt ausgeführt wird. Gleich dem Schmetterling, der sich nur von seinem Kirschbaum in Tokio zu erheben braucht, um das Wetter in San Francisco zu beeinflussen, werden unter der Pilzwolke des reinen Herzens aus dem Gießen von Balkonbegonien oder dem Halten von zärtlichen Händen Akte von homöopathischer Magie. Mit anderen Worten: diese Pilze können gefährliche psychotische Symptome bei denen hervorrufen, die sie nicht nehmen.

Ein Schamane, sagte Terence McKenna auf dem Kongreß «Bewußtsein 88» in Berlin, sei eine Person, die das Ende gesehen hat und mit Geschichten zurückkehrt, die Inspiration und Besonnenheit in der Nachbarschaft verbreiten.

Eigentlich sollte Tim Leary auf dieser Veranstaltung sprechen, doch der hatte kurzfristig abgesagt, und die Veranstalterin rief mich an und fragte, ob ich nicht Ersatz wüßte? «Terence McKenna natürlich», war meine Antwort, «denn der hält, was Leary verspricht.»

Zeit. Sie ist nicht mehr der flache Ablauf von einst, sondern ein holochronischer Trip. Der gegenwärtige Moment dehnt sich aus bis weit über den Uhrzeigersinn. Alle Zeiten stehen zu jeder Zeit auf stand-by und überlappen sich, ohne sich zu verdrängen. Von einer Zeitwelle zur nächsten werden wir uns selbst gegenüber unkenntlich. This is the time of miracle and wonder, dies ist die Zeit von Weichen und Zunder. Auch das Undenkbare unterzieht sich gelegentlich der Formalität, sich zu ereignen, denn sonst wäre es ja unmöglich. Je höher die Rate von Undenkbarkeit pro Kubikstunde Zeit, desto höher der Anteil von Wunder pro Erfahrung deines Lebens, denn Zeit geteilt durch Mythos ist Seele.

Das Zeitmeer wird von einer Zeitmaschine bewegt, deren 64 Operationsweisen den Kurven der 64 I Ging Hexagramme folgen. Was die Pilze offenbaren, ist, daß wir uns jetzt in der Endwelle befinden. Sie weist einen extrem hohen Neuigkeitsradius mit exponentiell steigender Beschleunigungsrate auf. Während Passagiere ohne psychedelische Software die Abgründe zwischen dem Offensichtlichen und dem Absurden für katastrophal unüberbrückbar halten, besteigen unbefangene Beobachter wie Terence McKenna ihre kognitiven Surfbretter, um auf den letzten aufschäumenden Flutwellen mit Pilzeshilfe elegant ins Abendrot zu gleiten.

Nur das Tao existiert, nur das Ego wird wahrgenommen, sagen die Chinesen. Die Pilze zu sich einladen heißt, Tao als Tao wahrzunehmen, voll Mut und Demut auf dem Tao zu surfen, und dem Ego derweil Urlaub von sich selbst zu gewähren.

Sobald das Zeitmeer mit dem Salz der Neuigkeit eine gesättigte Lösung bildet, kommt die Welle zum Stehen, und die Emanzipation von der Geschichte ist erreicht. Rhythmus ersetzt Hetze, organische Folgen lösen mechanische Chronometrien ab, Imagination transzendiert das Kapital, die Pyramide regiert nicht länger das Labyrinth, der Scheitel befiehlt nicht mehr dem Schamhaar, kurz: die Menschheit überwindet ihr Verhängnis, ihre Angst vor Faulheit und Liebe. Geschichte ist ein Alptraum, von dem ich zu erwachen suche, sagte James Joyce. Ob das alles stimmt, werden wir spätestens im Jahre 2012 erfahren, wenn die Weltgeschichte in psychedelische Pension geht und Terence McKenna 65 wird.

Micky Remann

San Francisfurt a. M., 9. 9. 88

EINLEITUNG

Die Erkenntnis, daß die Erforschung dessen, was wir das «Andere» nennen, möglicherweise etwas mit dem gemeinsam hat, was die Schamanen tun, hat mich dazu gebracht, pflanzliche Halluzinogene als Mittel zu benutzen, das Geheimnis der UFOs näher zu ergründen. Von allen Techniken, die der Schamane benutzt, um sich in Ekstase zu begeben oder auf visionäre Reisen zu gehen – Fasten, ausdauerndes Trommeln, Atemkontrolle und erschöpfende Prüfungen – ist die effektivste, verläßlichste und mächtigste der Gebrauch von halluzinogenen Pflanzen; da schließe ich mich R. Gordon Wasson an. Diese meine Herangehensweise hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. Ich halte jetzt eine rationale Untersuchung des Rätsels des Anderen für möglich und bin der Meinung, daß die Art und Weise, wie die Schamanen halluzinogene Pflanzen – insbesondere Psilocybin und Dimethyltryptamin – verwenden, eine zentrale Rolle dabei spielen wird.

Die westliche Tradition neigt nicht nur dazu, die fremdartigen Fähigkeiten des Schamanen und das psychische Potential des Kontaktes mit dem Außerirdischen zu unterdrücken, sie hat zudem noch ein eingebautes Vorurteil gegenüber Selbstversuchen mit halluzinogenen Drogen. Eine Folge davon ist, daß nicht genügend über die Phänomenologie persönlicher Erfahrungen mit den visionären Halluzinogenen geschrieben worden ist. Die Ausnahmen sind bemerkenswert und amüsant. Fitz Hugh Ludlow und Aldous Huxley fallen einem dazu ein; beide verdeutlichen offenbar zwei Regeln, die in solchen Situationen eine Rolle spielen: Beide tauchen früh in der Welle des Interesses auf, die die «Entdeckung» von Haschisch und später Meskalin durch die Bildungsbürger begleitete, und beide waren, was die medizinischen beziehungsweise psycho-pharmakologischen Voraussetzungen anging, unbeleckt. Ähnlich haben William Burroughs und Allen Ginsberg in Auf der Suche nach Yage die Wirkung des halluzinogenen südamerikanischen Gebräus yagé oder ayahuasca aufgezeichnet. Diesen frühen Beschreibungen der Wirkung von Halluzinogenen ergeht es wie den übertriebenen und romantischen Berichten, die europäische Eroberer aus der Neuen Welt mit nach Hause brachten. Die Reiche der abenteuerlustigen Phantasie wichen nur Stück für Stück den kartographierten und erforschten Kontinenten, die wir kennen. Ähnlich geben die Visionen eines Ludlow oder Huxley einen differenzierteren und ganzheitlichen Eindruck von dem, was man mit diesen Drogen erlebt, als das eine Abhandlung darüber tut, wann die für Mäuse tödliche Stufe erreicht ist, oder was geschieht, wenn man Methoxygruppen an einen Indolring hängt.

Was die frühen Beschreibungen von Halluzinogenen uns geben, ist ein Bild von deren unbeschränkter Einwirkung auf die menschliche Psyche. Diese Individuen, wie weltklug sie auch waren, wurden durch die Neuheit der Situation dazu gezwungen, die Konventionen der durch bloße mündliche Übereinkunft bestätigten Erfahrung beiseite zu tun. Statt dessen wagten sie sich in die Spekulation vor, um zu versuchen, das Wesen und die Grenzen der Wahrnehmungen zu entdecken, die die Droge enthüllt. Diese Reise ist immer etwas Neues, denn sie ist ein Zusammenspielen des pflanzlichen Halluzinogens mit der einzigartigen Komponente des Individuums; mit seinem oder ihrem genetisch erworbenen Set von Rezeptoren für diese spezielle Verbindung nämlich.

Die Variationsbreite bei der Reaktion auf halluzinogene Stoffe ist mindestens so vielfältig wie all die anderen Parameter des individuellen psychischen Ausdrucks. Dies ist einer der Gründe dafür, daß die Wissenschaft es nicht unterstützt hat, den individuellen Versuchen, die durch Halluzinogene angeregten Zustände zu beschreiben, ernsthaft Aufmerksamkeit zu schenken. Wie in den Fällen von gesichteten UFOs macht die ihnen eigene hochgradige Veränderbarkeit diese Beschreibungen zu ungeeigneten Objekten für die wissenschaftliche Untersuchung. Vielleicht ist es noch zu früh für eine Wissenschaft vom Geist beziehungsweise ein umfassendes Verständnis der Dimension, von der man beim Gebrauch von psychedelischen Pflanzen einen Blick erhascht. Doch es ist nie zu früh, eine phänomenologische Beschreibung der persönlichen und einzigartigen, durch das direkte Erleben von Halluzinogenen geschaffenen Situation zu versuchen. Die Unterschiede in der Art und Weise, wie man eine Visionen erzeugende Pflanze erlebt, haben direkt mit dem Unterschied von Organisation und Sensibilität des Nervensystems eines Menschen auf der Molekülebene zu tun. Also ist die Art und Weise, wie sich ein halluzinogener Stoff im Erleben präsentiert, das Ergebnis der spezifischen Art und Weise, wie sich der Wahrnehmende in der Welt befindet. Jedoch haben Visionen eine Realität, die nicht dadurch beschränkt ist, daß sie für den/die Visionär/in allein Objekt der Erfahrung ist und daß derartige Visionen manchmal die Geschichte verändern können, wertet sie für den Historiker wenn nicht gar den Wissenschaftler auf und gibt ihnen den Status von «Fakten».

Dieses Buch beschreibt eine auf persönlicher Ebene entstandene Beziehung zu einem halluzinogenen Pilz – dem Stropharia cubensis. Ich habe versucht, dabei ohne vorgefaßte Meinung vorzugehen. Indes wollte ich ein Gefühl für die Geschichte der Symbole und Schamanentraditionen wie auch für das Bewußtsein einer weltumspannenden ökologischen Krise erhalten, die die ungehinderte Expansion unserer Spezies der Erde gebracht hat.

Der Psilocybin-Pilz, den ich seit meinen ersten Pilzerfahrungen im Jahr 1971 zu mir genommen, kultiviert und über den ich nachgeforscht habe, ist Stropharia cubensis. Es ist einer der größten und zweifellos einer der verbreitetsten psilocybinenthaltenden Pilze. Man glaubt, daß er aus Südostasien stammt, zum ersten Mal beschrieben wurde er in Material, das 1905 in Kuba zusammengetragen wurde. Wie lange er schon Bestandteil der Flora der neuen Welt ist, bleibt fraglich, doch ist jetzt bestätigt worden, daß er in den gesamten südlichen USA, in Zentralamerika, im tropischen Südamerika, in Australien, Afrika und einigen Regionen im fernen Pazifik vorkommt. Er wächst im Dung von Rindern, vorzugsweise des Bos indicus, des buckligen weißen Zeburindes der warmen Tropen. Der Stropharia cubensis ist reich an Psilocybin und Psilocin, andere Alkaloide sind nicht in nennenswerten Mengen festzustellen. Wie meine Geschichte deutlich machen wird, ist es vielleicht mehr als Zufall, daß dieser Pilz, indem er eine Symbiose mit dem Hausrind eingegangen ist, bereits Symbiont des Menschen ist. Auf diese Art und Weise hat der Stropharia cubensis die größte Wirkungsbreite aller Psilocybin-Pilze beziehungsweise aller anderen visionären Pflanzen bis auf Cannabis erlangt.

Von Ende 1971 bis zum Frühjahr 1975 hatte ich überhaupt keine Gelegenheit, Pilze zu essen. Ich experimentierte mit Versuchen der Kultivierung, wozu ich im Amazonasgebiet Kolumbiens gesammelte Sporen benutzte. Im März 1975 gelang es mir dann, Karpophoren zu züchten, die genauso aussahen wie diejenigen, die ich im Amazonasgebiet kennengelernt hatte. Ich sicherte mir so einen ständigen Vorrat an frischen Pilzen. Monate der Suche nach den richtigen Anbautechniken hatten Erfolg gehabt, und nun konnte ich wieder uneingeschränkt die Regionen erkunden, mit denen ich mich während jener dazwischenliegenden pilzlosen Zeit so oft in Tagträumen beschäftigt hatte.

Was waren das für Regionen, zu denen zurückzukehren jahrelang ein so geschätztes Ziel war? Was war das für ein Erlebnis, das sich damals zutrug und das lange nach meiner Rückkehr aus dem Dschungel und dem Wiederaufnehmen einer weltlichen Existenz eine richtungsweisende und ordnende Kraft wurde? Die intellektuelle Reise ist in The Invisible Landscape erzählt worden, jenem geheimnisvollen, aus meiner und meines Bruders Erfahrung entstandenem Buch. Wie alle niedergeschriebenen Enthüllungen über das Wunder schlechthin ist es schwierig zu verstehen und bedarf der Auslegung. Es ist ein Roman, doch da es auf klassische Philosophenart formal ist, zieht es die Aufmerksamkeit nicht sonderlich auf sich. Allem Anschein nach ist es eine okkulte und idiosynkratische Formung der Realität. Und doch, trotz all seiner vermeintlichen Merkwürdigkeit, wurde dort etwas nicht beschrieben – der Eindruck war zu frisch und die Fremdartigkeit zu bedrohend –, und zwar die in dieser Ideenflut geborenen Erfahrungen und Situationen: Visionen und exotische Denkmuster, die Monate nach Verlassen des Pilzlandes im Wachen und Schlafen mein Bewußtsein durchdrangen. Ich möchte daher an dieser Stelle erzählen, wie ich durch ein verwirrendes Meer von Visionen zu den Einsichten gekommen bin, die ich jetzt über Psilocybin und dessen Beziehung zu dem Rätsel des Anderen hege.

In den Tagen des Ringens mit den Möglichkeiten des Verstehens und der Halluzination, die der Pilz eröffnete, ließen wir uns auf manche Spekulation beziehungsweise Hypothese ein, die wir später wieder aufgeben mußten. Nichtsdestotrotz gibt es, so viele Bilder und vom Pilz enthüllte Welten später, keine Fakten, die die Grenzen des Plans sichern, den der Pilz für die Menschenwelt hegt. Mag es sich nun um einen Wahn meinerseits oder aber eine moderne Manifestation schamanischen Ausgewähltseins handeln, ich jedenfalls glaube, daß ich ein einzigartiges Erlebnis hatte, ein Zusammentreffen nämlich mit dem, was ganz und gar das Andere ist. Bei derlei Dingen muß ich mich genauso wie meinen Leser vor Reduktionismus warnen. Zweifelsohne spielen hier die Phantasie und ein Untertauchen in die Archetypen von Hierophant und Schamane mit eine Rolle, doch es steckt gewiß noch mehr dahinter – eine unserem Verständnis von Menschlichkeit fremde und nicht erkennbare, aber irgendwie feindselig gesonnene Dimension. Der Schamanismus hat seit prähistorischen Zeiten verstanden, daß das Konsumieren von halluzinogenen Drogen in Situationen der Isolation in der Wildnis ein Weg zu bizarren Welten voll seltsamer Kraft, Risiko und Schönheit ist. Laßt irgendeinen modernen Skeptiker, bewaffnet mit den reduktionistischen Klischees des Behaviourismus das Experiment machen; in die Wildnis gehen, die Nahrungszufuhr auf ein Minimum beschränken und ein paar Tage lang peyote essen, ayahuasca oder Psilocybin-Pilze zu sich nehmen. Zweifelt irgendwer daran, daß das total Unirdische unseren Experimentator überwältigen wird? Wahrscheinlich nicht, doch er wird es anders erklären: Leute, die keine direkte Erfahrung mit dem hier Besprochenen haben, werden von Toxizität, zeitweiliger Verwirrung, ja sogar «Modellpsychose» sprechen. Derartige Reden zeigen die Dreistigkeit, mit der die Uneingeweihten die Dinge angehen.

Diejenigen, die diese Tiefen ausgelotet haben, ob nun Medizinmann oder moderner Mensch, werden weniger als Erklärung anzubieten haben. Sie werden tief in die visionären Gezeiten geblickt und die seltsamen Regungen des Nachtwindes gespürt haben, so als bewege er sich mit den eigenen Gedanken. Sie werden wissen, daß es in solchen Momenten kein völliges Verstehen geben kann. Das, was man hier streift, ist nichts weniger als eine fast greifbare und allumfassende Dimension, strotzend vor Möglichkeiten, die alle Teile unseres gewaltigen Universums in eine Art von zugänglichem Ganzen vereint. Die Zugänglichkeit eines Universums, das mindestens so voller Fremdheit ist wie all die sich überschlagenden Produktionen der menschlichen Phantasie, ist eine Möglichkeit, die zu akzeptieren und auszunutzen das Stigma des Andersartigen trägt.

Die Dimension, in die eine Beziehung mit einer halluzinogenen Pflanze einen Menschen beziehungsweise eine Gesellschaft führt, hat, um den gegenwärtigen Zustand zu erreichen, eine eigene Entwicklung genommen. Welche Gefahren und Möglichkeiten diese Dimensionen für den Menschen bergen, ist eine Frage, die der Unerschrockene ergründen muß, denn das Risiko ist sehr real.

In der traumähnlichen Dimension außerhalb von Zeit und Raum, in der man die Fremdlinge, die Verbündeten trifft, habe ich die Frage bezüglich Risiko und Gelegenheit gestellt und den Dialog mit der orakelhaften Persönlichkeit des Stropharia cubensis geführt. Ich erhielt so ungewöhnliche und unerwartete Antworten, daß es hier mein Anliegen ist, von dieser Heimsuchung zu berichten.

Ich werde skizzenhaft vorwegnehmen, zu welchen Schlüssen ich letztendlich gekommen bin, und erklären, warum ich so lange warten mußte, um diesen interessantesten Teil der Geschichte zu erzählen. Ich wartete einfach deshalb, weil es keinen gemeinsamen Kontext gab, innerhalb dessen ich meine Erlebnisse berichten konnte. Versuchte ich es, so klang ich aufgrund der absurden und oft widersprüchlichen Natur des Erlebnisses sogar für die eigenen Ohren wie jemand, der sich in die Irre hat führen lassen. Wovon ich ausgehen mußte, war das Erlebnis einer einzelnen Person, das sich absolut von allem unterschied, was ich je kennengelernt oder mir gar als möglich vorgestellt hatte. Ich war zwar mutig genug, ein neues, auf einer einzigen Reihe von unbestätigten und nicht aufgezeichneten Beobachtungen basierendes Modell des Zeituniversums vorzuschlagen (die in The Invisible Landscape beschriebene und in der Timewave Zero-Software verdeutlichte I Ging-Theorie), doch es überraschte mich nicht, daß nur wenige willens waren, diese Vorstellungen zu diskutieren. Denn gewiß weiß niemand besser als ich, daß eine derartige Methode der Theoriebildung wahrhaftig keine Methode ist.

Ich brauchte die Bestätigung in Form einer Sammlung von objektiv zusammengebrachten und vorliegenden Berichten über ähnliche Erlebnisse. Dies ist keine Arbeit für einen schamanischen Abenteurer, der in der sich entwickelnden und persönlichen Natur eines eigenen Kontaktes und dessen Inhaltes versunken ist. Es ist eher eine Aufgabe für jemanden, der Experte im Zusammentragen und Durchsehen von Daten ist, um ihnen die Muster von Motiv und Absicht abzuringen, die ihnen innewohnen. Genau diesen Ansatz hat Jacques Vallee gewählt, ein französischer Forscher, der schon lange für die nüchternste und umsichtigste der «wohlwollenden» Herangehensweisen an das Studium der UFOs bekannt ist. Sein Buch, The Invisible College, überzeugt mich davon, daß die Welt der ekstatischen Trance der Schamanen, die visionäre Welt des Psilocybin und die Welt, in der man das Außerirdische antrifft, verschiedene Sichten ein und derselben paradoxen Realität sind.

Man hat gesagt, der Unterschied zwischen einem Mystiker und einem Yogi bestehe darin, daß der Mystiker ein Mensch ist, dem unerwartet eben die Erfahrung zustößt, die der Yogi oder Schamane emsig versuchen muß auszulösen, indem er schwer zu meisternde und viel Hingabe erfordernde Techniken benutzt. Das wiederholte Erleben eines ganz besonderen Sets von Phänomenen, das auf das Essen von Psilocybin-Pilzen erfolgte, hat mich zu der Ansicht gebracht, daß sich die Wahrscheinlichkeit einer Manifestation einiger oder vieler Facetten des Kontakterlebnisses mit dem Außerirdischen durch den Pilzgenuß stark erhöht – was auch immer das ist. Daß in der Tat das ständige Verzehren von Pilzen eine Erfahrung garantiert, deren Motive – außer daß sie von Drogen hervorgerufen sind – von Dingen der Art nicht zu unterscheiden sind, die man über Kontakte mit UFOs berichtet. C. G. Jung war der erste, der in modernen Begriffen betonte, daß die UFOs eine psychische Komponente und irgendwie mit psychischen Prozessen zu tun haben. Vallee unterstreicht das von Jung Gesagte und hebt hervor, daß ungewöhnliche Zusammentreffen, Tiefflüge philosophischer Träumerei und Stimmen im Kopf, die häufig dem Kontakt vorausgehen beziehungsweise ihn begleiten, definitiv psychische Bestandteile des UFO-Phänomens sind, was immer es auch ist. Das bedeutet: Trifft die Annahme zu, daß Psilocybin derartige Erlebnisse verursachen kann, dann kann man Psilocybin als Mittel benutzen, das Verhältnis von Geist und dem Anderen zu erforschen.

Damit will ich nicht sagen, daß UFOs reine Halluzinationen und daher mittels Substanzen zu untersuchen sind, von denen bekannt ist, daß sie Halluzinationen hervorrufen. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen, wollen wir auf diesem Gebiet urteilen. Unsere unbewußte philosophische Vorurteilsstruktur wird uns einem naiven Festhalten an der Empirie zuneigen lassen. Wir müssen uns ständig daran erinnern, daß wir uns nicht auf abgenutzte formelhafte Annäherungsweisen an die Realität verlassen können; daß die Krise, die die psychedelische Erfahrung für die gegenwärtige Wissenschaft und Epistomologie darstellt, daraus resultiert, daß es dem naiven Festhalten an der Empirie nicht gelingt, eine glaubwürdige Darstellung des Verhältnisses von Geist und Welt zu liefern. Unsere Annahmen bezüglich der eigentlich unbekannten Natur des Geistes sind, wenn wir uns dem Schamanismus und den halluzinogenen Pflanzen zuwenden, unser philosophischer blinder Fleck. Dies sind die Dinge der Anderen, und bereits das Wort Halluzination wurzelt in Vorstellungen von verbotener Magie. Da dem so ist, ist es nicht ungewöhnlich, daß wir nur sehr wenig vom orthodoxen pharmakologischen Wissen über halluzinogene Stoffe von «Eingeweihten» erhalten haben; d. h. von qualifizierten Forschern, die sich tatsächlich in die Drogenerfahrung versenken. Es genügt nicht, im Laufe der wissenschaftlichen Untersuchung einer Verbindung über einen Zeitraum von Monaten und Jahren hinweg mehrmals vorsichtig niedrige Dosen eines Halluzinogens zu nehmen und sich gleichzeitig den Rücken durch von der Umgebung noch vertiefte Annahmen und Erwartungen stärken zu lassen. Nein, man muß solche Drogen in der Isolation, ohne vorgefaßte Meinung und in genügend hohen Dosen nehmen, daß die vom Ich bewirkte defensive Vermeidung der intensiveren und bizarreren Aspekte des Erlebnisses unmöglich gemacht wird. Die meisten Forscher haben ein zu großes wohlbegründetes Interesse daran, die nicht-rationalen Teile ihrer Psyche zu meiden, um einem solchen Rat zu folgen.

Infolgedessen hat man das Zusammentragen von tiefgehenden Erfahrungen mit halluzinogenen Drogen gesellschaftlichen Subkulturen überlassen, von denen man annimmt, daß sie ipso facto bezüglich dessen, was sie erleben, unzuverlässig und naiv sind. Tatsächlich jedoch haben diejenigen von uns, die häufig psychedelische Stoffe genommen haben, ein größeres wirkliches Wissen über deren Dimension und die Information, die sie enthält, als irgendein Forscher in einem Labor.

Die Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden, ist eine treibende Kraft dabei gewesen, daß ich es so lange herausgezögert habe, meine Geschichte zu erzählen. In den letzten paar Jahren habe ich jedoch genügend wiedererwachendes Interesse an Alchimie, Millenarismus, apokalyptischen Spekulationen, Theorien des Bewußtseins und der UFOs gesehen, um zu wissen, daß sich ein Meinungsklima entwickelt, in dem diese Geschichte erzählt werden kann. Was wir dazu beitragen können, sind die Beobachtungen, die wir beim Benutzen von Halluzinogenen – insbesondere Psilocybin – als Auslöser für das Erlebnis des Kontaktes mit dem Anderen gemacht haben.

WAHRE HALLUZINATIONEN

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DAS GEHEIMNIS RUFT

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Tausende von Jahren sind die Visionen, die die halluzinogenen Pilze schenken, ein wirkliches Geheimnis gewesen. Meine Gedanken der vergangenen zwölf Jahre bestanden zum Großteil darin, Namen dafür zu finden und darüber nachzudenken. Scharf bewacht von den verrückt mit Juwelen geschmückten Engeln – «Jeder Engel ist schrecklich», schrieb Rilke, und heilig und profan zur gleichen Zeit – erhebt sich der Pilz in meinem Leben, so wie er sich möglicherweise an irgendeinem zukünftigen Punkt in der Geschichte der Menschheit erheben wird. Ich habe mich entschieden, die Sache literarisch anzugehen. Der Pilz ist Meister von Ort und Raum, Zeit und Geist, doch die Suche nach einer einfachen Form, das zu vermitteln, brachte mich dazu, der Tradition zu folgen; das heißt, eine chronologische Erzählung zu schreiben:

Anfang Februar des Jahres 1971 durchquerte ich das südliche Kolumbien, unterwegs mit meinem Bruder und Freunden zu einer Expedition in das kolumbianische Amazonasgebiet. Unsere Reise führte uns durch Florencia, die Provinzhauptstadt des Departmento Carquetä. Dort machten wir ein paar Tage Pause und warteten auf ein Flugzeug, das uns zum Punkt unserer Einschiffung am Rio Putumayo bringen sollte, ein Fluß, dessen ungeheure Weite die Grenze zwischen Kolumbien und dessen zwei südlichen Nachbarn, Ekuador und Peru, bildet.

Der Tag war besonders heiß, und wir hatten die bedrückende Enge unseres Hotels in der Nähe des lauten Zentralmarktes und des Busbahnhofs verlassen. Wir gingen in südwestlicher Richtung, vielleicht eine Meile zur Stadt hinaus. Hier, hinter wogenden Weiden, flossen die warmen Fluten des Rio Macha. Nachdem wir im Fluß geschwommen und in den tiefen, vom warmen Strom in das schwarze Basaltflußbett gegrabenen Tümpeln geplanscht hatten, kehrten wir über dieselben Weiden zurück. Jemand, der vertrauter mit dem Aussehen von Stropharia cubensis war als ich, wies auf ein einziges großes Exemplar davon hin, das hochgereckt und alleine in einem Rest alten Kuhdungs stand. Spontan und auf Anraten meiner Freunde aß ich den ganzen Pilz. Das alles dauerte nur einen Moment, und dann stapften wir, ermüdet vom Schwimmen, weiter – den Osthang der Kordilleren entlang, wo Florencia liegt, kam ein tropisches Gewitter auf uns zu. Vielleicht eine halbe Stunde lang gingen wir schweigend dahin. Erschöpft ließ ich den Kopf hängen, fast hypnotisiert von dem Anblick der regelmäßigen Bewegung, mit der meine Stiefel durchs Gras schnitten. Um den Rücken zu strecken und meine Lethargie abzuschütteln, hielt ich inne und reckte mich, wobei ich einen prüfenden Blick über den Horizont schweifen ließ. Zum ersten Mal überfiel mich das Gefühl für die Gewaltigkeit des Himmels, das ich inzwischen mit Psilocybin zu verbinden gelernt habe. Ich bat meine Freunde um eine Pause und ließ mich schwer zu Boden fallen. Ein stummer Donner schien die Luft vor mir zu erschüttern. Mit einer neuen Präsenz und Bedeutung zeichneten sich die Dinge ab. Es kam und verschwand wie eine Welle, während die erste Wut des tropischen Gewitters über uns hereinbrach und wir klatschnaß wurden.

In dem durchweichten Rückzug schwand der kurze Moment, der unserer hektischen Flucht vorausging, dahin, ohne daß ich ein Wort darüber verlor. Ich erkannte, daß der Pilz mein Erlebnis ausgelöst hatte, doch ich wähnte mich in einer Suche nach Halluzinogenen anderer Art im tiefen Dschungel engagiert; und zwar handelte es sich um oral aktive Drogen, die DMT enthielten, und yagé und die Pflanzen, die man ihm beimischt. Ich hakte also das Pilzerlebnis als etwas ab, dem ich ein andermal nachgehen wollte. Leute, die schon lange in Kolumbien lebten, versicherten mir, daß der Pilz ausschließlich auf dem Dung des Zeburindes vorkommt, und ich nahm an, im Dschungel des Landesinneren, wo ich mich in Kürze aufhalten sollte, seien keine Rinder oder Weiden zu erwarten. In Vorahnung der Härten der Fahrt den Rio Putumayo hinunter zu unserem Ziel, einer entlegenen Mission namens La Chorrera, schlug ich mir die Pilze aus dem Kopf.