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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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1. Auflage 2017

 

© 2017 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

 

Die englische Originalausgabe erschien 2015 bei London Publishing Partnership, Ltd. unter dem Titel Classical Liberalism – A Primer.

 

© 2015 by Institute of Economic Affairs. All rights reserved.

 

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

Übersetzung: Clemens Schneider

Redaktion: Matthias Michel

Korrektorat: Hella Neukötter

Umschlaggestaltung: Laura Osswald, München

Umschlagabbildung: art4all/Shutterstock.com

 

ISBN Print 978-3-95972-044-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-068-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-069-4

 

 

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INHALT

Danksagung

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Stein auf Stein für die Freiheit

Vorwort zur englischen Ausgabe

Zusammenfassung

1. Einleitung

Das Ziel dieses Buches

Zur Gliederung

2. Was ist Klassischer Liberalismus?

Zehn Prinzipien des Klassischen Liberalismus

3. Klassischer Liberalismus – Die Ahnen

Die frühen Vorfahren

Der Aufstieg des Klassischen Liberalismus

Erfolg und Veränderung

Das Wiederaufleben des Klassischen Liberalismus

Die Vielfalt Klassisch Liberaler Ideen

4. Klassischer Liberalismus und Freiheit

Die Argumente für Freiheit

Positive und negative Freiheit

Rechte und Freiheiten

Freiheitsbeschränkungen

5. Klassischer Liberalismus und Moral

Zwang und Toleranz

Die Argumente für Toleranz

Toleranz und der Staat

6. Klassisch Liberale und Politik

Die Ursprünge und der Zweck von Regierungen

Der Mythos der sozialen Gerechtigkeit

Public Choice und private Interessen

Die Legitimität von Regierungen

7. Die Klassisch Liberale Gesellschaft

Spontane Ordnung

Gerechtigkeit und die Herrschaft des Rechts

Die Vernünftigkeit natürlicher Ordnung

Die Zivilgesellschaft

Spontane Ordnung und Naturrecht

8. Klassischer Liberalismus und Wirtschaft

Die Spontane Ordnung des Marktes

Das spontane »Wunder« des Preises

Märkte ohne Befehl

Regeln und Eigentum

Die Argumente für wirtschaftliche Freiheit

Destabilisierende Effekte durch die Regierung

Handel und Protektionismus

9. Der Klassische Liberalismus heute

Niedergang und Wiederaufleben

Die Wiedergeburt des Klassischen Liberalismus

Die Bedeutung des klassischen Liberalismus

Der Klassisch Liberale Internationalismus

Die Klassisch Liberale Vision

10. Bedeutende Klassisch Liberale Denker

John Locke

Bernard Mandeville

Voltaire (François-Marie Arouet)

Adam Ferguson

Adam Smith

Thomas Jefferson

Frédéric Bastiat

Richard Cobden

John Stuart Mill

Herbert Spencer

Friedrich August von Hayek

Ayn Rand

Isaiah Berlin

Milton Friedman

James M. Buchanan

Robert Nozick

Nachwort: Klassischer Liberalismus im deutschsprachigen Raum

Die prägende Kraft von Institutionen

Vordenker und Aktivisten des Klassischen Liberalismus

Der Weg zur Freiheit

Weiterführende Literatur

Einführungen

Grundlegende Werke

Über die Autoren

 

 

 

 

 

Meinem Freund John Blundell

(1952-2014) gewidmet

DANKSAGUNG

Einmal mehr danke ich Madsen Pirie für Hinweise und Unterstützung und meinen anderen Kollegen am Adam Smith Institute für ihre Geduld und Nachsicht.

VORWORT
ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

STEIN AUF STEIN FÜR DIE FREIHEIT

Eamonn Butlers Buch über den Klassischen Liberalismus erscheint zur rechten Zeit in deutscher Übersetzung. Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Klassische Liberalismus in Deutschland keinen fruchtbaren Boden mehr hat. Oder hatte er ihn vielleicht nie? Doch das ist ein verkürzter Blick auf die Gegenwart, aber auch auf die Vergangenheit.

Die Ursprünge des Klassischen Liberalismus findet man in erster Linie im Schottland des 18. Jahrhunderts. Die Schottische Aufklärung brachte Persönlichkeiten wie Adam Smith, David Hume und Adam Ferguson hervor, deren Strahlkraft bis heute reicht. Ihre Schriften erreichten im 18. und 19. Jahrhundert auch Kontinentaleuropa und die deutschen Länder. Zur damaligen Zeit galten die Klassisch Liberalen als politisch links, weil sie sich gegen die etablierten Autoritäten auflehnten. Sie kämpften für die Herrschaft des Rechts und gegen die Willkür der Obrigkeit. Ihr entschiedenes Eintreten für den Freihandel sollte nicht den Reichen und Vermögenden zugutekommen, sondern Armut bekämpfen und Frieden stiften. Sie waren allesamt Marktwirtschaftler und kämpften für die Meinungsfreiheit. Der deutsche Sprachraum war zu dieser Zeit ein Hort von Klassisch Liberalen: Im 18. Jahrhundert waren ihre bekanntesten Vertreter Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt, im 19. Jahrhundert John Prince-Smith, Eugen Richter und Hermann Schulze-Delitzsch. Jeder von ihnen stand für etwas, das heute noch Grundlage für eine liberale Gesellschaft ist.

John Prince-Smith machte die Freihandelsidee in Preußen populär. Er gründete Freihandelsvereine und saß im Preußischen Abgeordnetenhaus, später auch im Reichstag. Über den Freihandel sagte er 1843: »Wie die Handelsfreiheit zur Ermöglichung der politischen Freiheit notwendig ist, ist auch die politische Freiheit zur Entwickelung des Erwerbs und diese wiederum zur Beförderung des sozialen Fortschritts notwendig.«

Eugen Richter war der kompromisslose Kämpfer für die Klassisch Liberale Deutsche Fortschrittspartei im Kaiserreich. Er war der politische Gegenspieler des Reichskanzlers Otto von Bismarck und ging gleichzeitig mit den aufkommenden Sozialdemokraten hart ins Gericht. Seine utopische Erzählung »Sozialdemokratische Zukunftsbilder« ist eine Vorwegnahme späterer Totalitarismen, insbesondere der DDR. Richter war der standhafte Klassisch Liberale, der sich vehement gegen die Sozialistengesetze Bismarcks auf der einen Seite, aber auch gegen die Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite wehrte. Er verteidigte politische Gegner gegen die Willkür des Staates und setzte sich gleichzeitig gegen den wachsenden staatlichen Paternalismus ein. So war es auch nur konsequent, dass er sich gegen den ebenfalls von Bismarck angezettelten Kulturkampf gegen die katholische Kirche stellte. Richter war unbestechlich in seinem Urteil und geradlinig in seinem Handeln. Im Reichstag erklärte er 1884: »Den richtigen Kämpfer für die Rechte und Freiheiten des Volkes erkennt man daran, dass er auch in den für den Liberalismus ungünstigen Zeiten auf dem Platz bleibt.«

Hermann Schulze-Delitzsch war der entscheidende Begründer und Antreiber des Genossenschaftswesens in Deutschland – Hilfe zur Selbsthilfe für Gewerbetreibende, Handwerker und Landwirte, die keinen Zugang zu Krediten hatten. Dieser Grundgedanke des Genossenschaftswesens ist bis heute im Bankwesen, im Gesundheitswesen und im Einzelhandel verankert. Zur Idee der Selbsthilfe kam für Schulze-Delitzsch die solidarische Haftung der Genossenschaften als Grundprinzip hinzu. Die »Vereinigungen der kleinen Leute« sollten wie die »Vereinigungen der Wohlhabenden« gleiche Rechte bekommen.

Der Klassische Liberalismus damals wie heute hatte und hat viele Gegner. Sie kommen aus der konservativen wie auch aus der sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Ecke. Beide wollen das Althergebrachte konservieren, sehen im Neuen nicht die Chance, sondern die Gefahr. Natürlich nicht überall und im gleichen Maße: Die Konservativen sind häufig ökonomisch aufgeschlossener als die Sozialdemokraten, aber gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Die Sozialdemokraten sind oft gesellschaftlich offener für Veränderungen als die Konservativen, aber ökonomisch wollen sie die alte Welt möglichst lange beibehalten. Letztlich vereint sie aber derselbe Irrtum: Sie trauen dem Einzelnen wenig zu. Sie glauben, dass der Staat die Dinge regeln muss, weil der Einzelne ökonomisch, geistig oder körperlich dazu nicht in der Lage ist. Sie folgen der Illusion gleicher Chancen, die es in einer freien Gesellschaft nicht geben kann, weil es unterschiedliche Talente und Begabungen gibt, die wiederum unterschiedlich von jedem Einzelnen genutzt werden. Wer Chancengleichheit fordert, will fortwährend umverteilen und den Staat in eine immer dominantere Rolle bringen. Für Klassisch Liberale ist daher nicht die Chancengleichheit das Ziel, sondern die Gleichheit vor dem Gesetz.

Was Konservative und Sozialdemokraten aller Couleur voneinander unterscheidet, ist lediglich die Frage, wer in Parlament und Regierung über den Einzelnen bestimmen darf. Es geht also nur um die »richtige« Mehrheit und darum, wer staatliche Macht gegenüber dem Einzelnen ausüben darf. Dabei heiligt der Zweck häufig die Mittel. Regierungsmacht hat in diesem Fall keine Schranken. Der Klassisch Liberale will dagegen dem Staat eine neutrale Rolle einräumen. Das Parlament und die Regierung sollen möglichst abstrakte, allgemeine und für alle gleiche Regeln schaffen. So werden nicht Einzelfälle für allgemeinverbindlich erklärt, sondern allgemeine Regeln für jeden Einzelnen verbindlich. Und für den Klassisch Liberalen ist nicht der Bürger zur Transparenz gegenüber Staat und Regierung verpflichtet, sondern diese gegenüber dem Bürger. Kurz, der Klassisch Liberale nimmt den Einzelnen in den Blick, Konservative und Sozialisten dagegen den Staat, das Kollektiv oder die Mehrheit.

Doch wie sieht die Situation des Klassischen Liberalismus heute in Deutschland aus? Ist die Lage hoffnungslos? Haben die Marktwirtschaft, der Freihandel, der Rechtsstaat und das Individuum keine Lobby mehr? Ganz und gar nicht. Ähnlich wie im 19. Jahrhundert schwappt seit einiger Zeit, inspiriert aus dem angelsächsischen Raum, eine neue Klassisch Liberale Bewegung nach Deutschland. Diese Szene ist bunt, jung und sie wächst kontinuierlich. Sie wollen sich nicht in Parteihierarchien verstricken oder in Gremiensitzungen eingraben, sondern ungezwungen über Bitcoin, Freihandel oder den Überwachungsstaat diskutieren. Sie argumentieren streng marktwirtschaftlich und sehen das private Eigentum als Voraussetzung individueller und gesellschaftlicher Freiheit an. Ihnen ist die Gleichheit vor dem Gesetz wichtiger als die Chancengleichheit. Für sie ist dem Gemeinwohl am besten gedient, wenn der Staat sich zurücknimmt und lediglich abstrakte, allgemeine Regeln schafft, die für alle gleich sind. Sie sehen in der Verteidigung der individuellen Freiheit ihre Mission, um einer Übermacht an Staatsvergötterung eine wirksame Gegenmacht entgegenzustellen. Sie verteidigen die Meinungsfreiheit als unveräußerliches Recht, weil sie glauben, dass die Zensur des einen morgen auch die Zensur des anderen und übermorgen die Zensur der eigenen Meinung bedeuten kann.

Mises’ »Nationalökonomie« und Hayeks »Verfassung der Freiheit« werden wieder neu aufgelegt und von jungen Lesern entdeckt. Das unterscheidet sie fundamental von vielen Klassikern, die heute in den Bibliotheken deutscher Universitäten verstauben. Manche werden dies als Dogmatismus abtun, als nicht auf der Höhe der Zeit und als unpolitisch. Doch der deutsche Liberalismus ist in seiner Geschichte bisher niemals an seiner Prinzipientreue und Standfestigkeit gescheitert, sondern immer an seiner Beliebigkeit.

Der Klassische Liberalismus wird nur dann erfolgreich sein, wenn er sich nicht auf das konzentriert, was jetzt politisch opportun ist, sondern konsequent für die Herrschaft des Rechts und die Selbstverantwortung des Bürgers eintritt. Deshalb ist ein festes Fundament so notwendig. Dieses Fundament muss stabil sein, um Wind und Wetter des Zeitgeistes zu trotzen. Nur dann lässt sich darauf ein solides Haus der Freiheit bauen. Der erste Stein dieses Fundaments ist dieses Buch. Mögen viele Steine folgen …

 

Berlin, im Dezember 2016

Frank Schäffler

Prometheus – Das Freiheitsinstitut gGmbH

Berlin

VORWORT
ZUR ENGLISCHEN AUSGABE

Der Klassische Liberalismus ist eine der wichtigsten politischen und Sozialphilosophien der Moderne. Ja, man kann sagen, dass die Entstehung der modernen Welt den Bemühungen derjenigen, die diese Überzeugungen teilen, zu verdanken ist. Ohne die Kampagnen und Auseinandersetzungen, das Denken und die Analysen derjenigen, die sich selbst als Klassisch Liberale bezeichnet haben, hätte es viele grundlegende Eigenschaften der Moderne nicht gegeben: nachhaltiges und starkes Wirtschaftswachstum, die Privatisierung religiöser Identität, die Abschaffung der Sklaverei.

Trotz dieser Bedeutung wird der Klassische Liberalismus heutzutage nur schlecht verstanden, häufig fehlinterpretiert (in vielen Fällen mit Absicht) und fälschlicherweise mit anderen Denkrichtungen identifiziert, insbesondere mit dem Konservatismus. Eine besondere Schwierigkeit entsteht durch den Gebrauch des Begriffs »liberal« in den Vereinigten Staaten, wo er »sozialdemokratisch« bedeutet, sodass in der englischsprachigen Welt diejenigen, die vom traditionellen Liberalismus überzeugt sind, eine neue Umschreibung ihrer Ideen finden mussten. (Das ist nicht der Fall in Kontinentaleuropa, wo »liberal« seine traditionelle Bedeutung weitgehend beibehalten hat.) »Libertär« wurde zum meistbenutzten Begriff, aber aus unterschiedlichen Gründen ist er nicht befriedigend.

Angesichts dessen ist Eamonn Butlers Zusammenfassung besonders willkommen. Sie ist wunderbar klar geschrieben und gut konzipiert als Einführung in den Klassischen Liberalismus – als Gedankensystem, woher er stammt, wie er heute dasteht und wie es mit ihm weitergehen könnte. Ein wertvoller Aspekt dieses Buches ist die Art und Weise, wie es die zahlreichen Unterschiede innerhalb des Spektrums herausarbeitet, das dennoch einen kohärenten Zugang zum politischen Denken, Verstehen und Handeln bietet. (Natürlich könnte man das Gleiche über den Sozialismus und Konservatismus sagen.) Es lohnt sich, über einige Fragen nachzudenken, die das Buch anspricht, und darüber, wie sie in Zukunft beantwortet werden könnten.

Wie der historische Überblick zeigt, reichen die Wurzeln und der Ursprung des Klassischen Liberalismus vor allem zurück als politische Bewegung in verschiedenen Epochen der englischen Geschichte und als eine Art und Weise, über Gesetz und Regierung nachzudenken, die wir mindestens bis zum 17. Jahrhundert zurückverfolgen können, wenn nicht gar noch früher bis zur Magna Carta und dem mittelalterlichen Verfassungsdenken. Dennoch wird aber deutlich, dass eine der Quellen auch in der Geschichte Kontinentaleuropas liegt, nicht zuletzt in der Frankreichs (obwohl Friedrich August von Hayek das Land einst als »das hoffnungsloseste für Klassischen Liberalismus« bezeichnete). Diese Tradition lässt sich bis zur Aufklärung und zu Philosophen wie Kant zurückverfolgen, aber auch noch weiter: in die Renaissance, zu spätmittelalterlichen Gelehrten, etwa zu den Vertretern der Schule von Salamanca, die das Naturrecht neu dachten, und zur mittelalterlichen Tradition einer Regierung unter Verfassung und mit Schranken für königliche Gewalt, von der spanischen Halbinsel bis nach Skandinavien und Polen-Litauen. Dass die Ursprünge des Klassischen Liberalismus in Europa liegen, macht ihn aber nicht zu einer bloßen europäischen Denkweise. Er sollte nicht als westliche Ideologie gesehen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Perspektive, die in ihrer Orientierung universal ist und sich mit ähnlichen und kompatiblen Traditionen in den Kulturen und Zivilisationen der ganzen Welt verbinden lässt.

Zusätzlich zu den zentralen Ideen, die dieses Buch kundig darlegt und verständlich erklärt, wird der Klassische Liberalismus auch in Zusammenhang gebracht mit bestimmten Haltungen und Stilfragen. Eine der wichtigsten ist der Optimismus, die Zuversicht, dass menschliches Leben verbessert werden kann und sich in den letzten zwei Jahrhunderten verbessert hat. Dazu gehört auch die Haltung, nach vorne zu blicken, eher in die Zukunft zu schauen als zurück in die Vergangenheit. Wir können auch einen Fokus auf das Individuum, auf Selbstverantwortung oder Autonomie erkennen. Die vielleicht wichtigste Haltung ist die des Anstands: vom Gegenüber und Diskussionspartner eine gute Meinung zu haben, anstatt ihm böse Absichten und bösen Willen zu unterstellen – eine Qualität, die in den meisten heutigen Diskursen fehlt.

Dieses Buch beschreibt einfach und verständlich, was Klassischer Liberalismus ist, und in der Abgrenzung auch, was Klassischer Liberalismus nicht ist. Eindeutig unterscheidet er sich vom Sozialismus und anderen Formen des egalitären Kollektivismus wie beispielsweise der Sozialdemokratie oder dem Sozialliberalismus. Er ist auch nicht dasselbe wie Konservatismus, da er grundsätzlich optimistischer ist, dem Verstand mehr zutraut (als dem Glauben oder der Tradition) und überkommenen und traditionellen Institutionen weniger Respekt entgegenbringt. Eines wird sehr deutlich bei der Lektüre dieses Buches und würde noch deutlicher, wenn man den Leseempfehlungen folgt: Klassischer Liberalismus ist weit entfernt davon, konservativ zu sein. Klassischer Liberalismus ist eine radikale Überzeugung, die bereits enorme und tiefgehende Veränderungen in den Lebensumständen und -weisen der meisten Menschen auf der Welt durchgesetzt hat, wobei sie dabei große Teile der alten Ordnung hinweggefegt hat (auf diesen Punkt weist beispielsweise Ludwig von Mises mit Nachdruck hin). Ein Beispiel dafür ist die Verbindung zwischen Klassischem Liberalismus und Feminismus in jener Zeit, als die meisten der frühen Feministinnen brennende Klassisch Liberale waren.

Der Klassische Liberalismus hat als Bewegung und als Gesamtkonzept viel verändert und viel verbessert, aber es gab auch Rückschläge, wie dieses Buch verdeutlicht. Und es gibt noch viel zu tun. Wenn Klassisch Liberale das vergessen und eher zu Verteidigern des Status quo werden, verlieren sie ihre Antriebskraft und einen wesentlichen Teil ihrer Identität. Dieses Buch verdeutlicht auch, indem es neue Entwicklungen innerhalb dieser Tradition aufgreift, dass der Klassische Liberalismus nicht ein in sich abgeschlossenes und vollkommenes Gedankengebäude ist, mit heiligen Schriften und auf Ewigkeit festgeschriebenen Erkenntnissen, die nur noch der Auslegung und Kommentierung bedürften. Der Klassische Liberalismus ist vielmehr eine sehr dynamische und lebhafte intellektuelle Bewegung, in welcher die hier beschriebenen, grundlegenden Kenntnisse wieder und wieder neu angewandt und neu gedacht werden, wo neue Ideen, Untersuchungen und Vorschläge geäußert werden und wo der Kampf gegen die Hydra von Irrtümern immer wieder aufgenommen wird.

Beim Institute of Economic Affairs (IEA) unterstützen wir nicht explizit eine bestimmte politische Philosophie und noch viel weniger die Positionen einer bestimmten politischen Partei oder Bewegung. Dennoch führt unser Bemühen, soziale Probleme zu verstehen und sie wirksam zu adressieren, dazu, dass für uns bestimmte Herangehensweisen ausgeschlossen sind, während andere für uns offenstehen. Der Klassische Liberalismus ist eine der genialen Philosophien und Bewegungen, die eine Art des Denkens und Verstehens der Welt darstellt, die passend für uns ist, obwohl sie nicht die einzige ist. Insofern ist dieses Buch willkommen im Kanon des IEA und wird einen wichtigen Beitrag leisten, um eine der entscheidenden Philosophien der Moderne zu verstehen.

 

Stephen Davies

Bildungsdirektor des Institute of Economic Affairs, London

Mai 2015

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DAS ZIEL DIESES BUCHES