Aus dem Amerikanischen von Doris Hummel
Impressum
Die amerikanische Originalausgabe Jagger
erschien 2015 im Verlag Sinister Grin Press.
Copyright © 2015 by Kristopher Rufty
Copyright © dieser Ausgabe 2016 by Festa Verlag, Leipzig
Titelbild: Dean Samed
Alle Rechte vorbehalten
eISBN 978-3-86552-507-9
www.Festa-Verlag.de
Das hier
ist für
Steve Beaver
1
Clayton stand vor den Überresten seines zerfleischten Pitbulls, würgte einen Klumpen Schleim hoch und spuckte ihn aus. Er hätte dem wertlosen Köter am liebsten einen Tritt versetzt, aber er wusste, dass das nur Energieverschwendung gewesen wäre. Bruiser war tot. Einen schlimmeren Schaden konnte er ihm sowieso nicht mehr zufügen.
Davon abgesehen war auch gar nicht mehr so viel Köter übrig, dem er einen Tritt hätte versetzen können. Bruiser hatte einen anständigen Kampf abgeliefert. Er war nur kein so guter Kämpfer, dass er ihn auch überlebt hatte.
Aber was am schlimmsten war: Clayton hatte die Töle tatsächlich gemocht.
»Mickriger Scheißköter«, grummelte er.
Er wusste, dass Bruiser ihn nicht hören konnte, aber das war ihm egal. Es fühlte sich trotzdem gut an, es laut zu sagen.
Er fuhr sich mit einer verschwitzten Hand durch sein schulterlanges Haar und stöhnte.
Was zur Hölle soll ich denn jetzt machen?
Er war nicht nur felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Bruiser diesen Kampf gewinnen würde, er hatte auch so ordentliche Überzeugungsarbeit bei Brock Shuller geleistet, dass der stinkreiche Arsch eine große Wette auf den Hund platziert hatte. Brock gehörte zu den Typen, die ihr Einkommen nicht auf legalem Wege verdienten. Wenn Clayton nicht mit einem Plan um die Ecke kam, wie er Brocks Verluste wieder ausgleichen konnte, dann würde er schon bald in genauso übler Verfassung sein wie Bruiser.
Und wie Ralph.
Er erschauderte bei dem Gedanken daran, was mit dem armen Schwein passiert war. Brock hatte fünf Riesen bei einer Wette auf Ralphs Deutschen Schäferhund verloren. Alles, was man von Ralph ein paar Tage später noch gefunden hatte, war sein Kopf gewesen. Der Schädel war wie eine Schüssel aufgesägt und mit Hundescheiße vollgestopft worden. Es hieß, braune, klumpige Rinnsale seien aus seinen Nasenlöchern und seinem Mund getrieft.
Mich stopft keiner mit Hundescheiße voll.
Er blickte noch einmal auf Bruisers Überreste hinunter. Ihm drehte sich der Magen um. Der Hund hatte nicht nur Claytons Leben in Gefahr gebracht, jetzt durfte er auch noch diese Sauerei wegputzen. Glücklicherweise war Freddy hier, um ihm zu helfen. Der Typ war zwar nicht der Hellste, aber er bewunderte Clayton. Und Clayton nutzte diese Tatsache nicht nur gelegentlich zu seinem Vorteil aus.
»Freddy! Wo steckst du denn, Mann?«
»Hier hinten!« Seine Stimme klang alles andere als männlich, eher wie die einer alten Frau. Wann immer er etwas sagte, leierte sie wie eine Kassette, die kurz davorstand, vom Kassettenrekorder gefressen zu werden.
»Beweg deinen Arsch hier raus, Mann! Du musst mir helfen, diesen Scheiß wegzumachen!«
Ein Knall war zu hören, gefolgt von einem metallischen Rasseln irgendwo aus der Ecke, in der Freddy steckte. »Aber das ist dein Scheiß, den kannst du selbst wegmachen!«
Stöhnend drehte sich Clayton um und entdeckte direkt hinter sich ein kleines Loch in der Wand. Hatte Freddy ihn die ganze Zeit über beobachtet? Plötzlich beschlich ihn ein bizarres, unbehagliches Gefühl.
Der kleine, dickliche Mann watschelte um die Ecke. Sein Gang erinnerte Clayton an die Pinguine, die er neulich im Discovery Channel gesehen hatte. Der Speck an seinem Körper schwabbelte, während er sich vorwärtsbewegte. Er blickte an Clayton vorbei auf den blutigen Fellklumpen, der von Bruiser noch übrig geblieben war.
Und verzog das Gesicht.
»Mein Gott«, stieß Freddy aus und seine Stimme kletterte aufwärts. »Jetzt sieht er sogar noch schlimmer aus.«
»Na, er wird sich ja wohl kaum selbst wieder zurechtmachen, oder?«
»Schätze, nicht«, murmelte Freddy. »Die ganze Zeit, die ich dafür geopfert hab, ihn scharf zu machen – reinste Verschwendung. Pah!« Freddy rümpfte die Nase und machte eine abwertende Geste in Richtung des Pitbulls. »Erbärmlich.«
Clayton stemmte die Hände in die Hüften. Er starrte auf den Hund hinunter. Von seinem Fell und Fleisch fehlten riesige Streifen, wodurch ein Teil der Rippen darunter zu erkennen war. Die Kehle hatte den meisten Schaden davongetragen: Ein riesiger Fetzen war herausgerissen worden und enthüllte den Blick auf seine Luftröhre, die wie ein altes, von schmierigem Rot überzogenes Zündkerzenkabel herausbaumelte.
»Brock hatte ’ne Menge Geld auf dich gesetzt«, erinnerte Freddy ihn.
»Er hat es auf den Hund gesetzt.«
»Ja, aber du weißt doch, was er macht, wenn er verliert.«
Clayton schnitt eine Grimasse. Er wusste genau, was Brock dann machte. Ein Bild von Ralph tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er schüttelte es ab.
»Und das waren nur fünf Riesen«, fügte Freddy hinzu.
»Wie viel hat Bruiser insgesamt verloren?«
»Mit Brock und seinen Geschäftspartnern zusammen – zwölf.«
Claytons Beine fühlten sich mit einem Mal an, als seien sie mit warmer Flüssigkeit gefüllt. Er ließ sich auf die Knie fallen und platschte in eine klebrige Pfütze aus Hundeblut. »Ich bin verdammt noch mal tot …«
»Du hast ihm gesagt, es wär ’ne sichere Nummer …«
Clayton erinnerte sich noch gut daran, wie er Brock die Sache schmackhaft gemacht hatte. Wie ruhig und überzeugend er geklungen hatte. Wie großspurig. Arrogant. Bruiser hatte drei Kämpfe in Folge gewonnen und Clayton war überzeugt davon gewesen, dass sein Hund unaufhaltsam war.
Brock hätte womöglich sogar gewettet, wenn er vorher gewusst hätte, dass er verliert, nur um mir eine Lektion zu erteilen, weil ich nur Scheiße im Hirn hatte und sie mir auch noch selbst abgekauft hab.
Ralph hatte auch nur Scheiße im Hirn …
Clayton fuhr sich geistesabwesend mit der Hand über die Kopfhaut. Er blickte sich in der alten Scheune um, so als verstecke sich irgendwo um ihn herum die Lösung für all seine Probleme.
Freddy hatte die baufällige Scheune seiner Eltern für sämtliche Hundekämpfe genutzt und die Lage war auch ziemlich ideal: weit entfernt und versteckt vom Rest der Zivilisation. Die Polizei war nicht ein einziges Mal aufgetaucht, um nach dem Rechten zu sehen, obwohl sie von der Existenz des Schuppens gewusst haben musste. Clayton nahm an, dass dies ausschließlich daran lag, dass irgendein Typ wie Brock die meisten von ihnen bestochen hatte.
Jetzt war Brock mit 12.000 in den Miesen, und das war einzig und allein Claytons Schuld.
Bullshit. Es war Bruisers Schuld. Er war derjenige, der sich von einem verdammten Mischling hat umbringen lassen.
»Du bist ja so still«, bemerkte Freddy.
Er wäre am liebsten einfach aufgesprungen, hätte Freddy bei den Schultern gepackt und ihn so lange geschüttelt, bis er verstand, warum ihm die Lust auf eine Unterhaltung vergangen war. Aber stattdessen seufzte er nur.
»Angst davor, was Brock mit dir anstellen wird?«, fragte Freddy.
»Was glaubst du wohl, du Idiot?«
»Musst ja nicht gleich so zickig werden.«
»Ach nein? Ich werde wahrscheinlich demnächst sterben, kapierst du das denn nicht?«
»Vielleicht ja auch nicht.«
»Ach, wirklich? Hast du irgendwo 12.000 rumliegen, die wir ihm zurückzahlen können?«
»Nee, aber er schuldet mir ’nen Gefallen. Vielleicht kann ich ihn ja dazu überreden, dir ein bisschen Zeit zu geben, um das Geld zu beschaffen.«
Durch diesen Vorschlag fühlte sich Clayton auch nicht viel besser. Es war weder eine Lösung noch war es ein Plan. Alles, was Freddy tun konnte – sofern er überhaupt die Wahrheit sagte –, war, das Unausweichliche noch ein wenig weiter hinauszuzögern.
Es wird sich nur noch länger hinziehen.
Irgendwie fühlte er sich bei der Vorstellung noch mieser, die Sache unnötig aufzuschieben.
Aber es war trotzdem besser als alles, was ihm selbst eingefallen wäre.
»Was für einen Gefallen schuldet er dir denn?«, wollte Clayton wissen.
Freddys dünne Lippe schob sich nach oben und enthüllte ein paar braune Zähne. »Mach dir deswegen keine Gedanken.«
Clayton, noch immer auf Knien, blickte zu Freddy hinauf. »Glaubst du wirklich, dass das funktionieren wird?«
»Ich kann ihn überreden«, versicherte Freddy. »Er wird sich für ’ne Weile zurückhalten, aber er wird die Sache nicht vergessen.«
»Gut. Ich brauch nur ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Dann kann ich versuchen, mir was zu überlegen.«
Vielleicht könnte ich Teresa fragen?
Sehr fraglich. Sie hatte ihn rausgeschmissen. Er hätte wissen müssen, dass er dafür hätte sorgen sollen, keine Spuren zu hinterlassen, wenn er schon eine andere Frau mit in das Bett nahm, das er mit seiner Freundin teilte.
Außerdem hatte sie gar nicht so viel Geld.
»Wenn ich dir diesen Gefallen tue«, fügte Freddy mit keuchendem Atem hinzu, »dann musst du mir auch einen Gefallen tun.«
Clayton bemerkte das dümmliche Grinsen auf Freddys dicklichem Gesicht, eine straffe Linie zwischen zwei schwabbeligen Wangen. Freddy schluckte schwer, so als stecke ein ganzer Felsbrocken in seinem Hals fest. Es klang laut, und der dicke Speichel schwappte platschend in seinen Magen.
»Was zum Teufel laberst du denn da, Freddy?«
»Wenn du willst, dass ich dir ein bisschen Zeit verschaffe, dann musst du auch was für mich tun.«
Clayton schrumpfte innerlich zusammen. »Du kommst mir doch jetzt nicht mit irgendwas Abartigem, oder?«
»Nein, nichts Abartiges. Ich finde einfach nur, dass ich das verdient hab. Ich hab dir jetzt schon so lange den Hintern geküsst, dass ich der Ansicht bin, es wäre allmählich an der Zeit, dass du mir deine Wertschätzung zeigst. Außerdem bist du sowieso schon in der richtigen Position: auf den Knien.«
»Du willst, dass ich dir den Hintern küsse?«
Clayton schüttelte den Kopf. »Du sollst mir nicht den Hintern küssen. Aber was anderes. Genauer gesagt … kannst du das ganze Ding in den Mund nehmen, das Küssen weglassen und stattdessen dran saugen.«
Ein eiskalter Schauer kroch über Claytons Rücken. Er wusste genau, worauf das hinauslief, und hätte Freddy am liebsten die Kehle herausgerissen. Aber die durchaus glaubwürdige Möglichkeit, dass er ihm mit Brock helfen konnte, hielt ihn auf den Knien und auf dem dreckigen Boden.
Er lügt. Brock schuldet ihm einen Scheiß.
Brock schien Freddy allerdings durchaus wohlwollend zu behandeln. Manchmal nahm Brock Freddy in die zahlreichen Stripclubs mit, die ihm gehörten. Plötzlich erinnerte sich Clayton wieder an die Gerüchte über Charlie. Er war weniger wohlwollend mit Freddy umgegangen und hatte ihm einen Schlag in den Bauch verpasst oder so was. Wie man hörte, hatte Freddy Brock davon erzählt, der wiederum der Grund dafür war, dass man Charlie tot in Dinky’s Pond gefunden hatte.
Clayton hob eine Hand. »Freddy …«
»Leck dir die Lippen.« Er lachte ein nasales, wieselartiges Lachen.
»Das ist nicht dein Ernst.«
Das Lachen erstarb. Sein Lächeln verschwand. »Das ist mein Ernst.«
Es lag nicht der geringste Anflug von Humor auf Freddys Gesicht. Er scherzte nicht. Sein Blick wanderte zu Claytons Schritt hinunter, dort, wo der Stoff wie ein kleines Zelt abstand.
Claytons Mund fühlte sich mit einem Mal furchtbar trocken an. »Glaubst du wirklich, dass ich dir … einen blase?«
»Genau das glaube ich, verdammt noch mal. Ich sag’s dir, ich kenne Brock, und ich kann ihn höchstwahrscheinlich dazu bringen, dich noch eine Weile zu verschonen.«
»Was, wenn ich es tue und er mich trotzdem nicht verschont?«
Freddy zuckte mit den Schultern. »Ich werde jedenfalls nicht mit ihm reden, wenn du es nicht tust.«
»Ich war immer nett zu dir, Mann, selbst als all diese Arschlöcher dich wie Scheiße behandelt haben. Willst du mich wirklich dazu zwingen?«
»Du warst nicht immer nett zu mir. Du hast dich nur mit mir abgegeben. Scheißeee. Ich finde dich cool und es ist auch völlig in Ordnung für mich, wenn du mich für einen Volltrottel hältst. Aber ich helfe dir nicht, wenn du mir nicht hilfst.«
Freddy fuhr mit dem Daumen über den Reißverschluss seiner Hose und wackelte mit dem kleinen Anhänger. Er stemmte beide Hände in die Hüften und schob seinen wachsenden Schritt in Claytons Gesicht.
Ich werde das wirklich machen. Ich werde einen Schwanz lutschen. Fuck! FUCK!
Claytons Mund war staubtrocken, seine Lippen ausgedörrt und spröde. Deshalb tat er genau das, was Freddy gesagt hatte – er leckte darüber. Es half nur ein kleines bisschen. Seine Mundhöhle fühlte sich an, als sei sie mit einer Schicht aus Spachtelmasse bedeckt, und seine Zunge war ganz schwer und trocken.
»Komm schon«, drängte Freddy. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Schon gut, Freddy, halt einfach mal die Klappe, verdammt. Sag keinen Ton. Du machst es nur noch schlimmer.«
Grinsend wackelte Freddy ein bisschen mit den Hüften. Loses Kleingeld und Schlüssel klimperten in seiner Hosentasche.
Clayton hob die Hände zu Freddys Reißverschluss. Seine Finger zitterten, als sie sich völlig verkrampft um den Anhänger legten. Über ihm stieß Freddy ein Glucksen aus. Weil er seine hässliche Visage nicht sehen wollte, hielt er die Augen gerade nach vorne gerichtet.
Und machte langsam den Reißverschluss auf.
Ein nicht beschnittener, gekrümmter Penis fiel aus Freddys Hose und klatschte über Claytons Nase. Er schnappte erschrocken nach Luft und wich reflexartig zurück.
Freddys Schwanz sah aus wie eine Minisalami, die noch immer in der Plastikverpackung steckte. Warzen reichten von seinem Unterbauch bis zu seinem haarigen Hodensack hinunter. Er war ein wenig feucht und glänzte im schummrigen Licht der Scheune. Clayton nahm den schalen Geruch von Schweiß und Scheiße wahr.
Gottverdammt, wäscht sich Freddy überhaupt jemals?
Freddy nahm seinen Schwanz in die Hand und tippte damit auf Claytons Lippen. Er begriff, dass Freddy ihm damit zu verstehen gab, er solle den Mund ganz weit aufmachen – und genau das tat er auch. Langsam ließ Freddy ihn in seinen Mund gleiten, so als hätte er Angst, Clayton könnte irgendetwas Dummes tun. Ihn beißen zum Beispiel. Und sosehr er das auch wollte, er wagte es nicht.
Clayton hatte zwar noch nie selbst einen Schwanz gelutscht, aber er hatte genügend Pornos gesehen und war selbst schon oft genug in den Genuss gekommen, um zu wissen, wie es lief. Er fragte sich allerdings, ob er selbst es nach dieser Sache jemals wieder richtig würde genießen können. Nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte, kam er jedoch zu dem Schluss, dass ihn nichts des Vergnügens berauben konnte, das ihm ein Blowjob verschaffte.
»Warte«, sagte Freddy.
Erleichterung strömte durch Clayton. Es war nur ein Scherz. Freddy hatte ihn die ganze Zeit nur an der Nase herumgeführt.
Clayton setzte sich nach hinten ab und atmete ganz langsam aus. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Als er sah, wie Freddy sein Handy aus der Hosentasche zog und es über seinen Schritt hielt, verflüchtigte sich sein Lächeln jedoch wieder.
»Ich muss das festhalten«, sagte Freddy.
»Komm schon, Mann …«
»Als kleines Andenken für mich.«
Claytons Augen begannen zu brennen. Zum allerersten Mal, seit er ein Kind gewesen war, hatte er das Gefühl, gleich loszuheulen.
»Ich bin bereit«, verkündete Freddy und streckte das Handy vor sich aus, um das Display besser sehen zu können.
Clayton wollte protestieren, wusste jedoch, dass es sinnlos war. Er steckte in einer ausweglosen Situation. Er würde diese Erniedrigung wohl oder übel über sich ergehen lassen müssen, wenn sie bedeutete, dass er dadurch ein wenig Zeit gewann.
»Das Video zeigst du besser niemandem«, warnte ihn Clayton.
»Glaubst du, ich bin blöd? Ich will doch nicht, dass irgendjemand weiß, dass du meinen Schwanz gelutscht hast.«
Clayton erwiderte nichts. Er schloss seine Lippen um Freddys Gemächt.
Stöhnend legte Freddy eine Hand an Claytons Hinterkopf und krallte sich in seinem Haar fest.
Und dann legte Clayton los.
2
Etwas Nasses glitt über ihre nackten Füße und weckte Amy mit einem Kitzeln. Sie zog blitzschnell die Beine an und ließ damit das dünne Laken aufflattern, das ihren Körper bedeckte. Sie spürte, wie es sich langsam wieder über ihre Zehen ausbreitete.
Schwere Schritte trotteten vom Fußende her an der Seite des Bettes entlang. Sie hörte, wie das Klimpern der Metallmarken immer lauter wurde. »Lass mich schlafen«, brummte sie.
Das Laken strich sanft über ihre Haut, als es von ihrem Körper gezogen wurde. Ein großer Kopf schob sich in die Lücke zwischen ihrer Schulter und ihrem Hals und sie spürte, wie eine feuchte Nase seitlich an ihrem Hals schnupperte.
Amy zuckte zusammen, drehte den Kopf weg und rutschte von der Kante der Matratze zur Mitte des Bettes. »Hör auf!«
Sie machte die Augen auf und wurde von einem verschwommenen, schlürfenden roten Etwas begrüßt, das sie vom Kinn bis zum Haaransatz abschleckte. Sie konnte sehen, wie die breite Nase und der weite Schlund für ein zweites Schlecken auf ihr Gesicht zustürmten. Amy wich der herausschnellenden Zunge aus, warf einen Arm in die Luft und stieß gegen eine Schulter. Die Marken klingelten noch lauter. Während sie sich weiter hin und her warf, hörte sie ein freudig erregtes Jaulen, weil sie endlich wach war.
Das ganze Bett wackelte, als er auf die Matratze sprang und sie auf die Seite warf. Lachend rollte sich Amy auf den Rücken. Das Laken war weggeflattert und ihre nackten Brüste lagen entblößt in der kühlen Luft des Zimmers. Sie trug nur ein Höschen und ein dickes Fell aus Hundehaar kitzelte auf ihrer Haut, als sich kräftige Beine zu beiden Seiten neben ihr aufbauten.
»Jagger! Ich bin wach! Ich bin wach!«
Er hüpfte auf dem Bett auf und ab und löste ein wahres Beben aus. Sein Maul stand weit offen und er keuchte heftig. Speicheltropfen spritzten auf ihre Brüste. Zitternd versuchte sie, das Laken wieder über ihren Körper zu ziehen, aber es steckte unter seinen riesigen Pfoten fest.
Amy verschränkte die Arme über der Brust und grinste spöttisch. »Gefällt dir der Anblick?«
Jagger schnaubte.
»Wenn du willst, dass ich mit dir rausgehe, dann musst du mich aufstehen lassen.«
Auch wenn sie dieses Spielchen jeden Morgen spielten, machte es Amy immer noch Spaß, mit ihrem Hund herumzualbern. Da er jedoch keine zehn Kilo von der Hundertermarke entfernt war, war das auch schon alles, was sie mit ihm tun konnte. Ringen war keine Option mehr. Er hatte ihr mehr als nur einmal aus Versehen wehgetan, deshalb hatte sie ihren Tobereien ein Ende setzen müssen. Manchmal wurde er so aufgeregt, dass er völlig vergaß, dass sie nicht annähernd so stark war wie er, aber ein Spritzer aus der Wasserflasche erinnerte ihn stets wieder daran.
Trotzdem erlaubte sie es ihm noch, mit ihr zu kuscheln.
Und er war sehr gut darin.
So als wollte er sie an seine Talente erinnern, ließ er sich langsam zu ihr nieder. Sie breitete die Arme aus, damit sich seine zottelige Brust auf die ihre legen konnte. Dann drückte sie ihn ganz fest an sich, schlang die Arme um seinen kräftigen Hals und die Beine um seine Hüften. Es war beinahe so, als würde sie einen großen, haarigen Mann umarmen.
Er senkte den Kopf und legte die Schnauze auf dem Kissen neben ihrem Gesicht ab.
»Oh, Jagger.« Sie streichelte ihn hinterm Ohr. »Du bist der einzige Mann, den ich brauche.«
Er schnaubte durch die Nase, als wollte er ihr zustimmen.
»Du weißt, dass ich dich lieb hab, oder?«
Ein weiteres Seufzen, so als würde es ihn schrecklich langweilen und ermüden, dass sie ihn ständig daran erinnerte.
Sie kratzte ihn hinter dem großen Schlappohr und spürte, wie er sich anspannte und seinen Kopf zu ihr lehnte. »Gefällt dir das?«
Jagger stöhnte dankbar.
»Kein Wunder, dass es dich juckt. Deine Haare kräuseln sich ja bis in dein Ohr!« Sie lachte. »Ich muss einen Haarige-Männer-Fetisch haben. Was sagt das wohl über mich aus?«
Amy lachte.
Jagger war ein Mastiff-Mischling. Sein stämmiger Körper verdeckte den ihren unter einer Schicht aus dichtem braunem und schwarzem Fell. Sie nahm an, dass er im Augenblick aussah, als hätte er die Arme und Beine einer Frau und eine zitronengelbe Mähne auf dem Kopf. Auch wenn er sie mit Leichtigkeit hätte zerquetschen können, fühlte er sich ganz leicht und weich auf ihr an.
Seine Rasse war für ihr sanftes Wesen bekannt. Eigentlich wusste Jagger, wann er sanft sein musste. Normalerweise war er damit zufrieden, sich an sie zu kuscheln oder ihr als Fußstütze zu dienen, wenn sie auf der Couch saß. Er schlief ohnehin die meiste Zeit, wenn er nicht gerade draußen oder im Park war.
Pass bloß auf, dass er sich nicht zu sehr reinsteigert, sonst geht wieder was zu Bruch.
Gläser, Bilderrahmen, ein Stuhl – sie hatte bei Jaggers wilden Rennen durchs Haus schon einiges eingebüßt. Ihr Bankkonto war Zeuge für all die Ausgaben, die bereits auf sie zugekommen waren, weil sie Dinge hatte ersetzen oder reparieren lassen müssen.
Einmal war Jagger bei dem Versuch, ihr ins Badezimmer zu folgen, aus Versehen gegen die Tür gerannt. Sie hatte auf der Toilette gesessen, als plötzlich sein Kopf durch das billige Holz gestoßen war. Der Kopf hatte festgesteckt, aber es hatte trotzdem so ausgesehen, als hätte er ein Grinsen auf dem Gesicht, während er ihr dabei zusah, wie sie ihre Blase entleerte. Diese unangenehme Episode hatte dazu geführt, dass sie sämtliche Türen im Haus durch stabileres Material ersetzt hatte. Bislang hatten sie gehalten. In den folgenden Monaten hatte er sich zwar ein paar Beulen am Kopf eingefangen, aber letztlich hatte er begriffen, dass er nicht mehr durchbrechen konnte.
»Hey. Lässt du mich jetzt mal aufstehen?«
Jagger seufzte ins Kopfkissen. Sie kratzte mit ihren langen Fingernägeln über seine Flanke. Sein Hinterbein trat aus und traf wie eine Reihe von Hammerschlägen auf die Matratze. Sie spürte, wie das Bett unter ihrem Rücken bebte.
Er rührte sich jedoch keinen Zentimeter.
»Willst du nach draußen?«
Er spannte sich an. Hielt den Atem an.
»Hm? Willst du nach draußen?«
Er hob den Kopf, sah sie aber nicht an. Es sah aus, als würde er vorgeben, sich voll und ganz auf die Wand zu konzentrieren.
»Komm schon, Hübscher. Lass uns rausgehen.«
Das war der Befehl, auf den er gewartet hatte. Jagger sprang vom Bett und der Fußboden ächzte bei seiner Landung. Er drehte sich wie verrückt immer wieder im Kreis und bellte aufgeregt. Es war so laut, dass die Wände vibrierten. Ihr eingerahmtes College-Diplom zitterte an der Schlafzimmerwand.
»Aus«, sagte sie und setzte sich auf. »Willst du Tante Teresa aufwecken?«
Jagger neigte den Kopf zur Seite, als sie den Namen ihrer Freundin aussprach. Eine Wangenfalte hing an seinem Mund herunter und enthüllte mehrere krumme Zähne.
Teresa hatte vergangene Nacht wieder auf der Couch geschlafen, schon die dritte Nacht in Folge. Hoffentlich war es für eine Weile die letzte. Teresa war schon seit der achten Klasse Amys beste Freundin und Amy liebte sie wie eine Schwester, auch wenn sie die schmollende Pessimistin, zu der Teresa sich entwickelt hatte, allmählich leid war.
Dieser gottverdammte Clayton Fortner.
Wie war Teresa nur je an einen solchen Loser geraten, der bei jeder Gelegenheit von ihr schnorrte? Er hatte noch keinen Job länger als einen Monat behalten. Er schien nie Geld zu haben, aber ständig jemandem welches zu schulden.
Amy hatte ihn von Anfang an nicht gemocht, und als sie Teresa das gestanden hatte, hätte es ihrer 20-jährigen Freundschaft beinahe ein Ende bereitet.
Vor zwei Wochen hatte Teresa dann einige Flecken auf ihrem Bettlaken entdeckt, die immer noch ein wenig feucht gewesen waren. Clayton hatte noch nicht einmal versucht, abzustreiten, dass er sie betrogen hatte.
Teresa hatte Clayton rausgeschmissen, aber er war trotzdem noch ständig bei ihr aufgetaucht, hatte sie um Geld angebettelt und sie gefragt, ob er für eine Nacht bei ihr pennen konnte. Und Teresa hatte ihm tatsächlich Geld gegeben und ihm erlaubt zu bleiben – was für gewöhnlich dazu führte, dass die beiden Sex hatten und Teresa am Ende nur noch schlimmer durcheinander war.
Letztlich hatte Teresa jedoch genug davon gehabt und Amy um Hilfe gebeten. Die Tatsache, dass sie nun hier war, nahm Amy an, war Teresas Versuch einer Clayton-Fortner-Entziehungskur. Seinetwegen war sie total durch den Wind gewesen, war es immer noch, und wenn sie eine Zeit lang von ihm wegblieb, half ihr das vielleicht dabei, sich wieder sammeln und klar denken zu können.
Jetzt fühlte sich Amy ganz mies, weil sie sich gewünscht hatte, dass Teresa bald wieder ging. Natürlich konnte sie so lange bleiben, wie sie wollte.
Amy schwang die Beine über die Bettkante, legte die Hände auf das Laken und spürte die nassen Flecken von Jaggers Sabber.
Apropos Flecken auf dem Bettlaken.
Wenigstens wusste sie, wer für diese hier verantwortlich war.
Sie verzog das Gesicht und hob eine Hand. Schaumiger Speichel bedeckte ihre Fingerspitzen. Sie wischte die Spucke am Laken ab und stand auf.
Auf dem Weg zur Kommode streichelte sie Jagger unter dem Kinn. Sein Kopf reichte bis über ihre Hüften und sie spürte, wie seine kalte Nase über ihre Haut strich.
Amy öffnete die oberste Schublade. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der lange Spiegel an der Tür des Kleiderschranks die Bewegung imitierte. Sie blickte zur Seite und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihre goldbraune Haut sah im schwachen Licht des Morgens, das durch das Fenster hereinfiel, ganz weich aus und ihr wilder blonder Haarschopf schimmerte förmlich. Sie hatte ein Bein leicht nach vorne gestellt, sodass die Wölbung ihres Oberschenkels und die schmalen Muskellinien zu erkennen waren. Es sah gut aus, beinahe so, als würde sie für ein Foto posieren. Sie streckte den Hintern raus, schob eine Hüfte nach vorne und sah, wie seitlich in der Pohälfte, die von ihrem Höschen nicht verdeckt wurde, eine kleine Mulde auftauchte.
Lächelnd drehte sie sich, um sich von vorne betrachten zu können. Sie runzelte die Stirn, als sie Jaggers trocknende Spucke auf ihren Brüsten sah.
»Wenn doch nur alle Männer so nach mir geifern würden wie du.«
Jagger schubste von hinten gegen ihre Beine und sie taumelte vorwärts. Sie schaute ihn über ihre Schulter hinweg an und setzte einen gespielt finsteren Blick auf. »Pass bloß auf, Kumpel.«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und ließ das Maul offen stehen. Sabber triefte aus seinen Mundwinkeln und bildete kleine schaumige Pfützen auf dem Teppichboden.
Großartig.
Sie blickte sich im Zimmer nach der Dose mit den antibakteriellen Feuchttüchern um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Anscheinend hatte sie sie in der Küche gelassen. Jaggers Schlabberspuren auf ihrer Haut und dem Boden mussten vorerst warten.
Sie drehte sich wieder zu der offenen Schublade um und nahm einen BH heraus. Sie machte die Schublade wieder zu, öffnete die nächste darunter und schnappte sich das T-Shirt, das zuoberst lag, bevor sie sie mit der Hüfte wieder zuschob. Dann beugte sie sich nach unten, öffnete die dritte Schublade und zog eine Laufshorts heraus.
Als sie zum Bett zurückging, folgte ihr Jagger direkt auf den Fersen und stupste immer wieder mit der Nasenspitze gegen die Rückseite ihrer Oberschenkel. Es fühlte sich wie kalte Küsse auf ihrer Haut an.
»Schon gut«, sagte sie. »Ich beeil mich ja schon. Mein Gott.« Sie ließ die Klamotten aufs Bett fallen, drehte sich um und fädelte die Arme durch die Träger ihres BHs. »So was von ungeduldig.« Sie führte die Arme nach hinten und zog am BH, bis er richtig saß. »Aber ich schätze, wenn ich so dringend pinkeln müsste wie du, dann wäre ich auch ein bisschen hibbelig.«
In dem Moment wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich pinkeln musste, deshalb zog sie sich hastig an und schlüpfte mit den Füßen in ihre Sandalen. Sie drehte sich wieder zur Kommode um und nahm die Haarbürste, die darauf lag. Am Griff waren mehrere Haargummis aufgereiht und sie konnte die Riffelung in ihrer Handfläche spüren. Auf dem Weg zur Schlafzimmertür bürstete sie ihr Haar und zuckte jedes Mal zusammen, wenn die Noppen an einer verknoteten Stelle hängen blieben.
Als sie mit Bürsten fertig war, nahm Amy eines der Haargummis, die sie um den Griff befestigt hatte, und warf die Bürste aufs Bett. Jagger schien versucht zu sein, sie zu apportieren, überlegte es sich dann aber offensichtlich doch anders. Sie nahm ihr Haar nach hinten und schlang das Gummi darum, während Jagger versuchte, sich zwischen ihr und der Wand vorbeizuquetschen.
»Du kannst da nicht raus«, erklärte sie ihm. »Komm her.«
Sie klopfte auf ihren rechten Oberschenkel. Jagger verstand den Hinweis, wich zurück und kam auf die richtige Seite.
»Bleib hier«, flüsterte sie und öffnete die Tür.
Jagger stürmte in den Flur hinaus und stieß Amy dabei mit seinem massigen Körper die Tür aus der Hand, während sie selbst gegen den Rahmen knallte.
»Scheiße«, sagte sie. »Jagger!«, flüsterte sie barsch und eilte hinter ihm her. Sie konnte spüren, wie der Boden unter seinen schweren Schritten vibrierte.
Sein Halsband hörte auf zu klimpern, als er das Wohnzimmer erreichte.
Amy stand in der Mitte des Flurs und schüttelte den Kopf.
Dann drehte sie sich wieder um und machte einen Abstecher ins Badezimmer.
Als sie fertig war, ging sie ins Wohnzimmer und fand Jagger auf den Hinterbeinen vor der Hintertür sitzend, wo er mit einer kräftigen Pfote an der Leine kratzte, die neben dem Türrahmen an einem Haken baumelte. Seine Schlappohren hingen wie der Schleier einer Nonne an seinem Hinterkopf herab.
Der schale Geruch von Zigarettenrauch hing schwer im Raum. Amy blickte zur Couch hinüber. Teresa schlief auf dem Bauch in einem Tanktop und Höschen, das kaum über die untere Wölbung ihres Hinterns reichte. Die Bettdecke lag in einem dicken Haufen über ihren Waden, so als hätte sie Teresa von unten her verschlungen. Ihr Arm hing an der Seite herab, war am Ellenbogen abgewinkelt und berührte den Boden. Ein mit einem Turm aus zerdrückten Zigarettenstummeln gefüllter Aschenbecher stand in ihrer Reichweite.
Amy wandte den Blick wieder von Teresa ab und ging zur Tür. Sie legte einen Finger auf ihre Lippen, um Jagger leise zu befehlen, ruhig zu sein. »Du bist zu laut. So wirst du Teresa noch aufwecken.«
»Zu spät«, hörte sie die schläfrige Stimme ihrer Freundin. Teresa hob den Kopf. »Ich bin schon seit ein paar Minuten wach.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Amy.
»Wie spät ist es?«
Amy schaute auf die Uhr an der Wand. »Fast acht.«
»Scheiße.« Teresa stöhnte. »Wie schaffst du’s nur, jeden Morgen so früh aufzustehen?«
Amy tätschelte Jaggers Kopf und er wackelte mit den Ohren. Sein Fell fühlte sich weich und glatt unter ihrer Haut an. »Dank meines fast hundert Kilo schweren Weckers hier.«
Teresa kam mit Mühe auf die Knie und setzte sich nach hinten ab. Das dunkle Haar hing ihr in verhedderten, welligen Strähnen ums Gesicht. Die dunklen Formen ihrer Brüste waren durch das weiße Tanktop gut zu sehen und auch die Nippel ragten sichtbar hervor. »Gehst du mit ihm spazieren?«
Amy nickte und nahm die Leine vom Haken. »Willst du mitkommen?«
Teresa stöhnte nur.
Lachend beugte sich Amy nach unten, zog die Schnalle zu sich heran und klickte die Leine ein. Die Tollwutmarke klingelte an dem Metallverschluss.
»Wie schaffst du’s bloß, den festzuhalten?«, fragte Teresa. »Ich stell mir immer vor, wie du auf deinen Fersen die Straße runterrauschst.«
Amy lachte. »Manchmal ist das auch so, wenn er einen Hasen entdeckt oder so. Oder wenn Rileys Hühner draußen sind.«
»Hühner. Eklig.« Sie verzog das Gesicht. »Hässliche kleine Viecher.«
»Wie dem auch sei, wir gehen jetzt mal raus und drehen unsere Runde durch die Nachbarschaft. Sicher, dass du nicht mitkommen willst?«
»Ich passe. Zu früh, um sich ins Sonnenlicht zu wagen. Das ist der Vampir in mir.«
Teresa arbeitete nachts in Honkers Truck Stop, aber da sie ihre letzten paar Schichten hatte sausen lassen, fragte Amy sich, ob sie überhaupt noch einen Job hatte. Vielleicht war es ja sogar das Beste für Teresa, wenn sie keinen mehr hatte. Das Honkers war ein Drecksloch, in dem sich nur der mieseste Abschaum traf und von dem sich die Einheimischen gezielt fernhielten. Es sei denn, es ging ihnen wie Teresa und sie waren dazu verdammt, dort zu arbeiten. Die Klientel bestand aus Auswärtigen, bei denen es sich, wie Amy annahm, mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich um Serienkiller auf der Durchreise handelte.
Wenn man einen tollen Körper hatte und gewillt war, ihn ausbeuten zu lassen, schien man dort problemlos einen Job zu bekommen.
Sie blickte wieder zu ihrer Freundin, die immer noch auf der Couch kniete und sich den Oberschenkel rieb. Amy musste zugeben, dass Teresa über mehr als nur die Grundvoraussetzungen verfügte.
Jagger stöhnte neben ihr. Amy schaute nach unten und sah, dass er seinen riesigen Kopf zu ihr nach oben geneigt hatte. Obwohl seine schlaffen Wangen die Mundwinkel verbargen, konnte sie erkennen, dass er schmollte.
»Schon gut, Jagger, wir gehen ja.«
Amy schob den Riegel zurück, drehte am Knauf und zog die Tür auf.
»Was möchtest du zum Frühstück?«, wollte Teresa wissen.
»Worauf hast du denn Lust?«
»Waffeln.«
»Das klingt großartig.«
»Dann fang ich schon mal an.»
»Das Waffeleisen ist im Schrank unter der Arbeitsplatte«, fügte Amy hinzu und hielt mit dem Rücken die Tür auf.
»Das find ich schon.«
»Bis gleich.«
»Tschüss.«
Amy öffnete die Fliegengittertür und zog kurz und sanft an Jaggers Leine, um ihm zu bedeuten, dass er stehen bleiben sollte. Er gehorchte und ließ Amy zuerst hinausgehen. In einem Hundetrainingsbuch hatte sie gelesen, dass es besonders wichtig war, großen Hunden beizubringen, dass ihr Besitzer zuerst durch die Tür ging. So war es weniger wahrscheinlich, dass man sich die Schulter auskugelte, falls der Hund plötzlich an der Leine riss.
Sie hielt die Fliegengittertür mit dem Hintern auf und trat auf die Terrasse hinaus. Sie schnalzte mit der Zunge. Jagger kannte diesen Befehl und setzte sich gemächlich in Bewegung. Seine Krallen klapperten auf den Holzdielen der Terrasse.
Nach der angenehmen Temperatur im Inneren des Hauses fühlte sich das Holz warm und feucht an. Vögel zwitscherten rundum, und der Wassermelonengeruch von frisch gemähtem Gras hing in der Luft. Amy wusste jetzt schon, dass auch dieser Sommertag neue Hitzerekorde brechen würde. Hinter der Kühle lauerte eine noch milde Schwüle und es schien kein Lüftchen zu wehen.
Amy zog die Hintertür zu und entfernte sich vom Fliegengitter. Es fiel langsam mit einem Klicken ins Schloss. Amy schaute auf die Fußmatte, sah dort jedoch wider Erwarten keinen Umschlag liegen.
Verdammt.
Janice Wilson, die einen Stellplatz für einen Einzelwohnwagen in ihrem Park mietete, sollte die Miete bis neun Uhr heute Morgen auf Amys Terrasse legen.
Sie hat noch Zeit. Es ist ja noch nicht mal ganz acht.
Amy bezweifelte zwar, dass sie das Geld in nächster Zeit sehen würde, hoffte aber trotzdem, es vorzufinden, wenn sie wieder zurückkam. Sie hatte beschlossen, sich noch mal mit Janice zu unterhalten, falls sie heute Morgen wieder nicht bezahlte. Ihr vielleicht sogar damit zu drohen, sie zu zwingen, den Wohnwagen woanders abzustellen. Janice bezahlte ihre Miete immer zu spät und hinkte für gewöhnlich zwei Monate hinterher. Mit der jetzt fälligen Miete waren es allerdings schon knapp drei Monate. Der einzige Grund, warum Amy die vernachlässigten Zahlungen weiter durchgehen ließ, war Nathan, Janices kleiner Sohn.
Jagger trottete neben ihr zur Treppe und ließ die Leine locker durchhängen. Sie wusste, dass er so schnell wie möglich auf den Hof rennen und sein Bein heben wollte, aber er blieb ruhig. Wieder überließ er ihr die Führung, als sie die Stufen hinunterstiegen. Er war immer viel ruhiger, wenn er an der Leine war, auch wenn er drinnen sofort alles wieder zu vergessen schien, was Amy und der Ausbilder ihm beim Hundetraining beigebracht hatten.
Das Gras war vom Tau ganz nass und hinterließ feuchte Spuren auf ihren Sandalen, als sie sich dem Tor im Zaun näherten. Wahrscheinlich würde sie vor dem Wochenende noch mähen müssen. Ihr Hinterhof war von einem Maschendrahtzaun eingefasst, mit je einem Tor hinten und an jeder Seite. Sie hatte ihn in dem Wissen erweitern lassen, dass Jagger einen eingezäunten Bereich zum Spielen brauchen würde, als er noch ein Welpe gewesen war. Außerdem gab er ihr ein bisschen mehr Sicherheit vor ihren Mietern. Als Besitzerin des Eagle’s Nest Wohnwagenparks brauchte sie jedes bisschen Sicherheit, das sie kriegen konnte.
Als ihr Vater noch in dem Haus gewohnt hatte, hatte er nie einen Zaun aufgestellt. Damals war das auch nicht nötig gewesen. Im Laufe der Jahre hatte er den Park jedoch so sehr vor die Hunde gehen lassen, dass sich ein Zaun nun beinahe wie eine Verpflichtung anfühlte. Hoffentlich gelang es ihr, den Park eines Tages von dem schlechten Ruf zu befreien, den er in den letzten zehn Jahren erlangt hatte und der dazu führte, dass er von vielen gemieden wurde.
Reines Wunschdenken, das wusste sie.
Sie hob den Riegel hoch, drückte das Tor nach innen auf und ging zuerst hindurch. Jagger folgte dicht hinter ihr. Sie wechselte die Leine in die andere Hand, zog das Tor wieder zu und setzte sich in Bewegung. Sie näherten sich Jaggers liebstem Pinkelbaum und sie spürte, dass er immer schneller darauf zuging. Die schlaffe Leine spannte sich straffer.
»Halt«, sagte sie.
Jagger zog noch einmal und entspannte sich dann.
Sie blieben neben dem Baum stehen. Jagger beugte sich mit der Nase zu den knorrigen Wurzeln hinunter, die wie Schlangenrücken aus dem Boden ragten. Beim Schnüffeln blies er kleine Staubwolken vom Boden auf, ging zuerst zur einen Seite des Baumes, kehrte dann wieder um und kam zurück. Überzeugt, dass niemand anders versucht hatte, seinen Platz zu markieren, verlagerte er das Gewicht auf zwei Beine und hob ein Hinterbein hoch. Ein dunkelgelber Strahl schoss heraus und traf auf den Baum, als würde er mit einem Gartenschlauch gewässert. Es rann an der Rinde hinab und sammelte sich in einer schäumenden Pfütze in einer Mulde zwischen zwei Wurzeln.
Jagger hatte die Augen halb geschlossen und den Kopf ganz leicht zur Seite geneigt, so als würde er die Erleichterung sehr genießen. Es sah aus, als wollte er gar nicht mehr aufhören.
»Oh, Kumpel, du musstest wirklich dringend, was?«
Die Kraft von Jaggers Strahl ließ allmählich nach, verwandelte sich in ein stotterndes Sprühen und schließlich in ein Tröpfeln. Er schnaubte einmal und ließ sein Bein wieder sinken. Dann schüttelte er sich am ganzen Körper. Es klang, als würde ein flatternder Windstoß durch sein Fell und an seiner Wirbelsäule entlang bis in seine Schwanzspitze rauschen.
Er war bereit, den Spaziergang fortzusetzen.