SMED
Die Erfolgsmethode für schnelles Rüsten und Umstellen
CETPM Publishing, Ansbach
ISBN: 9-783940-775-11-5
Copyright ©2012
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Geleitwort
Große Serien produzieren oder häufig Maschinen und Anlagen für die Fertigung kleiner Lose umstellen? Diese Frage betrachten viele Unternehmen als Dilemma. Einerseits möchten sie wirtschaftlich produzieren und sehen im Umrüsten einen Aufwand, der mit Kosten und Zeitverlust verbunden ist. Andererseits möchten sie beweglich bleiben und punktgenau auf Kundenwünsche reagieren. Bei näherer Betrachtung liegt es auf der Hand, dass Vorratsproduktion und hohe Bestände nicht wirtschaftlich sind und ein Unternehmen eher unflexibel machen. Die Gründe dafür erläutern die Autoren dieses Buches ausführlich. Mit SMED stellen sie eine bewährte Methode vor, mit der es gelingt, Umstellzeiten drastisch zu reduzieren. Dabei stehen weder die Kosteneinsparung noch die mögliche höhere Maschinenauslastung im Vordergrund. Vielmehr wird die Optimierung genutzt, um häufiger zu rüsten, kleinere Losgrößen zu fertigen und dadurch letztlich die Bestände zu senken.
Dieses Grundlagenwerk zeigt die Möglichkeiten und Werkzeuge von SMED auf. Die Autoren sprechen bewusst nicht von „Umrüsten“ sondern von „Umstellen“. Denn auch in Bereichen außerhalb der Produktion gibt es Umstellzeiten, z.B. die Vorbereitung eines Flugzeugs für den nächsten Start oder die Reinigung eines Operationssaals vor der nächsten Operation. Auch in diesen Bereichen hilft SMED, Umstellzeiten zu verkürzen, damit Organisationen wirtschaftlicher und agiler werden.
Das Basiswissen über die Methode SMED ist ein wertvolles Rüstzeug für Führungskräfte und Teams, um Prozesse flexibler zu gestalten und ihr Unternehmen im Hinblick auf volatile Märkte auf eine gute Basis zu stellen. Anhand von Praxisbeispielen in diesem Handbuch erhalten sowohl erfahrene Praktiker als auch Neueinsteiger rasch Zugang zum Thema „Umstellzeiten minimieren“.
Ich wünsche Ihnen wertvolle Erkenntnisse und Inspirationen bei der Lektüre dieses Werkes und viel Erfolg beim Anwenden von SMED.
Prof. Dr. Constantin May
Managing Director des CETPM der Hochschule Ansbach
1 Wertschöpfung und die sieben Verluste
Dieses Buch beschreibt die Anwendung der SMED-Methode. SMED wurde ursprünglich im Produktionsbereich entwickelt, lässt sich aber auch sehr gut in anderen Bereichen einsetzen.
Die vier Buchstaben stehen für: Single Minute Exchange of Die. Was soviel bedeutet wie „Umstellen“ (Werkzeugwechsel) im einstelligen Minutenbereich.
SMED ist ein kraftvolles Instrument, um in Prozessen und beim Einsatz von Maschinen auftretende Wartezeiten zu verkürzen, die bedingt sind durch Umstellen, Reinigen oder Produktwechsel. Bevor wir die SMED-Methode selbst erklären, kommen wir zunächst auf die genannten Prozesse zurück. Prozesse lassen sich nach den Kategorien Wertschöpfung und Verschwendung bewerten.
Betriebe und Organisationen finden ihre Daseinsberechtigung in der Tatsache, dass dort etwas Wertvolles passiert. Sie stellen etwas her oder tun etwas, was für Kunden einen Wert hat und wofür Kunden zu bezahlen bereit sind. Dieser Wert wird in Prozessen geschaffen. Ein Prozess ist eine Aneinanderreihung von Aktivitäten in einer planmäßigen und (hoffentlich) logischen Reihenfolge die ein bestimmtes Ergebnis zum Ziel haben. Dieses Ergebnis ist ein Produkt oder eine Dienstleistung. Egal ob nun Butter hergestellt oder eine Dienstleistung erbracht wird, Mitarbeiter müssen sich auf die Maschinen und Prozesse verlassen können, damit sie für den „Kunden“ ihre Aufgaben erledigen und Werte schaffen können.
Aktivitäten innerhalb von Prozessen lassen sich in zwei Kategorien eingeteilen: WERTSCHÖPFEND oder NICHT WERTSCHÖPFEND.
Ob eine Aktivität wertschöpfend ist, muss aus der Perspektive des Kunden beurteilt werden. Sieht ein Kunde den Wert einer Handlung? Werden zum Beispiel Produkte von einem Ort zum anderen transportiert oder repariert, dann kann das innerhalb der Organisation als sinnvoll bertrachtet werden. Aber für den Kunden existiert dieser Wert nicht. Aktivitäten, die in den Augen des Kunden keinen Mehrwert haben, nennen wir „Verluste“.
1.1 Die sieben Hauptverlustarten in Prozessen
Es gibt sieben Verlustkategorien, die für jeden Prozess und jedes Unternehmen gelten. Diese Kategorien werden auch die „sieben tödlichen Verluste“ genannt.
Die sieben Hauptverlustarten1:
Fehler und Mängel
Ideale Prozesse schaffen Produkte oder Dienstleistungen, die auf Anhieb korrekt sind. Durch Prozessfehler oder menschliches Versagen können Produkte oder Dienstleistungen geschaffen werden, die nicht dem Kundenwunsch entsprechen. Das sind zum Beispiel Produkte mit einer abweichenden Farbe, unkorrekten Abmessungen, einem falschen Etikett oder einem falschen Haltbarkeitsdatum. Mangelhafte Produkte können sogar gesundheitsschädlich sein.
Nacharbeit
Nacharbeit ist das nochmalige Herstellen oder Bearbeiten von Produkten oder Dienstleistungen, die nicht auf Anhieb die gewünschten Eigenschaften haben. Es werden erneut Arbeit, Energie und Verpackungsmaterialien benötigt. Es gibt sogar Produktionsbetriebe, die eine eigene Fertigungsstraße haben, um schlecht verpackte Produkte neu zu verpacken und mit einem Datumscode zu versehen.
Kontrolle
Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Kontrolle und der Zuverlässigkeit von Prozessen. Je weniger zuverlässig ein Prozess ist, desto stärker müssen das Funktionieren und die Produkte dieses Prozesses kontrolliert werden. In weiterer Folge heißt das, dass ein vollkommen zuverlässiger Prozess, der frei von Verlusten ist, keine Kontrolle benötigt. Kontrolle kann manchmal notwendig sein, schafft aber keinen Mehrwert. Eine Organisation, die viel Zeit und Geld in die Kontrolle investiert, erweckt den Anschein von Zuverlässigkeit. Tatsächlich aber ist dies ein Zeichen dafür, dass ihre Prozesse unzuverlässig sind.
Warten
Prozesse schaffen nur dann einen Mehrwert, wenn Produkte oder Dienstleistungen daraus entstehen, die dem Kundenwunsch entsprechen. Ein stillstehender Prozess schafft keinen Mehrwert, nicht einmal dann, wenn Mitarbeiter alle möglichen Aktivitäten rund um diesen Prozess ausführen. Wartezeiten können planmäßig sein, etwa beim Reinigen oder Umstellen. Sie können aber auch unplanmäßig sein (technische Störungen oder Warten auf Materialien, Lieferanten, Transporte). Noch ärgerlicher ist es, wenn der Kunde auf eine Dienstleistung oder ein Produkt warten muss. Warten ist ein Verb, also eine Tätigkeit: Es finden allerlei Aktivitäten statt, aber keine wertschöpfenden.
Lagerbestand
Lagerbestand ist eine Form des Wartens. Der Prozess wartet zwar nicht, aber die Produkte. Material, in das viel Zeit und Geld gesteckt wurde, wartet auf die Verladung oder überhaupt auf einen Kunden, der es kaufen will. Diese Produkte haben Geld gekostet, aber noch nichts eingebracht. Um sich Lagerbestände zu leisten, muss ein Unternehmen über viel Geld verfügen oder es bei der Bank leihen. Der physische Raum, den Lagerbestände einnehmen, und das Risiko einer Unverkäuflichkeit von Lagerbeständen, können hohe Kosten verursachen.
Transport
Je höher der Lagerbestand, desto mehr müssen Produkte umhergefahren werden. Paletten mit Produkten, die gerade vom Laufband kommen, werden mit einem Gabelstapler zum Lager gefahren – eine notwendige Aktivität, die jedoch keinen Mehrwert bringt. Auch die Laufwege des Personals, um Material oder Dokumente zu holen oder zurückzubringen, sind eine Form von Transporten, die aus der Perspektive des Kunden keinen Mehrwert schaffen.
Overprocessing
Zur korrekten Herstellung eines Produkts oder Erbringung einer Dienstleistung wird ein Minimum an Material und Zeit benötigt. Wenn mehr Zeit (Arbeit) und Material verwendet werden, als streng genommen notwendig, nennt man das „Overprocessing“. Eine andere Form des Overprocessings ist es, ein Produkt mit vielen Extras herzustellen, die vom Kunden nicht zusätzlich gewünscht werden.
Der ideale Prozess kennt keine Verluste. „Keine Verluste“ bedeutet, dass das Produkt oder die Dienstleistung dem Kundenwunsch entspricht, zum richtigen Zeitpunkt geliefert wird und den Preis hat, den der Kunde dafür bezahlen will. Der ideale Prozess wird nicht umsonst als ideal bezeichnet; er wurde noch nie erreicht. Durch ständige Verbesserungen kann man sich dem idealen Prozess ohne Verluste aber immer weiter annähern.
1.2 Die Anwendung von SMED zur Bekämpfung von Wartezeiten
Warten ist eine der sieben Verlustarten. Ein Prozess (oder eine Maschine) kann stillstehen, weil planmäßig oder unplanmäßig gewartet wird. Wartezeiten sind unplanmäßig, wenn zum Beispiel eine Maschine ausfällt, das Material noch nicht da ist oder auf eine Qualitätskontrolle gewartet werden muss. Planmäßige Wartezeiten sind Umstellzeiten, wie Reinigung oder der Produktwechsel. Oft werden diese Verluste als unvermeidlich betrachtet. Sie gehören nach Meinung Vieler einfach zum Prozess dazu. In traditionellen Definitionen und Berechnungen gehen die planmäßigen Stillstände noch nicht einmal auf Kosten des Wirkungsgrades der Maschinen. So können Wirkungsgrade zwischen 90 und 100% liegen (oder noch höher), obwohl die Maschine regelmäßig zur Umstellung oder zur planmäßigen Reinigung stillsteht. Der Effekt dieser Vorgehensweise ist, dass die Verluste verborgen werden und der Wirkungsgrad höher erscheint. Selbst wenn diese Wartezeiten eingeplant sind – sie bleiben immer Verluste.
Wie eingangs erwähnt, ist SMED eine Methode zur Verkürzung von Wartezeiten beim Umrüsten/Umstellen. SMED steht für Single Minute Exchange of Die (frei übersetzt: Umstellen im einstelligen Minutenbereich). Diese Abkürzung suggeriert, dass SMED eine Methode speziell für Produktionsbetriebe sei. Ursprünglich war das auch so, denn SMED wurde in Produktionsbetrieben entwickelt. Doch auch andere Betriebe haben in ihren Prozessen Wartezeiten, zum Beispiel Fluglinien. Fluglinien verdienen ihr Geld mit Flugzeugen, die Passagiere befördern, und nicht mit der Wartezeit am Flugsteig. Die Zeit zwischen der Landung und dem neuerlichen Start der Maschine kann als Wartezeit betrachtet werden. Es wird kein Wert geschaffen, wenn die Passagiere das Flugzeug verlassen, wenn die Kabine gereinigt oder die Maschine aufgetankt wird. Bei einem Flugzeug ist die Umstellzeit die Zeit zwischen der Landung und dem erneuten Abheben. Eine „Umstellzeit“ von weniger als 30 Minuten ist möglich.
Eines der bekanntesten Beispiele für die Anwendung der SMED-Prinzipien finden wir in der Sportwelt, genauer gesagt bei einem Formel-1-Rennen. Der Boxenstopp, die Zeit, die ein Team benötigt, um die Reifen zu wechseln und den Wagen aufzutanken, ist eine Form der Wartezeit. Nicht selten ist dieser Zeitraum so entscheidend, dass damit Rennen gewonnen oder verloren werden. Die Boxenstopps wurden in dieser Sportart mithilfe von SMED drastisch verkürzt. In sieben Sekunden kann ein Team die Reifen wechseln und den Wagen auftanken.
Auch im Gesundheitswesen finden wir Beispiele für Wartezeiten. Die Wartelisten für Operationen sind der beste Beweis dafür, dass die Verfügbarkeit des Operationssaals (OP) ein knappes Gut ist. Im Idealfall würde man im OP ausschließlich operieren. In der Praxis müssen zwischen den Operationen aber verschiedenste Aufräum- und Reinigungstätigkeiten erfolgen. Diese Wartezeiten können freilich notwendig sein, aber sie verringern auch die kostbare Operationskapazität.
Ein anderes Beispiel ist der Kapazitätsverlust teurer Röntgengeräte. Nur die Zeit des Röntgenvorgangs selbst ist wertvoll; der Rest ist Wartezeit (zum Beispiel wenn sich der Patient umkleidet). Patienten werden auf die Intensivstation gebracht, um stabilisiert zu werden. Es ist besonders wichtig, dass die ärztliche Betreuung zur Stabilisierung des Patienten sofort anfangen kann. Die Zeit, die zur Vorbereitung des Bettes benötigt wird, ist eine Form von Wartezeit. Hier ist es sinnvoll, diese Zeit zu nutzen, um benötigte Geräte bereitzustellen, Formulare auszufüllen etc.
Auch Zirkusartisten bauen um. Der Auf- und Abbau des Löwenkäfigs kann schnell zehn bis fünfzehn Minuten dauern. Während der Aufbau in der Pause erfolgen kann, muss das Publikum beim Abbau zehn Minuten auf die nächste Nummer warten. Dieser Zeitraum ist ausgesprochen wichtig und sollte nicht unterschätzt werden, denn beim Publikum darf keine Langeweile oder Verstimmung entstehen.
Um jedoch bei der ursprünglichen Bedeutung zu bleiben, beschreiben wir das SMED-Prinzip und seinen Platz innerhalb des PDCA-Zyklus (PDCA steht für „Plan-Do-Check-Act“) von Deming anhand der klassischen Wartezeit: Der Umstellung einer Maschine in einem Produktionsbetrieb.
1 Quelle: 5S Werkplekorganisatie, B. Teeuwen 2010 (Yokoten)