François Loeb
TRAM
AUGENKITZEL
FÜR PENDLER
Fast-Read-Romane | Somedia Buchverlag
Für Johanna und Paul
© Somedia Production AG/Somedia Buchverlag,
Glarus/Chur 2016
Edition Somedia
www.somedia-buchverlag.ch
info.buchverlag@somedia.ch
Print ISBN 978-3-906064-67-3
E-Book ISBN 978-3-906064-72-7
Satz und Gestaltung: Somedia Production, Glarus
Foto: www.markbaumgartner.ch
Druck: Somedia Production, Glarus
Printed in Switzerland
TRAMGESCHICHTEN
Als Schriftsteller und Bahnliebhaber zieht mich als neues Thema die Tram oder das Tram, in Deutschland weiblich, in der Schweiz sächlich – hat das etwa mit der Perzeption der jeweiligen Stadtbahnen durch die Stadtbevölkerung zu tun? –, sehr für ein neues Buchprojekt an. Was alles geschieht in und um die Trambahn? Welche Träume und Abenteuer der Passagiere verbinden sich mit ihr? Was für Kindheitserinnerungen sind damit verwoben? Welche Erfahrungen und Geschichten erleben und erlebten die aktiven und die bereits in Pension stehenden Mitarbeiter? Ein enorm dichter Fundus ist da vorhanden. Ein Geschichts– und Geschichtenbuch auf dem Serviertablett bietet sich hier dem Schriftsteller an und fordert ihn heraus!
In den Städten Freiburg im Breisgau, Zürich, Basel und Bern habe ich, ausgerüstet mit den jeweils gültigen Fahrausweisen, die gesamten Tramstrecken abgefahren: An den Endhaltestellen kurze Gespräche mit den Fahrern und allenfalls anwesenden Kontrolleuren geführt. Mit Wagenreinigern in Kontakt getreten. All das, ohne je jemanden von der Arbeit abzuhalten oder abzulenken. Unterwegs in der Bahn und an Haltestellen mit Passagieren geplaudert. Nachgefragt nach nachhaltigen Erlebnissen. Die Ergebnisse dann mit meiner Fantasie gemischt und Geschichten daraus komponiert.
Eine wahre Freude für einen Bahnliebhaber, ein Augenkitzel nicht nur für Pendler!
François Loeb
NOTBREMSE
Ein nebliger Novembertag. Die Scheinwerfer den ganzen Tag eingeschaltet. Es war gegen zwei Uhr mittags und meine kurze Mittagspause nahte. Mein Magen knurrte erwartungsvoll, ich freute mich, wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Malte mir aus, wo ich einkehren wollte. Beim Türken? Der Geschmack des Döners zerging beim Gedanken bereits auf meiner Zunge. Oder bei der Metzgerei Müller? Der Duft des Fleischkäsebrötchens, geschmückt mit ordentlich viel Senf, erfüllte gedanklich sogleich den Führerstand.
Da meine Gattin mich jedoch eindringlich gebeten hatte, auf meine Gesundheit zu achten, mein Übergewicht bereitete ihr mehr Sorgen als mir, entschied ich mich für den vegetarischen Stand in der Nähe des Hauptbahnhofs. Dieser hat sich für seine Karottenspezialitäten einen Namen gemacht. Einen Saft aus dem Wurzelgemüse, darauf ein ebensolcher Salat und zum Nachtisch ein Stück von der stadtbekannten Rüeblitorte, der Bericht würde meine Frau am Abend erfreuen und die Karotte wäre zudem gesund für meine Augen, deren Sehkraft in der letzten Zeit nachgelassen hatte. Was für meinen Beruf nicht ideal war und wogegen ich unbedingt mit allen Mitteln anzukämpfen hatte, wollte ich nicht hinter einer Schreibmaschine in einem muffigen Büro unseres Betriebs landen. Der Duft des kommenden Mittagsmahls drang nicht zu meinem Arbeitsplatz vor, ich genoss lieber die Herrlichkeit des virtuellen Fleischgeschmacks, das konnte ja nicht schädlich sein.
Und da, mitten in diesen Gedankenspielen, ging ein schrecklicher Ruck durch die Bahn. Ich blickte auf die Anzeigen und sah mit sorgenvollem Blick, dass die Notbremsung des Zugs in vollem Gange war. Gleichzeitig drangen Schreckensschreie aus dem Fahrgastraum an mein Ohr. Da ich für die Bremsung nicht verantwortlich war, musste diese von einem der roten Griffe durch einen Passagier ausgelöst worden sein. Der Fleischduft verschwand unverzüglich aus meiner virtuellen Genusswelt. Der plötzliche Ruck hatte mich in Hundertstelsekunden in die Wirklichkeit versetzt.
Ich ging meine Notbremsencheckliste, die ich im Fahrtraining verinnerlicht hatte, in Gedanken durch, es war das erste Mal in meiner zweijährigen Laufbahn bei den Verkehrsbetrieben, dass ich mit dieser Situation konfrontiert wurde: als Erstes Blick in den Rückspiegel, ob Ungewöhnliches gesichtet werden kann; dann Abziehen des Fahrschlüssels vor dem Kontrollgang durch den Zug; dort feststellen, welche Notbremse gezogen wurde; Urheber feststellen; Grund ermitteln; Resultat der Fahrdienstleitstelle unmittelbar mitteilen; wenn keine Gefährdung, Notbremsung zurückschalten; weiterfahren; möglichst zuvor Personalien des oder der Urheber/s festhalten; an Endstation Rapport erstellen und nach Dienstschluss Zentrale oder Aufsicht übergeben.
Ich war froh, dass ich das alles so gut auswendig gelernt hatte. Die beiden ersten Punkte waren rasch erledigt. Der Gang durch den Fahrgastraum nahm mehr Zeit in Anspruch. Neben der dritten Türe rechts sah ich, dass die Plombe bei der Notbremse fehlte. Passagiere zeigten mit ihren Fingern auf einen Jüngling von, so meine Schätzung, gegen elf Jahren, der mit hochrotem Kopf auf einer der Sitzbänke sass, auf einer, dies kam erschwerend dazu, die eigentlich Älteren und behinderten Menschen zur Verfügung stehen sollte.
Ich knöpfte mir den Knaben vor. Sah in seine Augen, die voller Angst in die Welt schauten. Aha, dachte ich, der Kerl weiss, was er angestellt hat. Ein schlechtes Gewissen ist ein mieses Ruhekissen! Ein Schulbubenstreich. Wollte wohl seinen Klassenkameraden beweisen, wie mutig er ist. Und jetzt war er ertappt. Wartete zitternd, was folgen würde. Nun, zu streng wollte ich nicht mit ihm umgehen. Doch zur Rechenschaft gezogen musste der Bube schon werden. Also sagte ich mit strenger Stimme: «Steh auf!»
Und er erhob sich.
Ich sah wie seine Knie zitterten, wie Schweissperlen auf seiner Stirne um die Wette glänzten und er mit viel Mühe seine Tränen zurückzuhalten versuchte.
«Weisst du, was du angestellt hast?», fuhr ich fort.
Er senkte den Kopf. Fixierte seine Schuhspitzen. Schüttelte seinen Lockenkopf.
«Siehst du es also nicht ein?», warf ich ihm meinen Vorwurf nun zu.
Jetzt liefen dem Jungen die Tränen über die roten Backen.
Er tat mir echt leid. Ich kann keine Kinder weinen sehen.
Und da brach aus ihm ein Wort tränenerstickt heraus:
«Angst …!»
«Angst darfst du ruhig haben nach einem solchen Schulbubenstreich!»
«Angst …», wiederholte er.
«Angst vor der Strafe?»
«Nein, nein …, Angst vor dem Zahnarzt …»
«Was, dem Zahnarzt?»
«Ja …, ich will … nicht zum Zahnarzt …», kamen stockend die Worte aus seinem sicher sehr trockenen Mund.
Nun, ich schrieb den Grund in meinen Rapport, bat den Knaben um die Telefonnummer seiner Eltern, die ihn dann an der Endhaltstelle in Empfang nahmen.
Ob der Junge dann an der Hand seines Vaters doch den Gang zum Zahnarzt angetreten hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls fiel mein vegetarisches Mittagessen an diesem Tag aus, was ich aber nicht allzu sehr bedauerte. Den guten Willen hatte ich immerhin gezeigt!
ÖFFENTLICHER VERKEHR
Als Benutzer des öffentlichen Verkehrs bin ich wesentlich weniger gestresst, als wenn ich meinen motorisierten Untersatz benutze. Ich habe Zeit, auf dem Weg zum Arbeitsplatz mein Leibblatt zu lesen. Oder einfach vor mich her zu träumen. Die wechselnden Jahreszeiten zu beobachten. Knospen, herrlich blühende Bäume und Sträucher zu bewundern. Die Vielfalt der Natur immer wieder aufs Neue zu bestaunen.
Ich muss mich nicht über andere Verkehrsteilnehmer ärgern. Das übernimmt der Wagenchauffeur für mich. Lässt dann und wann seine durchdringende Klingel ertönen, ohne dass ich mich um die Ursache scheren müsste. Zudem bin ich in der glücklichen Lage, dass meine unregelmässige Arbeitszeit mir die Hauptverkehrszeiten mit deren Gedränge erspart, ich meist gemütlich einen Sitzplatz finde und Hin- wie Heimfahrt richtig geniessen kann, meine beiden täglichen Bestimmungsorte erholt und gut gelaunt erreiche.
An jenem strahlenden Vorfrühjahrstag, die ersten Zugvögel waren über Nacht eingetroffen und verzauberten mit ihrem Gesang bereits den neuen Tag, freute ich mich besonders auf die Fahrt. Ich wollte die Knospen und das erste Grün bestaunen und mir Rechenschaft darüber geben, in welchem Paradies wir in unseren Breitengraden leben. Doch weit gefehlt. Es kam ganz anders.
Zwar waren die ersten Minuten auf meinem Arbeitsweg herrlich. Ich wiegte mich im Takt der Schienen- und Weichenklänge, unterbrochen an den Haltestellen einzig durch Vogeltriller, an denen ich mich nicht satt hören kann. Die Strassenbahn war beinahe leer. Höchstens fünf Passgiere zählte ich. Ältere Menschen auf dem Weg zu ihren Einkäufen. Wohl zum Wochenmarkt vor der Kathedrale. Junge Menschen schliefen um diese Uhrzeit, hatten die Sandkörner noch nicht aus ihrem Samstagmorgenschlaf gerieben. Wir erreichten die Haltestelle, an der zwei Tramlinien sich kreuzen, morgens den Anschluss gegenseitig sicherstellen und deshalb je nach Fahrplanlage eine bis zwei Minuten aufeinander warten. Diesmal waren wir an der Reihe, uns Zeit zu lassen.
Ich sah den älteren Fahrer sich erheben. Seinen Rücken durchstrecken. Die Zeit nutzen und der Unbeweglichkeit einen Streich spielen. Die Einstiegstüren waren weit offen und liessen die frische Morgenluft mit ihren ersten Blütendüften in den Fahrgastraum schweben.
Da, ich traute meinen Augen nicht, sah ich vor der Mitteltüre einen Eselskopf. Oder war es ein Maulesel? Ich blickte fort und dann wieder hin. Doch der Kopf war immer noch da. Die Fastnachtzeit war, da war ich mir sicher, noch nicht angebrochen. Machte sich etwa ein Kind oder ein ausgewachsener Mensch einen Spass? Zu so früher Zeit? Kaum zu glauben. Oder war es ein Heimkehrer von einem Maskenball? Jedenfalls konnte er oder sie das Eselswiehern perfekt nachahmen. Laut erklang ein J-aaahhh, J-aaahhh, so ausgeklügelt gut, dass ich den Verursacher bewunderte, denn Tierstimmenimitatoren sind doch recht selten gesät. Ich freute mich, einem solchen Menschen begegnen zu können, wollte ihn auf der Fahrt unbedingt befragen, wie und wo er diese Fertigkeit erlernt habe.
Nun erblickte ich hinter dem Eselskopf einen bärtigen Gesellen, der Zügel in den Händen hielt. Ein perfektes Paar, dachte ich. Haben bestimmt den Hauptpreis des Kostümballs ergattert und freuen sich jetzt auf ihr warmes Bett. Da erkannte ich, dass der Eselskopf einen weit nach hinten gestreckten Körper und vier Beine hatte und gerade versuchte, die zwei hohen Tritte der Strassenbahn zu erklimmen, was ihm einfach nicht gelingen wollte. Kein Wunder, wenn er der Maskierung wegen nichts sah.
Der Bärtige hingegen trieb ihn an. Schlug mit einer Haselrute, die er in der rechten Hand hielt, auf das künstliche Fell ein. Ich wunderte mich, wie es dem Kostümierten gelingen würde, mit Armen und Beinen, die ja die vier Pfoten des Tiers darstellten, in den Wagen zu gelangen. Jedenfalls boten die zwei ein zeitvertreibendes Schauspiel und ich vermutete bereits, dass anschliessend ein Hut im Wagen die Runde machen würde. Doch der Geruch, der von dem Eselsteam allmählich ausging, liess in mir langsam den Verdacht aufkeimen, es könnte sich doch um einen echten Esel handeln. Oder die Vermummten beherrschten ihr Handwerk so perfekt, dass sie selbst Gerüche nachahmten. Ein Gedanke, den ich dann als logisch annahm, denn wer würde schon an einem frühen Morgen wochentags einen echten Esel in der Strassenbahn spazieren führen! Auch der Wagenführer war zwischenzeitlich auf das Geschehen an der Mitteltüre aufmerksam geworden. Bat mit seiner tiefen Stimme über die Lautsprecher, einzusteigen und die Türe freizugeben, damit er weiterfahren könne.
Da band der Eselsführer – was für ein genialer Einfall dieses Strassentheaters! – die Zügel an den Handgriffen des Einstiegs fest und schritt nach vorne zum Führerstand. Und ich hörte, wie er den Chauffeur unseres Trams mit sonorer Stimme ansprach:
«Überall in der Stadt liest man auf Plakaten, in Zeitungen, hört man am Radio, dass die Bürgerschaft in der Klimaverantwortung stehe. Den öffentlichen Verkehr nutzen solle. Und wenn ich jetzt auf mein SUV mit Anhänger für den Eselstransport verzichte, zwei Fahrkarten besorge und zu zweit mit dem Tram fahren will, um der Umwelt zu dienen, gibt es nicht genügend Zeit, um das Einstiegsmanöver durchzuführen! Niemals werde ich in Zukunft mit meinem Gefährten den öffentlichen Verkehr mehr nutzen!», fügte er hinzu, ging zurück, band den Esel los und zottelte von dannen.
Der Wagenführer liess seine Klingel lang und laut ertönen und fuhr dann unser Gefährt weiter, seinem und meinem Ziel entgegen.
FETTIG
«Ja, früher waren noch andere Zeiten», berichtet mir der Trampassagier, mit dem ich ins Gespräch komme. «An so viele Geschichten erinnere ich mich noch! Abenteuer waren das, was wir erlebten! Abenteuer für wenig Geld. Oder besser gesagt Morgenteuer.»
Morgens nämlich zu Schulbeginn fuhr ein Tramzug mit einem alten Anhänger, den die Verkehrsbetriebe Schülerpfeil getauft hatten, von unserem stadtnahen Vorort ins Stadtzentrum zu den höheren Bildungsstätten. Der Anhängewagen war so alt, dass noch Schilder darin hingen, die an dessen Jugendzeit erinnerten:
«Nicht auf den Boden spucken», obwohl es keinem von uns Jungs im pubertären Alter je in den Sinn gekommen wäre, einen solchen Akt zu vollziehen. Oder in Mundart: «Die Junge stöhn us Höflichkeit, der TRAMDIRÄKTER het das gsait».
Die Aufsicht über die im Anhänger versammelte Rasselbande hatte der Tramdiräkter einem pensionierten Trämeler namens Herr Elsässer übertragen. Er war ein liebenswürdiger, grossväterlicher Mensch, der unsere blaue 30er-Fahrkarte jeweils mit Inbrunst lochte, fast als sei dies ein religiöser Akt. Der Anhänger besass noch die an der Decke befestigte Lederleine, mit der dem Tramfahrer das Abfahrsignal gegeben werden konnte. Doch die damals bereits einziehende Moderne vereitelte diese so einfache Methode, da die Klingelverbindung mit dem Triebwagen unterbunden wurde. So musste auf die archaische Methode der menschlichen Stimme zurückgegriffen werden. Herr Elsässer lehnte sich nach jedem Halt aus der Wagentüre, beobachtete, ob der Tramzug weiterfahren konnte, und rief darauf mit lauter Stimme dem sich ebenfalls herauslehnenden Fahrer ein Baseldeutsches «fettig!» zu.
Die Rasselbande, die das genau beobachtete, machte sich einen Spass daraus, kurz vor Herrn Elsässer ihr mehrstimmiges «fettig» aus der anderen Türe zu rufen. Da legte Herr Elsässer seine Stirn in zahllose Falten und rief mit sonorer Stimme:
«Was isch fettig?»
«Nüt isch fettig!»
«Ich sag fettig!»
«Jetz isch fettig!»
Und dann, so laut Herr Elsässer konnte, aus dem Anhänger gelehnt:
«Fettig!»
Dass dies der Rasselbande gefiel, führte zu einem sich fast Tag für Tag wiederholenden Ritual. Nur an Regentagen verschonte man Herrn Fettig, wie sein Übername lautete, denn niemand wollte, dass er sich erkälte, dann hätte ja der Spass ein Ende gehabt. Denn alle liebten Herrn Elsässer innig. Er war einfach nicht wegzudenken …
PLATZ
Als Kontrollbeamter der Verkehrsbetriebe erlebe ich viel Negatives. Ich könnte ein ganzes Buch über Ausreden von Schwarzfahrern schreiben. Es würde, so denke ich, zu einem Bestseller. Aber ich will keine Ideen für Straftäter verbreiten, so labe ich mich lieber an erfreulichen Erlebnissen, die in meinem Beruf auch stattfinden. Selten zwar, aber immerhin. Und da sie selten sind, brennen sie sich auch in meinem Gedächtnis fest. Hätte ich zahlreiche davon wie zum Beispiel ein Musiker, der ganze Säle zum Brodeln bringt, würden sich wahrscheinlich nur die Katastrophen, das Ausgebuht-Werden in meinen Hirnwindungen festsetzen. So gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Das führt auch dazu, dass ich die eher dunklen Seiten meines Berufsstandes besser verkraften und verarbeiten kann. Tätliche Angriffe, ja, die kommen auch vor. Aber unser Arbeitgeber lässt uns immer wieder in Verteidigungssportarten weiterbilden, sodass wir auch hier gewappnet sind.
Doch zurück zum erfreulichen Erlebnis, das mir vor einigen Tagen, zwischen den Jahren, in einer an sich ruhigen Zeit begegnete. Da Verwandtenbesuche zu diesem Zeitpunkt, Zweit- und Drittweihnachtsfeiern Hochkonjunktur hatten und die Klugen, um auch einen feinen Tropfen geniessen zu können, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fuhren, war der zu kontrollierende Tramzug stark besetzt. Obwohl ich eher zum Weltergewicht gehöre, bekundete ich Mühe, durch den Wagen zu schlängeln. Bislang konnten alle Passagiere gültige Ausweise vorzeigen, was ich sehr zu schätzen wusste. Wenigstens zwischen den Jahren sind die Menschen ehrlich, dachte ich und gab dem Fahrer ein Zeichen, dass er die Geschwindigkeit wieder erhöhen könne, denn bei Kontrollen fährt er langsamer, damit uns kein Schwarzfahrer an der nächsten Station entwischen kann.
Ich hatte mir vorgenommen, noch zwei Stationen mitzufahren und eine kleine Ruhepause von meiner doch stressigen Arbeit einzuschalten. Da kam ein Senior, er musste nach meiner Schätzung weit über achtzig Jahre zählen, ganz aufgeregt auf mich zu. Er hatte mir – ich erinnere mich an seinen perfekten stahlgrauen Bürstenhaarschnitt, den ich auch einmal trug, als dieser grosse Mode war – vor einer Minute seinen Ausweis vorgewiesen. Nun atmete er heftig, sodass ich von einem gesundheitlichen Problem ausging, als er mich fest am Arm packte und stossweise immer die Worte wiederholend: «Finden Sie das gerecht? Finden Sie das gerecht?», beinahe gebetsmühlenartig und mit vor Emotion vibrierender Stimme ausstiess.
Ich schätze es gar nicht, wenn mich ein Fremder berührt, noch viel weniger packt, denn tätliche Übergriffe beginnen meist in dieser Art. So schüttelte ich den Griff ab, liess meine Muskeln spielen, um den Alten zu beeindrucken und abzuwimmeln. Er aber griff erneut nach meinem Arm, diesmal den anderen, und wiederholte sein Mantra: «Finden Sie das gerecht? Finden Sie das gerecht?»
«Was soll ich gerecht oder ungerecht finden, der Herr?», versuchte ich mit beruhigender Stimme, den Mann von seinem hohen Emotionssockel auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuholen. Er aber reagierte gar nicht auf mein sanftes Vorgehen, stiess immer weiter die gleichen Worte hervor.
«Sie müssen mir schon sagen, was Sie ungerecht finden, sonst kann ich Ihnen nicht behilflich sein», bemerkte ich, etwas Abstand zu ihm suchend. «Ist Ihnen die Geldbörse abhandengekommen? Hat Sie jemand beklaut?»
Eine unsittliche Annäherung wollte ich nicht ins Spiel bringen, schien mir dies doch mit dem Alter des Aufgeregten nicht vereinbar.
Der alte Herr hechelte jetzt nach Luft und ich wusste nicht, was zu unternehmen sei. Den Notarzt anrufen? Eine psychiatrische Klinik verständigen? Der Mann schien einen totalen Ausraster zu durchleben, was für ihn sicherlich gesundheitsgefährdend war. Ich hoffte nur, dass er im Tram keine Randale auslösen würde, denn es blickten jetzt alle Fahrgäste, Jung und Alt, auf uns zwei. Die Menschen begannen, mit Fingern auf uns zu zeigen. Sprachen nun selbst aufgeregt aufeinander ein. Ich musste eine Lösung finden, sollte die Situation nicht ausser Kontrolle geraten. Musste den Grund der Eskalation beim alten Herrn herausfinden, bevor er begann, um sich zu schlagen.
«Was finden Sie so ungerecht?»
«Was ich soeben erlebte. So erniedrigend ist es. So unmenschlich. So ehrverletzend.»
Aha, die Ehre verletzt, räsonierte ich. Das kann tief gehen. Alte Menschen haben ja oft einen veralteten Ehrbegriff aus früheren Zeiten. Bilder von Duellen stiegen in meinem Kopf hoch. Revolver. Säbel. Degen.
«Was hat Ihnen die Ehre derart verletzt? Sprechen Sie es aus! Dann wird es Ihnen bereits besser gehen. Und ich kann den Ehrverletzer zur Rechenschaft ziehen …»
«Nicht Ehrverletzer, Ehrverletzerin», stiess der Mann aus.
Das konnte ja heiter werden. Eine Paargeschichte. In diesem Alter. Eifersucht? Ein Rivale? Fehlt nur noch, dass die beiden aufeinander losgehen!
«Ein anderer Mann? Die Frau verstösst Sie?», bohrte ich weiter.
«Nein, viel schlimmer! Diese junge Frau bot mir ihren Sitzplatz an! Ich bin doch noch nicht so vergreist, dass junge Frauen für mich aufstehen müssten. Ich biete jungen Damen vielmehr meinen Platz an!»
VORTRITT
Sie können sich nicht vorstellen, wie ich erschrak. An jenem Montagvormittag, so gegen zehn Uhr. Es war mein freier Tag. Ich hatte das ganze Wochenende Dienst. Spätdienst. In der Nacht von Samstag auf Sonntag mit viel Randale betrunkener Fahrgäste und Sonntagnacht mit zahllosen missmutigen Menschen, die ihr Wochenendglück der Vergangenheit anheimfallen lassen und dem grauem Alltag ins kalte Auge schauen mussten. An meinem freien Tag – ich nehme mir jedes Mal vor, eine kleine Wanderung zu unternehmen – schlafe ich meist bis Mittag. Doch an jenem Montag blendete mich die Sonne und vertrieb alle Schlafgelüste im Nu, verjagte sämtliche Sandkörner aus meinen Augen.
Ich braute mir meinen kleinen Schwarzen, goss ein grosses Glas Leitungswasser in meinen Teebecher, nahm einen Apfel zur Hand. Vierteilte ihn mit zwei Schnitten meines extrascharfen Küchenmessers. Nahm, nachdem ich den Morgenmantel übergezogen hatte, zwei Apfelviertel in die Hand, wanderte so zu meinem Briefkasten, dessen Inhalt drei Stockwerke tiefer auf meine erlösende Hand wartete, und biss unterwegs genüsslich in einen der Schnitze. Das andere hob ich mir, mein Magen freute sich beim Abgang auf diese für den Aufstieg in Aussicht gestellte Gabe, für den Rückweg auf.
Ich öffnete den Briefkasten mit dem winzigen Schlüssel, der an meinem Schlüsselbund ein krasses Aussenseiterdasein fristet, und nahm die abonnierte Tageszeitung zur Hand, zwei Briefe, bestimmt Rechnungen oder Mahnungen – ich schiebe meine Zahlungen immer etwas auf, sollen doch die reichen Unternehmen ruhig ein wenig auf ihr Manna warten müssen –, da sah ich das Objekt am Briefkastenboden liegen: ein schwarzer Schaft, ein in den Sonnenstrahlen aufblitzender Oberteil. Ein Messer lag da. Mit mittelgrosser Klinge. Echt gefährlich sah es aus. Ein Mordwerkzeug.
Ein Messer im Briefkasten? Was konnte dies bedeuten? Weder in Kriminalromanen, ich verschlinge diese Literaturgattung an jedem arbeitsfreien Tag mir krausem Wirbelsäulengenuss, noch in Kriminalserien im Fernsehen hatte ich je von Messern in Briefkästen vernommen. Ein eisiges Gefühl zog meinen Magen zusammen. Mir war durch diesen messerscharfen Anblick mit seinen furchterregenden Assoziationen der Appetit auf mein sonst ausgedehnt zelebriertes Montagsfrühstück vergangen. Ich spürte, wie meine angeborene Sorgenstirnfalte sich augenblicklich in eine Hautschlucht verwandelte, die einen tiefen Graben in meiner Kopflandschaft aufriss. Gut, dass meine Freundin mich nicht so erblicken musste, denn sie hasst Sorgen und Ängste, will das Leben in seiner Vielfalt, doch ohne Negativismen geniessen, wie sie stets mit ihrem breiten, so anziehenden Lach-gegluckse betont. Langsam stieg ich die Treppe zu meiner Wohnung wieder hoch, das inkriminierte Messer mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand haltend, von meinem Körper wegweisend.
Trachtete mir jemand nach dem Leben? Doch weshalb? Ich hatte niemandem etwas angetan. Besass keine Feinde. Keine Neider – wie könnte jemand auf mein bescheidenes Leben neidisch sein? Auch keine Nebenbuhler. Hassreiche Ex-Freundinnen oder Geliebte. Im Beruf bin ich angesehen als Durchschnittsmensch, der sich mit niemandem anlegt, weder mit dem Betriebsrat noch mit der Geschäftsleitung. Alle betrieblichen Befehle befolgt. Da ich keiner Religion angehöre, konnte auch nicht ein Glaubensrichtungsstreit Ursache der Messerdrohung sein. War es überhaupt eine Drohung?
Ich blieb auf dem Treppenabsatz zwischen zweitem und drittem Stock stehen, besah nochmals das Corpus Delicti näher. Drehte es um. Nahm Unter-, Ober-, Rechts- und Linksseite präzise in Augenschein. Doch nirgends konnte ich einen Identitätshinweis entdecken. Es war einzig ein äusserst scharf geschliffenes Messer. Ein Nullachtfünfzehn-Messer mit gummiähnlichem Griff.
Sei doch nicht albern, sagte ich zu mir selbst. Da hat jemand eine Orange geschält und wusste nicht, wohin mit dem Messer. Warf es in den erstbesten Briefkasten. Oder war es gar die Nachbarin, die sich im Schlitz vertan hatte? Mein Verstand schloss diese These jedoch gleich aus, denn der Wohnungsnachbarin Briefkasten quoll regelrecht vor Post, Zeitungen und Werbematerial über. Also musste sie verreist sein. Oder war ihr etwas zugestossen und das Messer ein Hinweis ihres Mörders, damit ich die Polizei verständigen sollte?
Jetzt tritt deine Fantasie endgültig über die Ufer, schalt ich mich selbst. Wird einfach ein Zufall sein. Ein verirrtes Messer. Wie du jetzt verirrte Gedanken produzierst. Nimm das Besteckstück einfach als Bereicherung deiner Haushaltsschneidwerkzeuge an. Ein Geschenk. Und geniesse deinen freien Tag. Der Fahrstress holt dich morgen wieder ein. Mit hundertprozentiger Sicherheit.
Also legte ich das Messer in meine Besteckschublade. Braute mir einen zweiten Kaffee. Setzte mich mit der Zeitung in den Lehnstuhl. Schüttete den Graben auf meiner Stirn zu, indem ich mir den Besuch im Planetarium, den ich für diesen Tag geplant hatte, bildlich vorstellte. Eine Reise durch die Galaxis. In die Unendlichkeit. Ohne Stau. Ohne meckernde Passagiere. Ohne Weichen oder Signalstörungen. Einfach als Betrachter in einem der angenehmen Fauteuils mich fläzend. Und was spielte schon ein Messer in der Milchstrasse für eine Rolle, in den Fernen des galaktischen Raums! Ich konnte es ruhig vergessen. Aus meinem Kopf entfernen. Ausweisen. Es dorthin befördern, wo es hingehörte: ins Pfefferland.
Ich genoss die Vorstellung des interstellaren Raums und trat beschwingt auf die belebte Strasse, schritt dem Bürgersteig entlang in Richtung meines Lieblingsdönerstandes, grüsste den Besitzer, oder war es der Betreiber, wie sollte ich das wissen, herzlichst. Und da ich Stammkunde war und mindestens ein, wenn nicht zweimal in der Woche die türkische Gastlichkeit genoss, hiess er mich ebenso freundlich willkommen und stellte die Standardfrage: «Wie immer? Mit allem und extra scharf. Und dazu ein Helles?» Ich hatte nur zu nicken.
Meine Gedanken schwebten immer noch in der Ferne des Weltalls und ich stellte mir vor, in einer Raumkapsel zu sitzen und vom Kameraden eine Raumkonserve kredenzt zu bekommen, darauf achtend, dass die Nahrung sich mir nicht schwerelos entziehen konnte. Der Vorteil eines Döners lag auf der Hand, dass dafür kein Besteck nötig war. Ich den Wrap einzig mit Händen und Zähnen geniessen konnte.
Besteck! Das brachte mich auf die Erde zurück. Auf die feste Erde mit ihren teilweise unlösbaren Problemen, unmittelbar und ohne Umwege zum Briefkastenmesser und seinem ungelösten Geheimnis. Beinahe blieb mir ein Biss meiner Leibspeise im Hals stecken. Wie, wenn es doch eine Drohung war? Ein Angriff auf mein Leben? Eine Morddrohung? Weshalb, war mir zwar schleierhaft. Doch Schleier lüfteten sich in der Regel irgendwann. Und ich begann mich erneut zu fürchten.
Hatte ich versteckte Feinde? Jemanden tödlich beleidigt? War deshalb ein Attentat auf mich in Vorbereitung? Ein Messer im Briefkasten! Ohne jeden Hinweis. Das musste eine Bedeutung haben. Eine unheilschwangere. Plötzlich waren meine Hände eiskalt. Musste ich die Polizei benachrichtigen? Anzeige gegen Unbekannt erstatten? Doch – mich der Lächerlichkeit preisgeben …, nein, danke! Alles, nur das nicht. Jetzt erreichte die Kälte meine Zehen. Die kleinen beider Füsse fühlte ich bereits nicht mehr. Und in allen anderen Extremitäten verbreitete sich ein unangenehmes Kribbeln, das nichts Gutes verhiess.
Du musst nach Hause! Ein heisses Bad wird dich in die Normalität zurückführen. Die Unendlichkeit der Galaxis hat dich erschreckt, lässt dich an deinem Verstand zweifeln, flüsterte mein linkes Ohr dem rechten Trommelfell, das unter einem unangenehmen Tinnitus leidet, zu. So nahm ich den Rest meines Döners in die Hand, schüttete hastig mein Bier hinunter, verabschiedete mich vom Standbetreiber, der mir besorgt nachrief: «Geht es Ihnen gut?» Mit vollem Mund war keine Antwort möglich, so musste ich auch keine Lüge über meine Lippen perlen lassen.
Zu Hause angekommen, öffnete ich wie immer beim Betreten des Hauseingangs meinen Briefkasten und fiel fast in Ohnmacht: Eine weitere Klinge blitzte mir entgegen, auch wenn es das nur erbärmliche Licht der aus Energiegründen schwachen Sparlampe der Hausgangbeleuchtung widerspiegelte. Das Messer hatte einen ähnlich gummierten Schaft wie das erste. Die Klinge war aber bedeutend länger und wie das vorhergehende so scharf geschliffen, dass es beim vorsichtigen Greifen beinahe meine Haut zu ritzen vermochte.
Jetzt waren all meine Sinne in Alarmbereitschaft. Ich sah mich im Gang um. Blickte ins Treppenhaus. War da nicht jemand versteckt, der auf mich lauerte? Ich sann über die gestrige Nacht nach. Wer konnte einen Rachefeldzug gegen mich beginnen? Hatte ich jemandem Unrecht getan? Jemanden verletzt, der sich jetzt an meiner Angst ergötzte und mich womöglich bald angriff? Solche Messer konnten nur diese Bedeutung haben. Das zweite. Grössere. Wie würde das dritte erst aussehen? Ein Dolch?
Ja, gestern gegen 23 Uhr, daran erinnerte ich mich unversehens, war mir ein Sportcoupéfahrer, so ein Reichling, vor die Strassenbahn gefahren. Wollte mir die Vorfahrt nehmen. Ich hatte mich, wie es sich gehört, verteidigt. Meine Glocke im Dauerton erklingen lassen. Und der Kerl, es handelte sich sicherlich um einen schmierigen Zuhälter, so dachte ich jedenfalls, hatte seine Faust erhoben. Mir gedroht. Gedroht, obwohl ich absolut im Recht war. Ich hatte ihn schliesslich gezwungen, zurückzusetzen. Neben sich hatte er eine auffällige Tussi sitzen, vor der er sich im Machtkampf Auto versus Strassenbahn blamiert haben musste.
Da hatte ich also den Täter! Ich musste unverzüglich die Polizei anrufen. Doch würden die mir Glauben schenken? Die einzige Lösung war, auf der Wache vorbeizugehen. Als Beweisstück die beiden Messer vorzeigen. Doch meine leichte Bierfahne sprach jetzt dagegen. Nein, nie und nimmer würden die Beamten mir die Tatsachen abnehmen! Messer im Briefkasten? Als Racheakt für verweigerte Vorfahrt? Haha, das müssen Sie schon einem Gutgläubigen erzählen, nicht einem bestandenen Kriminalbeamten! So würde ich bestimmt abgewimmelt werden. Besser bis zum nächsten Morgen warten. Ohne Alkoholdunst auf dem Revier vorsprechen. Jetzt lieber ein heisses Bad nehmen. Die Angst verdrängen.
Und ich stieg die Treppen hoch. Schloss die Wohnungstüre auf.
Liess ein Bad einlaufen. Entnahm dem Kühlschrank eine weitere Flasche Bier. Musste ja nicht mehr hinaus. Hatte eine lange bequeme Nacht vor mir. Setzte mich mit dem begonnen Kriminalroman in die Wanne, wollte das Ende, die Auflösung endlich erfahren.
Doch kaum hatte ich zehn Seiten gelesen und das halbe Bier aus der Flasche getrunken, klingelte es an der Wohnungstüre.
Wer konnte das sein? Niemand würde mich bei meinen unregelmässigen Arbeitszeiten einfach so ohne Voranmeldung besuchen. War das der Elektrozählerableser? Doch um diese Zeit? Oder war es der Briefkastenmesserversenker? Der Zuhälter? Der Reichling? Der Sportwagenaggressor? Mein Mörder! Ich begann, trotz des heissen Wassers, am ganzen Leib zu zittern. Wieder meldete sich mein Ohr: Was regst du dich auf. Lass dir dein wohlverdientes Bad nicht vergällen. Bleib einfach liegen. Der Störenfried wird sich bestimmt verziehen.
Doch jetzt klopfte es heftig an der Türe. Ich fürchtete, dass der Kerl in seiner Wut die nicht sehr stabile Eingangstüre mit seinem Körpergewicht einfach aufbrechen würde. Zu oft hatte ich dies in Fernsehfilmen gesehen. Und nackt im Bade liegend wäre ich eine wehrlose Zielscheibe für einen wutentbrannten Eindringling.
Also erhob ich mich aus dem Wasser. Schlüpfte in den bereitliegenden Bademantel und schritt mit schlotternden Knien zur Tür. Schloss diese jedoch erst auf, nachdem ich mich mit den Briefkastenmessern bewaffnet hatte, die ich angriffsbereit in beiden Händen hielt.
Vor mir stand ein untersetzter, sehr gut gekleideter Herr, seinen Hut in der Hand. Er glich keineswegs dem Schnösel der vergangenen Nacht.
«Ich sehe», begann er, «Sie haben Gefallen an den Mustermessern meiner Kollektion gefunden. Ich kann Ihnen diese zu einem Sonderpreis überlassen. Selbstschleifend. Immer scharf bleibend. Aus Inox-Stahl, absolut rostfrei. Der Griff aus Hartgummi. Und das für einen Schnäppchenpreis …»