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Christel Rimpp

Spiegel des Horrors

Impressum

Autorin:

Christel Rimpp

www.christelrimpp.de

Als Printmedium erschienen:

bei Joy Edition, Buchverlag, E-Books and more, D-71296 Heimsheim

Mail: info@joyedition.de

www.joyedition.de

ISBN 978-3-945833-65-0

E-Book-Verlag:

Joy Edition, Grußkarten, E-Books and more, Gottlob-Armbrust-Straße 7, D-71296 Heimsheim

Copyright:

E-Book © 2016 by Joy Edition, Grußkarten, E-Books and more, Heimsheim

Buchgestaltung:

Rosi Teller

Titelbild:

Fotolia

Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form vervielfältigt, übersetzt, abgelichtet oder mit elektronischen Systemen verbreitet werden.

ISBN: 978-3-944815-80-0

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Hinweis

Die Personen und Handlungen dieses Buches sind frei erfunden. Übereinstimmungen mit tatsächlich existierenden Personen, Namen und Ereignissen sind daher rein zufällig und ohne jede Bedeutung.

 

Gewidmet meinem Mann,

meinem Sohn, meiner Tochter,

meiner Schwiegertochter, meinem Schwiegersohn,

meinen fünf tollen Enkeln,

meinen beiden Schwestern,

meinen Schwägern,

meinen Nichten und Neffen,

allen meinen Freundinnen und Freunden.

Celina

Celina hetzte die Treppen hoch. Sie hatte sich mal wieder verspätet. Ihre Kollegen waren Gott sei Dank auch noch nicht da, obwohl zu den wöchentlichen Besprechungen immer alle pünktlich sein sollten. Sie warf ihre Tasche auf ihren Schreibtisch, ordnete die Berichte, die sie heute noch bearbeiten wollte. Wo waren nur die anderen? Hatte sie irgend etwas vergessen? War heute was Besonderes?

Als nach einer halben Stunde immer noch niemand auf dem Stockwerk war, kam sie doch leicht ins Grübeln. Sie ging eine Treppe tiefer, wo sie Stimmen vernahm, und da standen sie alle. Jeder hatte ein Glas Sekt in der Hand, es wurde geplaudert und gelacht. In Gedanken ging sie nochmal alles durch. Hatte jemand Geburtstag? Ist jemand befördert worden? Sie konnte sich aber nicht erinnern, dass etwas Derartiges anstand. Langsam ging sie die restlichen Stufen hinunter. Sie zupfte Marita am Ärmel und flüsterte: „Habe ich was verpasst oder vergessen?“ „Nein“, lachte Marita, „Nicole ist heute volljährig geworden, und hat zu diesem Anlass für alle, sogar für euch im oberen Stock, Sekt und Orangensaft spendiert.“ Die Spitze mit „oberer Stock“ überhörte Celina geflissentlich. Das war normal, im oberen Stock waren die Journalisten und der Chefredakteur untergebracht, im unteren Stock war der Fotosatz angegliedert und unten war die Druckerei. Jetzt sah sie Nicole, mit hochrotem Kopf, strahlend, und im Arm von Mike. Er ließ sie gar nicht los, er küsste sie auf die Wange und gratulierte ihr zum x-ten Mal. Für Celina hätten solche Augenblicke längst auch zur Gewohnheit gehören müssen. Ihr Mike, den sie so liebte, hängte sich an jeden Rockzipfel, und je jünger desto besser. Mike hatte sie noch nicht gesehen, er schob seinen Arm unter Nicoles und meinte: „So, jetzt muss unser Küken aber wieder an die Arbeit, ich werde sie begleiten, sonst geht sie früher heim als erlaubt.“ Er lachte bei diesen Worten, es sollte ein Scherz sein, aber er führte Nicole tatsächlich hinaus auf den nächsten Gang und schubste sie, unbemerkt von den anderen, in die kleine Abstellkammer und schloss schnell hinter sich die Tür. Nur Celina hatte es bemerkt. Sprachlos stand sie da.

Dass Mike nicht treu war, das wusste so ziemlich jeder, aber dass er sie auf so geschmacklose Weise sie hinterging, noch dazu im gleichen Betrieb, das traf sie zutiefst.

Celina ging zurück in den 1. Stock. Mikes Büro lag genau gegenüber von ihrem. Sie huschte in sein Büro, sah sich kurz um, nahm den Autoschlüssel und die Papiere aus seiner Jackentasche und verließ eilig das Zimmer. Es war i h r Autoschlüssel, es waren i h r e Papiere, es war i h r Auto, er wohnte in i h r e r Wohnung. Sie hatte ihm immer alles gegeben, und weil Mike heute früher ins Büro musste überließ sie ihm ihr Auto, weil zu dieser Zeit die Busverbindungen sehr schlecht waren. Sie selbst war so blöd, und fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie wollte so schnell wie möglich diesen Platz verlassen und rannte die Treppen hinunter. Als sie an der Abstellkammer vorbeikam, riss sie die Tür auf rief nur hinein: „Ach übrigens, du kannst deine Koffer nachher packen. Sei so nett und lege die Wohnungsschlüssel auf den Küchentisch. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.“ Damit schloss sie die Tür wieder. Es klang alles ganz cool und teilnahmslos, aber was es Celina an Kraft gekostet hatte, konnte niemand ermessen.

Mike und Nicole waren so erschrocken, dass sie kein Wort herausbrachten, und obwohl die Tür schon wieder geschlossen war, starrten sie noch immer dorthin.

Mike war die Lust vergangen, im wahrsten Sinne des Wortes, er zog sich hastig an, maulte Nicole an, sie solle sich gefälligst auch beeilen, schließlich hätten sie ja noch eine Arbeit nebenbei zu erledigen, eilte hinaus und ließ Nicole allein zurück. Er machte nicht einmal den Versuch seinen Ausflug in die Abstellkammer zu vertuschen, ihm war es in diesem Moment egal, ob ihn jemand dort herauskommen sah, er rannte nur hinter Celina her.

Das war ihm noch nie passiert, Celina war sonst immer so ahnungslos, und wenn sie einen Verdacht hegte, so konnte er sie immer mit Blumen und einem schönen Abendessen vom Gegenteil überzeugen. Aber das hier, das war schwierig, ihr das zu erklären. Aber erst einmal musste er sie erwischen und mit ihr reden.

 

Eigentlich wollte sie so schnell wie möglich zu ihrem Auto, unterwegs überlegte sie es sich aber anders. Sie ging zurück in ihr Büro, packte ihre Sachen, legte all ihre privaten Dinge in eine leere Schachtel, klemmte sich die Tasche noch unter den Arm. Ihr Kollege Herbert, der ihr im Büro gegenübersaß, beobachtete sie erstaunt, traute sich aber nicht sie anzusprechen.

Ihr Gesicht verriet Zorn, Wut, Enttäuschung, Trauer, und aus den Augen blitzte es: „Geht mir aus dem Weg“. Ihr Schreibtisch war nun aufgeräumt, sie nahm ihre Notizen und legte sie Herbert auf den Tisch und sagte nur: „Das muss heute noch mit in den Regionalteil.“ Sie fragte nicht: „Kannst du das für mich übernehmen?“, Oder „Könntest du das für mich erledigen?“ Nein, es klang wie ein Befehl und duldete keinen Widerspruch.

Danach ging sie zu ihrem Chef, klopfte an, und wartete nicht einmal auf sein „Herein“, sondern stürmte gleich hinein.

Herr Richling war äußerst überrascht über dieses Verhalten und noch ehe er was sagen konnte, sagte Celina: „Ich möchte ab sofort kündigen.“ Bitte stellen sie mir ein Zeugnis aus, ich werde es morgen Mittag abholen. Danke.“ Nach diesen Worten machte sie kehrt und wollte genauso stürmisch das Zimmer verlassen, wie sie es betreten hatte.

Aber da machte Herr Richling nicht mit: „Was soll das denn, spielen bei ihnen die Hormone verrückt, was fällt ihnen überhaupt ein hier so hereinzuplatzen. Und so Holter-di-Polter geht das mit dem Kündigen nicht, auch sie haben sich an Kündigungsfristen zu halten meine Liebe.“

Celina antwortete kühl: „Ich hatte die letzten beiden Jahre keinen richtigen Urlaub, höchstens mal ein oder zwei Tage so zwischendurch, wenn ich das zusammenrechne, und zusätzlich meine Überstunden abfeiere, dann kann ich sofort gehen.“ Sprach‘s und ging. Rums, die Tür war zu. Herr Richling war zutiefst getroffen. Das hatte er noch nicht erlebt, es musste etwas vorgefallen sein, er musste nochmal mir ihr reden, sie war eine sehr wertvolle Kraft, zuverlässig, gut und schnell. Er konnte sie nicht einfach so gehen lassen. Er schüttelte den Kopf und murmelte nur: „Weiber.“

 

Celina schaffte es noch mit hocherhobenem Kopf bis zu ihrem Auto, und aus der Tiefgarage hinaus, dann rollten ihre Tränen unaufhörlich ihre Wangen hinunter. Sie konnte kaum etwas auf der Straße erkennen. Sie wollte noch nicht nach Hause, aber zu wem sollte sie gehen? Ihre Eltern kamen vor 6 Jahren bei einem Autounfall ums Leben, und mit ihrer Schwester Sabrina verstand sie sich nicht besonders. Freunde hatte sie keine, sie hatte nie die Zeit sich einen Kreis um sich aufzubauen, zuerst kam Mike und dann die Arbeit. Und wenn Mike bei ihr war, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als mit ihm alleine zu sein.

„Gott war ich blöd“, heulte sie vor sich hin, „ich wollte es nie glauben, dass Mike mich betrog“, wieviele hatte er schon vor mir und während unserer drei Jahre, in denen wir zusammen waren? Zusammen – lachhaft, er hat nur seinen Vorteil daraus gezogen. Er hat mich ausgenutzt, das muss ich mir immer wieder sagen, er liebt mich nicht!“ schrie es aus ihr heraus. Plötzlich quietschten Reifen, sie hatte ein Stopp-Schild überfahren, und fast wäre ihr jemand in die Seite gefahren. Celina hielt nicht an, fuhr mit tränenverschleiertem Blick weiter, achtete nicht auf die anderen Autofahrer. Sie wusste nicht mehr wie sie heimgekommen war. Sie kramte den Wohnungsschlüssel aus ihrer Tasche und schloss die kleine gemütliche 2-Zimmer-Wohnung auf. Hastig schloss sie hinter sich gleich wieder ab. Sie dachte daran, dass Mike ja auch einen Schlüssel hatte. Auf dem Schlafzimmerschrank lag ein alter Koffer, in dem sie kleine Souvenirs, Liebesbriefe und eben ganz persönliche Dinge und Erinnerungsstücke aufbewahrte. Den nahm sie vorsichtig herunter, leerte die Sachen auf dem Bett aus, öffnete den Schrank und nahm alle Kleidungsstücke von Mike heraus und warf sie in den Koffer. Alles was sie von ihm finden konnte, packte sie dort hinein. Als sie nichts mehr fand was ihm gehörte, stellte sie den offenen Koffer vor die Tür. Sie hatte zwar versucht ihn zu schließen, aber das war bei der Menge unmöglich, also band sie eine Schnur herum, eben nur so, dass der Kofferdeckel nicht ganz aufging. Danach schloss sie ihre Wohnung wieder ab, und ließ den Schlüssel stecken, damit man die Tür von außen nicht aufmachen konnte.

 

Celina setzte sich an ihren Schreibtisch im Wohnzimmer und schrieb an ihre Wohnungsvermieterin ein kleines Schreiben, darin stand, dass sie aus privaten und geschäftlichen Gründen wegziehen müsse. Sie würde auch für eine Nachmieterin sorgen. Für diesen Monat hatte sie die Miete schon bezahlt. Dann rief sie ihre Schwester Sabrina an. Gott sei Dank war sie gleich am Telefon. Celina wusste dass ihre Schwester aus ihrer jetzigen Wohnung ausziehen wollte, weil sie zu klein, zu laut, zu teuer und weiß was Gott noch was war.

Sabrina war nie zufrieden mit dem was sie hatte, sie wollte immer mehr, aber Celinas Wohnung hatte ihr schon immer gefallen. Nachdem Celina ihr erklärt hatte, dass sie wegziehen würde, und sie als Nachmieterin einziehen könne, freute sich Sabrina natürlich sehr, aber sie klang auch ein wenig skeptisch. „Was ist passiert, dass du so schnell Leine ziehst?“ Hast du Ärger im Büro gehabt, oder hat dich Mike versetzt?“ Dabei lachte sie, als wenn sie einen ungeheuren Scherz gemacht hätte. Celina war aber nicht bereit ihrer Schwester alles zu erklären, dazu war sie auch viel zu fertig heute.

Sie erklärte ihr nur, dass man ihr einen Job in Norddeutschland angeboten hätte, den sie nicht ausschlagen könne. „Was, so schnell, ja wo denn?“. „Das erkläre ich dir später, ich habe noch eine Menge vorzubereiten, also bis später, ich melde mich nochmal bei dir, ab nächsten Monat kannst du hier einziehen, die Möbel lasse ich dir drin, ich will nichts mitnehmen, gar nichts.“ Die letzten Worte schrie sie förmlich nur so raus. Dann legte Celina auf. Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort.

Wieso hatte sie ihrer Schwester was von Norddeutschland gesagt, wie kam sie nur darauf? Das war ja mal wieder typisch für sie. Es musste immer alles sofort passieren, es musste spontan sein, sie wusste nur eines sicher, sie wollte von hier fort, weit, weit weg.