Warum wir unser Kind taufen lassen
topos taschenbücher, Band 1072
Eine Produktion des Matthias Grünewald Verlags
Verlagsgemeinschaft topos plus
Butzon & Bercker, Kevelaer
Don Bosco, München
Echter, Würzburg
Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern
Paulusverlag, Freiburg (Schweiz)
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Tyrolia, Innsbruck
Eine Initiative der
Verlagsgruppe engagement
www.topos-taschenbuecher.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978–3-8367–1072–5
Ebook (PDF): 978–3-8367–5068–4
ePub: 978–3-8367–6068–3
2017 Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer
Das © und die inhaltliche Verantwortung liegen beim
Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern
Umschlagabbildung: © wlatsch/Photocase.de
Einband- und Reihengestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart
Herstellung: Friedrich Pustet, Regensburg
Printed in Germany
Vorwort
Ein einzigartiger Anfang − nicht sorgen, segnen!
Verletzlich, unverlässlich und voller Glück
Perfekte Eltern − gelingendes Leben?
Kinder zu haben geht nicht nur die Eltern etwas an
Die Taufe − mit einer anderen Wirklichkeit rechnen
Segen
Die Taufe − Ja zum Leben
Gottes Ja zum Menschen – das Ja der Menschen zu Gott
Die Taufe: Der Beginn einer wunderbaren Beziehung
Der Kraft der Veränderung trauen
Vertrauen und Mut, Befreitsein und Geborgenheit
Auf einen guten Weg bringen
Leben, das guttut
Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt?
Säuglingstaufe
Kirche: den Glauben kennenlernen
Der Name: Klang durch das Leben
Das Leben feiern …
… und den Tod nicht verdrängen
Taufe im Grundschulalter
Taufe und Erstkommunion
Taufe von Jugendlichen
Die Patenschaft – die Chance einer ganz besonderen Beziehung
Die Tauffeier − Worte, die tragen, Symbole, die helfen
Der Ritus
Taufsprüche − eine Auswahl
Das Eigentliche ist der Alltag
Rituale
Beten
Singen
Erzählen
Einen Rhythmus kennen und feiern
Natur erleben, Schöpfung bewahren
Was? Wie!
Weiterführende Literatur
Sollen wir unser Kind taufen lassen? Und wenn ja, warum? Ist die Taufe mehr als ein schönes Ritual, für das die christliche Kirche immer noch den besten Rahmen bieten kann? Was geschieht bei der Taufe, was bedeutet sie, was sollten wir als Eltern wissen, was können wir bedenken? Was hat Religion mit unserem Leben zu tun? Diesen Fragen geht das Buch, das Sie nun in Händen halten, nach. Es wendet sich vor allem an Eltern, die darüber nachdenken, ob sie ihr Kind oder ihre Kinder taufen lassen sollen. Jedoch auch für jene, für die das „Ob“ keine Frage ist und die selbstverständlich eine Taufe planen, kann das Lesen der folgenden Seiten ein Gewinn sein, um sich klarer darüber zu werden, worauf sie sich mit der Taufe einlassen, welche Erwartungen und Wünsche sie damit verbinden und welche Bedeutung dieses Ritual hat, das in den christlichen Kirchen das zentrale Sakrament ist.
Für viele ist es allerdings nicht mehr einfach „normal“, zu einer christlichen Kirche zu gehören. In den Jahren, in denen sie erwachsen geworden sind, ist die Religion immer mehr zu einer Sache der Wahl geworden. Die Freiheit, eine Wahl treffen zu können, birgt große Möglichkeiten in sich – und immer auch die Mühe, eine Entscheidung treffen zu müssen. Sich nicht zur Taufe zu entschließen, ist auch eine Entscheidung – und sie sollte zumindest bewusst getroffen werden.
Die folgenden Seiten möchten Ihnen bei diesen Überlegungen helfen. Ich schreibe dabei nicht aus einer neutralen Beobachterposition heraus. Mein Standpunkt ist: Ich glaube, dass es viele gute Gründe für die Taufe gibt, und ich meine damit vor allem die Taufe von (Klein-)Kindern. Ich freue mich außerdem sehr über jeden erwachsenen Menschen, der im christlichen Glauben einen überzeugenden Sinn für sein Leben und eine nachvollziehbare Sicht der Welt findet und mit dieser Überzeugung nicht für sich allein bleiben, sondern sie vielmehr in der Kirche leben will und sich darum taufen lässt oder (wieder) in die Kirche eintritt. Das vorliegende Buch wendet sich jedoch an Eltern, die diese Entscheidung für ihre Kinder treffen wollen und dabei selbst womöglich aus ganz unterschiedlichen religiösen Zusammenhängen kommen. Vielleicht sind sie christlich getauft, vielleicht haben sie keine enge Verbindung zur Kirche, vielleicht kommen sie aus einer anderen Religion, sind einfach neugierig …
Ich habe versucht, für alle, die darüber nachdenken, welche Rolle die Religion im Leben ihres Kindes bzw. ihrer Kinder spielen soll, alle wichtigen Überlegungen rund um die Taufe zusammenzutragen. Und nun wünsche ich mir, dass Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, das Buch dabei hilft, die Entscheidung, ob Sie Ihr Kind taufen lassen möchten, zu treffen.
Gabriele Hartlieb
Soviel Anfang ist nie wieder. So viel Zukunft. So viel Wunder. So viel Hoffnung und Unvorhersehbares. Ein neues Leben ist geboren, und alles ist möglich. Es ist ein einzigartiger, zarter, zauberhafter Moment für die Eltern, wenn sie ihr Kind zum ersten Mal im Arm halten. Überraschend ist nicht, was da geschehen ist – schließlich kündigt sich ein Kind doch eine gute Zeit lang vorher an. Aber ganz überwältigend ist es, diesen Anfang in Händen zu halten, drei Kilo schwer, 50 Zentimeter groß, rosig, runzlig, winzig. Bis zu diesem Anfang sind Eltern ganz verschiedene Wege gegangen. Vielleicht war die Schwangerschaft erwünscht, vielleicht schon lange ersehnt. Oder es war das erste Mal, dass die Mutter erfahren hat, wie ein neues, anderes Leben in ihr wächst, und deshalb war sie vor allem mit sich selbst beschäftigt. Der Vater staunte über die Kraft und Veränderung, die dieser kleine neue Mensch schon vor seiner Geburt zeigte. Vielleicht war es aber auch schon das zweite oder dritte Mal, dass ein neuer Jemand sich einnistete und sein Kommen in diese Familie ankündigte. Vielleicht kam die Schwangerschaft auch zu einem Zeitpunkt, an dem die Eltern auf diesen Einschnitt in ihrem Leben nicht vorbereitet waren. Sie mussten sich an diesen Gedanken erst gewöhnen und sich langsam zurechtfinden. Viele, auch verwirrende Gefühle und Überlegungen mögen ihnen durch den Kopf gegangen sein.
Es ist nicht immer ungeteilte Freude, die sich einstellt, wenn eine Frau und ein Mann wissen, dass sie Eltern werden. Häufig ist es so – und das ist ganz normal –, dass außer dem Glück auch der Zweifel zur Stelle ist, außer der Freude auch die Sorgen: Wie wird es werden? Kann ich das, Mutter sein? Schaff ich das, Vater werden? Haben wir genug Kraft für ein weiteres Kind? Was muss sich ändern, wie werden wir uns verändern müssen, als Paar, als Familie, mit unserer Berufstätigkeit, wenn (noch) eine oder einer dazukommt und dazugehört?
Es gab eine Zeit, da waren Kinder – oft auch in großer Zahl − ganz einfach da. Heute scheint Kinder zu bekommen eine Option unter vielen geworden zu sein, das Leben zu gestalten. Zum „Projekt“ der Eltern zu werden, bringt die Kinder einerseits um die Selbstverständlichkeit, einfach da zu sein und nicht ständig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, nicht auffällig sein zu müssen, ob positiv oder negativ. Andererseits vergessen Eltern über die Realisierung und das erhoffte Gelingen ihres Projektes „Kind“ oder „Familie“ bisweilen, dass bei aller Wahlmöglichkeit vieles doch nicht verfügbar ist − und dass dies vielleicht das Wesentliche ist.
Dass aber gerade Kinder sich nicht unbedingt nach Wunsch einstellen, dass das Leben unverfügbar bleibt, wissen Paare, die lange eine Schwangerschaft ersehnen, die sich nicht einstellen will, die Sex nach der Uhr haben und Monat für Monat neu vor einer Enttäuschung stehen, genauso wie Frauen, die in einer schwierigen Lebenssituation schwanger werden und für die der Gedanke an ein Baby eher eine Angstvision als eine Glücksvorstellung ist. Wenn eine Frau dann nach einer emotional und körperlich mühsamen Kinderwunschbehandlung doch schwanger wird, wenn eine Frau oder ein Paar auch in schwierigen Umständen ein Ja findet zum Baby, aber auch, wenn gerade jetzt ein Kind gewollt und erwünscht ist, erfährt man als Eltern, dass das Familie-Werden ein bisschen so ist, als gäbe man ein Konzert, ohne die Zeit zum Proben gehabt zu haben. So oder so ist es gut, dass sich der neue Mensch, der irgendwann mit am Tisch sitzen wird, ein bisschen Zeit lässt mit dem Ankommen, damit Gefühle sortiert, ein Bettchen gerichtet und ein Plan gemacht werden kann, wie die Arbeit verteilt wird. Es wird dann − wie bei allem Lebendigen – doch anders kommen als geplant, aber das ist eine der wunderbaren Eigenschaften, die Eltern lernen: flexibel mit dem Unvorhergesehenen umzugehen, das unverlässliche Leben zu lieben.
Mit der Geburt hat das Warten ein Ende. Der Anfang ist da. Und das Glück über das neue Leben trifft auf die alte, etwas „verbrauchte“ Welt, in der es nicht immer glücklich zugeht. In den Träumen der Eltern vom Leben ihres Kindes kommen immer Schönheit vor und Liebe, Begabung und Freundschaft, Erfolg und vielleicht Wohlstand, Helligkeit und viel Glück. Dass es in der Wirklichkeit auch Enttäuschendes gibt und Hässliches, Schmerz und Scheitern, Dunkelheit und Einsamkeit – das passt so gar nicht zum Jubel des Anfangs, zu den Hoffnungen und Wünschen, die über dem neuen Leben stehen. Das soll für dieses Kind nicht gelten! Alles wollen die Eltern tun, dass das Unglück ihr Kind nicht trifft. Doch so ist es nicht, das Leben. Das wissen Eltern auch, wenn sie ihr neugeborenes Kind im Arm halten und betrachten, selbst wenn sie es nicht glauben wollen. Sie wissen, dass auch mit diesem neuen und so kostbaren Anfang beides beginnt: die Fähigkeit zu großem Glück und die Möglichkeit des Schmerzes; die beflügelnde Erfahrung von Nähe, Freundschaft, Liebe, Vertrauen und Gemeinsamkeit und die Erschütterung von Enttäuschung und Verlust; es wird jubelnde Momente des Gelingens und des Erfolgs geben und Augenblicke des Scheiterns; neben Zeiten der intensiven Hochstimmung, der Zufriedenheit und gelassenen Freude sind auch Ärger, Langeweile und Überdruss zu erwarten. Ihr neugeborenes Baby auf dem Arm zu halten, macht Eltern besonders klar, wie unendlich kostbar und wichtig – und wie verletzlich das Leben ist. Sie sind von Glück überwältigt, staunen über die kleinen Finger, den zarten Kopf, lauschen den Atemzügen des schlafenden Babys und warten gebannt, bis es die Augen aufschlägt und wie es guckt. Sie haben noch nie so wundervolle Geräusche gehört wie die, die ihr Baby beim Trinken macht, und können es urkomisch finden, wenn ihr Mini-Sohn sie beim Wickeln mit einem Pipistrahl ins Gesicht überrascht. Aber wie selten im Leben dringt in den ersten Wochen mit einem Neugeborenen neben dem zauberhaft Schönen auch das Laute, Hässliche, Elende und Gewaltvolle direkt ins Herz der Eltern als eine mögliche Gefährdung auch ihres Kindes, das so angewiesen ist auf eine gute, warme, behutsame Umgebung und Welt, das so wenig zum eigenen Schutz tun kann, das in allen grundlegenden Versorgungen angewiesen ist auf andere.
Ganz am Anfang des Lebens mit Kindern, aber auch durch alle Jahre der Elternschaft wird es Momente geben, die diese Tatsache schlagartig ins Bewusstsein bringen: wenn das Auto einen halben Meter vor der fröhlich mit dem Laufrad den Berg hinunter sausenden Dreijährigen gerade zum Stehen kommt; wenn der Achtjährige beim Bootfahren ins eiskalte Wasser kippt; wenn der Sohn mit vierzehn erzählt, dass sein Freund Leukämie hat; wenn im Winter morgens um fünf das Telefon klingelt und die große Tochter erklärt, mit dem Wagen könne sie nicht mehr nach Hause kommen, weil er an einer glatten Stelle ins Schleudern geraten sei und jetzt im Acker neben der Straße liege.
Eltern erkennen, dass sie selbst ganz viel tun können, um ihrem Kind die gute Umgebung zu geben, die es braucht, die Versorgung, die Liebe, die Nähe. Sie müssen aber auch erkennen, dass sie nicht alles in der Hand haben, dass sie das Eigentliche – Gesundheit, Schlaf, Angstfreiheit, eine friedliche Welt, die ihr Kind geborgen aufwachsen lässt – nicht „machen“ können. Sie sehen, dass auch die Welt selbst gefährdet und verletzlich ist, bedroht von terroristischer Gewalt, labilen politischen Verhältnissen, dramatischen demografischen Veränderungen und gravierenden Naturkatastrophen aufgrund der Klimaveränderung. Die Zukunft ist immer offen und daher ungewiss. Wie können Eltern ihren Kindern in dieser Situation Schutz, Sicherheit und Geborgenheit schenken?
Sie können etwas dazu tun, aber sie können all dies nicht garantieren. Eltern erkennen, dass sie wohl zum Glück ihrer Kinder beitragen – dass sie es aber nicht gewährleisten können. Und es ist gut, wenn sie auf diese Begrenzung der eigenen Möglichkeiten für das Leben der Kinder nicht mit Angst, sondern mit Vertrauen reagieren, wenn sie ihre sorgenvollen Gedanken in segensreiche Wünsche verwandeln können.
Natürlich bemühen sich Eltern, alles besonders gut zu machen – und überlegen sich gleichzeitig, ob es nicht vielleicht noch besser ginge. Sie sorgen sich darum, dass das Leben und die Welt ihren Kindern nicht nur Glück und Freundlichkeit, sondern auch Gleichgültigkeit oder Schwierigkeiten bringen könnte. Sie versuchen, alles richtig zu machen – und stellen fest, dass „richtig“ und „falsch“ oft nicht so eindeutig zu bestimmen sind, wie sie es sich wünschen würden. Das beginnt bei der Geburt (heißt „richtig“ hier, das Kind unter optimaler medizinischer Versorgung im Uni-Klinikum oder so ungestört von äußeren Einflüssen wie möglich zu Hause zu bekommen?), stellt sich in vielen kleinen und entscheidenden Alltagsfragen (eigenes Schlafzimmer fürs Baby oder Bett bei den Eltern im Schlafzimmer? Stillen ja oder nein, und wenn ja, wie lange? Gemüsebrei: ab wann, Bio-Produkte aus dem Glas oder selbstgekocht?) und endet längst noch nicht bei den Impfungen und der Betreuungsfrage. Vieles ist möglich und pädagogisch wertvoll oder entwicklungspsychologisch belegt, wenig ist festgelegt. Eltern dürfen und müssen ihren eigenen Weg finden. Weil in unserer Gesellschaft in beruflichen Prozessen wie im persönlichen Lebensstil höchste Standards, optimale Lösungen und Perfektion als selbstverständliche Ansprüche daherkommen, ist es ebenso notwendig wie schwierig, zu erkennen, dass es das perfekte Leben nicht gibt. Weil weniger vorgegeben und vieles möglich ist, scheinen nicht nur Kinder selbst zur Option geworden zu sein, sondern auch alle Entscheidungen, die sich anschließen.