TRIGGERPUNKT
BEHANDLUNG
HILFE UND SELBSTHILFE
REFERENZBUCH
TRIGGERPUNKT
BEHANDLUNG
HILFE UND SELBSTHILFE
REFERENZBUCH
SIMEON NIEL-ASHER
COPRESS
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Copress Verlag
erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1105-5)
Copyright © 2005, 2008, 2014 by Simeon Niel-Asher.
First published in 2005 by Lotus Publishing, Berkeley, California
Titel der Originalausgabe:
The concise book of trigger points :
a professional and self-help manual
HINWEISE
Die Methoden, die in diesem Buch erläutert werden, ersetzen keine
geeignete Therapie durch einen zugelassenen Manualtherapeuten.
Zwar sind Beschwerden und Schmerzen durch Triggerpunkte ver-
breitet, dennoch kann manchmal eine tieferliegende Erkrankung
dafür ursächlich sein. Es ist ratsam, immer eine Diagnose durch
einen qualifizierten Arzt einzuholen und sich mit diesem abzustim-
men, ehe Sie den Behandlungsmethoden in diesem Buch folgen.
Das
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung
wird unterstützt durch
die
Society for the Study of Native Arts and Sciences
, eine gemein-
nützige Bildungsinstitution mit dem Ziel, interkulturelle Bildungs-
perspektiven zu entwickeln, die verschiedene wissenschaftliche,
soziale und künstlerische Bereiche vernetzt, um eine ganzheitliche
Sicht von Kunst, Wissenschaft, Geisteswissenschaft und Heil-
methoden zu fördern sowie um Fachliteratur zum Verhältnis von
Geist, Körper und Natur zu veröffentlichen und zu vertreiben.
WIDMUNG
Für meine Frau, meine Söhne, meine Mutter, meine Freunde, meine
Familie und meine wunderbaren Patienten.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet (http://dnb.dnb.de) abrufbar.
Deutsche Ausgabe © 2017
Copress Verlag in der Stiebner Verlag GmbH, Grünwald
Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur
mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages.
Übersetzung aus dem Englischen: Christa Trautner-Suder,
Dr. Iris Klofat (Fachberatung)
Satz (Printausgabe) und Redaktion der deutschen Ausgabe: Ver-
lags- und Redaktionsbüro München, www.vrb-muenchen.de
ISBN 978-3-7679-2040-8
www.copress.de
5
Inhalt
Zu diesem Buch7
Liste der Abkürzungen8
Einleitung9
Kapitel 1 Sich selbst heilen mit
Selbsthilfetechniken13
Eine wahre Geschichte13
Ein paar Worte vorab14
Selbstbehandlung16
Was ist mein Triggerpunkt?19
Triggerpunkt-Releasetechniken zur Selbsthilfe22
Kapitel 2 Skelettmuskulatur, Muskel-
biomechanik und Beweglichkeit23
Die Skelettmuskulatur23
Die Physiologie der Muskelkontraktion26
Muskuloskelettale Biomechanik27
Beweglichkeit30
Die embryologische Entwicklung der Faszie 30
Kapitel 3 Triggerpunkte und Trigger-
punktbildung33
Definition eines Triggerpunkts33
Akupunktur- oder Akupressurpunkte und
Triggerpunkte35
Fibromyalgie35
Die Reflexpunkte (Tenderpoints) nach Chapman
versus Triggerpunkte36
Ernährungsfaktoren und biochemische Faktoren36
Der Einfluss des Autonomen Nervensystems (ANS)36
Differentialdiagnose 37
Triggerpunkte und Muskelfasertyp37
Triggerpunktbildung und Körperhaltung38
Posturale Triggerpunkte und »gekreuzte Syndrome« 38
Triggerpunkte innerhalb der Sarkomere39
Pathophysiologie der Triggerpunkte39
Periphere und zentrale Sensitivierung41
Klassifikation der Triggerpunkte42
Symptome der Triggerpunkte43
Untersuchungsbefunde44
Rat an den Patienten45
Kapitel 4 Therapie-Protokolle 47
Palpation 47
Injektionen und trockenes Nadeln 48
Trockenes Nadeln (Dry Needling) 49
Sprühen und Dehnen (Spray and Stretch) 53
Protokolle für die manuelle Triggerpunkt-
Releasetherapie (TRP) 54
Manuelle Techniken: Die Details55
Dehn- und Löse-(Release-)Techniken56
Häufig gestellte Fragen (FAQs) der Therapeuten61
Kapitel 5 Dehnen und Übungen/Sport63
Fitness und Beweglichkeit63
Dehnen64
Kräftigen66
Kapitel 6 Jenseits des Triggerpunkts67
Das Puzzle zusammensetzen 67
Chaos und Komplexität69
Seltsame Attraktoren70
Super-Triggerpunkte (STPs) 71
Myofasziale Meridiane72
Die Niel-Asher-Technik (NAT)76
3-D-NAT-Release77
Kapitel 7 Muskeln von Gesicht, Kopf
und Nacken79
M. occipitofrontalis (M. epicranius)80
M. orbicularis oculi82
M. masseter 84
M. temporalis86
M. pterygoideus lateralis88
M. pterygoideus medialis 90
M. digastricus92
Mm. scalenus anterior, medius, posterior94
M. sternocleidomastoideus (SCM)96
Das Kiefergelenk (Temporomandibulargelenk, TMG)98
Syndrom des Temporomandibulargelenks 99
Kopfschmerzen 100
Nackenschmerzen101
Kapitel 8 Muskeln von Rumpf
und Wirbelsäule103
M. erector spinae (M. sacrospinalis)104
Hintere zervikale Muskulatur106
M. multifidus/Rotatoren108
M. splenius capitis/M. splenius cervicis110
M. obliquus externus112
M. transversus abdominis 114
M. rectus abdominis116
M. quadratus lumborum 118
M. iliopsoas (M. psoas major/M. iliacus) 120
Diaphragma (Zwerchfell)122
Schmerzen im unteren Rücken124
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung: Hilfe und Selbsthilfe
6
Kapitel 9 Muskeln von Schulter
und Oberarm125
M. trapezius126
M. levator scapulae128
M. rhomboideus (minor und major)130
M. serratus anterior132
M. pectoralis major134
M. latissimus dorsi136
M. deltoideus138
M. supraspinatus140
M. infraspinatus142
M. teres minor144
M. subscapularis146
M. teres major148
M. biceps brachii150
M. triceps brachii152
Schulterschmerzen154
Kapitel 10 Muskeln von Unterarm
und Hand155
M. pronator teres156
M. palmaris longus158
Handgelenksflexoren160
M. brachioradialis162
Handgelenksextensoren164
M. extensor digitorum166
M. supinator168
M. opponens pollicis/M. adductor pollicis170
Kleine Handmuskeln172
Schmerzen im Handgelenk174
Kapitel 11 Muskeln von Hüfte und
Oberschenkel175
M. gluteus maximus176
M. tensor fasciae latae (TFL)178
M. gluteus medius180
M. gluteus minimus182
M. piriformis184
Hamstrings (hintere Oberschenkelmuskulatur)186
Adduktoren188
M. pectineus190
M. sartorius192
M. quadriceps194
Beckenschmerzen196
Knieschmerzen197
Kapitel 12 Muskeln von Bein und Fuß199
M. tibialis anterior200
M. extensor digitorum longus/
M. extensor hallucis longus202
Mm. fibularis (peroneus) longus, brevis, tertius204
M. gastrocnemius206
M. plantaris208
M. Soleus210
M. popliteus212
M. flexor digitorum longus/
M. flexor hallucis longus214
M. tibialis posterior216
Oberflächliche Fußmuskulatur218
Tiefe Fußmuskulatur220
Schmerzen im Sprunggelenk222
Schmerzen im Fuß223
Glossar: anatomische Lage-/Richtungs-
bezeichnungen225
Bibliographie227
Register231
7
Zu diesem Buch
Herzlich willkommen zu einer spannenden Lese-Reise. Im Jahr 2003 bat man mich, die erste Ausgabe des hier vorliegenden Buches zu schreiben. Seitdem entwickelte sich das Referenzbuch Triggerpunktbehandlung zu einem bis heute weltweit in mehr als 20 Sprachen übersetzten Bestseller. Dieser enorme Erfolg und neueste Forschungsergebnisse spornten mich nun dazu an, mein Buch komplett zu überarbeiten und umzugestalten. Das Ergebnis halten Sie hier in Ihren Händen.
Ich weiß aus meiner langjährigen Erfahrung, dass viele Leserinnen und Leser dieses Buches völlig unnötigerweise unter Schmerzen und Einschränkungen leiden. Denn für viele Beschwerden gibt es rasche und wirksame Abhilfe durch die einfache Triggerpunktbehandlung. Deshalb freue ich mich sehr, Ihnen hiermit den aktuellen Stand der Forschung auf diesem Gebiet sowie moderne Methoden für Manualtherapeuten und einfache Selbsthilfeanleitungen für zu Hause vorstellen zu können. Und ich hoffe natürlich, dass auch Sie auf den folgenden Seiten individuelle Hilfestellung finden werden.
Simeon Niel-Asher
www.nielasher.com
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung: Hilfe und Selbsthilfe
Liste der Abkürzungen
AChAcetylcholin
ANSAutonomes/Automatisches Nervensystem
ASCAnterior sagital chain (Vordere sagittale Kette)
ATPAdenosintriphosphat
BKBradykinin
COPDChronisch obstruktive Lungenerkrankung
CRACContract-Relax/Antagonist Contract (Kontra-
hieren-Ent spannen/Antagonisten-
Kontraktionstechnik
CRHRContract-Relax/Hold-Relax (Kontrahieren-
Entspannen/Halten-Entspannen)
EMGElektromyographie
GIGastrointestinal
GSOGolgi-Sehnenorgan
HLAHumanes Leukozyten-Antigen
HNOHals, Nase, Ohren
ICT(Inhibitions-)Kompressionstechnik
ITIliotibial
ITHP Integrierte Triggerpunkthypothese
LDManuelle Lymphdrainage
MEPMotorische Endplatte
METMuskelenergietechniken
MTP Myofasziale Triggerpunkte
NATNiel-Asher-Technik
NLPNeurolinguistische Programmierung
NMDAN-Methyl-D-Aspartat
PIRPostisometrische Relaxationstechnik
PMR Polymodale Rezeptoren
PNFPropriozeptive neuromuskuläre Fazilitation
PNSPeripheres Nervensystem
RARiesenzellarteriitis
RIReziproke Inhibition
SCSStrain-Counterstrain
SCMSternocleidomastoideus
SLESystemischer Lupus erythematosis
SPIAISpina iliaca anterior inferior
SPIAPSSpina iliaca anterior superior
SRSarkoplasmatisches Retikulum
STPSuper-Triggerpunkt
TCMTraditionelle Chinesische Medizin
TFLM. tensor fasciae latae
TMGTemporomandibulargelenk
TPTriggerpunkt
ZNSZentralnervensystem
8
9
Einleitung
Über mich
Als ich 14 Jahre alt war, hörte ich durch meinen Großonkel Sidney Roseneil erstmals etwas über Osteopathie. Er war in den 1960er-Jahren Osteopath, Akupunkteur und Naturheilkundler, in einer Zeit, in der es in der modernen Medizin zu großen Veränderungen kam. Bereits damals empfand ich die Aussage, der Körper solle zur Selbstheilung ermutigt werden, als schlüssig. Die Osteopathische Manipulative Therapie (OMT) hebt die angeborene Fähigkeit des Körpers zur Selbstheilung hervor und lehrt Methoden, wie diese »halb-automatische« Reaktion ausgelöst werden kann. Der Körper verfügt über Selbstregulations- und Selbstheilungsmechanismen, die auch heute noch der modernen Medizin vielfach überlegen sind. Durch meine Arbeit als Osteopath habe ich gelernt, die kraftvolle »Sprache der Berührung« zu spüren und zu verstehen, die ganz ohne Worte auskommt. Als in meinem zweiten Studienjahr die Triggerpunkte (TP) auf dem Lehrplan standen, wurde mir schnell klar, dass es dabei um etwas ganz Besonderes geht. Die nächsten zweieinhalb Jahre verbrachte ich mit ein paar Freunden jedes Wochenende damit, den »Meister« David Warren zu besuchen, um bei ihm zu lernen und ihm bei der Arbeit zuzuschauen.
Seit dem Abschluss meiner Ausbildung im Jahr 1992 arbeite ich als vielbeschäftigter Osteopath, Forscher, Studierender und Lehrer. Seit über 22 Jahren durfte ich vielen tausend Patienten begegnen und ihnen helfen. Ich wurde vom Leben reich beschenkt: mit einer großartigen Familie, großartigen Freunden und einer wunderbaren internationalen Karriere. Ich bin erstaunlichen Menschen begegnet und habe sie auf ihrem Weg zur Heilung begleitet. Ich bin um die ganze Welt geflogen und habe mit Popstars, Hollywood-Schauspielern, Gurus, Politikern und Olympiasportlern gearbeitet. 1999 entwickelte ich eine moderne Triggerpunktmethode, die ich »Niel-Asher-Technik (NAT)« nannte. Der Auslöser dafür war, dass ich eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Schmerzmedizin kennen- und verstehen lernte – die Triggerpunkttherapie.
Über Sie
Akute und chronische Schmerzen sind höchst motivierende Signale. Wenn wir unter Schmerzen leiden, sind wir verletzlich und greifen nach jedem Strohhalm. Sie waren vielleicht beim Arzt, haben eine Kernspinuntersuchung hinter sich, Bluttests gemacht und wurden dann mit einem Rezept nach Hause geschickt oder bekamen gesagt, es sei doch alles in Ordnung! Ja, vielleicht hat man Ihnen sogar gesagt, Sie würden sich den Schmerz nur einbilden. Danach haben Sie womöglich mit physikalischer Therapie, mit Ernährungsumstellung, Diäten, Akupunktur, Chiropraktik, Osteopathie, Massage, Bowen-Technik, Pilates und vielem mehr probiert, Ihren (keineswegs nur eingebildeten) Schmerz zu lindern: alles ohne Erfolg.
Hier sollte nun endlich die Triggerpunktbehandlung zum Einsatz kommen: Sie wirkt schnell, ist mit geringen Kosten verbunden, kann reproduziert werden, ist evidenzbasiert und leicht zu beherrschen.
Warum wird sie dann nicht von allen Ärzten und Manualtherapeuten praktiziert? Oder warum wissen manche gar nicht, was sie da tun? Denn tatsächlich nutzen viele Therapeuten in ihrer täglichen Praxis auf die eine oder andere Weise Triggerpunkte, ohne genau darüber Bescheid zu wissen. Doch je mehr sie darüber erfahren, desto höher die Effizienz, das Tempo und die Wirksamkeit der Behandlung.
Über den Schmerz
Muskuläre (myogene) Schmerzen und Dysfunktionen können durch viele Faktoren hervorgerufen werden wie Trauma, chronische Fehlhaltungen, Sportverletzungen und systemische Erkrankungen. Muskelschmerzen sind ein Schlüsselelement unseres Schutz- und Verteidigungsmechanismusses. Schmerz ist eine wertvolle Alarmglocke, die uns mitteilt, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Zudem spielen Triggerpunkte bei einer ganzen Reihe von Krankheitszuständen eine Rolle und können andere Erkrankungen auch häufig »nachahmen«. Beschwerden, die von Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen über Zahnschmerzen bis zu Rückenschmerzen, Tennisellenbogen (Epicondylitis lateralis) und sogar Schwindelgefühlen reichen, können von einem Triggerpunkt ausgehen.
In diesem Buch werden Sie lernen, wie Sie die Quelle Ihres Schmerzes herausfinden und zu Hause wirksam und einfach Abhilfe schaffen können.
Ich hoffe, dass die Therapeuten unter den Lesern, die bereits mit Triggerpunkten arbeiten, das Buch prägnant, praxisbezogen, klinisch relevant und hilfreich finden werden. In den Kapiteln 4 und 5 bespreche ich auch moderne Techniken an wie trockenes Nadeln, Spray-and Stretch-Technik (Sprühen und Dehnen), propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF), moderne manuelle Positional Releasetechniken (PRT), und grundlegende NAT-Protokolle.
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung: Hilfe und Selbsthilfe
10
Über dieses Buch
Dieses Buch ist als Kurzreferenz-Handbuch aufgebaut und vermittelt nützliche Informationen über Triggerpunkte in den Hauptmuskeln des Skelettsystems. Diese Triggerpunkte sind entscheidend für Massage, Körperarbeit und physikalische Therapie. Die Informationen über jeden Muskel werden im gesamten Buch in einheitlicher Form präsentiert. Ein Beispiel wird in Abbildung 1 gegeben. Die Bedeutung der Überschriften ist fett gedruckt erklärt (für einige Muskeln wird nur eine gekürzte Version angegeben).
Myofaszien
Stellen Sie sich vor, Sie wären eine Orange. Ihre Haut ist die mit Haaren und Rezeptoren ausgestattete oberflächliche Faszie, deren Entsprechung bei der Orange die weiße feste Haut unter der Schale ist. Die Trennhäute um jede Orangenspalte sind die tiefen Faszien, und wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass sich der Saft in noch kleineren Faszientaschen befindet. Bis zu einem gewissen Grad sind wir alle einander ähnlich: Unsere Faszien sind überall – sie umwickeln und stützen Organe, Knochen und Sehnen. Dort, wo die Faszie den Muskel »einwickelt«, wird sie als Myofaszie bezeichnet. Die Faszie ist ein lebendes Gewebe und hat ein Gedächtnis. Sie wirkt außerdem beim Transport chemischer und anderer Substanzen im Körper mit. Wenn wir uns auf »myofasziale Triggerpunkte« beziehen, sprechen wir über einen Triggerpunkt in einem spezifischen Muskel und seine fasziale Hülle. Myofaszien verbinden viele Bereiche des Körpers miteinander, daher wird die Faszie manchmal auch als Bindegewebe bezeichnet.
X markiert den Hotspot
In den Bereichen der häufigsten Triggerpunkte habe ich Markierungen eingefügt, die aber keine exakten Lokalisationen, sondern Annäherungen sind. Geringfügige Veränderungen in Anatomie, Haltung oder gewichttragenden Strukturen beeinflussen die Lokalisation und Ausbildung von Triggerpunkten. In der Praxis werden Sie deshalb vielleicht feststellen, dass die tatsächliche Lokalisation der Triggerpunkte von den Punkten auf den Muskeln in den Kapiteln 7–12 leicht abweicht. Auch Unterschiede bei der Richtung, Amplitude und Druck (therapeutisch) beeinflussen die Lokalisation des Triggerpunktes.
Abbildung 1: Musterseite für einen Muskel
Die wichtigsten Methoden für die Behand-
lung von Triggerpunkten (siehe Kapitel 4)
11
Einleitung
Noch ein Wort zur peripheren Nervenversorgung
Das Nervensystem umfasst:
•Das Zentralnervensystem (ZNS) – d.h. das Gehirn und das Rückenmark
•
Das periphere Nervensystem, einschließlich des autonomen Nervensystems – d.h. alle
neuralen Strukturen außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks
Das periphere Nervensystem besteht aus 12 paarigen Hirnnerven und 31 paarigen Spinalnerven (und deren nachfolgenden Verzweigungen). Die Spinalnerven werden nach dem Rückenmarksniveau beziffert, aus dem sie entspringen (das Rückenmarksniveau wird auch als »Spinalsegment« bezeichnet).
Für jeden Muskel, der in diesem Buch aufgeführt ist, wird die relevante periphere Innervation angegeben. Die Informationen über das spinale Segment* (Abbildung 2), aus dem die Nervenfasern entspringen, unterscheiden sich jedoch bei den verschiedenen Quellenangaben häufig. Dies erklärt sich aus der Schwierigkeit für Anatomen, der Verlauf einer einzelnen Nervenfaser im Gewirr anderer Nervenfasern zu verfolgen, wenn die Nervenfaser durch den Plexus läuft (Plexus = ein Netzwerk von Nerven; lateinisch für »Geflecht«). Daher wurden solche Informationen hauptsächlich durch empirische klinische Beobachtung und weniger durch Autopsie gewonnen.
Um eine möglichst genaue Information anzugeben, habe ich die von Florence Peterson Kendall und Elizabeth Kendall McCreary entwickelte Methode reproduziert. Kendall & McCreary (1983) kombinierten Informationen aus sechs bekannten anatomischen Referenztexten, insbesondere denen von Cunningham, deJong, Foerster & Bumke, Gray, Haymaker & Woodhall sowie Spalteholz. Ich ging nach dem gleichen Verfahren vor und unterzog die Ergebnisse anschließend einer Kreuzstudie mit denen von Kendall & McCreary. Das sich daraus ergebende System, bei dem der Schwerpunkt auf den wichtigsten Nervenwurzeln für jeden Muskel liegt, wurde für dieses Buch übernommen.
Nehmen wir als Beispiel den Musculus supinator, der vom tiefen Ast des Radialnervs C5, C6, (C7) versorgt wird. Das relevante Spinalsegment wird mit dem Buchstaben C bezeichnet und den Ziffern 5, 6, (7). Fettgedruckte Zahlen (wie hier die 6) bedeuten, dass die meisten (oder mindestens fünf) Quellen hierin übereinstimmen. Zahlen, die nicht fett gedruckt sind (wie hier die 5) bedeuten, dass drei oder vier Quellen hierin übereinstimmen. Zahlen, die nicht fett gedruckt und in Klammern angegeben sind (wie hier die 7) bedeuten, dass hierin nur zwei Quellen übereinstimmen oder dass mehr als zwei Quellen diese als äußerst minimale Nervenversorgung bezeichnen. Wurde ein Spinalsegment nur von einer einzigen Literaturquelle genannt, wurde sie hier nicht berücksichtigt. Fett gedruckte Zahlen geben also die Hauptinnvervation an, nicht fett gedruckte Zahlen eine geringere Innvervation und Zahlen in Klammern eine mögliche oder seltene Innervation.
Abbildung 2: Ein Spinalsegment, das die Nervenwurzeln zeigt, die sich verbinden, um einen Spinalnerv zu bilden, der sich dann in vordere und hintere Äste verzweigt.
*Ein Spinalsegment ist der Teil des Rückenmarks, aus dem jeweils ein Paar von Spinalnerven entspringt (ein Paar besteht aus einem Nerv auf der linken und einem Nerv auf der rechten Seite des Körpers). Jeder Spinalnerv enthält motorische und sensorische Fasern. Bald nachdem der Spinalnerv durch das Foramen hindurchzieht (die Öffnung zwischen benachbarten Wirbelkörpern), teilt er sich in einen primären dorsalen Ast (dieser ist hinten gelagert) und einen primären ventralen Ast (dieser ist lateral oder vorne gelagert). Fasern aus dem Ramus dorsalis innervieren die Haut und die Extensorenmuskeln des Nackens und Rumpfes. Die vorderen Äste versorgen die Gliedmaßen, die Seiten und die Vorderseite des Rumpfes.
13
Sich selbst heilen mit
Selbsthilfetechniken
1
Eine wahre Geschichte ...................................13
Ein paar Worte vorab .....................................14
Selbstbehandlung ..........................................16
Was ist mein Triggerpunkt? ...........................19
Triggerpunkt-Releasetechniken zur
Selbsthilfe ..................................................22
Eine wahre Geschichte
Fangen wir mit einer wahren Geschichte über John an, der nach Aussage seiner Mutter ein »sehr, sehr kranker kleiner Junge« war. Kurz vor seinem dritten Geburtstag wäre er beinahe an Scharlach gestorben. Mit fünf hatte er Keuchhusten und Windpocken, seine Gesundheit blieb sehr labil. Als Teenager bekam er Verdauungsprobleme und wog mit 14 Jahren 43 kg. Irgendwann wurden bei ihm schließlich Colitis und Zöliakie diagnostiziert. Außerdem litt er unter Rückenschmerzen. Als John 17 Jahre alt war, war sein Vater so beunruhigt, dass er ihn in die Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, schickte, wo die Addisonsche Krankheit der Nebennierenrinden diagnostiziert wurde.
Mit der Zeit entwickelte John Muskelschmerzen. Seine Probleme begannen nach einem Unfall während des Militärdienstes, der eine größere Rückenoperation zur Folge hatte. Diese war nur teilweise erfolgreich, deshalb wurde er medikamentös weiterbehandelt und erhielt eine Rückenbandage. Doch seine Schmerzen wurden schlimmer und schlimmer. Mit der Zeit konnte John seine Zehen nicht mehr berühren und nicht einmal seine Schuhe zubinden. Manchmal musste er an Krücken gehen, er nahm permanent Medikamente ein. Diese halfen ihm vorübergehend, hatten aber unerwünschte Nebenwirkungen wie Depressionen, Osteoporose, chronische dauerhafte Muskelschmerzen und Muskelspasmen.
Janet and John
Als John Ende dreißig war, stellte ein Freund ihn der Ärztin Dr. Janet Travell vor, die Pionierarbeit für eine neue Behandlungsmethode leistete, die myofasziale Triggerpunkttherapie. Sie behandelte ihn regelmäßig, empfahl ihm Absatzerhöhungen und einen Schaukelstuhl, um seine Schmerzen zu lindern. Nach nur wenigen Wochen ging es John allmählich besser. Endlich konnte er seine Schmerzen in Schach halten, und diese gingen sogar zurück. Die Behandlungen von Dr. Travell waren so außerordentlich erfolgreich, dass sie John ermöglichten, eine wunderbare Karriere zu verfolgen – eine Karriere, die die Welt verändern sollte!
Johns Probleme waren biomechanischer Natur – seine Muskeln hatten Triggerpunkte entwickelt. Die
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung: Hilfe und Selbsthilfe
14
Behandlung von Dr. Travell war eine »natürliche«, und sie war einfach. Sie hatte einen Weg gefunden, die verborgenen Schmerzcodes, die in seinem muskuloskelettalen System eingeschlossen waren, zu lösen. John würdigte die Arbeit von Dr. Travell öffentlich, und bald nachdem er Präsident der Vereinigten Staaten wurde, ernannte er Janet zu seiner »Leibärztin« – die erste Frau und einige der wenigen Zivilpersonen, die diesen Posten je innehatten.
Dr. Travell setzte ihre Forschungen noch bis zu ihrem Tod 1997 im Alter von 95 Jahren fort und entwickelte ihre Theorien und wissenschaftlichen Modelle zu den Triggerpunkten. Mit der Zeit wurde ihr Erbe umfassend erforscht, ausgeweitet und validiert. Nun können auch Sie von ihren einfachen, aber sehr wirkungsvollen Techniken profitieren.
Abbildung 1.1: John F. Kennedys vermutliches Schmerz-
Verteilungsmuster
Unterer Anteil des M. erector spinae bilateral, Mm. glu-
teus maximus, minimus und medius bilateral, M. tensor
fasciae latae bilateral, M. gastrocnemius bilateral.
Abbildung 1.2: Foto von Janet Travell und John
F. Kennedy. Ihre berühmteste Erfolgsgeschichte.
Ein paar Worte vorab
Es gibt viele Gründe, warum Sie Triggerpunkte haben können, daher ist es wichtig, Triggerpunktschmerzen immer im Zusammenhang mit Ihrem ganzen Körper zu betrachten. Es muss betont werden, dass die Techniken, die in diesem Buch angeboten werden, kein Ersatz für eine Therapie durch einen qualifizierten Therapeuten sind. Selbst wenn Schmerzen und Beschwerden aus Triggerpunkten sehr häufig sind, kann sich dahinter manchmal eine Erkrankung verbergen.Es ist ratsam, immer eine genaue Diagnose durch einen qualifizierten Arzt oder durch einen sehr erfahrenen Manualtherapeuten stellen zu lassen.
Akuter und chronischer Schmerz
Statistiken zufolge sind myofasziale Triggerpunkte in 75 bis 95 % der Fälle von Muskelschmerzen die primäre Ursache! Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es Ihnen helfen wird, Ihre Schmerzen zu überwinden, wenn Sie verstehen, was Triggerpunkte sind, und wenn Sie lernen, wie man diese »ausschalten« kann.
Triggerpunkte können verschiedene Ursachen haben. Einige von den häufigsten Faktoren, die man in Betracht ziehen sollte, sind die folgenden:
•Kopfvorhalte (oberes gekreuztes Syndrom)
•Gerundete Schultern (unteres gekreuztes
Syndrom)
•Kopfneigung auf eine Seite (Telefonhaltung)
•
Berufliche/ergonomische Stressoren
•Krummes Stehen (unteres gekreuztes Syndrom)
•Krummes Sitzen (z.B. Arbeiten am Computer-
bildschirm/Ergonomie)
•Sitzen mit übergeschlagenen Beinen
•
Gewohnheitshaltungen und/oder Gewohnheiten
•Sitzen am Steuer
•Seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (Sko-
liose)
•Überbeweglichkeit der Gelenke
•
Schweres Heben/Tragen
•Temporomandibulargelenkssyndrom
•Schleudertrauma
•Primär kürzere untere Extremität
•Repetitive Aktivitäten oder Sport
•
Chronischer Vitamin- und/oder Mineralstoff-
mangel
•Eisenmangel und Schilddrüsenunterfunktion
•Durch Medikamente induziert (iatrogen)
Bei allen langanhaltenden oder chronischen Schmerzen werden Kompensationsmuster und Adaptationen in zahlreichen lokalen und sogar vom Schmerzgebiet entfernten Muskeln auftreten.
Triggerpunkte können aktiv (schmerzhaft) oder inaktiv (latent) sein; sie können sich auch in Sekundärmuskeln oder als Satelliten in der Nachbarschaft des primären Schmerzes manifestieren. Sie können zudem die folgenden Erkrankungen imitieren: Angina pectoris, Bursitis,
Sich selbst heilen mit Selbsthilfetechniken
15
Prostatitis, Appendizitis, Zystitis und Arthritis, Ösophagitis, Karpaltunnelsyndrom, eine entzündliche Beckenerkrankung, Divertikulosis, Tietze-Syndrom (Costochondritis), Ischias, Schmerzen durch einen Herzanfall oder e ine Gallenblasenkolik.
Die Grundlagen der Triggerpunkte
Der Begriff Triggerpunkt wurde im Jahr 1942 von Dr. Janet Travell geprägt, um schmerzhafte Knoten oder Knötchen zu beschreiben, die innerhalb von festen Muskelbändern gefühlt werden können. Alle Triggerpunkte scheinen folgende Merkmale zu besitzen:
•
Häufig sehr starker Schmerz an einem bestimm-
ten Punkt
•
Ein Knötchen befindet sich in einem
Hartspannstrang (Taut Band)
•Druck reproduziert die Schmerzsymptome, mit
Ausstrahlungen in einem spezifischen und repro-
duzierbaren Verteilungsmuster (Schmerzkarte)
•Schmerzen können durch Ergebnisse neurolo-
gischer Untersuchungen nicht erklärt werden
Eines der wichtigsten Merkmale von Triggerpunkten ist, dass sie in Muskeln eingebettet sein können, die weit von dem Punkt der Schmerzempfindung entfernt sind. Zum Teil gelingt es vielen Therapien aus diesem Grunde nicht, Abhilfe zu schaffen. In den meisten Fällen konzentrieren sich Therapeuten und Ärzte auf die schmerzhafte Stelle, statt nach der Quelle des Schmerzes zu suchen. Ein Triggerpunkt führt zur Verkürzung und Verdickung des Gastmuskels, was zu Druck auf Nerven und Blutgefäße führen kann und seine Funktion reduziert. Wenn Sie Triggerpunkte und ihre Verteilungsmuster verstehen, wird Ihnen dies helfen, zur Quelle Ihrer Schmerzen zu finden.
Was sind die Eigenschaften von Triggerpunkten?
Unsere Sprache zur Beschreibung von Empfindungen ist nicht sehr hoch entwickelt: Leider haben wir noch kein passendes Vokabular entwickelt, um in Worte zu fassen, was wir mit unseren Händen spüren. Dennoch will ich zu beschreiben versuchen, wie sich Triggerpunkte anfühlen:
•Kleine Knötchen in der Größe eines
Stecknadelkopfes
•Erbsengroße Knötchen
•Große Knoten
•Mehrere große Knoten nebeneinander
•
Schmerzempfindliche Stellen, eingebettet in
feste Bänder von halbharten Muskeln, die sich
wie eine Schnur anfühlen
•Seilähnliche Bänder nebeneinander, wie halb
gekochte Spaghetti
•Erhöhte Hauttemperatur am Triggerpunkt im
Vergleich zur Umgebung (wegen der erhöhten
metabolischen/autonomen Aktivität)
Was ist die Triggerpunkttherapie?
Die Triggerpunktherapie umfasst verschiedene Techniken, die zum Ziel haben, diese schmerzhaften Knoten zu deaktivieren. Viele Behandlungsansätze sind praktisch durchführbar, sie »gehen über die Hände« und können zu Hause mit einem Partner oder alleine mit Behandlungshilfen für Triggerpunkte durchgeführt werden. Kombiniert mit einigen einfachen Veränderungen des Lebensstils kann die Triggerpunkttherapie zu dramatischen, sofortigen und anhaltenden Ergebnissen führen.
Die Therapieziele sind einfach:
•Den oder die korrekten Triggerpunkt(e) iden-
tifizieren
•
Herausfinden, wie oder warum sie sich mani-
festiert haben
•Geeignete Techniken anwenden, um den
Punkt/die Punkte zu deaktivieren
•Strategien entwickeln, um zu verhindern, dass
sie wiederkommen
Druck auf die Triggerpunkte …
•… betäubt und reduziert die Schmerzen in der
behandelten Region und in der Region, in der
die Schmerzen wahrgenommen werden,
•… schwächt die Mechanismen der Schmerz-
rückkoppelung ab,
•… durchbricht den Teufelskreis von Schmerz
und Muskelkrampf,
•… dehnt verhärtete Strukturen und hat damit
einen indirekten Effekt auf andere Gewebe,
•… öffnet die folienähnliche myofasziale Hülle,
die die Muskeln umgibt, und stützt,
•… regt die Durchblutung an, um Abfallstoffe
und Gifte zu entfernen,
•… vermehrt die Ausschüttung wirksamer
schmerzstillender Substanzen, genannt
Endorphine,
•
… beeinflusst das autonome/automatische
Nervensystem.
Was ist eine »Karte« für übertragenen Schmerz?
Der durch Triggerpunkte übertragene Schmerz ist nicht das Gleiche wie der übertragene Schulterschmerz einer Appendizitis oder wie die Kiefergelenk-/Armschmerzen, die mit einem Herzanfall zusammen auftreten! Wenn Sie einen schmerzhaften Triggerpunkt 5–6 Sekunden drücken, sollten ein Teil der auf der Abbildung dargestellten Zonen oder auch alle Zonen aktiviert werden: dies sollte Ihre Symptome reproduzieren, die häufig von der Region, die gedrückt wird, entfernt sind.
Referenzbuch Triggerpunktbehandlung: Hilfe und Selbsthilfe
16
Abbildung 1.3: Die Schmerzübertragungsmuster des
M. sternocleidomastoideuss.
Was ist das autonome Nervensystem (ANS)?
Unser ANS kontrolliert unsere vegetativen Funktionen wie Schwitzen, Verdauen und Atmen. Triggerpunkte können zahlreiche verwirrende Symptome des ANS hervorrufen oder zu deren Erhalt beitragen wie Schwitzen, Erblassen der Haut, Kältegefühl, Gänsehaut, Rötung, exzessives Schwitzen, Benommenheit, Dysmenorrhöe, Probleme beim Toilettengang, Ohrenschmerzen, Steifheit und Schwierigkeiten beim Atmen.
Selbstbehandlung
Es wirkt bereits therapeutisch, wenn Sie verstehen, was Triggerpunkte sind und wie diese zur Ursache Ihrer Schmerzen werden können. Sind Ihre Schmerzen im therapeutischen Kontext reproduzierbar, verschafft Ihnen dies ein wirksames Mittel zur Selbsthilfe. Mir ist es wichtig, meine Patienten zu befähigen, selbst zu Ihrer Besserung beitragen zu können und zu erkennen, dass »Wissen Macht ist«. Bitte beschäftigen Sie sich mit dem Behandlungsprozess und informieren Sie sich, bevor Sie beginnen.
Selbstbehandlung wird Ihnen helfen, zu Hause und ohne einen Therapeuten Ihre Schmerzen selbst zu verstehen, damit umzugehen und sie zu kontrollieren. Wenn Sie sich einmal daran gewöhnt haben, mit Triggerpunkten zu arbeiten, werden Sie sogar feststellen, dass Ihre Freunde, Verwandten und Nachbarn eine Behandlung wünschen. Wer weiß, vielleicht werden Sie ja selbst einmal Therapeut!
In diesem Buch habe ich die wirksamsten Selbsthilfe- und Dehntechniken dargestellt, die sich in meinen vielen Jahren als Therapeut bewährt haben.
Welche Ausrüstung brauche ich?
Sie sollten ein Bett (oder eine Couch) benützen, manchmal reicht auch ein Tisch mit einer weichen Auflage aus. Sie brauchen etwas Creme oder Lotion für die Streichmassagetechniken sowie wohl einige Druck-»Hilfsmittel«, um Ihre Finger und Hände zu schonen.
Woher weiß ich, dass dies ein Triggerpunkt ist?
Achten Sie auf die folgenden Punkte:
•Steifheit im betroffenen Muskel (Gastmuskel)
•
Schmerzempfindlicher Punkt (starker Schmerz)
•Tastbarer fester Knoten oder Hartspannstrang
•Anwesenheit von übertragenem Schmerz
•Die (genaue) Reproduktion der Symptome
•Mögliche Verminderung der Hautelastizität in
der Region des Triggerpunktes
Der betroffene Bereich kann feuchter oder wärmer (oder auch kälter) sein als das umgebende Gewebe und sich ähnlich wie Schleifpapier anfühlen.
Mit welchen Bereichen der Hände sollte ich die Trigger-
punkte tasten? (siehe Abbildung 4.1 in Kapitel 4)
•Fingerbeere bzw. Fingerkuppe
•Flache Finger
•Pinzettengriff: Greifen Sie den Muskelbauch
zwischen dem Daumen und den anderen Fingern
und rollen Sie die Muskelfasern vor und zurück.
•
Palpation mit der flachen Hand: Nutzbar in der
Bauchregion (Viszera)
•Ellenbogen: Erlaubt einen stärkeren und kür-
zeren Hebel, was ein Vorteil sein kann.
Wie drücke ich einen Triggerpunkt bei mir selbst?
Es gibt zwei sehr einfache, sichere und effektive Techniken: (1) die ischämische Kompressionstechnik und (2) die tiefe Streichmassage.
Wieviel Druck wende ich auf?
Als Faustregel gilt: Je schmerzhafter das Gewebe, umso langsamer und tiefer der Druck. In allen Fällen sind die Schlüsselwörter »langsam arbeiten«, »sensibel«,»gründlich«. Die tiefe Streichmassage sollte sich etwa so anfühlen, als ob man vorsichtig Zahnpasta aus der Tube drückt.
Weitere Faktoren, die den erforderlichen Kraftaufwand bestimmen, um eine Veränderung zu bewirken, sind der Muskeltyp (phasischer Muskelfasertyp I/tonischer Muskelfasertyp II) und Ihr Körperbau. Dies wird sich auf die Tiefe der Behandlung auswirken. Wenn Sie untersetzt sind, werden Sie ziemlich kraftvoll arbeiten müssen, besonders an der posturalen Muskulatur. Wenn Sie schlank sind, brauchen Sie nicht soviel Kraft, um eine Veränderung im Gewebe zu bewirken (siehe Kapitel 2).
Sich selbst heilen mit Selbsthilfetechniken
17
In welche Richtung sollte der Druck ausgeübt werden?
Es ist wünschenswert, einen stetigen tiefen direkten Druck auf den Knoten oder erbsenähnlichen Triggerpunkt auszuüben. Ich habe versucht, dies durch die Vorstellung einer heißen Zone darzustellen.
Das Herz des Triggerpunktes befindet sich irgendwo in dieser Zone. Sie müssen die Richtung des Drucks finden, die womöglich exakt die Schmerzen reproduziert. Es verblüfft mich häufig, dass bereits eine leichte Veränderung in der Richtung des Drucks an anderer Stelle einen völlig anderen Schmerz verursachen kann. Sie werden es merken, wenn Sie »dort« sind.
Abbildung 1.4: Heiße Zonen
Woher weiß ich, wann ich genug Druck ausgeübt habe?
Drücken Sie den Triggerpunkt 6 Sekunden lang:
•Wenn die Schmerzen schnell verschwinden, hal-
ten Sie den Druck weiter, bis der Triggerpunkt
weich wird oder sich unter Ihrem Druck löst.
•Bleiben die Schmerzen gleich oder werden sie
schlimmer, pausieren Sie 15 Sekunden lang und
versuchen es anschließend erneut.
•Falls nötig dreimal wiederholen.
•Wenn sich der Triggerpunkt nach dem dritten
Mal immer noch nicht deaktivieren lässt, notie-
ren Sie das – es könnte sich um einen sekundä-
ren oder Satellitenpunkt handeln.
Was mache ich, nachdem ich den Druck auf einen Punkt
beendet habe?
Lassen Sie jeder tiefen Gewebearbeit eine sanfte generalisierte Effleurage-Massage folgen. Die Region, in der Sie einen tiefen Druck ausgeübt haben, kann noch empfindlich sein, aber vermeiden Sie diese Region nicht. So helfen Sie, die schmerzinduzierenden Toxine aus der Region zu beseitigen und die Reparatur der Faszie zu stimulieren.
Sind Triggerpunkte und übertragene Schmerzmuster
bei allen gleich?
Grundsätzlich ja, aber sie können sich je nach Größe, Figur, Gewicht etc. verschieben. Diese Faktoren beeinflussen auch die verschiedenen Faszienebenen und damit die Lokalisation der Triggerpunkte. Ähnlich kann ein Narbengewebe oder ein Keloid eine Veränderung im myofaszialen Belastungsmuster und damit auch in der Lokalisation des Triggerpunktes verursachen.
Wie sieht es mit der Ausrichtung der Muskelfasern aus?
Je nach ihrer Lokalisation im Körper und nach ihrer Aufgabe sind Muskelfasern in verschiedenartigen
Strukturen angeordnet (siehe Abbildung 2.4 in Kapitel 2). Das erlaubt den Muskeln, entweder mehr Kraft oder eine spezifischere Kraft zu erzeugen. Entsprechend der Anordnung der Muskelfasern im jeweiligen Muskel wird ein zentraler Triggerpunkt anders lokalisiert werden. In der Faseranordnung des vielseitig gefiederten Muskels (M. multipennatus) können mehrere Triggerpunkte in der Mitte jeder funktionalen Komponente existieren.
Welche Cremes oder Lotionen kann ich verwenden?
Meist ist es besser, auf Öle zu verzichten, da Sie sonst von den Druckpunkten wegrutschen können, wenn Sie sie einmal gefunden haben. Ich verwende die einfache blaue Nivea-Creme. Alternativen sind Arnikacreme oder eine einfache wasserlösliche Creme, die mit Vitamin E-Öl gemischt ist (einen Holzlöffel dafür verwenden).
Vaseline, Talkumpulver oder Massageöl können ebenfalls benützt werden, wenn Sie eine Allergie gegen Lanolin haben.
Wie häufig soll behandelt werden?
Nach meiner Erfahrung sollten diese manuellen Selbstbehandlungen vorsichtig durchgeführt werden und nicht öfter als einmal am Tag, vorzugsweise im Abstand von drei bis vier Tagen. Bälle, Rollen oder Haken können bis zu 10 Minuten pro Sitzung benützt werden und bis zu sechsmal pro Tag.
Hilfsmittel
Während Finger, Ellenbogen und Daumen die bequemsten Instrumente für die Behandlung bleiben, wurde eine Reihe von Selbsthilfewerkzeugen entwickelt, um Triggerpunkte zu behandeln. Dazu gehören:
•Bälle
•Stöcke
•Knäufe
•TOLA-System
•Rollen (Schaumstoff)
Jedes dieser Hilfsmittel hat einen anderen Behandlungseffekt. Im Allgemeinen sind sie dafür gedacht, entweder Druck auf einen spezifischen Triggerpunkt auszuüben oder die Muskeln nach der Behandlung zu dehnen. Hilfsmittel wie Bälle und Knäufe können Sie anstelle Ihrer Hände und Ellenbogen verwenden, um den Druck zu erhöhen und die Belastung für Ihre Finger zu reduzieren. Andere Hilfsmittel wie das TOLA-System erlauben Ihnen, auch schwer erreichbare Punkte zu behandeln.
Die Hilfsmittel können im Stehen, Sitzen, Liegen oder in der Seitlage benutzt werden. Ein aktiver Triggerpunkt wird schnell überstimuliert, daher sollte der Druck vorsichtig und sanft angewendet werden, bis er »genau richtig« ist. Sie sollten den Punkt so lange drücken, bis er weich wird oder der Schmerz nachlässt. Es ist in Ordnung, Druckwerkzeuge bis zu sechsmal am Tag zu verwenden, je nach der Chronizität des Problems.