Leben mit Trump
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1. Auflage
© 2017 Ecowin Verlag bei Benevento Publishing, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
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Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Printed in Austria
ISBN 978-3-7110-0127-6
eISBN 978-3-7110-5195-0
Vorwort
Eine Idee verpufft
Wer nicht mit uns ist
Ein Schwarzer im Weißen Haus
Mit Putin reden
Das Ende der Welt
Ein Freund von Putin
Vier Generäle im Team
Ein Milliarden-Kabinett
Ein Handstreich in Israel
Am Beispiel Ukraine
Europa ist die Lösung
Gauck ging nicht hin
Gemeinsam gegen den IS
Der Raketenschild
Das Problem China
Die Einzigartigkeit der USA
In meiner journalistischen Arbeit gab es über viele Jahre hinweg immer einen Fixpunkt, der unverrückbar wiederkehrte: die Präsidentschaftswahlen in den USA, immer ein Höhepunkt zum Miterleben, Kommentieren und, wie ich meine, immer eine Weichenstellung in der Weltpolitik. Jeder Kandidat, der dann gewählt und Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde, hatte seine besonderen Eigenheiten und brachte diese ein in seine Art zu regieren.
John F. Kennedy (1961–1963) war ein mitreißender Redner, der es verstand, die Menschen zu begeistern und mitzunehmen auf seinem Weg zur Neugestaltung Amerikas, ja der Welt. Sein gewaltsamer Tod hat, so glaube ich, einen Großteil der Menschheit zutiefst erschüttert und bewegt. Viele hatten das Gefühl, einen persönlichen Verlust erlitten zu haben – jemanden verloren zu haben, von dem sie meinten, sie hätten ihn gut gekannt, hätten ihm vertraut und er hätte ihr Vertrauen gerechtfertigt.
Richard Nixon (1969–1974) ist der bisher einzige amerikanische Präsident, der von seinem Amt zurückgetreten ist. Ihm haben wenige nachgetrauert. Es brauchte auch geraume Zeit, ehe die Welt und die USA sich ein halbwegs gerechtes Bild von diesem Präsidenten gemacht hatten. Jahrelang hatte er sich angestrengt, den von seinen Vorgängern begonnenen Krieg in Vietnam ohne größeren Schaden für die USA zu beenden. Er war der erste amerikanische Präsident, der es wagte, mit dem kommunistisch gewordenen China Beziehungen aufzunehmen und sich zu diesem Zweck sozusagen in die Höhle des Löwen zu begeben, zum Vater der chinesischen Revolution Mao Zedong. Und einer, der sich persönlich einsetzte, um die europäischen Verbündeten der USA des Schutzes und der Bündnistreue Amerikas zu versichern. Er verspielte seinen Ruf und sein Amt durch eine sehr dumme Entscheidung: Er ließ in der Parteizentrale seiner politischen Gegner, der Demokraten, einbrechen, um zu erfahren, was sie im Wahlkampf gegen ihn geplant hatten. Und er leugnete diese Entscheidung, als sie aufflog.
Ich begleitete Nixon auf seiner großen Europareise. Getroffen habe ich ihn zum ersten Mal, als er noch Vizepräsident unter Präsident Eisenhower war und 1957 nach Wien kam, um einen Teil der ungarischen Flüchtlinge aus Österreich in die USA zu holen. Aber ich hatte oft das Empfinden, Nixon wäre ein ängstlicher Mensch. Einer, der stets um Vertrauen warb, aber nicht glauben konnte, wenn man ihm Vertrauen entgegenbrachte.
Ich begegnete Nixon mehrmals in den USA, in Europa, auch in Österreich. Es war die Zeit der großen Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, für dessen Nicht-Beendigung Nixon jahrelang verantwortlich gemacht wurde. Auf dem Weg von Washington zu einem Treffen mit der Sowjet-Führung in Moskau machte Nixon Halt in Salzburg, um den Jetlag zu überwinden. Kreisky hatte ihn dazu eingeladen, aber eine Stunde lang konnte Nixons Flugzeug in Salzburg nicht landen, weil der Flugplatz von Demonstranten besetzt war. Ich berichtete von dort für den ORF und konnte nicht glauben, dass Polizei und Gendarmerie nicht in der Lage waren, den Flugplatz zu räumen. Zu den Demonstranten damals zählten auch der Zukunftsforscher Robert Jungk und der Sohn des Bundeskanzlers, Peter Kreisky. Jungk wehrte sich so hartnäckig gegen die Polizei, dass er nur mit einem Schlagstock vertrieben werden konnte, was er sehr wirksam vor der Fernsehkamera berichtete. Nixon übernachtete in Schloss Kleßheim, sein Sicherheitsberater Henry Kissinger im Hotel in Salzburg. Nach dem Frühstück stand ich mit Kissinger am Fenster des Hotels. Wir sahen hinunter auf die Straße, auf der junge Demonstranten ganz heftig gegen Nixon protestierten. Trocken meinte Kissinger: »Wie bei uns zu Hause.«
Kissinger wurde damals vorgeworfen, die Hauptschuld daran zu tragen, dass Nixon die Bombardierung Kambodschas, des an und für sich neutralen Nachbarlandes Vietnams, angeordnet hatte. Ein Vorwurf, der auch heute noch erhoben wird. Dazu sagte Kissinger damals: »Kambodscha war im Krieg, Tausende Nordvietnamesen drangen über Kambodscha in Südvietnam ein, täglich verloren wir an die 500 amerikanische Soldaten durch sie. Wir mussten diesen Durchmarschweg zerstören.«
Nixons nicht gewählter, sondern vom Kongress eingesetzter Nachfolger Gerald Ford (1974–1977) stellte sich später auch in einem Wahlkampf, es war der ruhigste und angenehmste, den ich erlebte. Ford hatte sich entschlossen, auf einem alten Raddampfer den Mississippi hinunterzufahren, bei jeder größeren Ortschaft am Fluss ließ er anhalten und hielt eine Wahlrede an die herbeigeeilten Farmer und Baumwollpflücker, und bei jedem Halt standen hübsche, bunt gekleidete Mädchen Spalier: Southern Belles wurden sie genannt. Einer der mitreisenden Senatoren erlitt einen Herzanfall. Und da zeigte sich, was es heißt, mit dem Präsidenten unterwegs zu sein: Innerhalb von zwei Minuten landete ein uns begleitender Helikopter und brachte den Senator ins nächste Krankenhaus.
Gerald Ford scheiterte bei dieser Wahl, sein Nachfolger wurde Jimmy Carter (1977–1981), ein bis dahin völlig unbekannter Erdnussfarmer. Das war seine Stärke: Ich war dabei, als Carter in kleinen Ortschaften von Haus zu Haus ging, anklopfte und dann sagte: »Ich bin Jimmy Carter und will Präsident der USA werden.« Nirgendwo gelang es seiner Demokratischen Partei, für ihn ein größeres Publikum auf die Straße zu bringen. So wurde vom Wahlkampf-Hauptquartier aus in der als nächstes anzufliegenden Stadt die örtliche Parteibehörde beauftragt: Stellt zwei Wände auf mit Wahlplakaten, versammelt einige jubelnde Menschen davor und sorgt dafür, dass die Kameras nur diesen Blickwinkel filmen.
Einer der interessantesten Wahlkämpfer, den ich erlebte, war der damals international etwas belächelte Ronald Reagan (1981–1989), weltbekannt als Schauspieler in Dutzenden Hollywoodfilmen. Man konnte sich ihn als Präsident der USA kaum vorstellen. Während des Wahlkampfs gewährte er mir ein einstündiges Gespräch, zu dem er mich einfach mitnahm in seinen Wahlkampfbus. Und ich staunte. Er kannte die Weltlage ganz genau, er wusste, was da auf ihn zukam, und im Laufe des Gesprächs sagte er einen Satz, an den ich mich später immer wieder erinnern musste: »Ich werde die Russen nie wissen lassen, was ich im Schilde führe, ich werde ihnen nie Vorschläge machen. Die müssen zu mir kommen, und sie werden die Vorschläge machen. Glauben Sie mir, die halten das nicht aus.« Und sie hielten es nicht aus.
Reagan besuchte Westberlin, stand beim Brandenburger Tor vor der unter Ulbricht errichteten Mauer und mit lautstarker Stimme rief er hinüber: »Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!« Und es war dann schließlich Gorbatschow, unter dem diese Mauer weggerissen wurde. Lange davor hatte es ein Treffen zwischen Reagan und Gorbatschow in Reykjavík auf Island gegeben. Eine Nacht, die für beide unvergessen blieb. In dieser einigten sie sich nämlich darauf, fast sämtliche Atomwaffen auf beiden Seiten abzubauen. Es war das weitestgehende Abrüstungsversprechen, das es jemals gab. Stolz kamen beide nach Hause, und beide erlebten daheim ihre größte Niederlage: Ihre Parteien, ihre Abgeordneten und Senatoren, ihre Berater, sie alle hielten diese Übereinkunft für eine Katastrophe. Wie Kissinger es mir gegenüber einmal formulierte: »Keine Nation, die etwas auf sich hält, wird auf ihre Atomwaffen verzichten.«
Lange Zeit wusste man nicht, dass Reagan und Gorbatschow sich derart weit vorgewagt hatten. Als die Sowjetunion zusammenbrach, dachte ich mir, jetzt sollten die USA dem noch im Amt befindlichen Präsidenten Gorbatschow das Angebot machen, die am Boden liegende Sowjetunion mit einem eigenen Marshallplan zu bedenken, im Austausch für eine totale Atomabrüstung. Ich erzählte das dem früheren ORF-Generalintendanten Gerd Bacher. Kurz davor war er noch als Berater beim deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl tätig gewesen. Bacher berichtete Kohl von dieser Idee, und Kohl stand gerade vor einer Reise in die USA zum Präsidenten George Bush (1989–1993). Er sollte Bush die Idee vortragen. Aber er kam nicht dazu. Kurz danach reiste Österreichs Bundeskanzler Franz Vranitzky zu George Bush. Auch er nahm die Idee mit, und er trug sie vor, erhielt aber eine erstaunliche Antwort: »Genau das tun wir ja schon.« Was der Präsident wirklich damit meinte, war etwas ganz anderes: Die USA hatten sich bereit erklärt, Russland alle Kosten zu ersetzen, die bei der Abrüstung und Zerstörung deaktivierter Atomraketen und Atom-U-Boote anfallen. Das wurde in der Tat auch so umgesetzt, aber von einem Marshallplan konnte da nicht die Rede sein.