Alois Prinz, geboren 1958, wuchs in einem kleinen niederbayerischen Ort als eines von sieben Kindern auf. Er studierte Literaturwissenschaft, Politologie und Philosophie. Prinz, der selbst Vater eines Sohnes (und einer Tochter) ist, lebt mit seiner Familie als freier Autor in der Nähe von München. Bei Beltz & Gelberg veröffentlichte er zuvor unter anderem bereits Biografien über Hannah Arendt (Evangelischer Buchpreis), Hermann Hesse, Ulrike Meinhof (Deutscher Jugendliteraturpreis), Franz Kafka, den Apostel Paulus und Joseph Goebbels.
Meinem Vater (1925–2008)
How can I try to explain, / when I do, he turns away again«, so klagt ein Sohn über den Vater in einem Song von Cat Stevens mit dem Titel Father & Son, den ich als Jugendlicher auswendig konnte und zu dem ich mir mühsam die Gitarrengriffe beigebracht hatte. Ich wusste, was Cat Stevens meinte, oder ich glaubte es zumindest zu wissen. Meine Welt und die Welt meines Vaters lagen sehr weit auseinander, was nicht bedeutete, dass wir einander egal waren. Wir bemühten uns, aber es gelang uns einfach nicht, zu einer gemeinsamen Sprache, einem gegenseitigen Verstehen zu finden.
Söhne und Väter, so musste ich lernen, können sich nicht einfach voneinander lossagen. Sie bleiben miteinander verbunden, auch wenn sie sich in vieler Hinsicht fremd sind. In seinem Sohn sieht ein Vater die, wie Thomas Mann es ausgedrückt hat, »Fortsetzung« seiner selbst und er hegt entsprechende Erwartungen. Und für einen Sohn bleibt der Vater derjenige, dessen Anerkennung er sucht und braucht und den er zugleich bekämpfen muss, um seine eigene Persönlichkeit zu entfalten.
»Now there’s a way and I know / That I have to go away«, sagt der Sohn in Cat Stevens’ Song. Ich wusste als Jugendlicher auch, dass ich einen eigenen Weg gehen musste. Aber ich wusste nicht, dass mein Vater mich immer begleiten würde. Seine Erwartungen an mich, meine Sehnsucht nach Eigenständigkeit und mein gleichzeitiger Wunsch nach väterlicher Anerkennung waren untrennbar miteinander verbunden und blieben die Quelle von Hoffnungen, Enttäuschungen und Missverständnissen.
Das vorliegende Buch ist keine soziologische oder psychologische Abhandlung. Ich will die Lebensgeschichten von mehr oder weniger berühmten Söhnen und Vätern erzählen. Ich habe sie ausgewählt, weil sie oft auf sehr drastische Weise die Höhen und Tiefen der Gefühle zwischen Söhnen und Vätern deutlich machen. Ich folge damit auch der Erfahrung, dass sich gerade im Extremen das Beispielhafte zeigt.
Beispielhaft sollen diese Biografien auch sein, weil sie die zentralen Fragen des Sohn-Vater-Verhältnisses aufwerfen: Was können Söhne von ihren Vätern erwarten und was nicht? Müssen Söhne dankbar sein? Ist der Aufstand der Söhne gegen die Väter wirklich unvermeidbar? Endet dieser Kampf mit Verletzungen oder kann er auch produktiv sein?
Eine Einsicht hat sich mir beim Schreiben immer wieder bestätigt: Die Beziehung von Sohn und Vater ist und bleibt zwiespältig. Selbst in den schwierigen, ja sogar hasserfüllten Beziehungen gibt es immer auch versöhnliche und liebevolle Züge. Achtung und Ablehnung, Hass und Liebe liegen bei diesem Thema sehr nah beieinander.
A. P.