Das Huhn beim Papst
99 Hosentaschenromane
Band I
Mondschein Corona – Verlag
Bei uns fühlen sich alle Genres zu Hause.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
1. Auflage
Erstauflage Februar 2017
© 2017 für die Ausgabe Mondschein Corona
Verlag, Plochingen
Alle Rechte vorbehalten
Autor: Doris Bewernitz
Lektorat/Korrektorat: Edwin Sametz
Grafikdesigner: Toby & Patty
Buchgestaltung: Michael Kruschina
Umschlaggestaltung: Finisia Moschiano
ISBN: 978-3-96068-084-0
© Die Rechte des Textes liegen beim
Autor und Verlag
Mondschein Corona Verlag
Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR
Teckstraße 26
73207 Plochingen
www.mondschein-corona.de
Liebe, Tod und Teufel
Der Irrtum
Ein ordentlicher Mann
Nachbereitungen
Als die Liebe meinen Weg kreuzte
Zu viel
Zurückbleiben bitte
Des Königs Wille
Verschwundene Welt
Die beiden Alten
Kind, Frau, Hund - Ein Alltag
Muse um eins
Kritische Bemerkung zur Kiezpolizei
Hänsel und Gretel heute
Das schwere Wort mit „O“
Das Kind, das nie mehr allein sein darf
Kontaktaufnahme
Wenn der Kellner kommt
Acht Männer am Tisch
Fliege in Gorgonzola
Hunger
Sechseinhalb
Berichtigung
Halt mich fest
Straßenbahnaufschriften oder Kleine Einführung in das Berliner Tram-Wesen
Muse um zwei
Befreiung
Isabell
In morte vita
Die dem Tod gehören
Die Überraschung
Die Leerstelle
Die Angst im Pflegeheim
Fluch des Alters
Für immer
Das Mädchen und die Katze
Himmel und Hölle
Kopfüber
Verteidigung
Eine wahre Begebenheit
Kreuz Bube
Alles gehabt
Die Maus
Fische im Garten
Der Augenblick
Heiß auf dich
Funkenflug
Der Schrei
Der Test
Hin und weg
Bedingungen
Gefangen
Dämonen
Versuchsreihe
Gute Frage
Loch und Federn
Als Frau Merkel U-Bahn fuhr
Landesrache
Das Wunder
Schleichende Verwandlung
Ein Husch
Morgenspaziergang
Gespräch zu Tisch
Heutige Morde
Notwehr
8. März 1964
Marie
Leas Löffel
Das Trotzdemkind
Goldgrund
Muse um drei
Die Ampel
Gute Nachricht
Die Zeitung
Kontrastprogramm
Folgenreiche Begegnung
Die vergessene Frau
Der Grund
Kurze Hoffnung
Post
Gottes erste Wurst
Die Funktion der Schlange
Das Huhn beim Papst
Der Mann und die Wahrheit
Das Herz
Wie man stirbt
Die Ameise
Gott und der Tod
Gemütlichkeit
Beim Augenarzt
Ideale
Der langsame Prinz
Die Rache des Hühnergottes
Das Nest
Die Trennung
Muse um vier
Das harte Gefühl
Der Mann redet
Worten
Dank
Liebe, Tod und Teufel machten einen Sonntagsausflug in ihrer alten Ente. Sie wollten zur Brandenburger Landpartie, schwatzten, machten Scherze und waren gut gelaunt. Plötzlich ging es nicht weiter. Die Straße war verstopft. Ursache war eine Nazi-Demonstration.
Der Teufel rieb sich die Hände. „Endlich passiert mal was“, sagte er. „Wollen wir ein bisschen hierbleiben und zugucken, wie sie sich die Köpfe einschlagen?“
„Ach ne“, entgegnete der Tod, „das interessiert mich wirklich nicht, das sehe ich jeden Tag tausendfach.“
Die Liebe aber konnte es nicht ertragen, den Hass in den Gesichtern der Menschen zu sehen. Sie stieg aus, um ihnen klarzumachen, dass sie auf dem falschen Weg seien.
Bereits nach drei Schritten wurde sie erschlagen.
So mussten Tod und Teufel die Reise leider allein fortsetzen.
Am 2. Februar letzten Jahres erklärte das Amtsgericht Herrn Helmut Gramkow, 66, versehentlich für tot. Es handelte sich um einen Computerfehler.
Nun könnte man meinen, solch ein Irrtum sei schnell aufgeklärt. Der Mann bräuchte ja nur zum Gericht zu gehen, sich dort gut sichtbar hinzustellen, zu sagen, dass er lebendig sei und die Sache wäre klar. Das hat er auch mehrmals versucht. Aber was er auch anstellte, er wurde nicht in das entsprechende Büro vorgelassen. Denn jedes Mal musste er beim Pförtner seinen Ausweis vorlegen, dieser sah in einer Liste nach und teilte ihm mit, der Ausweis sei ungültig, da sein Inhaber verstorben wäre.
Mittlerweile hat Herr Gramkow es aufgegeben und hält es nun für einen Irrtum, dass er noch lebt..
Ein Mann, 60, perfekte Bürstenfrisur, verlässt an einem kalten Januarabend als Letzter das Büro. Seine Kollegen sind längst fort, die Straßenlaternen bereits eingeschaltet. Er steht an der Tür, schaut noch einmal zurück, sein Blick schweift über die Schreibtische, die Ablagestapel, die sortierten Stifte, die Arbeit für morgen. Er kontrolliert, ob das Fenster geschlossen ist, die Kaffeemaschine ausgeschaltet, das Licht gelöscht. Dann geht er.
Die Fassade des Bürogebäudes spiegelt seine Silhouette auf dem Weg zum Parkplatz. Er öffnet die Tür seines Wagens. Vor der Schranke schiebt er seinen Chip in den Automaten. Auf der Stadtautobahn kommt er gut vorwärts. Vor dem Haus hat er einen eigenen Parkplatz. Er öffnet die Haustür. Hängt seinen Wollmantel an die Garderobe, schält sich aus dem Jackett, aus der Weste, geht ins Schlafzimmer, knöpft das Hemd auf, streift es ab, dann die Hose, die wollene Zwischenwäsche, den Nierenschoner, die Unterwäsche aus gekämmter Baumwolle, die Haut, das Fleisch. Und legt die Knochen ordentlich in die Nachttischschublade.
„Ordnung muss sein“, sagte die Frau, wusch ihre Teetasse ab und räumte sie in den Schrank, ließ seine auf dem Tisch stehen, wischte ihre Fingerabdrücke von den beiden Tablettenröhrchen, drückte diese ihrem Mann in die Hand, legte sie danach gut sichtbar neben seine Tasse, schrieb in der Handschrift ihres Mannes einen rührenden Abschiedsbrief, in dem er sie seiner Liebe auf ewig versicherte, legte diesen ebenfalls auf den Tisch, holte das Testament vom Vortag aus seinem Schreibtisch, ging kurz zum Fluss, verbrannte das Testament, warf die Asche ins Wasser, schlenderte über den Boulevard, bis sie eine Freundin traf, lud sie zum Kaffee ein, ging wieder in ihre Wohnung, warf einen letzten Blick auf ihren am Boden liegenden Mann und wählte die Nummer der Polizei.
„Hallo Liebe“, begrüßte ich sie, als sie mir entgegenkam, „schön, dich zu sehen!“
„Hm“, sagte sie.
„Wohin des Weges?“, erkundigte ich mich.
„Ach“, gab sie zurück, „mal hierhin, mal dorthin.“
„Du hast gar kein Ziel?“, fragte ich erstaunt.
Sie schüttelte den Kopf.
Ich sah meine Chance gekommen. „Hast du nicht Lust, bei mir einzukehren?“
„Bei dir?“
„Ja!“, bat ich. „Das wäre schön!“
Mit dem rechten Fuß kickte sie einen Stein zur Seite und sah mich gelangweilt an.
„Ach nö“, sagte sie und ging einfach weiter.
Ich muss sagen, dass ich mir die Liebe immer ganz anders vorgestellt hatte.
Eine Frau suchte etwas, in das sie ihre überschüssige Liebe hineinfüllen konnte. Da traf sie einen Mann. Sofort begann sie, ihre Liebe in sein Herz zu füllen. Schon nach wenigen Minuten war das Herz des Mannes voll, aber sie füllte ihre Liebe immer weiter hinein. Die Liebe strömte aus dem Herzen des Mannes heraus und lief über, wie der süße Brei über den Topf, kleckerte ihm im Körper herum, verklebte ihm Augen, Nase, Mund und Ohren und begrub schließlich den ganzen Mann unter sich, bis nichts mehr von ihm zu sehen war.
Da wunderte sich die Frau, dass der Mann plötzlich weg war.
Sie suchte noch eine Weile nach ihm, konnte ihn aber nicht mehr finden, worauf sie enttäuscht, aber doch auch um einige Zentner Liebe erleichtert, ihren Weg fortsetzte.
Er hatte nicht angerufen. Irgendwann einmal hatte er gesagt, dass er verreisen wird und versuchen würde, sie von dort anzurufen. Aber es könnte schwierig werden. Sie versuchte sich zu erinnern, wann er das gesagt hatte. Gestern? Vor vier Wochen? Vor zehn Jahren? Es schien schwierig geworden zu sein. Vielleicht war er ja in der Wüste oder in der Arktis oder irgendwo in den Wolken, wo es kein Handynetz gab. Sie konnte sich noch vage an den Klang seiner Stimme erinnern. Sie hatte mit Drachen zu tun. Aus allen Ecken kamen sie und trachteten ihr nach dem Leben. Sie war keine Prinzessin. Sie erwartete nicht, dass er käme und die Drachen tötete. Aber ein bisschen Stimme von ihm wäre gar nicht schlecht gewesen.
König und Königin hatten einen Sohn und eine Tochter, und der König führte Krieg gegen das Nachbarland. Es gab viele Tote. Da sagte der Sohn des Königs eines Tages zu seiner Schwester:
„Ich möchte unserem Vater vorschlagen, dass er Frieden machen soll, es ist genug Blut geflossen.“