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Ein Kampf um Gerechtigkeit und Macht im Alten Ägypten
Das Alte Ägypten, Land der Pharaonen. Ein Königreich auf Gold gebaut, durch Habgier zerstört. Krieg herrscht jetzt im Tal der Könige, aber ein Mann träumt davon, das alte Königreich wieder in seinem alten Glanz aufleben zu lassen.
Seit dem Tod seiner geliebten Königin Lostris hält sich der einstmalige Sklave Taita seit Jahren in den unwirtlichen weiten Wüsten Nordafrikas versteckt. Er widmet seine Zeit dem Gebet und dem Studium des Okkulten. Taita ist ein Magier geworden, bewandert in den Legenden der alten Götter und in der Magie und des Übernatürlichen fähig.
Taita folgt dem Ruf der Götter, er verlässt die Einsamkeit der Wüste und mischt sich wieder unter die Menschen. Ein grässlicher Kampf gegen das Böse erwartet ihn hier. Der Thron, ganz Ägypten und das Leben des jungen Prinzen Nefer, Königin Lostris’ Enkel, stehen auf dem Spiel.
*
‘Eine abenteuerliche Geschichte, voller Triumphwagenkämpfe, Smith hat hier eine Wahnsinnsgeschichte gezaubert, kein Wunder, dass ihm niemand das Wasser reichen kann.’
Evening Standard
‘In Smiths Roman wird jedes Detail schillernd lebendig. Die Geschichte reißt einen in rasendem Tempo mit, man kann fast die Hitze und den Staub spüren und schmecken. Die Söhne des Nils ist ein fantastischer Schmöker, er hält einen in seinem Bann, ein klassischer Abenteuerroman.’
Irish News
Für meine neue Liebe
MOKHINISO
Dschingis Khan und Omar Chaijam,
wieder geboren in einem Mond,
schimmernd
wie die vollkommene Perle
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Der Magier
Über Wilbur Smith
Von Wilbur Smith
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Der Zug der Streitwagen schlängelte sich wie eine graue Riesenschlange durch das enge Tal. Prinz Nefer Memnon hielt sich an der Kanzel des ersten Wagens fest und schaute an den senkrechten Felsen hinauf, zwischen denen sie hindurchfuhren, Wände wie steinerne Honigwaben: die Gräber des Alten Volkes. Die schwarzen Höhlenlöcher starrten auf ihn herab wie ein tausendäugiges Geisterheer. Der Knabe wandte sich schaudernd ab und machte verstohlen mit der linken Hand ein Zeichen gegen das Böse.
Als er sich umsah, sah er durch die Staubwolken, dass Taita ihn vom zweiten Wagen aus beobachtete. Der alte Mann und sein Gefährt waren über und über mit weißem Staub bedeckt. Ein einsamer Sonnenstrahl, der seinen Weg bis zur Talsohle fand, brachte die Staubkristalle zum Funkeln und ließ den Alten wie die Inkarnation eines Gottes strahlen. Taita musste Nefers abergläubische Geste bemerkt haben, und der Junge senkte beschämt den Kopf. Als Kronprinz des Hauses Tamose durfte er weder Furcht noch Schwäche zeigen, besonders jetzt nicht, an der Schwelle zur Manneswürde. Taita, sein Lehrer seit frühester Kindheit, kannte ihn wie niemand sonst und war ihm näher als seine Eltern und Geschwister. Taitas Miene war wie immer unergründlich. Nefer spürte, wie der Blick des alten Mannes in den Kern seines Seins drang. Taita sah alles und verstand alles.
Nefer schaute wieder nach vorn und reckte sich neben seinem Vater zu seiner vollen Höhe auf. Der Pharao ließ die Zügel locker und trieb die Pferde mit einem Knall der langen Peitsche zu noch größerer Eile an. Vor ihnen öffnete sich das Tal plötzlich in ein großes Amphitheater voller eingestürzter Mauern und Ruinen: die alte Stadt Gallala. Es war das erste Mal, dass Nefer dieses berühmte Schlachtfeld vor sich sah, und er war sehr aufgeregt. Taita hatte hier gekämpft, als junger Mann unter dem Halbgott Tanus Harrab, der hier die Kräfte der Finsternis vernichtend schlug, die Ägyptens Existenz bedrohten. Das war vor über sechzig Jahren gewesen, doch Taita hatte ihm die Schlacht in allen Einzelheiten geschildert, und seine Erzählung war so lebendig, dass Nefer das Gefühl hatte, er wäre selbst dabei gewesen an jenem schicksalhaften Tag.
Nefers Vater, der Gottpharao Tamose, lenkte den Streitwagen zu der eingestürzten Torruine und zügelte die Pferde, um das Gespann zum Stehen zu bringen. Die hundert Wagen hinter ihm führten einer nach dem anderen genau das gleiche Manöver durch, die Fahrer sprangen herab und machten sich sofort daran, die Pferde zu tränken. Als der Pharao den Mund öffnete, rieselte ihm Staub von den Wangen auf die Brust.
Er rief den Großen Löwen von Ägypten heran, den Fürsten Naja, seinen Feldmarschall und geliebten Freund. «Naja! Wir müssen wieder unterwegs sein, bevor die Sonne die Berggipfel berührt. Ich will über Nacht durch die Dünen nach El Gabar ziehen.»
Die blaue Kriegskrone auf Tamoses Haupt funkelte unter dem glitzernden Staub, der alles bedeckte. Nefer sah seinem Vater in die blutunterlaufenen, entzündeten Augen, als der ihm eröffnete: «Von hier an wirst du mit Taita weiterfahren.» Nefer öffnete den Mund, obwohl er wusste, dass jeder Protest sinnlos war. Die Schwadron war auf dem Weg in die Schlacht. Tamoses Plan war, im Bogen durch die Großen Dünen und zwischen den Bitteren Salzseen hindurch zu ziehen und dem Feind in den Rücken zu fallen. So wollte er eine Bresche schlagen, durch welche dann die ägyptischen Legionen, die am Nilufer vor Abnub standen, hereinströmen konnten. Tamose würde beide Streitkräfte zusammenführen und mit ihnen, bevor der Feind eine Gelegenheit zum Gegenangriff hätte, die Zitadelle von Avaris erobern.
Es war ein verwegener, brillanter Plan, der, falls erfolgreich, den Krieg mit den Hyksos, der seit zwei Generationen wütete, mit einem Schlag beenden würde. Nefer war beigebracht worden, dass der Grund seiner Existenz auf dieser Erde Schlachtruhm und Kriegsglorie war. Aber trotz seines fortgeschrittenen Alters von vierzehn Jahren hatte er bisher dafür keine Gelegenheit gehabt. Und wie sehnte er sich danach, an der Seite seines Vaters zu Sieg und Unsterblichkeit zu reiten.
Doch sein Vater fuhr ihm über den Mund, bevor er etwas sagen konnte: «Was ist die erste Pflicht des Kriegers?», fragte er den Jungen.
Nefer senkte den Blick und antwortete leise und zögernd: «Gehorsam, Majestät.»
«Vergiss das nie.» Sein Vater nickte ihm zu und wandte sich ab.
Nefer fühlte sich gedemütigt und zurückgewiesen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und seine Lippen zitterten, doch unter Taitas Blick riss er sich zusammen. Er wischte sich die Augen und trank einen Schluck aus dem Wasserbeutel, der an der Seite des Kampfwagens hing, bevor er seinen staubbedeckten Lockenkopf Taita zuwandte und befahl: «Zeig mir das Monument, Taita.»
Das seltsame Paar machte sich auf den Weg durch die mit Wagen, Pferden und Männern verstopften Straßen der Ruinenstadt. Zwanzig Krieger hatten in der Hitze ihre Kleider abgelegt, waren in die tiefen, uralten Brunnen hinabgestiegen und hatten eine Eimerkette gebildet, um das rare, bittere Nass an die Oberfläche zu fördern. Diese Brunnen waren einmal ergiebig genug gewesen, um eine reiche, bevölkerte Stadt an der Handelsstraße zwischen Nil und Rotem Meer mit Wasser zu versorgen. Vor Jahrhunderten hatte jedoch ein Erdbeben die Wasser führenden Gesteinsschichten zertrümmert und die unterirdischen Flüsse blockiert. Die Stadt Gallala war verdurstet. Jetzt gab es dort kaum genug Wasser, um zweihundert Pferde zu tränken und die Wassersäcke aufzufüllen.
Taita führte Nefer durch die engen Gassen und an Tempeln und Palästen vorbei, in denen jetzt nur noch Eidechsen und Skorpione hausten, bis sie zum verlassenen Hauptplatz der Stadt kamen. In dessen Mitte erhob sich das Monument zum Gedenken an Fürst Tanus und seinen Triumph über die Räuberarmeen, die beinahe zum Verderben der reichsten und mächtigsten Nation der Welt geworden wären. Das Denkmal war eine eigenartige Pyramide aus durch Mörtel verbundenen Totenköpfen, geschützt durch eine Halle aus roten Felsplatten. Tausend oder mehr dieser Schädel grinsten auf den Knaben herab, während er laut die Inschrift auf dem steinernen Portikus las: «Zum Gedenken an die Schlacht, in der wir unter dem Schwert des Tanus Harrab gefallen sind. Mögen alle kommenden Generationen in den Taten dieses mächtigen Fürsten den Ruhm der Götter und die Macht des Gerechten erkennen. So sei es nach Dekret des Gottpharaos Mamose, erlassen im vierzehnten Herrschaftsjahr.»
Taita ließ sich auf dem Boden im Schatten des Monuments nieder, während der Prinz es von allen Seiten und aus allen Blickwinkeln studierte. Taita beobachtete den Knaben mit unbewegter Miene, doch sein Blick war voller Wärme. Seine Liebe zu dem Jungen ging auf zwei andere Menschen zurück, die nicht mehr waren, vor allem auf Lostris, die einstige Königin von Ägypten. Taita war ein Eunuch, doch vor seiner Verstümmelung hatte er eine Frau geliebt. Seitdem war seine Liebe rein, und sie gehörte bis auf den letzten Rest seiner Königin Lostris, der Großmutter des Knaben Nefer. Seine Liebe war so allumfassend, dass sie noch jetzt, zwanzig Jahre nach Lostris’ Tod, der Mittelpunkt seines Daseins war.
Der andere Mensch, aus dem seine Liebe zu Nefer entsprang, war Tanus, Fürst Harrab, dem dieses Monument geweiht war. Tanus war ihm teurer gewesen als ein Bruder. Beide, Lostris und Tanus, waren nun nicht mehr, doch ihr Blut floss in den Adern Nefers, ihres Enkels. Aus ihrer heimlichen Vereinigung vor so langer Zeit war ein Sohn entsprungen, der zu einem Pharao herangewachsen war, Tamose, der Vater des Prinzen Nefer, der die Kampfschwadron führte, die sie hierher gebracht hatte.
«Taita, zeige mir, wo du den Anführer der Räuberarmeen gefangen genommen hast», rief Nefer mit krächzender Stimme, teils aus Aufregung, teils weil vor einigen Wochen der Stimmbruch eingesetzt hatte. «War es hier?» Er lief zu der eingestürzten Mauer auf der Südseite des Platzes. «Erzähle mir doch die Geschichte noch einmal.»
«Nein, es war hier, auf dieser Seite.» Taita stand auf und stakste auf seinen langen, dünnen Storchenbeinen auf die Ostmauer zu. Er blieb davor stehen und schaute zu ihrem zerbröckelnden Kamm hinauf. «Sein Name war Schufti, und er war so einäugig und hässlich wie der Gott Seth. Über diese Mauer hier versuchte er vom Schlachtfeld zu entkommen.» Taita bückte sich, hob ein Stück Lehmziegel auf und warf es mit verblüffend energischem Schwung über die hohe Mauer. «Ich traf ihn mit einem einzigen Wurf. Ich hörte seinen Schädel bersten, und er fiel vor meine Füße.»
Obwohl Nefer aus erster Hand wusste, wie stark und ausdauernd der alte Mann war, staunte er immer noch über diese berühmte Tat. Taita ist so alt wie die Berge, dachte er, älter als meine Großmutter wäre, die er gepflegt hat, so wie er mich pflegte, wenn ich einmal krank war. Man sagte, er hätte zweihundert Nilfluten erlebt, und nach anderen Gerüchten hatte er gar die Pyramiden mit seinen eigenen Händen erbaut. «Und dann hast du ihm den Kopf abgehackt und auf diesen Haufen geworfen?», fragte er Taita nun, indem er auf das grausame Denkmal zeigte.
«Du kennst die Geschichte. Ich habe sie dir schon hundert Mal erzählt.» Taita spielte den Bescheidenen, der nicht mit seinen Ruhmestaten prahlen wollte.
«Erzähl sie mir noch einmal!», forderte Nefer.
Taita setzte sich auf einen Felsblock, und Nefer ließ sich zu seinen Füßen nieder und hörte ihm andächtig zu, bis der Klang der Widderhörner, dessen versiegendes Echo von den schwarzen Felswänden widerhallte, sie zur Schwadron zurückrief. «Der Pharao ruft uns zu sich», sagte Taita, bevor er den Knaben durch das Stadttor hinausführte.
Vor der Stadtmauer herrschte große Geschäftigkeit. Die Schwadron machte sich für den Zug durch das Dünengebiet bereit. Die Wassersäcke waren prall gefüllt, und die Krieger zogen die Geschirre ihrer Zugpferde fest, bevor sie auf ihre Streitwagen stiegen.
Pharao Tamose sah Taita und Nefer über die Köpfe seiner Offiziere hinweg entgegen und winkte Taita zu sich. Gemeinsam entfernten sie sich aus der Hörweite der Soldaten. Als Fürst Naja sich ihnen anschließen wollte, flüsterte Taita dem Pharao etwas zu, worauf Naja von seinem König mit einem kurzen Befehl zu den anderen zurückgeschickt wurde. Der Fürst war sichtlich verletzt. Sein Gesicht rötete sich vor Zorn, und die Blicke, mit denen er Taita bedachte, waren wie Pfeilspitzen.
«Du hast Naja beleidigt. Eines Tages bin ich vielleicht nicht mehr da, um dich zu beschützen», warnte der Pharao.
«Wir dürfen niemandem trauen», erwiderte Taita ernst, «nicht bevor wir der Schlange des Verrats, welche die Säulen Eures Palastes umschlungen hält, den Kopf abgeschlagen haben. Bis Ihr von diesem Feldzug im Norden zurückkehrt, dürfen nur wir beide wissen, wohin ich den Prinzen bringen werde.»
«Aber wir reden schließlich von Naja!» Der Pharao schüttelte lachend den Kopf. Naja war für ihn wie ein Bruder. Sie hatten zusammen die Rote Straße der Krieger absolviert.
«Selbst Naja.» Mehr sagte Taita nicht. Sein Verdacht erhärtete sich immer mehr zur Gewissheit, doch er hatte noch nicht all die Beweise zusammen, die er brauchen würde, um den Pharao zu überzeugen.
«Weiß der Prinz, weshalb du dich mit ihm in die Einsamkeit der Wüste zurückziehst?», fragte der Pharao.
«Er weiß nur, dass wir sein Wissen um die Mysterien vertiefen und seinen Gottvogel fangen wollen.»
«Sehr gut, Taita», nickte der Pharao. «Du warst immer schon diskret, aber aufrichtig. Mehr gibt es nicht zu sagen, denn wir haben alles gesagt. Geh jetzt, und möge Horus seine Flügel über dich und Nefer ausbreiten.»
«Möge er auch Euch behüten, Majestät, denn der Feind ist nicht nur vor Euch, sondern auch hinter Euch.»
Der Pharao packte den Magus am Oberarm und drückte fest zu. Der Arm in seinem Griff war sehr dünn, doch so stark und hart wie ein trockener Akazienast. Nach einer Weile ließ er ihn los und ging zu Nefer hinüber, der schmollend neben dem königlichen Streitwagen stand, wie ein Hündchen, das man in seinen Zwinger zurückschickt.
«Göttliche Majestät, in dieser Schwadron gibt es Männer, die jünger sind als ich», begann der Prinz einen letzten, verzweifelten Versuch, seinen Vater zu überzeugen, dass sein Platz in der Schlacht und an seiner Seite war. Und im Grunde hatte der Knabe Recht, das wusste der Pharao. Meren, der Enkel des berühmten Generals Kratas, war drei Tage jünger als Nefer und ritt heute mit seinem Vater als Lanzenträger in einem der Wagen am Ende des Zuges. «Wann wirst du mir endlich erlauben, mit dir in die Schlacht zu reiten, Vater?»
«Vielleicht, nachdem du die Rote Straße absolviert hast. Danach werde nicht einmal ich dir einen Wunsch abschlagen können.»
Es war ein leeres Versprechen, das wussten sie beide. Die Rote Straße war eine mörderische Probe der Reit- und Waffenkunst, der sich nur wenige Krieger je unterzogen hatten. Es war eine Prüfung, die selbst einen starken, perfekt durchtrainierten Mann in den besten Jahren vollkommen erschöpfen oder gar umbringen konnte. Nefer war weit von dem Tag entfernt, wo er sich auf die Rote Straße wagen konnte.
Die Miene des Pharaos wurde sanfter, und er ergriff seinen Sohn beim Arm, die einzige Geste der Zuneigung, die er sich vor seinen Truppen erlaubte. «Und nun befehle ich dir, mit Taita in die Wüste zu gehen, um deinen Gottvogel zu fangen. So wirst du beweisen, dass das Blut eines Königs in deinen Adern fließt und du das Recht hast, eines Tages die Doppelkrone zu tragen.»
*
Nefer stand mit dem alten Mann vor den Trümmern der Stadtmauer von Gallala und sah zu, wie die Streitwagen vorbeifuhren, der Pharao an der Spitze, die Zügel um die Handgelenke gewickelt, aufrecht und mit nackter Brust, die blaue Kriegskrone auf dem Haupt: Groß und mächtig wie ein Gott.
Den nächsten Wagen fuhr Fürst Naja, fast ebenso hoch gewachsen, fast ebenso gut aussehend, mit stolzer, hochmütiger Miene, den großen Krummbogen über der Schulter. Naja war einer der mächtigsten Krieger Ägyptens, und sein Name war zugleich ein Ehrentitel, denn Naja war auch die heilige Kobra in der königlichen Schlangenkrone. Pharao Tamose hatte ihm diesen Titel an dem Tag verliehen, als sie gemeinsam die Prüfungen der Roten Straße überlebt hatten.
Naja ließ sich nicht dazu herab, in Nefers Richtung zu schauen. Der Wagen des Pharaos war schon in der finsteren Schlucht verschwunden, bevor der letzte der Wagen an ihnen vorbei war. Meren, sein Freund und Kamerad in vielen verbotenen Abenteuern seiner Kindheit, lachte ihm ins Gesicht und machte eine obszöne Geste, während er über den Donner der Wagenräder hinweg versprach: «Ich werde dir Apepis Kopf bringen, damit du etwas zum Spielen hast!» Nefer hasste ihn dafür. Apepi war der König der Hyksos. Aber Nefer brauchte kein Spielzeug mehr. Er war jetzt ein Mann, auch wenn sein Vater sich weigerte, das anzuerkennen.
Noch als Merens Wagen längst verschwunden war und der Staub sich gesetzt hatte, standen Taita und Nefer schweigend vor der Stadtmauer. Dann drehte sich Taita plötzlich um und ging zu den Pferden, die nicht weit von ihnen entfernt angebunden waren. Er zurrte den Riemen vor der Brust seiner Stute fest, raffte seinen Rock zusammen und schwang sich mit dem kühnen Schwung eines viel jüngeren Mannes auf den nackten Pferderücken. Einmal hoch zu Ross, schien er eins mit dem Tier zu werden. Nefer erinnerte sich an die Legende, nach der Taita der erste Ägypter gewesen sein sollte, der je die Reitkunst gemeistert hatte. Er trug immer noch den Titel «Herr der zehntausend Wagen», der ihm mit dem damit verbundenen Ruhmesgold von zwei Pharaonen nacheinander verliehen worden war.
Auch heute noch war Taita einer der wenigen Männer, der breitbeinig auf einem Pferderücken ritt. Die meisten Ägypter hielten es für obszön und würdelos, und nicht zuletzt für gefährlich. Nefer teilte diese Bedenken nicht, und in dem Augenblick, als er auf seinen Lieblingshengst sprang, begann seine Bedrücktheit zu verfliegen, und sobald sie den Kamm der Hügelkette über der Ruinenstadt erreichten, war er fast wieder sein normales, überschäumendes Selbst. Er schaute noch einmal sehnsüchtig zu der Staubwolke am nördlichen Horizont, wo die Schwadron durch die Dünen zog, und kehrte ihr dann entschlossen den Rücken zu. «Wohin reiten wir, Taita?», wollte er wissen. «Du hast mir versprochen, es mir zu verraten, sobald wir unterwegs sind.»
Taita war immer zurückhaltend und geheimnisvoll, aber selten in dem Maß wie über das Ziel dieser Reise. «Wir sind auf dem Weg nach Gebel Nagara», verriet er nun endlich.
«Gebel Nagara», wiederholte Nefer leise. Er hatte noch nie von diesem Ort gehört, doch es klang sehr romantisch. Er fühlte sich an irgendetwas erinnert durch diesen Namen. Vor Aufregung und Vorfreude kribbelte es in seinem Nacken, als er in die unermessliche Wüste blickte: zerklüftete, unwirtliche Hügel, so weit das Auge reichte, bis zu einem fernen, blauen, in der Hitze flirrenden Horizont. Die Farben der nackten Felsen erstaunten ihn: finsteres Graublau wie Gewitterwolken, Gelb wie die Federn des Webervogels und Rot wie rohes Fleisch, ein in der Hitze flimmerndes Farbenmeer.
Taita blickte mit einem Gefühl nostalgischer Heimkehr in diese Landschaft hinab, denn hierher hatte er sich zurückgezogen, nachdem seine geliebte Königin Lostris gestorben war, hatte sich verkrochen wie ein verwundetes Tier. Doch dann, als die Jahre vorübergingen und sein Schmerz etwas von seiner Gewalt verlor, hatte er sich wieder zu den Mysterien und Künsten des großen Gottes Horus hingezogen gefühlt und war als Arzt und Chirurg in die Wildnis gegangen, ein Meister der bekannten Wissenschaften. In der Einsamkeit der Wüste hatte er den Schlüssel zu Toren und Türen von Geist und Seele gefunden, die sich nur wenigen Geschöpfen je öffneten. Er war als Mensch in die Wildnis gegangen und verließ sie als Vertrauter des großen Horus, eingeweiht in Geheimnisse und Rituale weit jenseits der Vorstellungskraft der meisten Menschen.
Taita war erst wieder in die Welt der Menschen zurückgekehrt, nachdem ihm Lostris in seiner Einsiedlerhöhle bei Gebel Nagara im Traum erschienen war. Sie erschien ihm als fünfzehnjähriges Mädchen, knospend frisch wie eine Wüstenrose in erster Blüte, mit Tau auf den Blütenblättern. Selbst im Schlaf schwoll sein Herz vor Liebe und drohte ihm die Brust zu sprengen.
«Mein Liebster, Taita», hatte Lostris geflüstert, während sie sanft seine Wangen streichelte, «du warst einer der beiden Männer, die ich geliebt habe. Tanus ist schon bei mir, doch bevor auch du zu mir kommen kannst, musst du noch tun, was ich dir nun auferlegen werde. Du hast mich nie enttäuscht, kein einziges Mal, und ich weiß, dass du mich auch diesmal nicht enttäuschen wirst, nicht wahr, Taita?»
«Euer Wunsch ist mir Befehl, Herrin.» Wie eigenartig seine Worte ihm in den Ohren hallten.
«In Theben, meiner Stadt der hundert Tore, wird diese Nacht ein Kind geboren, der Sohn meines Sohnes. Das Kind wird den Namen Nefer tragen, was bedeutet, rein und vollkommen in Körper und Geist. Mein tiefster Wunsch ist, dass durch ihn mein Blut und das Blut des Tanus auf den Thron von Oberägypten gelangt. Doch wird er von vielen großen Gefahren umgeben sein. Ohne deine Hilfe wird er sein Ziel nicht erreichen können. Nur du kannst ihn beschützen und leiten. Die Jahre, die du allein in der Wüste verbracht hast, das Wissen und die Künste, die du hier erlernt hast, erfüllen nur diesen einen Zweck. Geh nun zu Nefer, geh schnell, und bleibe bei ihm, bis dein Auftrag erfüllt ist. Und dann komm zu mir, Geliebter. Ich werde auf dich warten und dir deine Männlichkeit wiedergeben, die dir so grausam geraubt wurde. Du wirst wieder ganz und vollkommen sein, wenn wir zusammenstehen, Hand in Hand. Enttäusche mich nicht, Taita.»
«Niemals!», hatte Taita in seinem Traum gerufen. «In Eurem Leben habe Euch nie enttäuscht und werde Euch auch im Tod nicht enttäuschen!»
«Ich weiß, das wirst du nicht.» Das Lächeln der Königin war süß und bezaubernd, als sich die Erscheinung in der Wüstennacht auflöste. Taita erwachte tränenüberströmt. Er raffte seine wenigen Besitztümer zusammen und blieb vor dem Höhleneingang stehen, um zu den Sternen aufzuschauen, die ihm den Weg weisen würden. Er suchte instinktiv nach einem bestimmten hellen Stern, dem Stern seiner Göttin. Dieser Stern war am siebzigsten Tag nach dem Tod der Königin, in der Nacht, als das lange Ritual der Einbalsamierung endlich abgeschlossen war, plötzlich hell und rot am Himmel erschienen, wo zuvor kein Stern gewesen war. In dieser Nacht in der Wüste huldigte Taita diesem Stern, bevor er sich nach Westen auf den Weg machte, auf den Nil und die Stadt Theben zu, das prachtvolle Theben der hundert Tore.
All dies hatte sich vor über vierzehn Jahren zugetragen, und nun hungerte er nach der Stille dieser Wüste, denn nur hier konnte er die Kräfte wiedergewinnen, die er benötigen würde, um Lostris’ Auftrag zu erfüllen. Und nur hier konnte er etwas von diesen Kräften an den Prinzen weitergeben, und das musste er, denn er wusste, dass die Mächte der Finsternis, vor denen Lostris ihn gewarnt hatte, sich immer bedrohlicher um sie zusammenzogen.
«Komm», forderte er den Knaben auf, «lass uns hinunterreiten und deinen Gottvogel fangen.»
*
In der dritten Nacht, nachdem sie Gallala verlassen hatten und das Sternbild der Wildesel am nördlichen Nachthimmel seinen Zenit erreichte, hielt der Pharao die Schwadron an, um die Pferde zu tränken und damit sich die Männer hastig mit sonnengedörrtem Fleisch, Datteln und kaltem Durragebäck stärken konnten. Dann gab er den Befehl, die Wagen wieder zu besteigen. Es gab diesmal keine Hornsignale, da sie sich inzwischen in einem Territorium befanden, wo Hyksos-Patrouillen keine Seltenheit waren.
Die Wagenkolonne setzte sich langsam in Bewegung, und während sie im Schritttempo vorrückten, änderte sich die Landschaft dramatisch. Sie hatten die Wüste endlich hinter sich gelassen und kamen in die Vorgebirge über dem Flusstal. Weiter unten in der Ferne konnten sie im fahlen Mondschein einen Streifen dichter Vegetation erkennen, der den Lauf der großen Mutter Nil kennzeichnete. Sie hatten einen großen Bogen um Abnub geschlagen und befanden sich im Rücken der Hyksos-Armee am Fluss. Gegen einen Feind wie Apepi waren sie nur eine winzige Streitmacht, doch Tamose hatte die besten Wagenkämpfer Ägyptens und damit die besten der Welt in seiner Schwadron, und sie hatten das Element der Überraschung auf ihrer Seite.
Als der Pharao diese Strategie vorgeschlagen und seinen Männern eröffnet hatte, dass er die Kampagne persönlich zu fuhren gedachte, hatte ihm sein Kriegsrat mit aller Vehemenz, die man gegen das Wort eines Gottes aufbringen konnte, davon abgeraten. Der große Kratas, einst der kühnste und wildeste Krieger der ägyptischen Armeen, hatte sich den weißen Bart gerauft und gerufen: «Bei Seths zerschundener, eiternder Vorhaut, ich habe doch nicht deine beschissenen Windeln gewechselt, um dich jetzt Apepi in die Arme laufen zu lassen!» Er war vielleicht der einzige Mensch, der es wagen konnte, so zu dem Gottpharao zu sprechen. «Lass doch jemand anderen diese Drecksarbeit machen. Führe die Hauptarmee, wenn es dir Spaß macht, aber verschwinde auf keinen Fall in der Wüste, wo dich die Teufel und Dämonen verschlingen werden. Du bist Ägypten! Wenn Apepi dich in seine Gewalt bekommt, hat er ganz Ägypten in seiner Gewalt!»
Der Einzige im Rat, der ihn unterstützte, war Naja gewesen, doch Naja hätte ihn in allem unterstützt. Und nun hatten sie die Wüste überwunden und standen im Rücken des Feindes. Morgen, bei Sonnenaufgang, würden sie den einen waghalsigen Angriff unternehmen, mit dem sie Apepis Armee spalten und fünf weiteren ägyptischen Schwadronen mit tausend Kampfwagen erlauben würden, durch die Mitte zu kommen und sich Tamose anzuschließen. Er hatte schon den süßen Geschmack des Sieges auf der Zunge. Noch vor dem nächsten Vollmond würde er in Apepis Palast zu Avaris speisen.
Seit der Spaltung Ägyptens in zwei getrennte Königreiche, Oberägypten und Unterägypten, waren nun fast zwei Jahrhunderte vergangen. Im nördlichen Königreich hatten seitdem entweder ägyptische Usurpatoren oder fremde Eindringlinge geherrscht. Tamoses Bestimmung war es, die Hyksos aus dem Land zu treiben und die beiden Königreiche wieder zu vereinigen. Erst dann könnte er mit Recht und mit der Zustimmung aller Götter die Doppelkrone für sich beanspruchen.
Die Nachtluft blies ihm so kalt ins Gesicht, dass seine Wangen taub wurden. Sein Lanzenträger kauerte hinter dem Schildbrett, um sich vor dem Wind zu schützen. Das einzige Geräusch war das Knirschen der Wagenräder auf dem groben Geröll und von Zeit zu Zeit ein Ruf, «Vorsicht, ein Loch!», der durch die Reihen der Wagenlenker ging.
Plötzlich öffnete sich das breite Wadi Gebel Wadun vor ihnen. Pharao Tamose zügelte sein Gespann. Das Wadi war die glatte Straße, die sie in die Flutebene des Nils führen würde. Der Pharao warf die Zügel seinem Lanzenträger zu und sprang vom Wagen. Während er seine steifen, schmerzenden Glieder streckte, hörte er hinter sich Najas Wagen heranrollen. Ein geflüsterter Befehl, und die Räder kamen knirschend zum Stehen. Dann hörte er Najas leichte feste Schritte, und bald war sein Freund an seiner Seite. «Ab jetzt sind wir in größerer Gefahr, entdeckt zu werden», sagte er. «Sieh, dort unten.» Er zeigte mit seinem langen, muskulösen Arm über die Schulter des Pharaos. Wo das Wadi in die Nilebene überging, war ein einzelnes Licht zu sehen, der sanfte gelbe Schein einer Öllampe. «Das ist das Dorf El Wadun. Dort werden unsere Spione auf uns warten, um uns an den Posten der Hyksos vorbeizuführen. Ich werde zum Treffpunkt vorausfahren und dafür sorgen, das wir sicher sind. Wartet hier, Majestät, ich werde bald zurück sein.»
«Ich werde mit dir gehen.»
«Nein, Majestät, bitte. Wer weiß, vielleicht sind wir verraten worden. Ihr seid Ägypten. Ihr seid zu wertvoll, um dieses Risiko einzugehen.»
Der Pharao schaute seinem geliebten Kameraden in das schmale, gut aussehende Gesicht. Najas weiße Zähne schimmerten im Sternenlicht, als er lächelte, und der Pharao legte ihm eine Hand auf die Schulter, eine Geste voller Vertrauen und Zuneigung. «Dann geh», stimmte er schließlich zu, «aber beeile dich. Geh schnell und komme schnell zurück.»
Naja legte eine Hand auf sein Herz und lief zu seinem Wagen zurück. Er grüßte seinen Herrn noch einmal, als er an ihm vorbeifuhr, und Tamose schaute ihm nach, wie er vorsichtig in das Wadi hinunterfuhr. Sobald er den glatten, harten Sand des trockenen Flussbetts erreicht hatte, gab er seinem Gespann die Peitsche und stürmte auf El Wadun zu. Der Wagen hinterließ schwarze Spuren auf dem silbernen Sand und war bald hinter der nächsten Kurve verschwunden. Erst dann wandte der Pharao seinen Blick ab und ging langsam zu seiner wartenden Schwadron zurück. Er sprach einige seiner Soldaten an, nannte manche beim Namen, lachte mit ihnen und sprach ihnen Mut zu. Kein Wunder, dass sie ihn liebten und freudig mit ihm zogen, ganz gleich, wohin er sie führte.
*
Naja hielt sich vorsichtig am Südufer des alten Flussbetts. Dann und wann schaute er hinauf zu den Hügelkämmen, bis er endlich den windschiefen Turm am Horizont entdeckte und befriedigt vor sich hin brummte. Und dann sah er auch den Pfad, der sich vom Wadi zu dem alten Wachturm hinaufschlängelte.
Er sprang vom Wagen, rückte den Bogen auf der Schulter zurecht, band den Gluttopf von der Seitenstange los, befahl seinem Lanzenträger kurz, auf ihn zu warten, und ging den steilen Pfad hinauf. Der Weg war fast unsichtbar, und wenn er sich nicht jede Biegung genau eingeprägt hätte, wäre er nie auf der Spitze des Hügels angekommen.
Dann endlich stand er auf der Zinne des Wachturms, der vor vielen Jahrhunderten erbaut worden und nun fast zerfallen war. Ein falscher Schritt, und er wäre ins Tal gestürzt. Er wusste jedoch noch, wo er das Bündel Reisig versteckt hatte, mit dem er die Kohle in seinem Gluttopf entzünden konnte, um ein Signalfeuer anzufachen. Er machte keinen Versuch, sich zu verbergen, sondern stellte sich in den Schein des Feuers. Jemand im Tal würde ihn sofort entdecken. Die Flammen erstarben, das Reisig war verbraucht, und Naja wartete in der Finsternis.
Kurze Zeit später hörte er Steine auf dem Weg knirschen. Er stieß einen scharfen Pfiff aus. Das Signal wurde erwidert. Er zog sein Sichelschwert aus der Scheide, legte einen Pfeil an die Sehne seines Kampfbogens und war bereit, sofort zum Angriff überzugehen. Augenblicke später hörte er eine Stimme, ein heiseres Flüstern in der Sprache der Hyksos. Er antwortete in der gleichen Sprache, fließend und ohne Anstrengung, und hörte, wie mindestens zwei Männer die Rampe des Turms betraten.
Nicht einmal der Pharao wusste, dass Najas Mutter eine Hyksos gewesen war. In den Jahrzehnten ihrer Besatzung hatten die Invasoren viele der ägyptischen Sitten angenommen. Da ihnen an Frauen ihres eigenen Volkes mangelte, nahmen sich viele der Hyksos-Krieger ägyptische Frauen. Über die Generationen hatten die Völker sich vermischt.
Ein hoch gewachsener Mann trat auf die Turmzinne. Er trug einen eng anliegenden Bronzehelm, und in seinen Bart waren bunte Bänder geflochten. Die Hyksos liebten leuchtende Farben.
Die beiden umarmten sich. «Seth segne dich, Vetter», sagte der Hyksos-General.
«Möge er auch dir zulächeln», erwiderte Naja. «Wir haben nicht viel Zeit, Vetter Trok.» Naja zeigte auf die ersten Sonnenstrahlen, die sich über den östlichen Horizont stahlen.
«Du hast Recht, Vetter.» Der Hyksos-General löste sich aus der Umarmung, drehte sich zu seinem Leutnant um, der hinter ihm stand, und nahm ein in Leinen gewickeltes Bündel in Empfang, das er sofort dem Ägypter übergab. Naja brachte mit seiner Stiefelspitze das Feuer wieder in Gang und wickelte sein Geschenk aus. Es war ein geschnitzter Köcher aus einem leichten, harten Holz, mit besticktem Leder bezogen. Es war eine ausgezeichnete Arbeit, ein wahres Kunstwerk und gehörte ohne Zweifel zur Ausrüstung eines hohen Offiziers. Naja zog den Stöpsel heraus, mit dem der Köcher verschlossen war, und nahm einen der Pfeile heraus. Er musterte ihn kurz und drehte den Schaft zwischen seinen Fingern, um die Balance und Symmetrie zu prüfen.
Hyksos-Pfeile waren unverwechselbar. Jeder Pfeil trug die grellen Farben des Regiments und auf dem Schaft das persönliche Emblem des Bogenschützen. Die Pfeilspitzen waren aus Feuerstein und hatten Widerhaken. Selbst wenn ein Treffer nicht sofort zum Tod führte, blieb die Spitze tief in der Wunde verankert und widerstand jedem Versuch, sie chirurgisch zu entfernen. Die Folge waren Wundbrand und ein langsamer, qualvoller Tod. Feuerstein war viel härter als Bronze und verbog sich nicht oder flachte ab, wenn er auf Knochen traf.
Naja ließ den Pfeil in den Köcher zurückgleiten und verschloss ihn wieder. Er kannte diese Waffe, doch nie hätte er sie in seinem Streitwagen mitgeführt, denn falls sie von einem Diener oder Lanzenträger entdeckt worden wäre, hätte sich jeder daran erinnert, und der Fund wäre schwer zu erklären gewesen.
«Wir haben noch einiges zu besprechen.» Naja setzte sich und forderte Trok mit einer Geste auf, dasselbe zu tun. So sprachen sie, bis Naja sich wieder erhob. «Genug! Wir wissen beide, was nun zu tun ist! Die Zeit zum Handeln ist endlich gekommen!»
«Mögen die Götter auf unserer Seite sein.» Trok und Naja umarmten sich noch einmal, bevor Naja ohne ein weiteres Wort ging und auf dem engen Pfad den Turmhügel hinab verschwand.
Auf dem Weg fand er einen Platz, an dem er den Köcher verbergen konnte, eine Spalte, wo die Wurzeln eines Dornbaums den Fels gesprengt hatten. Er bedeckte den Köcher mit einem Stein, der nach Form und Größe fast wie ein Pferdekopf aussah. Der Wipfel des Baumes formte ein Kreuz unter dem Nachthimmel. Diesen Platz würde er bestimmt wieder finden.
Dann ging er weiter zu seinem Wagen, der im Wadi auf ihn wartete.
*
Pharao Tamose sah den Wagen kommen und erkannte an der Art, wie Naja fuhr, dass etwas nicht stimmte. Er befahl der gesamten Schwadron, sofort aufzusteigen und die Waffen bereitzuhalten.
Najas Wagen ratterte den Pfad vom Grund des Wadis herauf, und er sprang ab, sobald er neben dem Pharao zum Stehen kam.
«Was ist los?», wollte Tamose wissen.
«Die Götter sind uns gnädig.» Najas Stimme überschlug sich vor Aufregung. «Apepi wird bald in unserer Gewalt sein.»
«Wie ist das möglich?»
«Meine Spione haben mich zu dem Lager geführt, wo der feindliche König sich aufhält, nicht weit von hier. Er hat seine Zelte direkt hinter der nächsten Hügelreihe aufgeschlagen, dort drüben.» Er zeigte mit seinem Schwert in die graue Nacht.
«Bist du sicher, es ist Apepi?» Tamose wurde kaum seiner Aufregung Herr.
«Ja. Ich habe ihn selbst ganz deutlich im Licht seines Lagerfeuers gesehen, jeden seiner Züge. Die große Hakennase, den Bart mit den Silbersträhnen: unverkennbar. Er überragt alle um sich herum, und er trug die Geierkrone auf seinem Haupt.»
«Wie stark sind seine Truppen?», fragte der Pharao.
«In seiner Arroganz hat er nur eine Leibgarde von höchstens fünfzig Mann mitgenommen. Ich habe sie gezählt, und die Hälfte davon schläft. Ihre Lanzen liegen auf einem Haufen. Er scheint nichts zu befürchten, seine Feuer brennen lichterloh. Ein schneller Angriff aus der Dunkelheit, und er gehört uns.»
«Führe mich zu Apepis Lager», befahl der Pharao und sprang auf seinen Wagen.
So folgte er Naja durch das dunkle Wadi. Der silberne Sand dämpfte die Fahrgeräusche, und die Schwadron zog in gespenstischer Stille um die letzte Biegung, wo Naja mit erhobener Faust das Zeichen zum Anhalten gab. Der Pharao kam mit ihm auf gleiche Höhe und lehnte sich hinüber.
«Wo ist Apepis Lager?»
«Hinter dem Kamm dort drüben. Meine Spione behalten es im Auge.» Naja zeigte den Pfad entlang zu dem Wachturm hinauf. «Auf der anderen Seite ist eine versteckte Oase mit einer Quelle und Dattelpalmen. Dort zwischen den Bäumen hat er seine Zelte aufgeschlagen.»
«Wir werden mit einer kleinen Vorhut vorausgehen und das Lager auskundschaften. Erst danach können wir unseren Angriff planen.»
Naja hatte mit dieser Taktik gerechnet und rief mit wenigen scharfen Befehlen fünf Krieger herbei. Jeder Einzelne dieser Männer war ihm durch Blutschwur verbunden. Sie gehörten ihm mit Hand und Herz.
«Wickelt eure Schwertscheiden ein», befahl er, «ihr dürft keinen Ton von euch geben.» Dann ging er mit seinem Krummbogen in der linken Hand auf dem Pfad voraus, der Pharao direkt hinter ihm. Sie marschierten rasch auf die Höhe zu, bis Naja die gekreuzten Dornbaumäste sich vor der Morgendämmerung abzeichnen sah. Er blieb abrupt stehen und erhob seine rechte Hand, vollkommene Stille gebietend. Er lauschte.
«Was ist?», flüsterte der Pharao direkt hinter ihm.
«Ich dachte, ich hätte Stimmen gehört oben auf dem Hügelkamm», antwortete Naja, «Hyksos-Stimmen. Wartet hier, Majestät. Ich gehe allein voraus, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.» Der Pharao ließ sich mit den fünf Kriegern am Wegrand nieder, und Naja schlich vorsichtig weiter. Bald war er hinter einem mächtigen Felsvorsprung verschwunden. Die Minuten krochen dahin, und der Pharao wurde unruhig. Es würde bald hell sein, und der hyksische König würde sein Lager abbrechen. Die Gelegenheit wäre verpasst. Dann endlich hörte er einen leisen Pfiff, den nachgeahmten Ruf einer Nachtigall, und sprang sofort auf.
Tamose ergriff den Knauf seines legendären blauen Schwerts und flüsterte: «Der Weg ist frei. Kommt, folgt mir.»
Sie stiegen weiter auf den Bergkamm zu, bis der Pharao den Vorsprung erreichte, der den Pfad blockierte. Er ging darum herum und blieb abrupt stehen. Er sah Naja vor sich, nur zwanzig Schritte entfernt. Sie waren allein, die fünf Kundschafter konnte er nicht sehen. Naja hatte seinen Bogen gespannt, und der Pfeil zeigte auf Tamoses nackte Brust. Bevor er eine Bewegung machen konnte, erkannte der Pharao in aller Klarheit, was er vor sich sah. Dies war also die verdorbene schändliche Wahrheit, die Taita geahnt hatte.
Es war inzwischen hell genug, dass er den Feind, den er als Freund geliebt hatte, deutlich sehen konnte. Hinter der Sehne des Bogens verzogen sich Najas Lippen zu einem hässlichen Lächeln, und seine Augen funkelten wie die eines Leoparden. Die Federn des Pfeils waren purpurn, gelb und grün, und die Pfeilspitze war nach Hyksos-Art aus messerscharfem Feuerstein, so hart und stark, dass sie einen bronzenen Helm oder Brustharnisch durchbohren würde.
«Mögest du ewig leben!» Naja formte die Worte wie einen Fluch, ohne sie auszusprechen, als er den Pfeil losließ. Das Geschoss schnellte surrend und summend von der Sehne. Tamose sah es auf sich zukommen wie ein giftiges Stechinsekt, und obwohl die tödliche Gefahr alle seine Sinne geschärft hatte, konnte er nur zusehen, wie die Federn den Schaft auf seinem Weg über zwanzig Schritte Entfernung einmal völlig herumdrehten. Er war wie gelähmt. Seine Bewegungen waren zäh und langsam wie in einem Albtraum, viel zu langsam, um dem Geschoss auszuweichen. Der Pfeil traf ihn mitten in die Brust, wo das königliche Herz unter den Rippen schlug. Der Aufprall klang, wie wenn ein Stein aus großer Höhe in einen Tümpel dicken Nilschlamms fallt. Der Schaft verschwand in der Wunde. Die Gewalt des Aufpralls warf den Pharao gegen den roten Fels, der hinter ihm den Weg versperrte und in dessen raue Oberfläche er für einen Augenblick seine Finger krallte. Der Pfeil hatte sein Fleisch glatt durchschlagen, und die blutige Pfeilspitze ragte aus den Muskeln an der rechten Seite seines Rückgrats.
Das blaue Schwert fiel ihm aus der Faust, und er stieß einen leisen Schrei aus, der im hellroten Blut aus seiner Lunge erstickte. Seine Beine gaben unter ihm nach, und er fiel auf die Knie. Seine Fingernägel hinterließen eine Kratzspur auf dem roten Felsen.
Naja sprang vor und schrie: «Vorsicht, ein Hinterhalt!», und legte dem Pharao einen Arm um die Brust unterhalb der Stelle, wo der Pfeil eingedrungen war.
Während er den sterbenden König stützte, rief er: «Soldaten, zu mir!» Die zwei Krieger, die nun hinter dem Felsblock hervorkamen, erkannten sofort, was mit dem Pharao geschehen war, und sahen die bunten Federn am Ende des Pfeilschafts.
«Hyksos!», rief einer von ihnen, bevor sie den Pharao eilig hinter die Felsen zogen.
«Tragt den Pharao zu seinem Wagen, während ich den Feind aufhalte», befahl Naja. Er wirbelte herum, zog einen anderen Pfeil aus seinem Köcher und schoss ihn in Richtung des verlassenen Hügelkamms. Dann rief er etwas in die Dämmerung hinein und antwortete sich selbst mit verstellter Stimme in der Sprache der Hyksos.
Nach einer Minute hob er das blaue Schwert auf, wo Tamose es hatte fallen lassen, und lief den Pfad hinunter, wo er bald die kleine Gruppe der Krieger einholte, die den König zu den Wagen im Wadi hinuntertrugen.
«Es war eine Falle», erzählte Naja den Soldaten hastig. «Auf dem Hügel wimmelt es von Feinden. Wir müssen den Pharao in Sicherheit bringen.» An der Art, wie Tamose der Kopf auf die Brust hing, erkannte er, dass jede Hilfe zu spät kommen würde, und seine Brust schwoll im Triumph. Als dem Pharao die blaue Kriegskrone vom Kopf fiel und den Pfad hinunterrollte, hob Naja sie auf, wobei er sich kaum zurückhalten konnte, sein eigenes Haupt damit zu krönen.
«Geduld», mahnte er sich im Stillen, «die Zeit ist noch nicht reif, doch Ägypten wird mein sein, mit allen Kronen, aller Macht und allem Pomp. Ich werde Ägypten sein. Ich werde Teil der Gottheit sein.»
Er klemmte sich die schwere Krone unter den Arm und rief: «Beeilt euch! Der Feind ist uns auf den Fersen! Beeilt euch! Der König darf ihm nicht in die Hände fallen.»
Die Truppen unten im Wadi hatten das Geschrei gehört, und der Regimentsfeldscher wartete schon neben dem Wagen des Pharaos. Er war ein Schüler Taitas, und wenngleich er auch nicht über die besondere Magie des alten Mannes verfügte, war er ein fähiger Arzt, der vielleicht in der Lage gewesen wäre, selbst eine solch furchtbare Wunde wie die in Tamoses Brust zu behandeln. Doch Fürst Naja hätte nie riskiert, dass jemand sein Opfer doch noch der Unterwelt entriss. So schickte er den Arzt brüsk weg. «Der Feind ist uns auf den Fersen. Wir haben jetzt keine Zeit für deine Quacksalberei. Wir müssen den Pharao hinter unsere Linien in Sicherheit bringen, bevor wir überrannt werden.»
Er nahm den König behutsam aus den Armen der Männer, die ihn getragen hatten, und legte ihn auf den Boden seines eigenen Streitwagens. Er brach das Ende des Pfeils ab, der dem Pharao aus der Brust ragte, und hielt es hoch, so dass alle es sehen konnten. «Dieses blutige Geschoss hat unseren Pharao getötet, unseren König und Gott. Möge Seth den hyksischen Schweinehund verdammen, der diesen Pfeil abgeschossen hat, und möge er in den ewigen Flammen schmoren.» Seine Leute brummten Zustimmung. Naja wickelte den Pfeil sorgsam in ein Leinentuch und steckte ihn in den Waffenhalter an der Seite des Wagens. Er würde ihn für den Kriegsrat in Theben brauchen, als Beweis für seinen Bericht über den Tod des Pharaos.
«Ich brauche hier einen guten Mann, um unseren König zu halten», befahl er als Nächstes. «Behandle ihn vorsichtig», sagte er, als der Lanzenträger des Königs vortrat. Dann nahm er Tamose den Schwertgurt ab, steckte das blaue Schwert in die Scheide und verstaute alles in seinem eigenen Waffenhalter.
Der Lanzenträger sprang auf den Wagen und bettete behutsam Tamoses Kopf in seinen Schoß. Aus den Mundwinkeln des Pharaos sickerten hellrote Blasen frischen Blutes, als der Wagen in weitem Bogen wendete und mit dem Rest der Schwadron das ausgetrocknete Flusstal hinaufraste. Selbst in den starken Armen des Lanzenträgers wurde der schlaffe Körper des Pharaos grausam hin und her geworfen.
Naja schaute nach vorn. Niemand sah sein Gesicht, als er leise lachte. Niemand hörte ihn unter dem Donnern und Knirschen der Wagen, die über Stock und Stein rollten. Naja machte keinerlei Anstalten, irgendein Hindernis zu umfahren. Schließlich verließen sie das Wadi und rasten auf die Dünen und Salzseen zu.
Es war inzwischen helllichter Vormittag, und die gleißende Sonne war schon auf halbem Weg zum Zenit, bevor Naja dem Zug eine Rast erlaubte und den Arzt nach vorn kommen ließ, um den König zu untersuchen. Es bedurfte keiner besonderen Kenntnisse, um zu sehen, dass die Seele des Pharaos längst seinen Körper verlassen hatte und auf der Reise in die Unterwelt war.
«Der Pharao ist tot», sagte der Arzt leise. Seine Hände waren bis zu den Handgelenken mit königlichem Blut bedeckt. An der Spitze des Zuges erhob sich ein mächtiger Klageruf, der sich schnell bis zum Ende fortpflanzte. Nachdem die Soldaten so ihrer Trauer Ausdruck gegeben hatten, rief Naja seine Hauptmänner zu sich.
«Der Staat ist ohne Oberhaupt», begann er, «Ägypten ist in größter Gefahr. Zehn der schnellsten Wagen müssen den Leichnam des Pharaos sofort nach Theben bringen. Ich werde diese Gruppe selbst anführen, weil es sein könnte, dass der Rat mich als Prinz Nefers Regenten einsetzen wird.»
Damit hatte er den ersten Samen gesät, und an dem ehrfürchtigen Gesichtsausdruck der Offiziere sah er, dass dieser fast augenblicklich gekeimt hatte. So fuhr er in einem grimmigen, geschäftsmäßigen Ton fort, der den tragischen Umständen entsprach: «Der Arzt soll den königlichen Leichnam einwickeln, bevor ich ihn zu seinem Grabtempel bringe. Doch vor allem müssen wir Prinz Nefer finden. Er muss vom Tod seines Vaters und seinem Thronerben unterrichtet werden. Das ist im Augenblick die wichtigste Angelegenheit des Staates und meiner Regentschaft.» Er nahm den Titel für sich in Anspruch, ohne dass jemand etwas sagte oder auch nur mit einer Wimper zuckte. Er entrollte ein Papyrusblatt, eine Karte des Territoriums zwischen Theben und Memphis, und breitete es auf seinem Wagen aus. «Ihr müsst mit mehreren Gruppen dieses ganze Gebiet absuchen. Ich glaube, der Pharao hat ihn mit dem Eunuchen in die Wüste geschickt, wo er sich den Ritualen der Mannwerdung unterziehen soll. Konzentriert euch also besonders auf diese Region hier, von Gallala nach Süden und Osten, wo wir ihn zuletzt gesehen haben.» Mit dem geschulten Auge eines Generals bezeichnete Naja das Suchgebiet und befahl den Wagenführern, auszuschwärmen und ihm den Prinzen zu bringen.
*
Mit Naja an der Spitze kehrte die Schwadron nach Gallala zurück. Der nächste Wagen trug den teilweise balsamierten Leichnam des Pharaos. Am Ufer des Salzsees Waifra hatte der Truppenarzt den verstorbenen König auf den Boden gebettet und den traditionellen Schnitt an seiner rechten Seite vorgenommen. So hatte er die Eingeweide und inneren Organe entfernt. Magen- und Darminhalt waren im zähen Salzwasser des Sees ausgewaschen worden. Danach hatten sie alle Organe zusammen mit reichlich weißem Natronsalz vom Ufer des Sees in tönerne Weinkrüge versenkt. Der Rumpf des Königs war ebenfalls mit Natronsalzen aufgefüllt und dann in salzgetränkte Binden gewickelt worden. Sobald sie in Theben ankämen, würden sie den Leichnam zu seinem Begräbnistempel bringen und den Priestern und Einbalsamierern übergeben, die dort die siebzig Tage dauernden Rituale vor dem Begräbnis vornehmen würden. Naja war jede Minute zu viel, die sie auf der Straße verbrachten, so eilig hatte er es, nach Theben zu kommen, bevor die Nachricht vom Tod des Pharaos dorthin gelangen konnte. Vor den Toren der Ruinenstadt nahm er sich dennoch etwas wertvolle Zeit, um die Hauptleute, die mit der Suche nach dem Prinzen betraut waren, noch einmal genau zu instruieren.
«Nehmt euch sämtliche Straßen nach Osten vor. Der Eunuch ist ein gerissener alter Hund und hat wahrscheinlich seine Spuren verwischt, doch ihr müsst ihn aufspüren. Bei den Oasen Satam und Lakara gibt es Dörfer. Befragt die Leute dort. Benutzt Peitsche und Brenneisen, damit auch bestimmt niemand etwas verheimlicht. Sucht alle denkbaren Verstecke in der Wildnis ab. Findet den Prinzen und den Eunuchen. Enttäuscht mich nicht, ich warne euch.»
Als die Hauptleute schließlich ihre Wasserbeutel aufgefüllt hatten und bereit waren, ihre Abteilungen in die Wüste hinaus zu führen, hielt Naja sie noch einmal zurück, um ihnen einen letzten Befehl mit auf den Weg zu geben. Dieser Befehl, so erkannten alle an der Stimme und dem wilden Funkeln in den Augen ihres Führers, war der wichtigste von allen. Jeder, der ihn missachtete, wäre des Todes. «Wenn ihr Prinz Nefer findet, bringt ihn zu mir, zu niemand anderem, nur zu mir.»
Die Streitwagenabteilungen hatten nubische Kundschafter bei sich, schwarze Sklaven aus dem wilden Süden, die große Erfahrung darin hatten, Spuren von Mensch und Tier zu finden. Sie liefen vor den Wagen her, die in die Wildnis ausschwärmten, und Naja verbrachte weitere wertvolle Minuten damit, ihrem Verschwinden in der Ferne nachzusehen. In seinen Triumph mischte sich Unruhe. Er wusste, dass der alte Eunuch, unter dessen Schutz Nefer stand, ein Adept war. Er wusste, dass Taita unheimliche Wunderkräfte besaß. Wenn es einen Mann gibt, der mich jetzt noch aufhalten kann, so dachte Naja, dann ist er es. Ich wünschte, ich könnte sie selbst aufstöbern, den Eunuchen und den verwöhnten Flegel. Ich wünschte, ich müsste mich nicht auf Untergebene verlassen, die den Listen des Magus vielleicht nicht gewachsen sind. Doch meine Bestimmung ruft mich nach Theben. Ich darf keinen Augenblick mehr zögern.