Alex Winter
Verwischte Spuren
Das Buch:
»Jesse versetzte dem neben ihm liegenden Körper mit dem Gewehrkolben einen Schlag in die Rippen. Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus dem geknebelten Mund seines blutenden und an Händen und Füßen gefesselten Opfers.«
Die Farmertochter Sally Storer hat überstürzt ihr Zuhause verlassen. Die Gründe sind ein heftiger Streit mit ihrem Vater Glen und das rätselhafte Verschwinden ihres frischgebackenen Ehemannes Jesse Lynn, der sich – anders als Sally – hinter die Pläne ihres Vaters gestellt hat, auf der wenig rentablen Schaffarm Cananinya Creek in Zukunft Kängurus zu züchten.
Als sich Sally in einer Phase tiefer Depression im Warburton Creek umbringen will, stößt sie an dessen Ufern auf einen bewusstlosen, unter Amnesie leidenden Mann. Sie pflegt ihn gesund und die »verlorenen Seelen« freunden sich an. John Rivers, wie Sally den Mann tauft, spürt, dass Sallys Platz auf Cananinya Creek ist, weshalb er sie überzeugt, mit ihm auf die Schaffarm zurückzukehren und sich ihren Problemen zu stellen.
Auf der Farm wartet bereits die nächste böse Überraschung: Sallys Vater wird vermisst. Während der ermittelnde Beamte Sally für eine Doppelmörderin hält, stößt John auf Spuren, die nahelegen, dass die Paakantyi-Aborigines, in deren ehemaligen Stammesgebiet die Schaffarm liegt, in die Vermisstenfälle verwickelt sind. Ein weißes Riesenkänguru und eine geheimnisvolle, mit dem Albino-Känguru interagierende Aborigine bestätigen John, dass das Tier den Eingeborenen heilig ist. Doch auch bei Sallys Onkel Mathew, der schon einmal wegen Totschlags im Gefängnis saß, und dem Nachbarfarmer Mathew Lynn, dessen zweiter Frau und deren Tochter stößt John auf ein Mordmotiv …
Der Autor:
Alex Winter, geboren in der Schweiz, absolvierte die Kunstgewerbeschule in Zürich. Er arbeitete zunächst als Dekorationsgestalter, später in verschiedenen Berufen im In- und Ausland. Alex Winter bereiste während vieler Jahre Australien, Neuseeland und die Südsee. Heute lebt er mit seiner Frau im Zürcher Oberland.
In den kommenden Monaten werden bei bookshouse weitere Bände der Daryl Simmons-Reihe erscheinen.
www.alex-winter.com
Alex Winter
Roman
Verwischte Spuren
Alex Winter
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Urheberrechtlich geschütztes Material
Für Erna und Fredi
Ich wünsche euch noch viele wundervolle Reisen.
Vergessen ist eine Form von Freiheit.
Khalil Gibran
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Hauptfiguren
Daryl Simmons
(alias John Rivers): der Mann ohne Erinnerung
Sally Storer: Farmertochter, Johns Retterin
Glen Storer: Sallys Vater
Mathew Storer: Sallys Onkel
Opal-Jack: Aborigine, Vorarbeiter der Storer-Farm
Micky Wullaoomooloo: Farmarbeiter auf der Storer-Farm
Andrew Lynn: Besitzer der Nachbarfarm Whontyja-Station
Jesse Lynn: Andrews Sohn/Sallys Mann
Marianna Lynn-McDowell: Andrew Lynns zweite Frau
Britget McDowell: Marianna Lynns Tochter aus erster Ehe
Larry Hinkel: Farmarbeiter auf der Whontyja-Station
Turuwun: Stammesältester der Paakantyi-Aborigine
Goondorrabrolga: junge Paakantyi-Aborigine und Begleiterin der Natur
Lilly Wingaro: Fährtenleserin der Paakantyi-Aborigines
Tony Purinyeriol: junger Paakantyi-Aborigine
Detective Constable Scanlan: untersuchender Ermittler aus Broken Hill
Senior Sergeant Mulligen: Buschpolizist
Der Roman handelt im Outback von New South Wales, Australien.
Prolog
»Halts Maul!« Jesse versetzte dem neben ihm liegenden Körper mit dem Gewehrkolben einen Schlag in die Rippen.
Ein unterdrücktes Stöhnen drang durch den geknebelten Mund seines blutenden und an Händen und Füßen gefesselten Opfers.
Jesse warf einen langen Blick auf den geschundenen Leib. Er fand, dass er wie ein fetter brauner Wurm aussah, der sich im Todeskampf auf der heißen staubigen Erde wand. »Dreckiger Abschaum«, knurrte er und wandte sich angewidert ab. Er kniete mit einem Bein auf dem Boden, das andere presste er für besseren Halt angewinkelt gegen einen Felsen. Dann wartete er.
Links hinter ihm lag ein verwittertes, an die sechzig Meter langes und zehn Meter hohes rostrotes Felsenkliff.
Obwohl die Seite, hinter der er sich versteckte, seit einer guten halben Stunde im Schatten lag, strahlte der Felsen noch immer wie ein Heizstrahler Wärme ab. So umschwirrten ihn auch jetzt noch die Buschfliegen, krabbelten auf der Suche nach Feuchtigkeit über sein Gesicht, in Ohren, Nase und Augenwinkel. Doch das störte ihn wenig. Seine ganze Konzentration galt dem Kamm einer sichelförmigen Hügelkette vor ihm.
Die Minuten flossen dahin, langsam und zäh wie Melasse. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, tauchte endlich sein eigentliches Opfer auf. Wie in Zeitlupe bewegte es sich über den flachen Kamm der in der Abendsonne wie flüssige Lava glühenden Hügelkette.
Etwa hundert Meter entfernt blieb es stehen. Auf diese Distanz musste man ein guter Schütze sein, um mit einem 71 cm Mossberg Flex 500 Jagdgewehr sein Ziel präzise zu treffen. Doch er war ein guter Schütze, und daher stand für ihn fest, dass in der gleichen Sekunde, in der er abdrückte, das Magnumgeschoss durch den Oberkörper seines Opfers jagen, lebenswichtige Organe zerfetzen und es somit auf der Stelle töten würde.
Einerseits bedauerte er das, weil sein Gegner nicht mitbekommen würde, wer sein Leben auslöschte. Andererseits hatte der Mistkerl ihm mehrmals ein Schnippchen geschlagen, weshalb er ihn endlich tot sehen wollte.
Der Boomer war nicht nur schlauer als mancher Mann, den er kannte, er war auch das größte männliche Rote Riesenkänguru, von dem er je gehört hatte. Außerdem war es nicht rötlichbraun, sondern schneeweiß. Das Tier war eine seltene Laune der Natur, ein Albino – und ein großes Ärgernis. Es musste weg, dann stand seinen Plänen ein Hindernis weniger im Weg.
»Showdown«, flüsterte er. Die Mossberg lag sicher in der Vertiefung des hüfthohen Felsbrockens, während sein Zeigefinger sanft auf dem Abzughebel lag, bereit, sich die letzten Millimeter zu krümmen. Er atmete tief ein und aus, dann kniff er das linke Auge zu und fixierte mit dem rechten über Kimme und Korn einen imaginären Punkt unter der Achselhöhle seines ahnungslosen Opfers.
Das Echo des Schusses hallte wie eine gegen schroffe Klippen tosende Brandungswelle vom Felsenkliff zurück, um sich in der Weite der kargen Outbacklandschaft zu verlieren.
»Verflucht noch mal!« Wütend sah Jesse zu, wie der Boomer mit großen Sätzen über den Hügelkamm hüpfte, gefolgt von seinem Mob.
Wer, zur Hölle, hatte da geschossen? Er nicht. Jesse warf einen kurzen Blick auf den vor Angst zitternden Körper neben sich, dann hob er die Mossberg, schob die Schiebesicherung oberhalb des Verschlussgehäuses in die Lock-Position und stand auf.
Die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, blickte er sich um. Zwischen ihm und der Hügelkette standen drei Poplar-Eukalypten. Hinter ihren grazilen lachsfarbenen Stämmen konnte sich niemand verstecken, ebenso wenig wie hinter den knorrigen, nicht mal mannshohen Mulga-Bäumen in der flachen Ebene zu seiner Linken. Rechts von ihm, wo die sichelförmige Hügelkette durch einen schmalen Canyon unterbrochen wurde, war ebenfalls keine Deckung vorhanden. Blieben der verwitterte Felsen und die heruntergestürzten Gesteinsbrocken gut zehn Meter links hinter ihm, zu denen auch der gehörte, hinter dem er sich verborgen hatte.
Er drehte sich um, blickte erst zum gerundeten Kamm des Kliffs hoch, dann zu den herabgestürzten Steinblöcken. Über Jahrtausende den Kräften von Wind, Sonne und Regen ausgesetzt, waren einige zu ovalen, urzeitlichen Dinosauriereiern gleichenden Gebilden modelliert worden, während andere fast rund waren und wie riesige Murmeln aussahen.
»Hallo?« Er verscheuchte eine besonders lästige Fliege aus den Augenwinkeln. »Wer ist da?«
Nichts, außer dem Summen der Buschfliegen.
Der Schweiß, der ihm schon die ganze Zeit den Nacken hinunterlief, fühlte sich plötzlich eiskalt an. Jesse entsicherte die Pumpgun und hielt sie auf Bauchhöhe im Anschlag. Dann ging er vorsichtig auf die Felsen zu.
Diese verteufelten Schwarzen, fluchte er innerlich. Waren sie ihm wieder einmal gefolgt, um ihn daran zu hindern, das Albino-Känguru zu töten? Das war sein Land, zumindest würde es das bald sein. Wehe, er erwischte einen von ihnen!
Jesse umrundete den ersten Felsbrocken, dann den nächsten. Nichts. Nach dem fünften blieb er stehen. Er kam zu der Erkenntnis, dass der Schütze vermutlich vom Ende des Felsenkliffs gefeuert und sich dann sofort ein anderes Versteck gesucht hatte.
Unschlüssig kratzte er sich das Kinn. Die Abos waren ein faules Pack. Wenn’s drauf ankam, konnten die Burschen allerdings verdammt flink und hinterlistig sein.
Der Schütze war noch in der Nähe, das spürte er. Er musste daher äußerst vorsichtig sein. Am besten nahm er seine Geisel als Schutzschild und drohte, sie zu töten, wenn sich der Schütze nicht zeigte.
Er drehte sich um und eilte zu seinem Opfer, gleichzeitig zog er ein Jagdmesser aus der Scheide an seinem Gürtel.
Die Geisel riss die Augen auf und versuchte, von ihm wegzukriechen. Jesse verpasste ihr einen Tritt in den Bauch, dann durchschnitt er die Fußfessel. »Los, aufstehen«, fauchte er, packte mit einer Hand ihren Oberarm und zog sie auf die Beine.
Das Klicken eines Repetierverschlusses ließ Jesse zusammenzucken. Er riss den Kopf herum, gleichzeitig zerriss ein Schuss die Stille.
Ein Schmerz, wie von einem glühenden Eisen, durchbohrte seinen linken Oberschenkel. Jesse knickte seitlich ein, verlor das Gleichgewicht, gleichzeitig ließ er das Messer und die Pumpgun fallen. Er fing den Sturz mit beiden Händen auf, wälzte sich in der staubigen Erde auf die Seite, streckte die Hand nach der Mossberg aus und riss sie wieder an sich.
Noch hatte der Schütze die abgeschossene Patronenhülse nicht durch manuelles Zurück- und Wiedervorschieben des Verschlusses ausgeworfen und eine neue Patrone geladen.
Jesse richtete keuchend den Oberkörper auf, schoss blind in die vermeintliche Richtung seines Gegners, riss den beweglichen Vorderschaft vor und zurück und feuerte eine weitere Kugel aus seiner Pumpgun ab. Während er die Mossberg erneut durchlud, sah er sich zum ersten Mal bewusst nach seinem Gegner um – doch der war verschwunden.
Jesse riss den Lauf von links nach rechts und wieder zurück. Da war niemand.
»Komm raus, du Schwein, oder ich erschieße dieses Stück Scheiße!«, keuchte er und unterstrich mit einem Gewehrkolbenschlag in die Rippen seiner Geisel, dass er es ernst meinte.
Der unbekannte Schütze musste sich hinter einem der heruntergestürzten Felsen versteckt haben, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Doch hinter welchem? Er warf einen Blick auf sein verletztes Bein. Sah nicht gut aus. Das Blut strömte regelrecht aus der Wunde. Womöglich war eine Arterie verletzt. Er musste das Bein abbinden, und zwar gleich, sonst fiel er in Ohnmacht und verblutete.
»Du bewegst dich keinen Millimeter, oder du bist tot, hast du verstanden?«, zischte er seiner Geisel zu.
Stöhnend kroch er bis zu einem Felsbrocken. Dort legte er die Pumpgun griffbereit neben sich. Er zog den Gürtel aus der Hose, wickelte ihn zweimal um den Oberschenkel und zog ihn so fest er konnte an.
Für einen Moment begann sich alles vor seinen Augen zu drehen, und ihm wurde übel. Er schloss die Augen, presste die Lippen aufeinander und versuchte, den Schmerz aus seinen Eingeweiden zu vertreiben.
Dann hörte er erneut das Klicken des Repetierverschlusses. Er öffnete die Augen und blickte in das entschlossene Gesicht des Schützen. Sein Gewehr war auf Jesses Brust gerichtet.
»Du …?«, sagte er ungläubig. Die Tatsache, dass sein ausgeklügelter Plan nun doch nicht aufgehen würde, schockierte ihn nicht halb so viel wie die Erkenntnis, wem er das zu verdanken hatte.
1
»Das war’s«, murmelte Sally. Vor ihr mündete der Birdsville Track wie eine Bootsrampe in einen großen rostbraunen See.
Es war nicht lange her, da hatten die Ausläufer eines Zyklons im Nordwesten Queenslands Regen bis in die staubige, sonnenverbrannte Dreistaatenecke von South Australia, New South Wales und Queensland getragen. Sämtliche Flüsse und Bäche im Umkreis von vielen hundert Quadratkilometern waren zu reißenden Fluten angeschwollen, hatten die ausgetrockneten Salzseen und Lehmpfannen gefüllt und weite Landstriche überflutet. Sie hatten in der sowohl sandigen als auch steinigen Wüstenlandschaft für neues Leben gesorgt.
Die verstreut wachsenden Straggly-Corkbark, Mulga-, Beefwood- und Leopardwood-Bäume erstrahlten nun in kräftigem Grün, und die genügsamen Black Blue-, Turkey- und Inland Belah-Büsche standen teilweise in voller Blüte oder trugen bereits Früchte. Auch die von den wild herumstreunenden Rindern und Schafen der weit auseinanderliegenden Outbackfarmen bis auf den letzten Halm ausgerissenen Steppengräser sprossen wieder überall aus dem kargen Boden, und auf den vereinzelt malerische Kontraste in die Landschaft zeichnenden rostroten Dünen sorgten Wildblumen für leuchtend bunte Farbtupfer.
Vor einigen Wochen noch hätte sich Sally über dieses Naturschauspiel gefreut. Doch nichts in ihrem Leben war noch normal. Sie hatte alles verloren, was ihr etwas bedeutet hatte. Zum Teil war das ihre eigene Schuld. Das meiste führte sie auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurück. Geblieben war ihr ihr 78er Toyota Land Cruiser Pick-up, ein paar hundert Dollar und einige persönliche Habseligkeiten.
Sie seufzte. Wie auch immer. Hier kam sie nicht weiter.
Schon die letzten gut dreihundert Kilometer seit dem kleinen Outbacknest Marree hatte sie immer wieder mit überfluteten Straßenabschnitten und zähem Schlamm gekämpft. Ab hier halfen aber auch kein Geländefahrzeug und ausgezeichnete Offroad-Fahrkünste mehr weiter. Ihr heutiges Etappenziel, das knapp zweihundert Kilometer entfernte Birdsville kurz nach der Grenze zu Queensland, konnte sie vergessen.
Was hatte sie sich dabei gedacht? Bereits in Marree war der Birdsville Track mit ROAD CLOSED ausgeschildert gewesen. Hatte sie sich damit beweisen wollen, dass sie immer noch in der Lage war, schwierigste Herausforderungen zu meistern? »Offensichtlich bist du das nicht«, knurrte sie leise und wendete den Wagen.
Mit jedem Kilometer, den sie in die Richtung fuhr, aus der sie gekommen war, fühlte sie sich schlechter. Die Sonne strahlte an einem wolkenlosen azurblauen Himmel, doch Sally kam es vor, als zögen sich über ihr schwarze Gewitterwolken zu einem todbringenden Tropensturm zusammen. Der imaginäre Sturm verfolgte sie, seine düsteren Wolken senkten sich wie ein Leichentuch immer weiter auf sie hinab.
Sally passierte die unscheinbare Abzweigung zur Clifton-Hills-Station. Ein kleines, einfaches Metallschild in der Größe eines Fahrzeugnummernschildes markierte die Stelle. Sie wischte sich eine Träne aus dem Auge. Genauso ein schlichtes Schild hatte den Weg zu ihrem letzten Zuhause gewiesen.
»Reiß dich verdammt noch mal zusammen«, tadelte sie sich. Doch es nützte nichts.
Elf Kilometer nach der Abzweigung zur Clifton-Hills-Station riss Sally beinahe ungebremst das Lenkrad nach rechts und schlitterte in den unscheinbaren Yelpawaralina Track. Der Land Cruiser stellte sich quer, drohte, in den Straßengraben zu rutschen, doch im letzten Moment fing Sally den Wagen auf und brachte ihn wieder in die Spur.
»Hat nicht viel gefehlt und du hättest dich überschlagen.« Sie lächelte grimmig. »Wäre vielleicht die beste Lösung gewesen.«
Der schmale Seitentrack war nicht so tückisch, wie sie erwartet hatte. Zwar bedeckten auch ihn gelegentlich schlammige Pfützen, doch die stellten kein großes Problem für den Land Cruiser dar.
Dennoch wusste sie, dass der Weg spätestens nach acht Kilometern enden würde. Der bis auf ein paar wenige Wasserlöcher meist ausgetrocknete Warburton Creek führte nach den starken Regenfällen der vergangenen Wochen bestimmt noch Wasser. Das machte die ansonsten sandige Furt zu einem schwer überwindbaren Hindernis. Selbst wenn sie die Durchfahrt schaffte, käme sie weder auf dem folgenden Warburton Track noch der K1 Line oder dem Rig Road Track viel weiter. Vor ihr läge dann die Simpson Wüste mit ihren Hunderten Dünen, zwischen denen nach dem Regen unzählige Seen entstanden waren. Dennoch fühlte sich Sally vom Warburton Creek wie von einem unsichtbaren Magneten angezogen.
Ein schmales grünes Band kam in Sicht. Bäume und Sträucher, die den Fluss säumten. Kurz vor der Furt hielt sie an. Die schmutzigen beigefarbenen Fluten des Warburton flossen hier nur noch träge dahin, an ihre Durchquerung war dennoch nicht zu denken. Zu tief war das Wasser, zu schlammig der Untergrund.
Sie lenkte den Pick-up nach links, fuhr über die von der Sonne aufgesprungene ockerrote Lehmerde. Dabei folgte sie dem locker bewachsenen Ufer bis zu einem stattlichen, in dieser Gegend eher selten wachsenden River Red Gum. Im Schatten seiner verdrehten und weit überhängenden Äste hielt sie an und stellte den Motor ab. Sie stieg aus und trat an das in einem steilen Winkel knapp drei Meter abfallende Flussufer.
Dort, wo das Wurzelwerk der Uferbäume von unzähligen Fluten freigelegt worden war und die einzelnen, schlammverkrusteten Wurzeln wie Spinnenbeine die glitschige Böschung hinunterragten, hatten sich abgerissene Äste, weggespülte Sträucher und vereinzelt komplett entwurzelte Wüstenbäume verfangen. Sie blockierten an vielen Stellen den Zugang zum schlammigen Fluss, auf dem bereits die ersten durch Sauerstoffmangel verendeten Fische trieben.
Alles in allem wirkten die Gestade des Warburton wenig einladend. Dafür passten sie bestens zu Sallys deprimiertem Gemütszustand. In diesem Augenblick wünschte sie sich, einer dieser toten Fische zu sein. Sie trat näher an die Uferböschung. Was hielt sie eigentlich davon ab?
Ein kurzes, helles Pfeifen ließ Sally zusammenzucken. Erschrocken riss sie den Kopf herum. Rechts, keine drei Meter von ihr entfernt, entdeckte sie einen großen Keilschwanzadler. Er saß auf einem kahlen, umgestürzten Coolibah-Eukalyptusbaum, der wie ein Steg von der Uferböschung bis hinunter ins Wasser ragte. Der Raubvogel starrte sie aus seinen schwarzen Augen an, streckte den Hals vor und spreizte die braunschwarzen Flügel – ob fluchtbereit oder angriffslustig konnte sie nicht einschätzen.
»Hast du mich erschreckt«, rief Sally ihm zu.
Der Keilschwanzadler stellte sein Nackengefieder auf, stieß einen schrillen Schrei aus und erhob sich in die Lüfte.
Sally sah zu, wie er zur Mitte des Flusses flog, von wo er den Aufwind nutzte, um sich mit wenigen Flügelschlägen langsam in die Höhe zu schrauben. Jetzt erst bemerkte sie, dass am Himmel über ihr noch zwei weitere Keilschwanzadler ihre Kreise drehten.
Ein Adler an einem Fluss, in dem tote Fische trieben, war nichts Ungewöhnliches. Mehrere an derselben Stelle bedeuteten für gewöhnlich, dass sie einen größeren Kadaver ausgemacht hatten. Sally tippte auf ein Känguru, Rind oder ein Dromedar.
Sie ging zu dem umgekippten Eukalyptusbaum, auf dem der Adler gesessen hatte und blickte die Böschung hinunter. Sofort sprang ihr ein unförmiger grauer Schlammhügel ins Auge. Er befand sich im unteren Drittel des glitschigen Abhangs. Erst glaubte sie, es handle sich um ein angeschwemmtes totes Känguru, dann begriff sie, dass es ein Mensch war.
Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken. Eben hatte sie noch mit dem Gedanken gespielt, sich im Fluss zu ertränken, und nun lag vor ihr ein Mensch, dem offenbar ein ähnliches Schicksal zuteilgeworden war.
Halt! Von der Wasserlinie bis zu den Beinen der Person zog sich eine Kriechspur. Sie war also nicht ans Ufer gespült worden, sondern aus eigener Kraft an Land gekrochen. Lebte sie noch …?
Sally kletterte über den Baumstamm und sprang auf der anderen Seite in den Uferschlick.
Die Böschung war an dieser Stelle an die vier Meter breit, fiel aber weniger steil ab als an den meisten anderen Stellen. Dennoch rutschte sie aus und fiel aufs Hinterteil. Wie auf Eis glitt sie auf dem Hosenboden die Böschung hinunter. Sie stemmte die Schuhabsätze in den Schlick, sodass sich vor ihren Füßen zwei graue Lehmwellen auftürmten.
Eine Armlänge neben der Gestalt erstarrten sie zu kleinen Hügeln. Verdammte Scheiße!, fluchte sie stumm. Wenigstens war sie nicht bis in den Fluss gerutscht. Sie blickte zu dem auf der Seite liegenden Körper. Ein Mann. Wie er dalag, von Kopf bis Fuß mit einer grauen Schlammschicht überzogen, die Beine leicht angezogen, einen Arm in ihre Richtung ausgestreckt, erinnerte er sie an die Abbilder der Vulkanopfer von Pompeji, die sie mal in einer Zeitschrift gesehen hatte.
»Hallo, leben Sie noch?« Was für eine bescheuerte Frage. Etwas Gescheiteres war ihr aber nicht eingefallen.
Sie sah auf den Brustkorb des Mannes, um zu erkennen, ob er noch atmete. Nichts. Seine lehmverkrusteten Kleider waren durch die Sonne allerdings auch ziemlich steif geworden. Ihr Verstand wollte den Mann für tot erklären, da fielen ihr zwei schwarze, daumenlange Gebilde auf, die an seinen nackten Fußknöcheln klebten.
Blutegel! Sally verzog angewidert das Gesicht. Konnten diese von einem Toten Blut saugen? Sie wusste es nicht.
Sie sah sich um. Links neben ihr steckte ein dünner Zweig im Schlamm. Sie zog ihn heraus und stupste damit vorsichtig den Arm des Lehmmannes an. Bei der Berührung zuckte sein Zeigefinger, und Sally stieß einen erschrockenen Seufzer aus. Nun schob sie das Holzstück behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger seiner ausgestreckten Hand. Langsam schlossen sich alle fünf Finger darum.
Sally spürte, wie ihr Herz heftig zu schlagen begann. Sie rutschte vorsichtig zu dem Mann hinüber, ergriff seine Hand und lehnte sich über sein Gesicht. »Können Sie mich verstehen?«
Der Lehmmann drückte kaum spürbar ihre Hand.
»Ich hole Sie hier raus, okay?«
Wieder ein schwaches Drücken.
»Dafür muss ich Sie allerdings ein paar Minuten allein lassen. Ohne Hilfe bekomme ich Sie nicht diese klebrige Böschung hoch.«
Sally freute sich über den erneuten, bereits viel kräftigeren Händedruck.
»Okay«, verabschiedete sie sich und kroch auf allen vieren den faulig riechenden Abhang hinauf.
Durch das mächtige Wurzelpaket getragen, lagen die ersten zwei Meter des umgestürzten Coolibah-Eukalyptus nicht auf dem Boden auf. Sally kroch durch den knapp vierzig Zentimeter hohen Spalt. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen, rannte sie zu ihrem Land Cruiser.
Sie fuhr ihn bis auf drei Meter an den Coolibah heran, legte den Leerlauf ein, zog die Handbremse und sprang aus dem Wagen.
Sie zerrte einen dicken, abgebrochenen Ast heran, platzierte ihn vor den Vorderrädern, öffnete die Feststellbremse des Windenseils und zog es bis zum Spalt unter dem umgekippten Eukalyptusbaum. Noch einmal kehrte sie zum Pick-up zurück. Aus dem Handschuhfach kramte sie die Fernbedienung der Seilwinde und steckte sie in den Hosenbund. Zum Schluss kramte sie unter dem Beifahrersitz einen Baumankergurt hervor und schaffte die Ausrüstung zum umgestürzten Coolibah.
Nachdem sie die beiden Schlaufenenden des Baumankergurts am Seilwindenhaken eingeklickt hatte, kroch sie erneut unter dem Baumstamm hindurch. Sie rutschte auf dem Hintern die klebrige Böschung hinunter, dabei zog sie am Baumankergurt das Windenseil hinter sich her.
Wieder beim Schlammmann, schob sie ihre gespreizten Beine neben seine Schultern. »Hey, bin wieder da.« Sie versuchte, Optimismus auszustrahlen, obschon der Mann erbärmlich aussah. Nicht einmal sein lehmverkrusteter Bart konnte die eingefallen Wangen verbergen. Durch die angetrocknete und teilweise gesprungene graue Lehmschicht auf seiner Haut sah er aus wie ein Greis auf dem Totenbett. »Ich dreh Sie jetzt auf den Rücken, damit ich Ihnen unter die Arme greifen und Ihren Oberkörper aufrichten kann. Danach werde ich Ihnen einen Gurt umlegen und Sie mit der Seilwinde meines Wagens hochziehen. Haben Sie das verstanden?«
Der Mann nickte schwach, die Augen blieben weiter geschlossen.
»Okay, dann los.« Sally drehte den sich steif anfühlenden Körper auf den Rücken. Sie versuchte, ihn aufzurichten, doch er blieb wie in Beton gegossen am Boden kleben. »Ver…dammt!«, keuchte sie. »Dieses Zeug ist so zäh wie eingetrocknete Melasse.« Sie rutschte noch näher an den Mann heran, hob seinen Kopf auf ihren Bauch, sammelte sich und versuchte es erneut.
Es kam ihr vor, als übte sie sich in dem aussichtslosen Unterfangen, einem ausgewachsenen Bullen mit bloßen Händen auf die Beine zu helfen. Zwar schaffte sie es, die Schultern anzuheben, mehr aber nicht. Sally war kurz davor, aufzugeben, da ging ein Ruck durch den Körper des Mannes. Sie spürte, wie sich seine Muskeln spannten und er sich auf die Ellbogen stützte.
Sein Kampfeswille sprang wie ein Glutfunken auf Sally über. »Ja!« Noch einmal mobilisierte sie alle ihre Kräfte.
Diesmal löste sich der Oberkörper langsam und mit schmatzendem Geräusch aus dem klebrigen Schlick. Als er sich in senkrechter Position befand, stützte sie ihn mit einer Hand, mit der anderen griff sie hinter sich und tastete nach dem Baumankergurt. »Shit!« Durch das Nachrücken befand er sich jetzt außerhalb ihrer Reichweite.
Der Mann schien Sallys Dilemma zu begreifen, denn er streckte langsam die zitternden Arme aus und stützte sich auf die Hände.
»Gut so«, feuerte sie ihn an. Sie ließ ihn vorsichtig los, sank nach hinten und streckte sich mit verdrehtem Rücken nach dem Bergegurt.
Sally schlang den Gurt zweimal unter den Schultern um die Brust des Schlammmannes, dann ließ sie ihn wieder auf den Rücken sinken. Der Mann röchelte, rang sichtlich nach Atem.
»Entspannen Sie sich. Den schwierigsten Teil haben wir geschafft. In zwei Minuten sind Sie in Sicherheit.« Sie tätschelte ihm die Schulter, dann kroch sie die Böschung hinauf.
Oben angekommen, zog sie die Fernbedienung aus dem Hosenbund und setzte die Winde in Betrieb. Langsam schleifte der lehmverkrustete Körper die Böschung hoch. Kurz vor der Lücke unter dem Coolibah stoppte sie das Seil. Sie kroch unter dem Baumstamm hindurch, anschließend setzte sie die Winde erneut in Betrieb, zog den Mann unter dem Eukalyptusbaum durch und befreite ihn vom Baumankergurt. »Wer sagt’s denn, wir haben es geschafft. Nun muss ich Sie nur noch in meinen Wagen schaffen. Dann fahren wir Sie zur Clifton-Hills-Station und Ihr Albtraum hat ein Ende.«
Der Schlammmann schüttelte schwerfällig den Kopf. Die rissigen Lippen öffneten sich, gleichzeitig hob er wie in Zeitlupe eine Hand. Offensichtlich wollte er ihr etwas mitteilen.
»Schon okay«, sagte sie sanft. »Sparen Sie Ihre Kräfte.«
Der Mann drehte den Kopf in Sallys Richtung. Seine lehmverkrusteten Lider zuckten. Er versuchte, sie zu öffnen, doch der getrocknete Schlamm hinderte ihn daran.
Sally packte seine Handgelenke. »Nicht die Augen reiben. Ich hole frisches Wasser und wasche sie aus, okay?«
Der Schlammmann nickte schwach.
Sally ging zum Wagen, holte eine PET-Flasche und aus einer Kiste mit Kochgeschirr auf der Ladefläche ein Geschirrtuch.
Sie wusch dem Schlammmann das Gesicht, dabei bemerkte sie, dass seine Stirn regelrecht glühte. »Sie haben hohes Fieber.«
»Weiß … ich«, antwortete er mit leiser, heiserer Stimme.
»Dann sollten wir keine Zeit verlieren und dafür sorgen, dass Sie schnell medizinische Hilfe erhalten.«
Langsam öffnete er die Augen. Sally war irritiert. Obwohl er vom Fieber und den Strapazen, die zweifellos hinter ihm lagen, gezeichnet war, leuchteten seine bernsteinfarbenen Augen, als würden in ihnen winzige goldene Kerzen brennen. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig, auch wenn man ihn aufgrund seiner derzeitigen Verfassung durchaus für älter halten konnte. Noch schien er dem Tode näher als dem Leben, und doch lag in seinem Blick eine beeindruckende Klarheit.
»Wie … heißen … Sie?«, fragte er leise.
»Sally Storer.«
»O…kay, Sally. Ich möchte … nicht … auf diese Farm … gebracht werden.«
Sally runzelte die Stirn. »In Ihrem Zustand ist das keine gute Idee. Vermutlich haben Sie von dieser ekligen Brühe geschluckt und daher so hohes Fieber. Außerdem sehe ich gerade, dass Sie eine verdammt hässliche Wunde am Hinterkopf haben. Die muss dringend gereinigt und desinfiziert werden.«
»Das … schaffen Sie … auch.«
Tief in Sally regte sich ein Urinstinkt, von dem sie bisher nicht gewusst hatte, dass sie ihn besaß. Sie konnte die Flut der Empfindungen, die er auslöste, nicht richtig einordnen. Das Gefühl drohender Gefahr verschmolz mit Angst und dem Wunsch, zu fliehen, seltsamerweise aber auch mit dem Drang, diese Warnsignale zu unterdrücken und zu tun, was der Fremde von ihr verlangte. »Warum wollen Sie nicht, dass ich Sie auf die Farm bringe?«, sprudelten die Worte plötzlich aus ihr heraus. »Kommen Sie von dort und die Beule an Ihrem Hinterkopf ist der Grund dafür? Hat man versucht, Sie umzubringen?«
Er sah ihr mit sanftem Blick in die Augen, versuchte, zu lächeln, brachte aber nur ein hilfloses Zucken der Mundwinkel zustande. »Erzähle es … später.« Er drehte den Kopf zum nahen River Red Gum. »Schöner … Platz, um … zu … lagern.«
Sally folgte seinem Blick. »Ja, doch nicht in Ihrer Verfassung. Wenn das Fieber noch höher steigt, fallen Sie ins Koma.«
»Unter … den Baum, bitte. Und dann … brühen Sie einen Sud … aus River Red Gum Blättern. Muss … Dämpfe einatmen.«
»Wozu soll das gut sein?« Sally war sich nicht sicher, ob der Schlammmann noch wusste, was er sagte. Auf seiner Stirn hatten sich inzwischen Schweißtropfen gebildet, außerdem begann er, unkontrolliert zu zittern.
»Buschmedizin«, flüsterte er, dann kippte sein Kopf zur Seite.
»He, hören Sie mich?« Sally tätschelte seine Wange. »Hallo?« Hastig fühlte sie nach seinem Puls. »Zum Glück«, sagte sie erleichtert, »er ist nur bewusstlos.«
Sie hatte drei Möglichkeiten. Entweder erfüllte sie die Bitte des Mannes, oder sie ignorierte sie und brachte ihn zum Clifton Hills Homestead. Die dritte Option war, sie fuhr zurück bis Marree, wo es eine stationäre Krankenschwester des Royal Flying Doctor Services gab. Keine der drei Möglichkeiten gefiel ihr. Marree würde sie erst bei Nacht erreichen, wenn überhaupt. Schon bei Tag war es schwer genug gewesen, auf dem gesperrten Track nicht stecken zu bleiben. Bei Dunkelheit war das unmöglich zu schaffen. Ebenso wenig behagte es ihr, den Mann nach Clifton Hills zu bringen. Vermutlich war vorhin nur die Fantasie mit ihr durchgegangen. Doch wenn nicht, brachte sie damit nicht nur ihren Patienten in Gefahr, sondern auch sich selbst.
Vielleicht war es wirklich das Beste, das Lager diese Nacht unter dem Flusseukalyptus aufzuschlagen. Und morgen brachte sie den armen Kerl dann nach Marree – sofern er die Nacht überstand.
Die Sonne stand tief im Westen. Eine sanfte abendliche Brise ließ die Blätter der Bäume am Ufer flirren, und das warme Licht, das zwischen ihnen hindurchdrang, rieselte wie rotgoldener Staub auf die Erde.
Sally saß unter dem River Red Gum am Lagerfeuer und stocherte lustlos in einem Blechteller herum. Bohnen mit Speck, viel Knoblauch, Zwiebeln, Dosentomaten, das Ganze gewürzt mit reichlich billigem Rotwein aus der Kartonbox, Pfeffer, Chili und Paprika, gehörte zu ihren Lieblingsgerichten. Und auch wenn sie sich seit Wochen richtig mies fühlte, an Appetit hatte es ihr nie gefehlt. Bis heute.
Wäre sie nicht über diesen geheimnisvollen Mann gestolpert, hätte sie sich heute womöglich umgebracht. Wer war er, was war sein Geheimnis? Sally spulte ihre Gedanken ein paar Stunden zurück.
Sie hatte den Schlammmann in den Schatten unter dem Flusseukalyptus gezogen. Danach wickelte sie ihn in eine Decke, sammelte Holz, entzündete ein Feuer. Anschließend holte sie aus der Kochkiste ihren Billy, machte in dem Teekessel Wasser heiß und kochte wie von ihm beschrieben einen Sud aus River Red Gum Blättern. Über zwanzig Minuten ließ sie ihn unter einem Badetuch den Dampf einatmen. Danach holte sie mit einem Eimer an der Furt Wasser, das sie in einem großen Topf auf dem Gaskocher erhitzte. In der Zwischenzeit durchsuchte sie die Taschen des Bewusstlosen, fand jedoch nichts, was auf seine Identität schließen ließ.
Schließlich zog sie ihn komplett aus. Das war ihr peinlich gewesen, doch sie hatte keine andere Wahl gehabt, denn seine zerrissenen Kleider waren unter der Schlammschicht feucht gewesen. Sie entfernte drei weitere Blutegel, wusch seine Haare, desinfizierte die große Platzwunde mit Reinigungstüchern aus ihrem Erste-Hilfe-Koffer und nähte sie mit fünf Stichen.
Während sie den Mann wusch, zählte sie über zwei Dutzend frische Prellungen, Schnitt-, Schürf- und Brandwunden. Ihr erster Gedanke war, dass der Mann erst gefoltert und dann in den Fluss geworfen worden war. Doch dann entdeckte sie zwei Verletzungen, die sie, wenn auch an Tieren, schon mehrmals gesehen hatte. Die eine befand sich am Bein, war unregelmäßig rund, mit schlecht verheilten, leicht wulstigen rötlichen Rändern. Sie hatte ungefähr den Durchmesser einer Zweidollar-Münze. Die andere befand sich am Oberarm, war fingerbreit und länglich. Beide Verletzungen sahen für Sally wie Schusswunden aus. Die schlecht verheilte wie ein Oberschenkeldurchschuss, die frische wie ein Streifschuss. Damit nicht genug: Der Unbekannte hatte auch Narben auf Brust und Bauch, die unmöglich von einem Unfall oder Kampf herrühren konnten. Dafür waren sie zu symmetrisch. Sie mussten ihm ganz gezielt zugefügt worden sein.
Sie musterte den Mann noch einmal eingehend. Er hatte rabenschwarzes Haar und eine, trotz seines schlechten Zustandes, recht dunkle Hautfarbe. Aufgrund des kräftigen, sportlichen Körperbaus, der schwieligen Hände und des wettergegerbten Gesichts lag die Vermutung nahe, dass er körperliche Arbeit gewohnt war und viel Zeit im Freien verbrachte. Wären nicht die seltsamen Narben auf seiner Brust gewesen, Sally hätte den Mann für einen Stockman, einen australischen Cowboy gehalten.
Woher stammten die Narben? Waren sie das Ergebnis brutaler Folter, oder war er am Ende ein Aborigine-Mischling und die Narben Stammeszeichen? Sally tippte auf das Zweite. Zwar wies der Unbekannte außer einer dunklen Hautfarbe keine typischen Merkmale eines Eingeborenen-Mischlings auf – wie zum Beispiel vollere Lippen und eine etwas kürzere, breitere Nase. Bei einem Mischling vierter oder fünfter Generation traten solche Merkmale allerdings auch nicht immer so ausgeprägt zutage. Ein Farmarbeiter auf Cananinya Creek, ihrem letzten Zuhause, glich sehr ihrem Unbekannten, und der war ein Halbblut-Aborigine.
Sally hatte ihren Patienten wieder in die Decke gehüllt und ihn in den Swag gerollt. Während der ganzen Prozedur war er nicht einmal aufgewacht. Er hatte weder im Fieberwahn fantasiert noch sich hin und her gewälzt, wie sie das bei einem Menschen mit hohem Fieber erwartet hätte.
Später sah sie nochmals nach ihm, und da fühlte sich seine Stirn bereits nicht mehr so heiß an. Durch das Inhalieren der Eukalyptusdämpfe hatte auch das fiebrige Zittern nachgelassen. Ihre Sorgen schmälerte das in keiner Weise, im Gegenteil. Die Frage, wer der Mann war, was ihm zugestoßen war und ob von ihm eine Gefahr für sie ausging, blieb.
Woher hatte er die Verletzung am Arm, von der Sally als erfahrene Schützin vermutete, dass es ein Streifschuss war? Sie konnte nur raten. Vielleicht gehörte er einem Aborigine-Stamm an, hatte ein schweres Verbrechen wie einen Mord begangen, worauf man ihn jagte, anschoss und er in den Fluss stürzte. Oder er hatte auf einer Farm – vielleicht auf Clifton Hills – als Stockman gearbeitet und dort im Streit die ganze Farmerfamilie massakriert. »So ein Schwachsinn«, tadelte sie sich, »mit dir geht die Fantasie durch.« Doch das beklemmende Gefühl, das sich wie eine Würgeschlange um ihre Brust schlang, blieb. Eins war sicher: Heute Nacht würde sie mit ihrer geladenen und entsicherten Ruger M77 neben sich schlafen – wenn sie überhaupt Schlaf fand.
Während ihr Patient in ihrem robusten Swag aus Zeltstoff mit integrierter Liegematte und Moskitoschutz schlief, musste sie mit Jacke und Pferdehaardecke auf der harten Ladefläche des Land Cruisers zurechtkommen. Vielleicht war das aber gut so. Sie hatte dann mehr Bewegungsfreiheit und konnte schneller reagieren, falls das nötig werden sollte.
Sie befreite sich aus ihren trüben Gedanken, stand auf, wusch ab, brühte sich eine Tasse Tee auf und sah nochmals nach ihrem Patienten.
Dieser schlief weiterhin tief und fest, atmete ruhig und regelmäßig, und sein Fieber war weiter gesunken. »Erstaunlich«, murmelte sie. Entweder verfügte dieser Mann über eine bemerkenswerte Konstitution, oder das Eukalyptus-Gebräu war ein kleines Wundermittel.
Sally legte noch ein paar Holzscheite ins Feuer, dann zog sie sich mit ihrem dampfenden Emailleteebecher auf die Ladefläche des Land Cruisers zurück.
Während die Sonne wie eine orangegelbe Scheibe hinter den milchigblauen Horizont tauchte, segelte von Osten laut krächzend eine Schar Nacktaugenkakadus heran. Zeternd und keifend ließen sie sich in den Bäumen entlang des Ufers nieder, wo sie noch, bis es dunkel wurde, um die besten Schlafplätze stritten.
2
Er erwachte vor Sonnenaufgang mit einem Kopf, der zu klein für die Heavy Metal Band war, die darin spielte, einem leeren Magen, der an sich selbst zu nagen schien und einem Geschmack im Mund, der ihn an die Überreste eines verfaulten Fischs erinnerten.
Er blinzelte durch das Moskitonetz über seinem Gesicht. Einen Moment blickte er durch das Netz zum Blätterdach des Red River Gums, zwischen dem immer wieder Sterne wie kleine Glühwürmchen aufleuchteten. Dann zog er den Innenreißverschluss bis zu den Knien auf, schlug eine Seite des Swags zur Seite und atmete tief die kühle Morgenluft ein.
Er lebte. Oder besser gesagt, er hatte überlebt. Dank eines Überlebenswillens, den er sich nicht erklären konnte. So wie viele andere Dinge. Trotz allem wäre er gestorben, wenn ihn die junge Frau nicht gerettet hätte. Wie war doch gleich ihr Name …? Sally, richtig. Er war nicht sicher, ob alles, was er in den vergangenen Tagen erlebt zu haben glaubte, wirklich so geschehen war. Andererseits deutete alles darauf hin.
Er setzte sich vorsichtig auf. Blitze zuckten durch sein Gehirn, und zwischen seinen Schädelwänden sprang das Echo von AC/DC Sänger Brian Johnsons Gekreische zu Angus Youngs Lead-Gitarrensolo hin und her. Er schloss die Augen, suchte nach dem Stromstecker, fand aber nur den Lautstärkeregler. Immerhin.
Er atmete durch, dann schälte er sich ganz aus dem Swag. Sogleich wurde ihm schwindlig, dann übel.
Er musste dringend Flüssigkeit zu sich nehmen und etwas essen. In dieser Reihenfolge. Wasser hatte er in den vergangenen Tagen mehr als genug geschluckt, das meiste allerdings unfreiwillig. Zudem war es verschmutzt gewesen, daher das Fieber und die Kopfschmerzen. Jedes seiner Glieder schmerzte, außerdem fühlte er sich immer noch fiebrig. Ein weiterer Flusseukalyptus-Blättersud schaffte bestimmt Abhilfe.
Er wartete, bis er sich besser fühlte, stand auf und sah sich um. Aus einem Lagerfeuer keine drei Schritte vor ihm kräuselte sich eine dünne Rauchsäule wie von einer ausgeblasenen Kerze. Dahinter hingen an einer Schnur, die zwischen dem stattlichen River Red Gum und der Bull Bar eines Toyota Land Cruiser gespannt war, seine Kleider – inklusive Unterhose.
Er sah an sich hinunter. Tatsächlich, er war nackt. Entweder war Nacktheit etwas ganz Natürliches für ihn oder sein Verstand war noch weit davon entfernt, richtig zu funktionieren.
Er blickte sich nach seiner Retterin um, konnte sie aber nicht entdecken. Vermutlich lag sie auf der Ladefläche des Pick-ups und schlief noch.
Er trat neben das Lagerfeuer, legte vom daneben aufgeschichteten Feuerholz ein paar kleine Scheite auf, kauerte sich an die Feuerstelle und rieb sich über den zaghaft aufflackernden Flammen die Hände.
Mindestens sieben Tage war er nun schon unterwegs. Weiter zurück konnte er sich nicht erinnern. Ebenso wenig, wie er überhaupt in diese Lage geraten war. Vergeblich hatte er versucht, die Lücken in seiner Erinnerung zu schließen. Es war, als wäre aus seinem Gehirn ein Stück herausgeschnitten worden. Genauso verblüfft war er, dass er es geschafft hatte, so lange am Leben zu bleiben. Wie er festgestellt hatte, wusste er, wie man im Busch überlebte, auch wenn er keine Ahnung hatte, woher dieses Wissen stammte.
Bevor ihn das Fieber heimgesucht und fast besiegt hatte, arbeitete ein Teil seines Verstandes rationell und lösungsorientiert. Der andere war wie ein leerer, fensterloser Raum, in dessen pechschwarzer Finsternis er auch jetzt vergebens nach dem Lichtschalter tastete.
Das Klicken eines Repetierbüchsenverschlusses riss ihn aus seinen Gedanken. Er erkannte das Geräusch, auch ohne sich danach umzudrehen. Es löste eine Gefühlsflut aus, die von kalter Erregung bis Angst reichte, jedoch keine klaren Erinnerungen oder Bilder erzeugte. Auch hier tappte er in der schwarzen Leere seines Verstandes.
»Guten Morgen, Sally«, sagte er, den Blick weiter auf das wiedererwachte Feuer gerichtet. Seine Stimme klang heiser und doch ruhig, beherrscht und ohne eine Spur von Angst. Offenbar zielte nicht zum ersten Mal jemand mit einer Waffe auf ihn.
»Selbst Morgen.« Sallys Stimme klang angespannt.
»Das Gewehr brauchen Sie nicht. Ich werde meiner Retterin bestimmt nichts antun.«
Einen Augenblick herrschte Stille.
»Ich war mir nicht sicher, ob Sie diese Nacht überstehen würden. Und nun kauern Sie am Feuer, als wenn nichts gewesen wäre. Ihre Zähigkeit und Ihr Überlebenswille sind wirklich erstaunlich.«
»Offen gestanden überrascht mich das selbst.« Er blickte über die Schulter.
Sally kniete auf der Ladefläche des Pick-ups. Von der Repetierflinte war nur ein Stück des Laufs zu sehen, der Rest wurde von der Seitenwand der Ladefläche verdeckt. »Verraten Sie mir, warum Sie sich vor mir fürchten?«
»Tu ich nicht. Ich bin nur vorsichtig.«
Er lächelte. »Okay. Und was aktivierte diese atavistische Zelle der Vorsicht in Ihnen?«
»Ata…was?«
»Dieses, sagen wir, urzeitliche Warnsignal.« Er stand auf und drehte sich zu ihr um. Er schätzte Sally auf Anfang zwanzig. Ihr Gesicht hatte typische nordische Züge – schlank, mit zarter Nase, schmalem Unterkiefer, betontem Kinn und langen, geflochtenen blonden Haarzöpfen. Der einzige kleine Makel, wenn man so wollte, war eine schmale Narbe, die in einem Halbkreis vom linken Ohransatz über die Wange bis zum Hals führte und ihrem hübschen Gesicht eine wildherbe Note verlieh.
»Verstehe«, sagte sie nach kurzem Überlegen. Sie richtete sich ebenfalls auf. Das Gewehr lässig unter den Arm geklemmt, sprang sie leichtfüßig von der Ladefläche. »Ihr Körper ist von Narben übersät«, fuhr sie schließlich fort, »und dann sind da noch die Schussverletzungen an Ihrem Bein und Oberarm sowie die höchst ungewöhnlichen Umstände, unter denen ich Sie gefunden habe.«
Er runzelte die Stirn. »Hm, das gäbe mir vermutlich auch zu denken.«
»Schön, dass wir einer Meinung sind«, sagte sie trocken. »Und ehe wir jetzt weiterreden, wäre es schön, wenn Sie sich was anziehen würden.«
»Klar.« Er musste schmunzeln. Im Gegensatz zu Sally war ihm die Situation kein bisschen peinlich. »Übrigens«, rief er über die Schulter, während er Unterhose und Jeans von der provisorischen Wäscheleine nahm, »danke, dass Sie mich und meine Sachen gewaschen haben.«
»Keine Ursache.«
Während er in seine Kleider schlüpfte, langte Sally mit einer Hand hinter sich auf die Ladefläche.
»Das sollte Ihnen einigermaßen passen«, meinte sie und hob ein zerknülltes, rotschwarz-kariertes Holzfällerhemd hoch. Sie ging ein paar Schritte in seine Richtung, dann warf sie ihm das Hemd zu. »Ihr T-Shirt habe ich verbrannt, es war komplett zerrissen.«
Er streifte sich das Hemd über und nickte. »Passt, danke.« Er sah ihr in die blaugrünen Augen. Sally hatte nicht gelogen. In ihrem Blick lag nicht einmal ein winziger Funke Angst. Dafür die gebündelte Vorsicht und Konzentration einer Wildkatze auf der Jagd. »Ist es okay, wenn ich mich wieder setze? Ich fühle mich noch immer ziemlich mies.«
»Sicher. Haben Sie Durst oder Hunger?«
»Beides. Außerdem scheint in meinem Kopf ein Känguru eingesperrt zu sein, das wie wild gegen meine Schädelwände tritt.«
»Was ist mit dem Fieber?«
»Besser. Einen Blättersud noch, dann hab ich’s überstanden.«
Sally hob den Billy-Kessel auf, der auf dem Boden neben der Feuerstelle stand und trug ihn zum Wasserkanister neben dem Pick-up. »Diese geometrischen Narben auf Ihrem Oberkörper, sind das Stammeszeichen?«
Er senkte den Kopf und blickte auf seine vom Hemd bedeckte Brust. »Mhm …«
»Nun ja, muss auf jeden Fall sehr schmerzhaft gewesen sein.«
»Kann man annehmen.«
Sally hielt kurz inne. »Woher haben Sie die anderen frischen Verletzungen, wie die an Ihrem Arm?«
»Keine Ahnung.«
Langsam und mit argwöhnischem Blick drehte sich Sally zu ihm um. »Sie wollen mich verscheißern, oder?«
Er schüttelte den Kopf.
Sie kniff ungläubig die Augen zusammen. »Da fällt mir ein, ich habe Sie noch gar nicht nach Ihrem Namen gefragt. Wie heißen Sie?«
Er rümpfte die Nase. »Noch so eine interessante Frage.«
Auf Sallys Stirn bildeten sich eine Reihe eng beieinanderstehender Falten. »Was soll das bedeuten? Dass Sie es nicht wissen, oder dass Sie es mir nicht sagen wollen?«
»Ob Sie es glauben oder nicht: Ich kann mich weder an meinen Namen erinnern noch wie ich in diese Lage geraten bin. Es ist, als hätte sich ein Parasit durch mein Gehirn gefressen und dabei Teile meiner Erinnerungen gelöscht.«
Sally schüttelte langsam den Kopf. »Es fällt mir schwer, Ihnen das abzukaufen.« Sie kehrte zum Feuer zurück und setzte den Blechkessel in die Glut. »Sehen Sie, ich bin im Outback aufgewachsen, ich kann mit Schusswaffen umgehen und ich erkenne eine Schussverletzung, wenn ich eine sehe. Und das da an Ihrem Arm sieht verdammt nach einem Streifschuss aus, ganz zu schweigen von dieser alten Wunde an Ihrem Bein, die meiner Erfahrung nach ebenfalls von einer Kugel stammt. Kein Wunder also, dass Sie mich nervös machen.«
»Verstehe ich. Sollten Sie dann nicht etwas vorsichtiger sein?«
Sally kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Wie ist das gemeint?«
Er nickte mit dem Kinn in Richtung Pick-up.
Sally folgte seinem Blick. Ihre Ruger M77 lehnte am Wagen. »Das haben Sie falsch interpretiert. Das Gewehr habe ich absichtlich dort platziert. Sie sind zu geschwächt, um mich zu überwältigen und zu wackelig auf den Beinen, um es vor mir zum Wagen zu schaffen. Hätte ich aber die Ruger mit ans Feuer genommen, wer weiß, ob Sie nicht einen Versuch gestartet hätten, sie mir abzunehmen.«
Er lächelte. »Ich sehe schon, Sie sind eine sehr kluge Person, Sally. Sie aufgrund Ihres eher zierlichen Äußeren falsch einzuschätzen, wäre wohl ein großer Fehler. Darüber hinaus sind Sie ausdauernd, zäh und schwer kleinzukriegen. Ich würde sagen, Sie sind ein Farmmädchen, stimmt’s?«
Auf Sallys Stirn bildeten sich erneut tiefe Falten. »Ja«, antwortete sie knapp. Sie wandte sich abrupt um, dabei peitschten ihre blonden Haarzöpfe um ihren schlanken Hals.
Sie saßen schweigend vor dem Lagerfeuer, jeder einen Blechteller in Händen, aßen Bohnen mit Corned Beef und tranken rauchig schmeckenden Billy Tee. Hin und wieder musterte Sally ihn verstohlen, doch er ließ sich nichts anmerken.