Versicherungsmedizinische Gutachten

Ein interdisziplinärer juristisch-medizinischer Leitfaden

1. Auflage 2007:

Gabriela Riemer-Kafka, Universität Luzern (Hrsg.)

unter Mitwirkung von

Yvonne Bollag, Ulrike Hoffmann-Richter, Jörg Jeger, Rudolf Kissling, Arnulf Möller, Inès Rayower, Gabriela Riemer-Kafka, Rudolf Rüedi, Bruno Soltermann, Reto von Steiger, Hans Rudolf Stöckli, Annette Thommen, Ambros Uchtenhagen

2. Auflage 2012:

Gabriela Riemer-Kafka, Universität Luzern (Hrsg.)

unter Mitwirkung von

Peter Arnold, Oskar Baenziger, Wout de Boer, Yvonne Bollag, Rüdiger Brinkmann, Franz Fischer, Ulrike Hoffmann-Richter, Jörg Jeger, Regina Kunz, Renato Marelli, Hans-Jakob Mosimann, Otmar Niederberger, Tommaso Parisi, Inès Rajower, Hans Peter Rentsch, Gabriela Riemer-Kafka, Gregor Risi, Rita Schaumann-von Stosch, Urban Schwegler, Bruno Soltermann, Andreas Traub, Bruno Trezzini, Corinne Zbaeren-Lutz

Versicherungs­medizinische Gutachten

Ein interdisziplinärer juristisch-medizinischer Leitfaden

Dritte, vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage

Gabriela Riemer-Kafka, Universität Luzern (Hrsg.)

unter Mitwirkung von

Peter Arnold, Wout de Boer, Yvonne Bollag, Selin Elmiger-Necipoglu, Franz Fischer, Ulrike Hoffmann-Richter, Jörg Jeger, Petra Kern, Ralf Kocher, Regina Kunz, Hans-Jakob Mosimann, Tommaso Parisi, Hans Peter Rentsch, Gabriela Riemer-Kafka, Evalotta Samuelsson, Rita Schaumann-von Stosch, Urban Schwegler, Bruno Soltermann, Hans Rudolf Stöckli, Andreas Traub, Bruno Trezzini, Ronald Walshe, Erich Züblin

© 2017 by EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Basel

Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel

ISBN Stämpfli 978-3-7272-8998-9

ISBN EMH Schweizerischer Ärzteverlag 978-3-03754-102-9

eISBN (ePUB) 978-3-03754-103-6

 

E-Book: Schwabe AG, www.schwabe.ch

 

www.emh.ch

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

A. Funktion des Gutachtens – Aufgabe des Gutachters: eine Einführung aus medizinischer und juristischer Sicht

I. Allgemeine Einführung

II. Aus medizinischer Sicht

1. Arzt-Patienten-Beziehung

2. Methodik

3. Voraussetzungen

4. Verfassen des Gutachtens

III. Aus juristischer Sicht

1. Grundsätzliches

a) Sozialversicherungsrecht

b) Privatrecht

2. Das Gutachten als Beweismittel

3. Aufgaben des Arztes

4. Grundsatz der freien Beweiswürdigung

5. Richtlinien für die Beweiswürdigung

B. Modalitäten des versicherungsmedizinischen Gutachtens

I. Rahmenbedingungen und formalrechtliche Aspekte des Gutachtensauftrags

1. Allgemeine Einleitung

2. Abklärung von Amtes wegen und Mitwirkungspflicht der zu begutachtenden Person

3. Anordnung der Begutachtung und Mitwirkungsrechte der zu begutachtenden Person

a) Auswahl des Gutachters, Untersuchungsart und -umfang

b) Zeitpunkt des Gutachtens

c) Mitwirkungsrechte der zu begutachtenden Person, Anfechtungsmöglichkeiten

d) Gerichtliche Gutachtensaufträge

4. Der konkrete Gutachtensauftrag

a) Im Allgemeinen

b) Checkliste

c) Grundlagen

aa) Aktenvollständigkeit

bb) Drittaussagen und Observationen

cc) Fragestellung

dd) Koordination

5. Begutachtung von Fremdsprachigen

6. Datenschutz

a) Im Allgemeinen

b) Rechtmässiger Umgang mit Daten durch Versicherer und Gutachter

aa) Grundsatz der Rechtmässigkeit (Art. 4 Abs. 1 DSG und Art. 321 StGB)

bb) Schweigepflicht und ihre Ausnahmen (Art. 33 ATSG, Art. 321 StGB)

cc) Aktengutachten, insbesondere in der Haftpflichtversicherung

dd) Weitere Grundsätze des Datenschutzrechts

c) Datenbekanntgabe zwischen Versicherern im Besonderen

II. Fragesteller und Fragestellung

1. Im Allgemeinen

2. Konkrete Streitlage

3. Konzise Fragestellung; Tatfragen und nicht Rechtsfragen

4. Anzahl von (spezifischen) Fragen

5. Musterfragen?

III. Gliederung des Gutachtens

1. Grundlagen

2. Vorgeschichte gemäss Aktenlage

3. Exploration

4. Untersuchungsbefunde und allfällige Zusatzuntersuchungen

5. Allfällige Angaben von Drittpersonen/Fremdanamnese

6. Diagnosen/Differentialdiagnosen

7. Versicherungsmedizinische Beurteilung und Beantwortung der Fragen

8. Interdisziplinäre Beurteilung

IV. Medizinische Abklärung der Haushalttätigkeit

1. Im Allgemeinen

a) Sozialversicherungsrechtliche Sichtweise

b) Haftpflichtrechtliche Sichtweise

2. Vorgehen bei der Bestimmung der Einschränkung im Haushalt

a) Abklärung der Einschränkungen im Haushalt im Sozialversicherungsrecht

b) Die Bestimmung des Haushaltschadens im Haftpflichtrecht

Anhang zu B.II.5: Musterfragen

C. Begriffe

I. Aggravation (inkl. Simulation)

II. Arbeitsunfähigkeit

1. Im Allgemeinen

2. Aus medizinischer Sicht

3. Aus juristischer Sicht

III. Befund

IV. Berufskrankheit

V. Beweismass (Beweisgrad)

VI. Dauerhaftigkeit

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

VII. Diagnose

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

VIII. Erwerbsunfähigkeit

1. Definition

2. Abgrenzungen

a) Zur Arbeitsunfähigkeit

b) Zur arbeitsmarktlich bedingten Erwerbsunfähigkeit

IX. Funktionelle Leistungsfähigkeit

X. Gutachten

XI. Integritätsschaden

XII. Invalidität

1. Im Allgemeinen

2. In der Sozialversicherung

a) Im Zusammenhang mit dem Anspruch auf eine Invalidenrente

b) Im Zusammenhang mit Eingliederungsmassnahmen, Hilfsmitteln und Hilflosigkeit

3. In der Privatversicherung

4. Im Haftpflichtrecht

XIII. Invaliditätsfremde Faktoren

1. Im Allgemeinen

2. Aus medizinischer Sicht

3. Aus juristischer Sicht

XIV. Kausalität

1. Natürlicher Kausalzusammenhang

2. Adäquater Kausalzusammenhang

a) Grundsatz und Normalfall

b) Bei psychischen Unfallfolgen (sog. Psychopraxis)

c) Bei Schleudertraumen der HWS (sog. Schleudertraumapraxis)

3. Unterschied im Haftpflichtrecht

XV. Komorbidität

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

XVI. Konsistenz

XVII. Krankheit

1. Im Allgemeinen

2. Aus medizinischer Sicht

a) Subjektive und objektive Wahrnehmung

b) Gesellschaftliche Wahrnehmung

3. Aus juristischer Sicht

4. Zusammenführung von medizinischem und juristischem Krankheitsbegriff

XVIII. Leitlinien, Richtlinien

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

XIX. «Mit und ohne Krankheitswert»

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

XX. Objektivität und Objektivierbarkeit

1. Aus medizinischer Sicht

2. Aus juristischer Sicht

XXI. Schadenminderungspflicht

1. Im Allgemeinen

2. Aus medizinischer Sicht

3. Aus juristischer Sicht

XXII. Simulation s. Aggravation

XXIII. Syndrom und Störung

1. Syndrom

2. Störung

XXIV. Unfall

XXV. Unfallähnliche Körperschädigung (UKS)

XXVI. Urteilsfähigkeit

1. Begriff und Ursachen

2. Anwendungsfälle

a) Suizid

b) Andere Fälle schuldhafter Herbeiführung oder Verschlimmerung des Versicherungsfalls

c) Anordnung von Abklärungs- oder Eingliederungsmassnahmen

3. Beweis

XXVII. Zumutbarkeit

1. Aus medizinischer Sicht

a) Im Allgemeinen

b) Zumutbarkeit bei somatischen Beeinträchtigungen

c) Zumutbarkeit bei psychischen Beeinträchtigungen

d) Zumutbarkeit diagnostischer und therapeutischer Massnahmen

2. Aus juristischer Sicht

D. Bedeutung der ICF bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Leistung

I. Einleitung

II. Was ist ICF?

1. Geschichte der ICF

2. ICF-Framework und Interaktionsmodell

3. Die ICF-Klassifikation

4. Definitionen im Rahmen der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

III. Anwendbarkeit der ICF im Kontext der medizinischen Begutachtung

1. Anwendbarkeit des ICF-Frameworks

2. Anwendbarkeit der ICF-Klassifikation

3. Anwendbarkeit der ICF Core Sets und ICF-basierter Instrumente

4. Praktische Anwendung der ICF in der medizinischen Begutachtung

IV. Mehrwert einer Verwendung der ICF in der Begutachtung

1. Aus medizinischer Sicht

2. Anwendungsbeispiel

a) Bezüglich somatischen Leidens

b) Bezüglich psychiatrischen Leidens

3. Aus rechtlicher Sicht

a) Ziel: Transparente Herleitung der qualitativen und quantitativen Arbeitsfähigkeit

b) Für die versicherungsmedizinische Begutachtung relevante Komponenten des ICF-Frameworks (vgl. die Erläuterungen der einzelnen Termini unter vorne II.4)

c) Integration der ICF-Methodik in die gutachterliche Herleitung der Arbeitsunfähigkeit (unter Berücksichtigung der Vorgaben von BGE 141 V 281 betreffend psychosomatische Leiden)

4. Zusammenführung von medizinischer und rechtlicher Sicht bezogen auf das Fallbeispiel (vgl. vorne IV.2 und 3.b/c)

V. Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Allgemeine Literatur

2. Literatur zu ICF

Mitautoren und ihre Funktionen

Abkürzungsverzeichnis

Abb.

Abbildung

Abs.

Absatz

AHV

Alters- und Hinterlassenenversicherung

AHVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10)

AG

Aktiengesellschaft

AIDS

Acquired Immune Deficiency Syndrome

AMA

American Medical Association

APP

Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen

Art.

Artikel

ASIM

Academy of Swiss Insurance Medicine

ATSG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1)

Aufl.

Auflage

AVB

Allgemeine Versicherungsbedingungen

AVIG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz; SR 837.0)

BAG

Bundesamt für Gesundheit

BAR

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Deutschland)

BehiG

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen, (Behindertengleichstellungsgesetz; SR 151.3)

betr.

betreffend

BG

Bundesgesetz

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

BGer

Bundesgericht

bspw.

beispielsweise

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101)

BVG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.40)

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

d.h.

das heisst

dgl.

dergleichen

Dr.

Doktor

DSG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1)

DSM

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen)

E.

Erwägung

EBM

Evidenzbasierte Medizin

ed./Ed.

edition/Edition

EEG

Elektroenzephalographie

EFH

Evaluation der funktionellen Haushaltfähigkeit

EFL

Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit

eidg.

eidgenössisch

EKG

Elektrokardiogramm

EMBA

Executive Master of Business Administration

EMRK

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101)

EUMASS

European Union of Medicine in Assurance and Social Security

ev.

eventuell

EVG

Eidgenössisches Versicherungsgericht (bis 31.12.2006)

f./ff.

folgende/fortfolgende

FMH

Foederatio Medicorum Helveticorum (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte)

Fn.

Fussnote

FRSM

Fellow of the Royal Society of Medicine, London

FS

Festschrift

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

HAVE

Haftung und Versicherung (Zürich)

Hrsg.

Herausgeber

HWS

Halswirbelsäule

i.d.R.

in der Regel

i.S.v.

im Sinne von

ICD

International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme)

ICF

International Classification of Functioning, Disability and Health (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)

ICHD

International Headache Classification (Internationale Kopfschmerz-Klassifikation)

ICIDH

International Classification of Impairment, Disability and Handicap (…)

IFAP

Instrument für Funktionelle Aussagen in der Psychiatrie

inkl.

inklusive

IRP-HSG

Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis, Universität St. Gallen

iur.

Rechtswissenschaft

IV

Invalidenversicherung

IVG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (SR 831.20)

IVV

Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (SR 831.201)

Kap.

Kapitel

kg

Kilogramm

KVG

Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10)

lic.

Lizenziat

lit.

litera

LUKS

Luzerner Kantonsspital

LuZeSo

Luzerner Zentrum für Sozialversicherungsrecht, Universität Luzern

MA

Master

MD (phD)  

Medical Doctor (philosophiae doctor)

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (Deutschland)

med.

Medizin

MEDAS

Medizinische Abklärungsstelle

mind.

mindestens

MPA

Medizinische Praxisassistentin

MPH

Master of Public Health

MSc (epi)

Master of Science (in klinischer Epidemiologie)

MV

Militärversicherung

MVG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (SR 833.1)

o.g.

oben genannt(en)

OR

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) (SR 220)

p.

page (Seite)

PD

Privatdozent

phD

philosophiae doctor (wissenschaftlicher Doktorgrad in englischsprachigen Ländern)

phil.

philosophiae

Prof.

Professor

RA

Rechtsanwalt

RAD

Regionale(r) Ärztliche(r) Dienst(e)

REAS

Responsabilité et assurance (Zürich) = HAVE

Rz.

Randziffer

S.

Seite

s.

siehe

SAKE

Schweizerische Arbeitskräfteerhebung

SGB IX

Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (Deutschland)

SGPP

Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie

SIM

Swiss Insurance Medicine

sog.

sogenannt

SPF

Schweizer Paraplegiker-Forschung

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0)

stv.

stellvertretend

Suva

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern

SVA

Sozialversicherungsanstalt

SZS

Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge (Bern)

u.a.

und andere(s); unter anderem

u.a.m.

und andere(s) mehr

u.U.

unter Umständen

u.v.m.

und vieles mehr

UKS

Unfallähnliche Körperschädigung

UPIM

University Professional of Advanced Studies Insurance Medicine

USA

United States of America

usw.

und so weiter

UV

Unfallversicherung

UVG

Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (SR 832.20)

UVV

Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (SR 832.202)

v.a.

vor allem

vgl.

vergleiche

VVG

Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1)

VwVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz; SR 172.021)

WHO

World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)

z.B.

zum Beispiel

ZAK

Zeitschrift für die Ausgleichskassen der AHV (Publikation des Bundesamtes für Sozialversicherung; seit 1993 ersetzt durch die «Soziale Sicherheit» [CHSS])

ZGB

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)

ZHAW

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Ziff.

Ziffer

ZPO

Bundesgesetz vom 19. Dezember 2008 über die Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung; SR 272)

Vorwort

Ärzte müssen sich häufig mit einem rechtlichen Normgefüge und Juristen mit medizinischen Sachverhalten auseinandersetzen. Weder Arzt noch Jurist sind befähigt, sich im anderen Fachgebiet kompetent zu bewegen. Der einzelne Mensch steht dabei als Patient oder Rechtssuchender im Schnittpunkt beider Fachgebiete.

Der im Jahr 2004 anlässlich der 1. Tagung des Luzerner Zentrums für Sozialversicherungsrecht (LuZeSo) zum Thema «Medizinische Gutachten» angestrebte Dialog zwischen Juristen und Ärzten hat seine Fortsetzung in einer Arbeitsgruppe gefunden. Dieser gehörten auf der einen Seite Ärzte verschiedener Fachrichtungen aus Universität, Praxen, Versicherungsmedizin, Behörden auf Bundes- und kantonaler Ebene sowie Verbänden an und auf der anderen Seite Juristen aus Behörden, der Justiz sowie der Wissenschaft. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, in Gesprächen zum einen offene Fragen und vorhandene Verständigungsschwierigkeiten zwischen Juristen und Ärzten aufzudecken, und zum anderen, durch Diskussion eine Annäherung und Abstimmung der gegenseitigen Erwartungen in Bezug auf die Qualität und Form medizinischer Gutachten zu schaffen. Nicht Gegenstand bildete hingegen die Frage, wie die Gutachten im Einzelfall inhaltlich gewürdigt werden.

Die Erkenntnisse aus diesem Annäherungsprozess liegen nun in Form eines Leitfadens für versicherungsmedizinische Gutachten vor, der allen mit dem Erstellen von Gutachten betrauten Ärzten, aber auch den mit Gutachten befassten Juristen bei Durchführungsstellen oder an Gerichten ein dienliches Hilfsmittel bieten soll. Der Leitfaden will daher eine Anweisung für die Erstellung von Gutachten sein. Er leuchtet die von Ärzten und Juristen gemeinsam verwendeten Begriffe aus beiden Perspektiven aus und schafft somit eine Brücke von einer Disziplin zur anderen und setzt zudem Grenzen bei der Zuweisung von Kompetenzen zwischen Arzt und Jurist. Zudem bietet er auch eine kurze Einführung in die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health), um neue Perspektiven in der Begutachtung aufzuzeigen. Gewisse Abweichungen dieses Leitfadens zu den bereits von verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften ausgearbeiteten – im Bereich der Invalidenversicherung zum Teil sogar verbindlich erklärten – Leitlinien sind daher möglich und je nach Fachgebiet sachlich auch geboten.

Der nun vorliegende Text der 3. Auflage, welcher das Ergebnis einer interdisziplinären, teilweise auch kontrovers geführten Diskussion ist, berücksichtigt die bis dahin ergangene, zum Teil grundlegend neue Rechtsprechung und Literatur. Er hat stets die Sache als solche im Auge und wird von allen beteiligten Autoren mitgetragen. Das Buch versteht sich aber nicht als eine nach wissenschaftlicher Methode erstellte Abhandlung, weshalb im Text selbst nur punktuell auf Rechtsprechung und Literatur hingewiesen wird.

Luzern, im Januar 2017

Prof. Dr. iur. Gabriela Riemer-Kafka

Universität Luzern

Luzerner Zentrum für Sozialversicherungsrecht (LuZeSo)

A. Funktion des Gutachtens – Aufgabe des Gutachters: eine Einführung aus medizinischer und juristischer Sicht

I.Allgemeine Einführung

Medizinische Gutachten markieren eine Schnittstelle zwischen Medizin und Rechtsanwendung. Sie werden in unklaren und strittigen Fällen veranlasst. Unklar ist in der Regel, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen welche Auswirkungen haben, und strittig ist, ob der zu begutachtenden Person Leistungen der Sozial- oder der Privatversicherung, allenfalls in welchem Umfang und wie lange, zustehen. Da weder Arzt noch Jurist grundsätzlich von wissenschaftlicher Warte befähigt ist, sich im anderen Fachgebiet kompetent zu bewegen, liefert das medizinische Gutachten für den Rechtsanwender verwertbare medizinische Grundlagen und ist somit der Schlüssel zur Entscheidfindung hinsichtlich von Ansprüchen gegenüber den Versicherungen.

Wenn von medizinischen Gutachten die Rede ist, so muss man sich bewusst sein, dass es je nach Auftraggeber verschiedene Formen medizinischer Gutachten gibt, auch wenn ihnen der Gegenstand der Begutachtung, nämlich Kausalitätsfragen oder der Gesundheitszustand eines Menschen und dessen Leistungsvermögen, gemeinsam ist. Je nachdem, ob es sich um Administrativgutachten, Gerichtsgutachten, Partei- resp. Privatgutachten oder Arztberichte, versicherungsinterne Gutachten resp. Berichte oder Aktengutachten handelt, unterscheiden sie sich nämlich bezüglich Ausgangslage, rechtlichem Kontext, der Fragestellung und auch der Beweiskraft im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung.

Das medizinische Gutachten hat von seinem Zweck her gesehen neutral zu sein und einzig die gestellten Fragen objektiv und nach dem neuesten medizinischen Wissensstand genau zu beantworten. Die vermuteten Interessen des Auftraggebers sind dafür ebenso irrelevant wie jene der zu begutachtenden Person. Massgebend ist einzig der Auftrag, den Gesundheitszustand fachgerecht abzuklären und versicherungsmedizinisch zu beurteilen. Die Aufgabe des Gutachters ist eine in hohem Masse verantwortungsvolle. Nicht nur bilden seine fachlichen Einschätzungen die Grundlage für die Zusprechung oder Ablehnung von Versicherungsleistungen, sondern auch aus verfahrensrechtlicher Sicht ist es von Bedeutung, dass der Sachverhalt auf der Ebene des kantonalen Sozialversicherungsgerichts grundsätzlich abschliessend festgelegt wird. Auf Bundesebene ist eine Ergänzung oder Korrektur der Sachverhaltsfeststellungen grundsätzlich nicht mehr möglich (Ausnahmen: offensichtliche Unrichtigkeit, Erhebung des Sachverhalts auf Grundlage einer Rechtsverletzung [z.B. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, des Untersuchungsgrundsatzes oder Verletzung von Persönlichkeitsrechten], Fehler der Sachverhaltsfeststellung bei Leistungen der Unfall- und Militärversicherung).

Was will der Leitfaden bezwecken? Der vorliegende Leitfaden will in erster Linie Ärzte, die sich mit gutachterlichen Abklärungen befassen, aber auch Juristen, welche medizinische Gutachten lesen und interpretieren müssen, in die Kunst der Begutachtung bzw. des Verstehens von Gutachtensinhalten einführen. Ziel ist es, dass mit Hilfe der gewonnenen Informationen und Kenntnisse qualitativ hochwertige und für die Rechtsanwendung gut verständliche und verwertbare Gutachten erstellt werden. Damit soll einerseits die Akzeptanz der Gutachten bei den Betroffenen gefördert und anderseits, damit verbunden, die Verfahrensdauer verkürzt werden. Der Leitfaden bewegt sich auf verschiedenen Ebenen. Er ist insofern dualistisch aufgebaut, als verschiedene Fragenkomplexe sowohl aus der Sicht der Sozialversicherungen als auch aus derjenigen der Privatversicherungen beleuchtet werden. Auch in Nachachtung der verschiedenen Aufgaben von Recht und Medizin erfolgt, wo immer möglich, eine Annäherung an die Problematiken oder Begriffe aus medizinischer und juristischer Perspektive.

Wie ist der Leitfaden aufgebaut und zu benützen? Vermittelt werden in den folgenden Teilen und Kapiteln Informationen darüber, welche Aufgaben Gutachten zu erfüllen haben, worauf der Auftraggeber bei der Fragestellung zu achten hat und welche Rahmenbedingungen bei der Begutachtung durch den Arzt besonders zu berücksichtigen sind. Zentral sind auch die Empfehlungen, wie das Gutachten gemäss den bundesgerichtlichen Vorgaben aufzubauen ist und welche Aussagen im Hinblick auf die Vollständigkeit enthalten sein müssen, um der richterlichen Beweiswürdigung dienlich sein zu können. Der Teil A bietet einen Einstieg in die Materie, stellt das medizinische Gutachten in einen Gesamtrahmen und vermittelt eine einführende Übersicht, während in Teil B sodann Auftragserteilung, Aufbau und Inhalt des Gutachtens sowie die äusseren zu beachtenden Rahmenbedingungen vertieft behandelt werden. Der Leitfaden hat aber darüber hinaus auch die Funktion eines kleinen Lehrbuchs, indem in Teil C die für die Begutachtung zentralen Begriffe aus medizinischer und juristischer Sicht definiert werden und in Teil D in die mögliche Rolle der ICF bei der Begutachtung und Abklärung der funktionalen Leistungsfähigkeit und Leistung eingeführt und deren Anwendbarkeit in der Begutachtung diskutiert wird.

Der vorliegende Leitfaden will mit seiner Kürze und Prägnanz zum einen interessierte Kreise zur Lektüre anregen sowie für den Berufsalltag wichtige Informationen vermitteln und zum anderen den Einstieg in weiterführende Literatur zum Thema der medizinischen Begutachtung erleichtern.