Allgemeine Geschäftsbedingungen
Allgemeiner Teil – Grundlagen
Dr. Jürgen Niebling,
Rechtsanwalt
10., überarbeitete und erweiterte Auflage, 2015
Meinen Kindern Michael, Felix, Lina, Sena Lou und Annabell sowie meiner Partnerin Susanne
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
10. Auflage, 2015
ISBN 978-3-415-05630-5
E-ISBN 978-3-415-05870-5
© 1977 Richard Boorberg Verlag
E-Book-Umsetzung: Konvertus
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
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Die Schriftenreihe DAS RECHT DER WIRTSCHAFT (RdW) ist Teil des gleichnamigen Sammelwerks, einer Kombination aus Buch und Zeitschrift: Zweimal monatlich erscheinen Kurzberichte, die auf jeweils 48 Seiten über aktuelle Rechts- und Steuerfragen informieren. Jährlich erscheinen zusätzlich acht Bücher zu Themen der aktuellen Rechtslage.
Verantwortlich: Klaus Krohn, Assessor
www.boorberg.de
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) haben seit langem Funktionen übernommen, die früher der einzeln ausgehandelte Vertrag erfüllte. Massenproduktion und Massenabsatz machen eine rationelle Vertragsgestaltung erforderlich, die nur mit Hilfe von AGB erreicht werden kann. Daher bilden heute die Vertragsbedingungen, der Mustervertrag und das „Kleingedruckte“ den juristischen Rahmen im rechtsgeschäftlichen Verkehr der Kaufleute untereinander sowie zwischen Kaufmann und Endverbraucher. In AGB werden die einzelnen Vertragsbestimmungen vorformuliert, die dann bei Vertragsabschluss dem Vertragspartner vorgelegt und mit ihm vereinbart werden. AGB dienen mithin einer schnellen und rationellen Geschäftsabwicklung; sie ersparen dem Verwender kostenaufwendiges und zeitraubendes Aushandeln von Einzelverträgen. Gleichzeitig können sie aber im Einzelfall zu einer Benachteiligung desjenigen Vertragsteils führen, dem sie vorgelegt werden, weil dieser die AGB meist ungeprüft übernimmt oder übernehmen muss, will er nicht auf das Geschäft verzichten.
Das Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) war fast 25 Jahre in Kraft und hat in dieser Zeit das Wirtschaftsleben maßgeblich beeinflusst. Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts hat das AGBG (mit Ausnahme des Verfahrensteiles) in das BGB integriert. Es trat am 1. 1. 2002 in Kraft. Substantielle Änderungen sind im materiellen Teil nicht eingetreten. Diese zehn Paragrafen der §§ 305 bis 310 können als eine Säule des modernen Wirtschaftsrechts bezeichnet werden. Auch die Rechtsprechung hat mit zwischenzeitlich über 25000 Entscheidungen zum AGB-Recht die rechtliche Prägung moderner Vertragstypen wesentlich mit beeinflusst.
Wer sich am Wirtschaftsleben beteiligt, und sei es auch als Berater, muss mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgehen können. Dies betrifft einmal die Beurteilung von Einzelklauseln, zum anderen aber auch die Gestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. In beiden Fällen sind Chancen und Risiken vor dem Hintergrund des hierfür geltenden Rechtsrahmens abzuwägen. Die vorliegende Broschüre kann eine vielfach notwendige Vertiefung anhand von Kommentaren und Gerichtsentscheidungen nicht ersetzen. Ihr Ziel ist es jedoch, eine klare Übersicht über die aufgeworfenen Rechtsfragen zu geben, um hierdurch das notwendige Verständnis für Gestaltung und Wirksamkeitsbeurteilung von AGB zu vermitteln.
Bald ist das AGB-Recht 40 Jahre in Kraft (1. 4. 1977) und trotzdem reißt die Flut an Entscheidungen zu AGB-rechtlichen Fragen nicht ab. Diese sind vielfach keine „Einzelfallentscheidungen“, denn zumeist wird über das AGB-Recht die Natur des Vertrages hinterfragt und einzelne Vertragstypen werden näher umrissen. Damit wird die Entwicklung des Verbraucherschutz- wie auch des Wirtschaftsrechtsmaßgeblich vom AGB-Recht beeinflusst. Obwohl die Rechtsprechung ein solides Fundament zu den wesentlichen Fragen des AGB-Rechts geschaffen hat, scheinen gerade mittelständige Unternehmer zu versuchen, ohne Hinzuziehung von Fachleuten ihre AGB selbst zu schreiben. Hiervor sei jedoch gewarnt, denn vermeintliche Einsparungen werden später teurer bezahlt werden müssen.
Mein besonderer Dank gilt erneut Herrn Gerhard Trinler sowie Herrn Klaus Krohn vom Richard Boorberg Verlag für die Betreuung dieses Bandes.
Die vorliegende Auflage ist angesichts der erheblichen Änderungen in Gesetzen und grundlegender neuer Rechtsprechung vollständig überarbeitet worden. Die Rechtsentwicklung ist bis September 2015, teilweise auch darüber hinaus berücksichtigt.
Angesichts der Fülle wesentlicher Fragen wie auch der grundsätzlichen Bedeutung des AGB-Rechts wurde der bisherige Band in 2 Bände aufgespalten: RdW-Schriftenreihe Band 175 bezieht sich hierbei im Schwerpunkt auf die Einführung und Systematik, Band 176 enthält im Schwerpunkt Einzelheiten zur aktuellen Rechtsprechung und Rechtsentwicklung.
Anregungen und Hinweise können mir gerne per Mail an kanzlei@an-walt-niebling.de übermittelt werden.
Olching, im September 2015
Dr. Jürgen Niebling
Abkürzungen
Das Wichtigste in Kürze
I.Einführung und Übersicht
1.Einführung
1.1Sinn und Aufgabe von AGB
1.2Ziel der Regelung in den §§ 305 ff. BGB
2.Inhalt und Aufbau des Gesetzes
2.1Definition und Einbeziehungsvertrag
2.2Generalklausel und Verbotskataloge
2.3Unterlassungs- und Widerrufsanspruch
2.4Sicherung der Anwendung von Verbraucherschutzvorschriften
2.5Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich
2.6Übergangs- und Schlussvorschriften
3.Geltungsbereich
3.1Sachlicher Anwendungsbereich
3.2Persönlicher Anwendungsbereich
4.Ausländisches Recht und zwischenstaatlicher Geltungsbereich
4.1Rechtswahlklausel
4.2Kollisionsrecht
5.AGB-Prüfschema nach BGB
6.Gestaltung von AGB
II.Allgemeine Vorschriften
7.Begriff
7.1Vorformulierte Klauseln
7.2Ausgehandelte Klauseln
7.3AGB und Individualabrede
8.Vereinbarung
8.1Einbeziehung
8.2Überraschungsverbot
8.3Umgehungsverbot
8.4Unklarheitenregel
8.5Beweislast
9.Aktuelle Fragen
9.1AGB: Begriff, insbesondere „Stellen“ der AGB, falls der andere Teil das Formularwerk des Verwenders wünscht?
9.2Auslegung
9.2.1Auslegung und Europarecht
9.2.2Auslegung und geltungserhaltende Reduktion
9.2.3Ergänzende Vertragsauslegung
III.Inhaltskontrolle
10.Generalklausel
11.Transparenzgebot
12.Die Schranken der Inhaltskontrolle
13.Willenserklärungen
13.1Formvorschriften
13.2Fingierte Erklärungen
13.3Zugang von Erklärungen
14.Vertragsschluss
14.1Bindung an Vertragsangebot
14.2Einbeziehung des Abschlussvertreters
15.Vertragsinhalt
15.1Leistungsvorbehalt und Änderung der Leistung
15.2Preisänderung
15.3Lieferfristen
15.4Wechsel des Vertragspartners
15.5Dauerschuldverhältnisse
16.Leistungsverweigerungsrechte
16.1Zug-um-Zug-Leistung
16.2Zurückbehaltung
16.3Aufrechnung
17.Leistungsstörungen
17.1Mahnung, Nachfrist
17.2Lieferungsverzug und Nachfrist
17.3Unmöglichkeit und Verzug
18.Mängelansprüche (Gewährleistung)
18.1Ausschluss und Beschränkung
18.2Nacherfüllung und Ersatzlieferung
18.3Kosten der Nacherfüllung
18.4Rügefristen
18.5Verjährung
19.Vertragsauflösung
19.1Rücktritt, Kündigung/Abwicklungsverhältnis
19.2Fernabsatz
19.2.1AGB-Gestaltung im Fernabsatz
19.3Vertragsstrafe
19.4Pauschalierung von Schadenersatz
20.Haftung
20.1Haftungsausschluss/Haftungsbegrenzung/Freizeichnungsklauseln
20.2Haftung für zugesicherte Eigenschaften
IV.Rechtsfolgen unwirksamer AGB
21.Rechtsfolgen nach BGB und UWG
21.1§306BGB
21.2Schadenersatz bei Verwendung unwirksamer AGB
22.AGB-Richtlinie (RL)
V.Verfahrensrechtlicher Teil
23.Allgemeines
Literaturverzeichnis
Adressen
Sachregister
a. A. | anderer Ansicht |
a. a. O. | am angegebenen Ort |
a. F. | alte Fassung |
ABl. | Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft |
AcP | Archiv für die civilistische Praxis |
ADSp | Allgemeine Deutsche Spediteur-Bedingungen |
AEUV | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
AG | Arbeitgeber |
AGB | Allgemeine Geschäftsbedingungen |
AGBE | Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz |
AGBG | Gesetz zur Regelung der AGB |
AGG | Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz |
AN | Arbeitnehmer |
AnwK-AGB | Anwaltkommentar AGB R, Niebling (Herausgeber) 2. Auflage 2015 |
AVB | Allgemeine Versicherungsbedingungen |
B2B | Business to Business (Geschäft zwischen Firmen) |
B2C | Business to Customer (Geschäft zwischen Firma und Endkunden) |
BAG | Bundesarbeitsgericht |
BauR | Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Jahr und Seite) |
BayObLG | Bayerisches Oberstes Landesgericht |
BB | Der Betriebsberater (Jahr und Seite) |
BGB | Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. I | Bundesgesetzblatt Teil I (Jahr und Seite) |
BGH | Bundesgerichtshof |
BGHZ | Entscheidungen des BGH in Zivilsachen (Band und Seite) |
BKartA | Bundeskartellamt |
BT | Bundestags-Drucksache (Wahlperiode und Nummer) |
C2C | Consumer to Consumer |
cic | culpa in contrahendo |
CISG | Contracts for the International Sale of Goods |
DAR | Deutsches Autorecht (Jahr und Seite) |
DB | Der Betrieb (Jahr und Seite) |
DRspr | Deutsche Rechtsprechung |
EBE | Eildienst. Bundesgerichtliche Entscheidungen (Jahr und Seite) |
EGBGB | Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch |
EGGVG | Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz |
EGV | EG-Vertrag |
EuGH | Europäischer Gerichtshof |
EuGVÜ | Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen |
EuGVVO | Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen |
EuZW | Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) |
EV | Eigentumsvorbehalt |
EWiR | Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) |
EWR | Europäischer Wirtschaftsraum |
EWS | Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Jahr und Seite) |
GewO | Gewerbeordnung |
GRUR | Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr und Seite) |
GVO | Gruppenfreistellungsverordnung |
GWB | Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) |
h. M. | herrschende Meinung |
HGB | Handelsgesetzbuch |
i. S. v. | im Sinne von |
i. V. m. | in Verbindung mit |
JR | Juristische Rundschau (Jahr und Seite) |
JZ | Juristenzeitung (Jahr und Seite) |
KG | Kammergericht Berlin |
LG | Leasinggeber, Landesgericht |
LN | Leasingnehmer |
m. E. | meines Erachtens |
m. w. N. | mit weiteren Nachweisen |
MDR | Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) |
NJ | Neue Justiz (Jahr und Seite) |
NJW | Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) |
NJW-RR | Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report (Jahr und Seite) |
NZA | Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr und Seite) |
NZARR | Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report (Jahr und Seite) |
NZM | Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (Jahr und Seite) |
NZVertriebsR | Neue Zeutschrift für Vertriebsrecht (Jahr und Seite) |
OLG | Oberlandesgericht |
OLGR | OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte |
OLGZ | Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahr und Seite) |
pVV | positive Vertragsverletzung |
Rdnr. | Randnummer |
RdW | Das Recht der Wirtschaft (Beitragsnummer und Jahr) |
RIW/AWD | Recht der Internationalen Wirtschaft, früher Außenwirtschaftsdienst |
ROM I | Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht |
str. | strittig |
UKlaG | Unterlassungsklagengesetz |
Urt. | Urteil |
UWG | Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb |
VersR | Versicherungsrecht (Jahr und Seite) |
VOB | Verdingungsordnung für Bauleistungen |
VuR | Verbraucher und Recht (Jahr und Seite) |
WIB | Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahr und Seite) |
WM | Wertpapier Mitteilungen (Jahr und Seite) |
WpHG | Wertpapierhandelsgesetz |
WRP | Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr und Seite) |
WuM | Wohnungswirtschaft und Mietrecht |
ZBB | Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr und Seite) |
ZfS | Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr und Seite) |
ZGS | Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht (Jahr und Seite) |
ZHR | Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht(Jahr und Seite) |
ZIP | Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) |
ZMR | Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (Jahr und Seite) |
ZPO | Zivilprozessordnung |
ZVP | Zeitschrift für Verbraucherpolitik (Jahr und Seite) |
Als Verwender
▷AGB müssen passen, sie sollten nicht aus anderen Texten kopiert werden, zumal damit nicht geklärt ist, ob dieser Text zulässig ist.
▷Zunächst sollten die aktuellen Problemfälle herausgearbeitet werden, um hier durch AGB klare Regelungen zu schaffen.
▷AGB tatsächlich auch vereinbaren und nicht erst mit dem Lieferschein übersenden, dies nützt nichts.
▷Einmal erarbeitete AGB sind von Zeit zu Zeit zu überprüfen, denn die Rechtsprechung ist hier ständig im Fluss.
▷Bei Abmahnungen sollte sofort ein erfahrener Anwalt eingeschaltet werden.
Als Kunde
▷Nicht alles, was in den AGB steht, muss wirksam sein.
▷Gab es andere Vereinbarungen, so gehen diese vor.
▷Wurde auf die AGB erst hingewiesen, als der Vertrag bereits geschlossen war? Dann greifen die AGB ohnehin nicht.
▷Ob eine Klausel wirksam oder unwirksam ist, hängt vielfach von der genauen Formulierung ab.
▷In vielen Fällen sind Klauseln nicht transparent; dies ist schon dann der Fall, wenn sie geeignet sind, den Kunden von der Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten. Sie sind dann unwirksam.
▷Überzogene Klauseln können nicht auf einen wirksamen Teil reduziert werden (keine geltungserhaltende Reduktion)
▷Verträge zwischen Unternehmen sind nicht gänzlich von einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle befreit; Anliegen des AGB-Rechts ist es ja, den Markt von unwirksamen Bedingungen freizuhalten.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind im rechtsgeschäftlichen Verkehr, vor allem bei der Abwicklung von Massengeschäften, ein unentbehrliches Hilfsmittel, um Warenund Dienstleistungen rationell und billig anbieten zu können. Massenproduktion und Massenkonsum verlangen eine schematisierte und jederzeit anpassungsfähige Vertragsgestaltung. In diesem Zusammenhang kommt Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die rechtliche Ausformung neuer Vertragstypen, Ergänzung lückenhafter gesetzlicher Bestimmungen sowie einer angemessenen Risiko- und Beweislastverteilung überragende Bedeutung zu. In nahezu allen Bereichen der industriellen und sonstigen Produktion, des Handels und des Dienstleistungsgewerbes verdrängen vorformulierte typisierte Geschäftsbedingungen und Formularverträge den von unserem bürgerlichen Vertragsrecht vorausgesetzten Typ des frei ausgehandelten und vereinbarten Vertrages. Nur mit ihrer Hilfe kann man das Vertragsgeschehen bei der Abwicklung von Massengeschäften überhaupt erst in den Griff bekommen. Sie leisten das, was die schwerfällige und zeitraubende Einzelvereinbarung nicht zu leisten vermag, nämlich
–Abwicklung von Massenverträgen,
–im Gesetz ungeregelte oder unzureichend geregelte Lebenssachverhalte durch Typisierung und Standardisierung rechtlich klar ordnen,
–Geschäftsrisiken exakter kalkulieren,
–die für Massengeschäfte maßgebenden Vertragsbestimmungen rasch an veränderte wirtschaftliche und technische Entwicklungen anpassen,
–Gleichbehandlung der Vertragspartner.
Die Ursache für die Bedeutung der AGB liegt zum Teil auch darin, dass das Bürgerliche Gesetzbuch und das Handelsgesetzbuch nur verhältnismäßig wenige Vertragstypen ausdrücklich regeln, während sich in der Praxis entsprechend den ständig wachsenden und sich ändernden Bedürfnissen des modernen Wirtschaftsverkehrsneue Vertragstypen oder neue Arten typengemischter Verträge entwickeln. Die Integration des AGBG in das BGB unterstrich die besondere Bedeutung von Geschäftsbedingungen. Soweit es für sie an einer ausreichenden gesetzgeberischen Gestaltung fehlt, schafft sich die Wirtschaft mit Hilfe von AGB zwangsläufig selbst ihren rechtlichen Rahmen.
Nicht zu übersehen sind dabei jedoch die Gefahren, die naturgemäß solche einseitig aufgestellten Vertragsbestimmungen mit sich bringen. Nur zu oft sind AGB von dem Bestreben ihrer Verwender geprägt, auf Kosten eines gegenseitigen Interessenausgleichs die eigene Rechtsposition zu stärken und die Rechte der anderen Seite durch Überbürdung der Geschäftsrisiken zu verkürzen. Die einseitige Sicherung und Verfolgung der Interessen des Verwenders durch AGB äußert sich in einer oft schwer erträglichen Verdrängung, bisweilen sogar elementaren Missachtung der Grundsätze der Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit zu Lasten derjenigen Vertragspartner, die solchen vorformulierten Klauselwerken unterworfen werden. Die im BGB vorausgesetzte Funktion der Vertragsfreiheit, durch freies Aushandeln der Vertragsbedingungen zwischen Partnern mit annähernd gleichwertiger Ausgangsposition Vertragsgerechtigkeit zu schaffen, ist dort empfindlich gestört, wo die Vertragsfreiheit für die Einführung unbilliger oder gar missbräuchlicher AGB in Anspruch genommen und missbraucht wird.
Ziel der AGB-Regelungen ist es, den Vertragspartner, insbesondere den Endverbraucher, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen wird, vor unangemessenen, einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen zu schützen. Mithin liegt das vorrangige rechtspolitische Ziel darin, bei der Verwendung von AGB im rechtsgeschäftlichen Wirtschaftsverkehr dem Prinzip des angemessenen Ausgleichs der beiderseitigen Interessen Geltung zu verschaffen, das nach den Grundvorstellungen des Bürgerlichen Gesetzbuches die Vertragsfreiheit legitimiert; denn deren Funktion besteht darin, durch freies Aushandeln von Verträgen zwischen freien und zur rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung fähigen Partnern Vertragsgerechtigkeit zu schaffen. Die §§ 305 ff. BGB beabsichtigten demzufolge nichts anderes, als die durch eine ungehemmte Entwicklung im Bereich der AGB gestörte Funktion des privaten Vertragsrechts wieder herzustellen und den Verwender zu verpflichten, die Interessen seines Vertragspartners angemessen zu berücksichtigen.
Die auf dieses rechtspolitische Ziel ausgerichtete Regelung geht von der Überlegung aus, dass derjenige Vertragsteil, der seine eigene AGB in das einzelne Rechtsgeschäft einbringt, gegenüber dem anderen Vertragsteil stets einen organisatorischen Vorsprung hat. Denn das eingebrachte Klauselwerk ist das in sich abgeschlossene Ergebnis einer sorgfältigen Analyse der wirtschaftlichen Geschäftsrisiken, deren mögliche rechtliche Konsequenzen durch die in den AGB getroffenen Bestimmungen bereits im Voraus juristisch bewältigt und – soweit nachteilig – in aller Regel von dem Verwender abgewendet werden. Schon allein dieser organisatorische Vorsprung der vorgefertigten Vertragsgestaltung, deren rechtliche Tragweite der mit ihr konfrontierte andere Vertragsteil zumeist nicht voll zu überblicken vermag, schafft Überlegenheit; nicht selten wird sie aber noch dadurch verstärkt, dass der Vertragspartner, der sich den AGB unterwerfen soll, wirtschaftlich schwächer oder intellektuell unterlegen ist. Aufgabe der §§ 305 ff. BGB ist es daher, die der Vertragsgestaltung vorgegebene Überlegenheit des AGB-Verwenders durch Schutzvorschriften zugunsten des AGB-Unterworfenen sachgerecht und vernünftig auszugleichen, ohne die Privatautonomie mehr als zur Erreichung dieses Zieles erforderlich einzuengen.
Vor 1977 gab es keine spezielle gesetzliche Grundlage des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, diese wurde erst zum 1. 4. 1977 mit dem „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ vom 9. 12.19761 geschaffen. Das SchuldrechtsmodernisierungsG hat dieses „Sonderrecht“ ins BGB integriert und dem neuen Schuldrecht angepasst, wie auch einige Änderungen an Systematik und Inhalt bewirkt. Jeder Vertragschließende, der im Verkehr mit Endverbrauchern AGB vereinbaren möchte, muss den Inhalt seiner AGB an den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB ausrichten; auch der unternehmerische Geschäftsverkehr ist zahlreichen Einzelbestimmungen dieses Gesetzes unterworfen. Die §§ 305 ff. BGB sind also Richtschnur für alle AGB-Verwender und -Empfehler; diese Bestimmungen müssen die Gerichte in einschlägigen Streitfällen ihren Entscheidungen zugrunde legen.
Der wesentliche Inhalt der §§ 305 ff. besteht in der Beantwortung folgender Fragen:
–Was versteht man unter AGB?
–Wie werden AGB rechtswirksam vereinbart?
–Welche Klauseln sind verboten?
–Welche Vertragsarten sind betroffen?
–Welcher Personenkreis ist angesprochen?
–Welche Ausnahmen gibt es?
–Welche Rechtsfolgen hat die Verwendung unwirksamer AGB?
§ 305 BGB enthält eine Legaldefinition für AGB und regelt gleichzeitig die „Gebrauchsanweisung“, wie AGB rechtswirksam vereinbart werden können. AGB sind danach vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden; im Einzelnen zwischen den Vertragspartnern ausgehandelte Vertragsbedingungen sind keine AGB (§ 305 Abs. 1 BGB). AGB werden nur dann Vertragsbestandteil, wenn die jeweils andere Vertragspartei ausdrücklich auf die AGB hingewiesen wird, von ihnen Kenntnis nimmt und sich mit ihrer Geltung einverstanden erklärt (§ 305 Abs. 2 BGB). Das Gesetz sieht darüber hinaus Besonderheiten im Rechtsverkehr mit Verbrauchern vor. Gemeint sind Verträge zwischen natürlichen oder juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften, die auf der einen Seite in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handeln (Unternehmer, § 14 BGB), andererseits als natürliche Personen den Vertrag zu einem Zweck abschließen, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Verbraucher, § 310 Abs. 1 und Abs.3 BGB i.V.m. § 13 BGB). In solchen Verbraucherverträgen gilt die Besonderheit, dass AGB als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden (§ 310 Abs. 3 BGB). Darüber hinaus gelten die §§ 305 c Abs. 2, 306, 307 bis 309 BGB sowie Art. 29a EGBGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (sog. Einmalklauseln, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Schließlich ist bei der Beurteilung der Unangemessenheit nach § 307 BGB auch eine Berücksichtigung der den Vertragsabschluss begleitenden Umstände möglich (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB).
Mit anderen Wortenist das B2B (business to business)-Geschäft vom B2C (business to consumer)-Geschäft zu unterscheiden. C2C (consumer to consumer) ist eher die Ausnahme, aber auch hier kann das AGB-Recht Anwendung finden; die Anwendung bei Einmalklauseln scheidet jedoch aus; § 310 Abs. 3 Nr.2 BGB.
Essentiell sind auch die Grundsätze, dass individuelle Vertragsabreden stets Vorrang vor AGB haben (§ 305 b BGB), dass überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden (§ 305 c Abs. 1 BGB), dass Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders gehen (§ 305 c Abs. 2 BGB) und dass die Vorschriften des Gesetzes nicht durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden dürfen (§ 306 a BGB). Mit Ausnahme der Bestimmung über den Einbeziehungsvertrag (§ 305 BGB) gelten diese Regelungen auch im Geschäftsverkehr von Unternehmern untereinander (vgl. § 310 BGB).
Den eigentlichen Schwerpunkt einer AGB-Inhaltskontrolle bilden Vorschriften über unwirksame Klauseln (vgl. §§ 307 bis 309 BGB). Sie liefern die Maßstabsnormen für den rechtlich zulässigen Inhalt von AGB-Klauseln. Sie gliedern sich in eine Generalklausel (§ 307 BGB), einen Katalog unzulässiger Klauseln mit Wertungsspielraum (§ 308 BGB) sowie einen Katalog unzulässiger Klauseln ohne Wertungsspielraum (§ 305 BGB). Über 40 Klauseln werden darin ausdrücklich für unwirksam erklärt; weitere Klauseln können aufgrund der Generalklausel unwirksam sein.
Die Generalklausel stellt den Grundsatz auf, dass Bestimmungen in AGB unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner eines AGB-Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Sie zeigt damit die für die inhaltliche Ausgestaltung von AGB maßgebliche Richtung an. Wie jede andere Generalklausel kann sie jedoch nicht für jeden Einzelfall eine so konkrete Aussage treffen, dass die Grenze des zulässigen Inhaltes von AGB-Klauseln in jedem Fall auch ohne Hilfe des Richters sicher und eindeutig bestimmt werden kann. Deshalb wird die Generalklausel durch die beiden Kataloge unzulässiger Einzelklauseln ergänzt. Sie sollen durch klare und konkrete Verbote Rechtssicherheit für die AGB-Praxis schaffen, grobe Auswüchse schon im Vorfeld gerichtlicher Verfahren bekämpfen und Prozessen vorbeugen; sie sollen seriöse Verbände und Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Klauselwerke selbst zu reinigen, und unseriöse Gewerbetreibende dazu veranlassen, die weitere Verwendung anstößiger Klauseln als riskant und sinnlos aufzugeben; dem Kunden sollen sie schließlich Rechtsklarheit geben. Der Unterschied beider Kataloge liegt in Folgendem: Der Katalog des § 308 BGB enthält Klauseln, die erfahrungsgemäß besonders häufig unangemessen sind, deren Wertung im Einzelfall jedoch gleichwohl ihre Angemessenheit ergeben kann. § 305 BGB zählt demgegenüber solche Klauseln auf, die kraft gesetzgeberischer Wertung schlechthin als inhaltlich unangemessen zu verwerfen sind, ohne dass es noch einer wertenden Prüfung im Einzelfall bedarf. Die Generalklausel hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, solche unangemessenen Klauseln aufzufangen, die durch die Einzelverbote in den beiden Klauselkatalogen nicht erfasst sind.
Im Geschäftsverkehr der Unternehmer untereinander gilt unmittelbar nur die Generalklausel; die Verbotskataloge der §§ 308 und 309 BGB werden durch § 310 Abs. 1 BGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt. Allerdings können mit Hilfe der Generalklausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr Klauseln aus den Verbotskatalogen der §§ 308 und 309 BGB für unwirksam erklärt werden; dabei muss jedoch auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht genommen werden (vgl. § 310 Abs. 1 BGB). Die im EGBGB geregelten Fragen des Kollisionsrechtes (Art. 29a EGBGB) werden unter Ziff. 4 behandelt.
Das Verfahrensrecht ist in einem eigenen Gesetz – dem UnterlassungsklagenG (UKlaG) – geregelt.
Klagebefugt nach § 3 UKlaG sind ausschließlich qualifizierte Einrichtungen und rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen (z. B. Verbraucherzentralen oder andere öffentlich geförderte Verbraucherverbände), Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, nicht jedoch der einzelne Verbraucher (keine Popularklage). Dabei kann sich die Klage sowohl gegen denjenigen richten, der AGB verwendet (Unterlassungsanspruch), als auch gegen denjenigen, der AGB für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt (Widerrufsanspruch). Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind nur gewerbliche Förderverbände, nicht aber Verbraucherverbände klagebefugt.
Für Klagen nach diesem Gesetz sind die Landgerichte ausschließlich zuständig (§ 6 UKlaG). Auf das Verfahren sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung und des UWG (§§ 23 a, 23 b, 25) anzuwenden (§ 5 UKlaG). Die Urteilsformel enthält nicht nur die beanstandete Klausel, sondern bezeichnet auch die Art der Rechtsgeschäfte, für die die Klausel nicht mehr verwendet werden darf, und darüber hinaus das Gebot, inhaltsgleiche Bestimmungen in AGB zu unterlassen (§ 9 UKlaG).
Der Unterlassungsanspruch bei verbraucherschutzgesetzwidrigen Praktiken ist nunmehr in § 2 UKlaG geregelt.
Danach kann derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der gegen Verbraucherschutzgesetze verstößt. Nicht betroffen davon sind jedoch Zuwiderhandlungen, die in der Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen, die mit § 305 ff. BGB nicht in Einklang stehen. Hierfür gilt § 1 UKlaG, der einen Unterlassungs- und zudem einen Widerrufsanspruch gibt, sofern gegen die §§ 307 –309 BGB verstoßen wird. Unterlassungsansprüche außerhalb der Empfehlung oder Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen bestehen insbesondere im BGB für Verbrauchsgüterkäufe, bei Haustürgeschäften, Fernabsatzverträgen, Teilzeit-Wohnrechteverträgen, Reiseverträgen, Verbraucherdarlehensverträgen, Ratenlieferungsverträgen, Darlehensvermittlungsverträgen und Fernunterrichtsverträgen; § 2 UKlaG.
Die Frage, auf welche Vertragsarten das Gesetz anzuwenden ist (sachlicher Anwendungsbereich) und welcher Personenkreis betroffen wird (persönlicher Anwendungsbereich), wird vor allem von § 310 BGB beantwortet.
Die wichtigsten Ausnahmen:
–Das Gesetz findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Tarif-, Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB);
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