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Impressum

„Die Göttin“ von Claas van Thijs

herausgegeben von: Club der Sinne®, Eichenallee 23 E, 16767 Leegebruch, März 2017

zitiert: van Thijs, Claas: Die Göttin, 1. Auflage

 

© 2017

Club der Sinne®

Inh. Katrin Graßmann

Eichenallee 23 E

16767 Leegebruch

www.Club-der-Sinne.de

kontakt@club-der-sinne.de

 

Stand: 01. März 2017

 

Gestaltung und Satz: Club der Sinne®, 16767 Leegebruch

Coverfoto: © NAS CREATIVES/Shutterstock.com

Covergestaltung: Club der Sinne®

 

ISBN 978-3-95604-789-3

 

 

Das vorliegende eBook ist urheberrechtlich geschützt.

 

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Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden und volljährig.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erfundene Personen können darauf verzichten, aber im realen Leben gilt:

Safer Sex!

 

 

 

Claas van Thijs

Die Göttin

 

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Die Anhalterin

Waldviertel

Wachau

Abendessen

Hanna

Der Abschied

Regeln

Entjungferungen

Karin

Jana

Nachlese

Nähe und Distanz

Veränderungen

Der Gig

Das Geschenk

Nina

Bekenntnisse

Die Einführung

Epilog

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Prolog

Hallo Mick! Super, dass ich dich erreiche. Was machst du denn nächste Woche?“

„Du liebe Zeit, Frank! Dein Anruf lässt mich erschaudern. Ich bin bis Ende 2089 ausgebucht! Was verpasse ich?“

„Komm schon! Du weißt genau, was momentan los ist … “

„Oh ja, sicher! Es ist Ende April und höchste Zeit, meine Tasche zu packen und an den Gardasee zu fahren. Ich liebe das Weiß-Violett der Kapernblüten“

„Mick! Uns beiden ist klar, dass es blöd gelaufen ist damals. Aber es gibt da diesen weisen Satz: Es gehören immer zwei dazu!“

„… sagte der Nazi, nachdem er den Juden erschossen und dessen Frau vergewaltigt hatte.“

Es wurde still auf der anderen Seite. Mick war sich der Drastik seiner Worte durchaus bewusst. Aber er hasste Platituden, und er wusste zu genau, von wem diese stammte.

Wie oft hatte er sich darüber schon geärgert, genauso wie über: Ich habe mich doch entschuldigt, was willst du denn noch?

Man kann sich nicht selbst entschuldigen – man kann lediglich um Verzeihung bitten! Verzeihen muss der andere. Und man hat kein Anrecht darauf. Mick war noch immer sauer. Nicht wegen damals, sondern wegen der Art, wie Frank damit umging.

„Mick! Mein Gott! Es geht jetzt doch nur ums Geschäft! Wo bist du gerade?“, fragte Frank leise.

„Ich steh am Brenner im Stau.“

„Keine Zeit für Witze, Mick! Wir brauchen dich, sonst würde ich nicht anrufen!“

„Das ist ja mal was ganz Neues!“

„Du kannst uns nicht hängenlassen. Schon um der alten Zeiten willen. Carlo ist nicht mehr tragbar. Wir spielen auf dem Seaside. Es gibt einen Riesen für dich!“

Mick knubbelte gelangweilt an seiner Bierflasche, er wusste, dass solche Gagen dort nicht zu holen waren. Es war wohl eine Promotion-Aktion. Frank wollte ihn offenbar locken und aus eigener Tasche bezahlen.

„Ich bin furchtbar müde, Frank. Wie geht’s deiner Frau?“

„Lass doch den Quatsch! Hör zu: Wenn du noch in München bist, fahr zum Schorsch raus, der hat die Göttin generalüberholt. Nimm sie dir und schwing deinen Arsch hierher!“

Mick horchte auf.

Dieser Kretin weiß genau, womit er mich kriegt. Mit der alten 67er Citroën DS Usine offen nach Podersdorf zu cruisen, konnte nur ein totaler Ignorant ablehnen.

„Wie viel krieg ich nochmal?“

„1000.“

„2000.“

„Keine Chance! Wir kriegen selbst nur 1500.“

Mick wusste, dass Frank die Gage ohnehin aus eigener Tasche bezahlen würde. Und Frank hatte jede Menge Kohle geerbt. Ohne Not würde er nicht anrufen und ihm erst recht die Göttin nicht anvertrauen. Er konnte also locker pokern.

„Tschüss!“, sagte kurz angebunden.

„1500 und ein Essen an der Mole West!“

„Wann soll ich da sein?“

„Donnerstagnachmittag reicht.“

„Schick mir eine Setlist!“

„Hast du schon auf deinem Handy!“

„Dann bis Donnerstag!“

„Danke dir! Bist doch ein Guter!“

„Halt die Klappe!“

„Ach, und Mick …!“

„Ja?“

„Sei bitte lieb zur Göttin! Du weißt, wie sehr ich an ihr hänge.“

„Das ist der einzige Grund, warum ich mich darauf einlasse, Frank.“

„Ich weiß.“

Die Anhalterin

Samstag früh ging es los. Mick liebte die Göttin. Als Frank und er noch Freunde gewesen waren, hatten sie allerhand mit ihr erlebt.

Früher hatte sie einmal Franks Vater gehört, der sie damals neu gekauft hatte. Zum Abitur 1980 vertraute er sie Frank und Mick für ihren gemeinsamen Griechenlandurlaub an. Sie waren von April bis August mit ihr unterwegs gewesen, und die Göttin war ihr Ess- und Schlafzimmer, Partymeile, Liebesnest und noble Schlichterin des einen oder anderen Streits, den die beiden in der ganzen Zeit auf engstem Raum vom Zaun gebrochen hatten.

Wo immer sie hinkamen, das Ding öffnete alle Türen. Auch Mick hing an dem Auto. Dass Frank ihn nach dieser Sache damals wieder anrief, war eine Sache. Dass er ihm die Göttin anvertraute, zeigte Mick, wie viel ihm an einer Aussprache lag. Von allem, was ihm sein Vater, den er abgöttisch geliebt hatte, hinterlassen hatte, war die Göttin wohl das Wertvollste für ihn.

Das Wetter war bescheiden. Mick hoffte, dass es hinter Passau besser werden würde. Er hatte sich für diesen Tag vorgenommen, die Autobahn bis Passau zu nehmen und dann mit offenem Dach die Donau entlang bis in die Wachau zu fahren.

Kurz vor Landshut machte er Rast. Es war Zeit für ein Frühstück.

Mick holte sich einen Cappuccino und ein Croissant und begab sich zurück in sein Esszimmer.

Da stand sie. Ein kleines Mädchen, höchstens eins sechzig, zierlich, eine alte Lederjacke über einem viel zu großen Sweatshirt, das ihr bis über die Knie hing. Sie hatte dunkle, fast schwarze, lange Haare, die ziemlich strähnig anmuteten.

„Coole Karre!“

„Gehört nicht mir.“

„Wo fährst du denn hin?“

Mick schaute sie mit einem prüfenden Blick an. Er konnte Mädels in diesem Alter nicht wirklich einschätzen. Sie war wohl irgendwo zwischen sechzehn und vierundzwanzig.

„Ich mach nur eine Spritztour.“, log er.

„Kommst du an Wien vorbei?“

„Nächste Woche vielleicht. Vielleicht auch nicht“, versuchte er sie abzuwimmeln, ohne noch einmal lügen zu müssen.

„Super! Das reicht mir! Ich muss erst Freitag in Podersdorf sein. Passt!“

Sie rüttelte an der Beifahrertür und schaute verdutzt. Mick musste innerlich schmunzeln.

Kinder der Generation Y können sich überall und zu jederzeit darüber informieren, was irgendwem irgendwo auf der Welt passiert, doch ist es ihnen vollkommen unerklärlich, warum eine Beifahrertüre klemmt, obwohl die Fahrertür offensteht. Das gab es nur vor der Zeit serienmäßiger Zentralverriegelungen!

„Das ist eine Art Kindersicherung. Die verhindert, dass sich ausgebüchste Schulschwänzerinnen ungefragt zu unbescholtenen Frührentnern ins Auto zwängen. Gab‘s früher einmal, als Telefone an die Wand genagelt wurden und noch nicht fotografieren konnten. Dein Uropa sollte das noch kennen.“

„Will Opi meinen Ausweis sehen?“

„Du hast schon einen?“

„Komm schon! Nimm mich mit!“

„Wohin? Nach Landshut?“

„Du fährst nach Wien, das hast du selbst gesagt!“

„Ich hab gesagt, ich mache ‘ne Spritztour!“

„Typen wie du machen keine Spritztouren. Und wenn, dann haben sie keine Gitarren auf dem Rücksitz!“

„Ich mach mir heute Abend ein Lagerfeuer und singe Country Roads.

„Country WAS?“

„Ich geb’s auf!“

„Dann darf ich mit?“

„NEIN!“

Mick stieg ein, und sie setzte sich trotzig auf die Motorhaube.

„NICHT AUF DIE HAUBE!“

Er stieg wieder aus. „Geh sofort da runter!“

„Nur, wenn du mich mitnimmst!“

„NEIN! Und jetzt runter da!“

„Dann schrei ich!“

„Tu dir keinen Zwang an!“

„Sieh es doch mal so: Wenn du mich nicht mitnimmst, dann kommt vielleicht einer, der noch einen hochkriegt. Und der vergewaltigt mich dann!“

Mick musste lachen. Er schüttelte resigniert den Kopf und öffnete die Beifahrertür.

Sie stieg schmunzelnd ein und warf ihren Seesack auf den Gitarrenkoffer.

Während der Fahrt schaute sie ihn unentwegt an. Irgendwann fing sie an zu reden.

„Nur mal so nebenbei: Eine Kindersicherung ist was anderes: Die verhindert, dass Kinder hinten rauskippen, wenn sie zu neugierig werden und an Knöpfen und Griffen spielen. Das hatte mein Vater auch, obwohl ich keine Ahnung habe, warum. Der hätte wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass ich nicht mehr da bin, wenn ich rausgefallen wäre.“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein: Von allen durchgeknallten Ausreißerinnen auf Deutschlands Autobahnen erwisch ich die Klugscheißerin! Wo ist denn deine Nerd-Brille?“

„Oh!“

Sie griff in ihre Tasche und setzte ihre Brille auf.

„Danke! Ohne die bin ich ab drei Metern nahezu blind.“

Mick schaute sie befremdet an, sie hatte jetzt tatsächlich eine viel zu große, dick schwarz umrandete Brille aufgesetzt.

„Warum setzt du sie dann nicht auf?“

„Ich hab sie doch auf!“

Entnervt seufzte Mick auf.

„Du hattest sie aber gerade eben noch nicht auf.“

„So hätte mich doch niemand mitgenommen.“

Mick resignierte. Er beschloss zu schweigen. Sein Plan funktionierte für etwa dreißig Sekunden.

„Ich bin Laura.“

„Schön für dich!“

„Warum bist du so?“

„Warum bin ich wie?“

„So unhöflich. Ich habe dir nichts getan!“

„Du hast dich auf die Motorhaube der Göttin gesetzt. Frank, mein Freund – mein Exfreund – also der, dem dieses Auto gehört, würde dich dafür töten.“

„Bist du schwul?“

„Nein! Warum denn?“

„Ich kenne nur Schwule oder Frauen mit Exfreunden.“

„Dann kennst du jetzt einen Hetero mit Exfreund. Man lernt nie aus.“

„Ich nerve dich, nicht wahr?“

„Du bist ein kluges Mädchen!“

„Lässt du mich bitte an der nächsten Raststätte raus?“

Mick sah zu ihr rüber. Sie war sehr hübsch, ohne Frage. Und jetzt tat sie ihm leid. Er war wirklich ein Ekelpaket. Aber er hatte sich auf diese Fahrt gefreut. Alleine. Nur er, die Göttin, Erinnerungen und seine Gitarre. Und dieser Nerd neben ihm konnte ja auch wirklich nerven.

„Okay. Hör zu. Ich lass dich raus, wenn du willst …“

„Ich will!“

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Du hast mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich will für mich alleine sein. Meine Zeit genießen.“

Sie schaute ihn fragend an.

„Was ist so toll daran, alleine zu sein?“

„Die Ruhe. Autofahren, spazieren gehen oder abends am Donauufer sitzen. Dann komme zu mir. Kann mich ordnen und erden.“

„Ich war früher viel allein und wollte es gar nicht.“

„Das ist die andere Seite. Es gibt einen Unterschied zwischen alleine und einsam sein, Laura.“

Er sah sie an. Tränen kullerten über ihre Wangen. Plötzlich überkam ihn das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen. Jetzt schwiegen sie beide.

An der nächsten Raststätte fuhr er raus.

„Laura, du musst hier nicht aussteigen. Ich nehme dich auch mit, wenn du möchtest.“

„Danke. Aber ich will dein Mitleid nicht, Exfreund von Frank.“

Sie öffnete die Tür, und Mick wurde schlagartig klar, dass er ihr noch immer seinen Namen nicht genannt hatte.

„Ich bin Mick!“

„Adieu, Mick! Mach’s gut!“

Laura schlug die Tür zu und ging in Richtung eines 40-Tonners. Mick stieg aus und ging ihr nach.

„LAURA! Bitte, es tut mir leid! Steig bitte wieder ein!“

„Warum?“

„Weil ich nicht will, dass du gehst!“

Sie schaute ihn an und kniff Nase und Augen zusammen. Etwas linkisch holte sie ihre Brille aus der Innentasche ihrer Lederjacke und setzte sie wieder auf.

„Warum willst du das nicht?“

„Ich weiß nicht. Aber es ist ein Scheißgefühl, dich gehen zu lassen.“

„Mitleid?“

„Keine Ahnung, Laura. Ich kenn mich nicht so gut aus bei so etwas. Aber es macht mir Bauchschmerzen, dich weggehen zu sehen.“

Laura runzelte ihre Stirn.

„Und deine Ruhe? Deine meditativen Spaziergänge? Dein Karma?“

„Scheiß drauf!“

„Na gut! Bevor du ins Wasser gehst …“, grinste sie jetzt breit.

Laura ging zur Göttin und warf ihr Gepäck wieder rein, und Mick sah ihr schmunzelnd hinterher.

Sie fuhren eine Weile, bevor Laura das Schweigen unterbrach. „Mick also.“

„Mick“, bestätigte er.

„Michael?“, fragte sie nach.

„Mick! Meine Mutter ist Engländerin.“

„Schön. Ich mag keine Spitznamen. Mir sind richtige Namen lieber.“

„Warum?“

„Keine Ahnung.“

„Wie alt bist du, Laura?“

„Sechsundzwanzig.“

„Ja, sicher!“

„Ehrlich!“

„Du siehst viel jünger aus.“

„Ich weiß.“

„Was machst du, wenn du keine Autos high-checkst?“

„Ich habe Philosophie studiert.“

„Warum tut jemand so etwas?“

„Weil es diesen jemand interessiert?“

Sie sah ihn an. „Nun frag schon!“

„Was denn?“

„Das, was alle wissen wollen: Was kann man damit machen?“

„Philosophieren? Taxi fahren?“

Laura kicherte. „Du bist ulkig. Was machst du?“

„Im Moment?“

„Ja.“

„Nach Wien fahren!“

„Und was tust du, wenn du da bist?“

„Wieder nach Hause fahren.“

„Und dann?“

„Ich glaube, du hast das Gen. Du hättest gar nichts anderes studieren dürfen. Du musst den Dingen einfach auf den Grund gehen.“

„Sag schon!“, kicherte sie.

„Ich mach Musik.“

„Was denn?“

„Ich bin nicht stilsicher. Alles Mögliche. Eine Hure eben.“

„Aha! Das klingt spannend. Aber nicht wegen der Musik. Spielst du mir mal was vor?“

„Nächsten Samstag vielleicht.“

„Du gehst nach Podersdorf?“

Mick nickte.

„Ist das scharf! Ich will Backstage, dass das klar ist! Und mit der DS eingefahren werden.“

Mick schaute sie verblüfft an.

„Du kennst die DS?“

„Die Usine? Natürlich Mick! Göttinnen kennen einander! Glaubst du, ich stell mich vor jedes Auto?“

„Du wärst eben fast in einen rumänischen LKW gestiegen!“

Laura kicherte. „Das hast du nicht wirklich geglaubt?“

Mick war fassungslos.

„Biest!“, murmelte er.

Laura sah ihn schmunzelnd an. „Du hast längst verloren, Mick!“

„Wie bitte?“

„Du weißt genau, was ich meine.“

Mick war verwirrt. Er hatte wirklich Bauchschmerzen, als sie in den LKW einsteigen wollte. Es tat ihm weh. Aber sie könnte seine Tochter sein! Wie kam sie darauf, dass er etwas von ihr wollte?

„Du hast keine Tochter, Mick!“

Etwas verunsichert hakte er nach. „Woher weißt du das?“

„Keiner, der eine Tochter hat, lässt sich derart abkochen.“

„Nein, ich meine, woher weißt du, was ich dachte?“

Laura lachte. „Ihr Männer denkt ohnehin schon viel zu laut. Und bei dir habe ich Angst, einen Tinnitus zu kriegen.“

Mick sah sie wieder an.

„Wenn du Franks Kleinod sicher nach Podersdorf chauffieren willst, solltest du besser auf die Straße sehen. Hältst du am nächsten Parkplatz bitte an? Ich muss mal.“

Mick nickte.

Sie schwiegen wieder eine Weile, bis endlich ein Rastplatz vor ihnen auftauchte. Mick stellte die Göttin ab.

„Jetzt kannst du mich ansehen, wenn du willst, Mick!“

Sie nahm ihre Brille ab. Laura hatte wunderschöne, stechend blaue Augen, ihre dichten Augenbrauen setzten sich von ihrem hellen Teint genauso markant ab wie ihre für ihr zartes Gesichtchen sehr vollen Lippen, die einen Schmollmund formten. Ihr Mund war leicht geöffnet, und Lauras ganz leichter Silberblick berührte ihn auf eine Art, die er nicht wollte. Er wich ihm aus, doch sie lächelte ihn an.

„Wenn du mit mir eine schöne Zeit bis Podersdorf haben möchtest, dann tust du genau das, was ich dir sage, Mick.“

„Ich verstehe nicht …“

„Du verstehst!“

Mick schluckte. Das konnte alles nicht wahr sein.

„Ich weiß schon seit Landshut, dass du einer dieser tollen Männer bist, die wissen, was eine Frau wie ich will und auch bereit sind, es zu geben, Mick.“

„Eine Frau wie du? Was soll das heißen?“

„Auch das weißt du ganz genau, mein Lieber.“

Mick war zusehends verunsichert. Ja! Er wollte immer schon mal einer dominanten Frau begegnen, davon hatte er schon als Teenager geträumt. Aber sie war doch viel zu jung dafür! Und woher wusste sie das alles?

„Keine Angst, Mick. Du gefällst mir. Ich werde dich führen. Und du wirst mir gehorchen. Vertrau mir!“

Was redete sie da? Er fühlte sexuelle Erregung aufkommen und wollte das jetzt so überhaupt nicht. Es fiel ihm schwer zu atmen. Die Luft war stickig geworden in der Göttin – oder kam ihm das nur so vor?

„Was hast du vor, Laura?“

Laura lächelte. „Du willst es jetzt schon wissen? Alles, was ich mit dir vorhabe? Glaub mir: Das willst du nicht wissen! Und selbst wenn es soweit sein wird, wirst du dir manchmal wünschen, du wärst an der Raststätte weitergefahren. Aber wie gesagt: Da hattest du schon verloren.“

„Ich hab nicht verloren, Laura. Was redest du da?“, versuchte Mick, seine Fassung wiederzuerlangen.

„Ist das so? Dann steige ich jetzt aus und warte auf den nächsten Mann, Mick. Glaub mir, es gibt viele wie dich. Die würden eine Frau wie mich nach Podersdorf bringen, selbst wenn sie nach Köln fahren wollten. Aber … DU interessierst mich wirklich, und wir haben denselben Weg. Lass ihn uns ein Stück weit gemeinsam gehen!“

Mick schüttelte verwirrt den Kopf. Intuitiv spürte er, dass sie recht hatte. Aber wenn er jetzt kapitulierte, gab er alle Zügel aus der Hand und lieferte sich einem jungen Ding aus, von dem er nichts wusste.

Andererseits: Wenn er jetzt alleine weiterfahren würde, wäre es nichts mehr mit am Ufer sitzen und Gitarre spielen. Seine Gedanken würden um dieses Wesen kreisen und darum, was er verpasst hatte.

Sie hatte ihn. Wie eine Spinne hatte sie ihn in ihr Netz gelockt, und es gab kein Entrinnen mehr.

„Was ist jetzt, Mick? Darf ich mit dir rechnen?“

Mick sah sie an und nickte. Sein Mund war trocken.

Sie lächelte und streichelte seine Wangen.

„Wolltest du nicht auf die Toilette?“

„Schon geschehen!“, lächelte sie.

„Du darfst dich gleich darum kümmern. Steig aus und komm hier rüber!“

Mick sah sie mit großen Augen an. „Die Göttin! Du hast sie entweiht!“

„Na-na-na! Geweiht ist das passendere Wort in diesem Fall, Mick!“

Sie stiegen beide aus, und Mick ging ums Auto herum. Auf ihrem Sitz stand eine kleine Pfütze.

„Auf die Knie, Mick!“

Mick kniete sich neben die Göttin und ohne ein weiteres Wort von ihr, begann er, ihre Pisse vom Sitz zu lecken. Der Geschmack des alten Leders, der sich auf seiner Zunge mit ihrer Pisse vermischte, war atemberaubend. Er stöhnte und neben sich hörte er sie flüstern: „Du bist klasse, Mick!“

Als der Sitz weitgehend sauber war, schaute er ihr zwischen die Beine – Laura stand vor ihm, sie hielt ihren Pullover hochgezogen, ihre Jeans war im Schritt klitschnass.

Sie lachte.

„Du bist ein Gourmand, Mick! Später! Bring mir lieber mal dein Handtuch.“

Mick holte sein Badetuch aus dem Kofferraum. Sie wischte alle Reste vom Sitz ab und legte es in der Mitte gefaltet darauf, bevor sie sich wieder setzte.

„Du kannst weiterfahren, Mick!“

Mick setzte sich wieder hinters Steuer. Er war verwirrt, rang um seine Fassung.

„Lass es einfach zu! Es wird nichts passieren, was du dir nicht wünschst, Mick“, hörte er sie sagen.

Er beschloss, sich auf dieses Spiel einzulassen, und wurde langsam ruhiger. Laura lächelte.

Bald waren sie in Passau und das Wetter besserte sich endlich. Mick öffnete das Dach, und sie fuhren an der rechten Donauseite entlang.

„Was ist das mit Frank, Mick?“

„Muss ich antworten?“

„Nein, Mick! Ich möchte keinen devoten Kaspar haben. Wenn ich will, dass du mir offen antwortest, sag ich dir das vorher. Aber dann dreht es sich um Sexuelles. Ich werde dir ab und zu sagen, was du zu tun hast. Dann möchte ich, dass du gehorchst. Du wirst etwas Zeit brauchen, dich daran zu gewöhnen. Die gebe ich dir, keine Angst.“

Mick nickte – er fühlte sich erleichtert.

„Ist das jetzt so eine Femdom-Geschichte?“

Laura runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich denke, so nennt man es – keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht sonderlich, wie man es nennt. Ich weiß, was ich will, und manchen Männern scheint das sehr zu gefallen.“

„Das klingt, als wenn du Geld dafür nehmen würdest?“

„Himmel nein! Wo denkst du hin? Aber der eine oder andere hat mir schon hie und da etwas weitergeholfen.“

„Ah ja? Und wie kann man dir weiterhelfen?“

„Letztes Jahr konnte ich beispielsweise eine Reportage für ein großes Magazin machen. Ich war zwei Monate mit einem Fotografen in Sumatra und auf Borneo. Mit den wissenschaftlichen Teams zusammen entstand eine tolle Serie. Ich war zwei Monate in Asien und habe dafür so viel Kohle bekommen, dass ich bis heute davon leben und an meinem Buch schreiben konnte.“

„Du kanntest den Fotografen?“

„Den Chefredakteur. Der hat das alles finanziert.“

„Und wenn du nichts geliefert hättest?“

„Das wäre schlecht fürs Image. Ich will ja auch noch mein Buch verlegen lassen.“

„Und was willst du von mir?“

„Ein Backstage-Ticket?“, lachte Laura.

„Noch nicht einmal das kann ich dir besorgen. Aber ich werde mit Frank reden, versprochen!“

„Du musst mir nichts besorgen, Mick! Ich verlange doch keine Gegenleistung dafür, dass man mir Lust bereitet.“

„Aber die Reportage hast du dir finanzieren lassen?

„Mick! Wenn ich Chefredakteurin wäre und einen begabten Typen hätte, der sexuell eine Granate ist, aber auch tolle Essays schreibt, würde ich es ihm auch finanzieren. Immerhin hat die Serie ja auch eingeschlagen. Ich habe mich doch nicht an den Typen rangemacht, damit ich die Reportage schreiben kann. Es war sogar seine Idee.“

Mick runzelte die Stirn.

Laura bemerkte seine Zweifel und fuhr fort: „Schau: Ich liebe meine Art von Sexualität. Rein statistisch kann ich mir den Luxus erlauben, bei der Auswahl meiner Partner äußerst anspruchsvoll zu sein. Und da war schon der eine oder andere dabei, der mir weiterhelfen konnte. Auch ich hab schon einigen geholfen, indem ich dieses Netzwerk nutze. Was soll daran verwerflich sein?“

„DU bist die Philosophin von uns beiden.“

„Mein Studium hat mir sehr dabei geholfen, Gedanken zu Ende zu denken, Mick. Das macht meine Texte besser, tiefgründiger, ohne Frage. Allerdings muss man den Leser mitnehmen können. Um ehrlich zu sein, steige selbst ich bei vielen meiner Kollegen schon nach dem zweiten Satz aus. Ein Artikel im Feuilleton einer deutschen Tageszeitung sollte meines Erachtens zumindest dem Durchschnittsleser noch zugänglich sein. Wenn promovierte Philosophen Mühe mit einem Artikel haben, weil er ihnen zu theoretisch ist, stimmt da etwas nicht. Und das hat nichts mit Niveau zu tun.“

„Das klingt sehr engagiert: Nieder mit dem Elfenbeinturm!“

Laura lachte. „Du Dödel! Du weißt genau, was ich meine! Jeder kann publizieren, wie er will, die Frage ist doch, welche Zielgruppe man erreichen will. Es ist meines Erachtens nicht vertretbar, dass Philosophen in einer Gazette mit einer siebenstelligen Auflage publizieren, aber dann nur von hundert Menschen gelesen werden können, weil das, was sie schreiben nur verstanden werden kann, wenn man studiert hat. Dafür gibt es Fachpublikationen.“

„Und warum veröffentlichen die dann dort?“

„Weil es schick ist und Kohle bringt.“

„Schick?“

„Ja, es ist schick für eine gewisse Klientel, die Namen dieser ,Vordenker‘ zu kennen. Das sind richtiggehende Popstars. Um Inhalte geht es ohnehin längst nicht mehr.“

Mick wirkte nachdenklich. Dieser rotzige Teenager, den er in Landshut an der Raststätte aufgegabelt hatte, hatte sich zu einer schwarzen Witwe entpuppt. Sie war gefährlich, das spürte er.

„Und warum ich?“, fragte er.

„Du warst grad da.“

„Das ist ein Kriterium?“

„Zunächst einmal das wichtigste Kriterium. Rein philosophisch betrachtet.“

Mick lachte. „Stimmt. Und das Nächstwichtige?“

„Du bist mein Beuteschema.“

„Du stehst auf alte Männer mit Bierbäuchen?“

„Na ja, den Bierbauch konnte man unter der Jacke nicht sehen, Stimmt! Lass mich raus!“

Sie kicherten.

„Dein Stil. Das Auto, Das hat mich interessiert.“

„Das Auto gehört mir nicht.“

„Aber du fährst damit. Und du magst Franks Göttin ja auch.“

Mick nickte.

Er erzählte ihr von Griechenland. Sie lachten viel zusammen. Es war ein schöner Trip, inzwischen waren sie in Linz angekommen.

„Europäische Kulturhauptstadt!“, prahlte Mick.

Sie stellten die Göttin ab und schlenderten durch die Innenstadt. An einem netten, kleinen Straßencafé nahmen sie Platz, und die Bedienung kam an den Tisch.

„Ich hätte gerne einen Veltliner, den Smaragd, bitte!“

„Mein Begleiter nimmt an Cappuccino und bringens mir bittschön an gspritzen Weißn!“

Mick wurde verlegen, und die Bedienung schaute jetzt zwischen den beiden verwirrt hin und her.

„Solange wir zusammen sind, wirst du nehmen, was ich dir bestelle, und hinterher artig bezahlen. Haben wir uns an diesem Punkt verstanden?“

Mick schluckte, nickte aber zustimmend.

„Natürlich, Laura“, flüsterte er heiser.

„Dann keinen Veltliner?“, fragte die Bedienung und hob eine Augenbraue.

„Sie haben es doch gehört! Habe ich einen bestellt?“, schnippte Laura.

Die Bedienung warf Mick einen gespielt mitleidigen, ins Verächtliche spielenden Blick zu und ging mit einem breiten Grinsen zurück ins Café.

Nach einer Weile fuhr Laura fort: „Mick, was ist das mit Frank? Ich spüre, dass es dich sehr bedrückt.“

Mick schaute sie lange an. „Was kann eine jahrzehntelange Freundschaft zwischen Männern zerstören?“

Laura nickte wissend. „Wie heißt sie?“

„Martina. Wir waren elf Jahre ein Paar.“

„Ihr hattet noch Sex?“

Mick schmunzelte. „Du bist wirklich eine Sadistin. Das mit dem Finger in der Wunde, das kannst du ganz gut.“

„Mick, du weißt, dass ich eine Sadistin bin, ich mache ja auch keinen Hehl daraus. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich trotz meiner jugendlichen Unreife, die du mir unterstellst, sehr wohl weiß, dass sich niemand in eine elfjährige Beziehung drängen kann, in der es erfüllten Sex gibt. Außerdem weiß ich nach vier Stunden mehr über deine Vorlieben als deine Ex, oder?“

Mick war beeindruckt. Die Geradlinigkeit und die analytische Präzision dieses Mädchens verblüfften ihn.

„Du bist tatsächlich ein Nerd, Laura!“

„Aber wieso bist du den beiden denn dann so böse? Ich meine, DU hast nicht offen über deine Wünsche gesprochen!“

„Musste es mein bester Freund sein?“

„Sie sind noch zusammen, nicht wahr?“

„Woher weißt du das?“

„Nur ein Riesenarschloch würde seinen besten Freund für eine Affäre verraten, und der wäre nicht dein bester Freund geworden.“

Mick nickte. Sie hatte auch damit recht. Frank war kein Riesenarschloch.

„Sie haben letztes Jahr geheiratet.“

„Hat dich das getroffen?“

„Irgendwie ja. Es hatte etwas Endgültiges. Ich war draußen, verstehst du?“

„Liebst du sie noch?“

„Wie? Ach du meine Güte! NEIN!“

„Was ist es dann, Mick?“

„Wir hatten uns auseinandergelebt, sicher. Aber wir waren ein Team. Ein verdammt gutes, Laura. Ich habe ihr blind vertraut.“

Laura flüsterte: „Traue niemals einem Partner, mit dem du nicht ehrlich über Sex reden kannst.“

Mick sah sie überrascht an. „Hast du selbst schlechte Erfahrungen gemacht?“

„Nicht in diesem Bezug. Aber mal ehrlich, Mick: Hast du dir – habt ihr beide euch da nicht viel zu lange etwas vorgemacht? Was passierte denn, wenn irgendwann, irgendwo in einer Runde einmal das Gespräch auf Sex kam?“

Mick wurde nachdenklich. „Wir waren beide schlecht gelaunt hinterher, schwiegen solange, bis wir es wieder vergessen hatten …“

„Mick, Männer ticken anders als Frauen. Ihr holt euch einen runter, wenn ihr geil seid, und das Thema ist wieder vom Tisch. Eine Frau möchte gewollt und begehrt werden. Bekommt sie das nicht, schläft das Verlangen komplett ein. Es ist nicht mehr vorhanden, sie fühlt sich auch nicht mehr als Frau, und solange sie nicht daran erinnert wird, scheint alles okay zu sein. Aber wehe, irgendjemand weckt das Verlangen dann wieder!“

„Woher weißt du das alles?“

„Das ist eine andere Geschichte, Mick. Vielleicht ein andermal. Was ist passiert, damals?“

„Es war saublöd: Ich hatte einen kleinen, aber feinen Gig in Stuttgart und war schon fast in Ulm, da fiel mir auf, dass ich mein Smartphone zuhause habe liegen lassen. Da war alles drin, die E-Mail mit den Daten des Veranstalters, die Hotelbuchung, einfach alles. Und das Dümmste war: Ich konnte noch nicht einmal zu Hause anrufen, weil ich mein Handy ja nicht dabeihatte, und so blöd es klingt: Ich kannte meine eigene Festnetznummer nicht. Ich schaute sogar auf meiner Visitenkarte nach, aber da war nur meine Mobilnummer drauf. Also drehte ich um.“

„Willkommen im 21. Jahrhundert!“

Mick nickte. „Als ich zu Hause ankam, suchte ich mein Handy überall. Mir fiel ein, dass ich es in die Jacke gesteckt haben musste, die ich am Vorabend getragen hatte. An der Garderobe hing sie nicht, Martina hatte sie wohl in den Schrank gehängt. Also ging ich hoch ins Schlafzimmer …“

„O je!“

Mick atmete tief ein. „Es war ein Schock, Laura! Die beiden Menschen auf dieser Welt, denen ich blind vertraut hatte, verpassten mir einen Arschtritt, von dem ich mich bis heute nicht erholt habe.“

Laura drückte seine Hand ganz fest. Sein Blick war wütend, seine Augen feucht.

„Mein Gott, Mick. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Das geht überhaupt nicht. Nein. Es sind viele Fehler gemacht worden. Aber in deinem Schlafzimmer? In deinem Bett? Wie schräg ist das denn?“

Mick schluckte wieder.

Laura sah ihn liebevoll an. „Weißt du, so etwas kann vorkommen. Gerade unter Freunden, ich kenne das. Aber dann redet man miteinander, bevor man handelt“, flüsterte Laura. „Wenn die beiden mit dir geredet hätten, als sie sich ineinander verliebten …“

„Dann wären wir wohl noch heute Freunde. Was denkst du, wie oft ich darüber nachgedacht habe. Zwischen mir und Martina lief doch eh nichts mehr. Wenn die beiden mir gesagt hätten, dass sie dabei sind, sich ineinander zu verlieben, hätte das sicherlich auch wehgetan. Aber es wäre auch eine Befreiung gewesen, verdammt. Endlich hätte ich mich outen können. Um mich herum konnten alle im Internet Kontakte knüpfen, ihre Sexualität leben, sich ausprobieren. All das hatte ich abgelehnt, mich dazu gezwungen, treu zu bleiben – dieses Vertrauen, das in all den Jahren gewachsen war, nicht zu zerstören.“

„Na ja, machst du dir nicht ein wenig selbst etwas vor? Du hast Martina im Kopf hunderte Male betrogen und sie über deine Vorlieben im Unklaren gelassen. In meinen Augen sieht Vertrauen etwas anders aus!“

Mick sah sie nachdenklich an.

„Aber ich stimme dir schon zu. So wie das gelaufen ist, hätte ich wahrscheinlich beide erschossen. Ich bewundere deinen Gleichmut!“, lachte Laura.

„Weißt du, am meisten nervt mich, dass Martina mir auch Frank gegenüber so eine Art Opferrolle zuschiebt. Sie tut so, als sei ich tief verletzt und wäre deshalb sauer. Aber in Wirklichkeit ist es nicht das Ende der Beziehung oder der Verrat, was mich derart auf die Palme bringt – es ist die selbstgerechte Art, wie vor allem Martina damit umgeht. Der Spruch Da gehören dann ja wohl doch zwei dazu! Sicher gehören zwei dazu, eine Beziehung an die Wand zu fahren. Aber nicht, um sie so stillos zu beenden, und nur darum geht es mir ja.“

„Oh ja! Diese küchenpsychologischen Delikatessen stellen meine innere Ausgeglichenheit immer wieder auf eine harte Probe … Ommmmmmm.“ Laura legte bei dem letzten Satz beide Arme auf die Stuhllehne und Mick lachte lauthals auf.

Dann wurden sie wieder still und schauten einander an.

„Zahlst du bitte, Mick?“, sagte Laura leise. „Ich möchte weiter, es ist zwar schön hier, aber wir wollen ja noch ankommen. Vorher möchte ich noch was besorgen gehen, da vorne habe ich einen netten Laden gesehen. Gib mir mal einen Zwanziger!“

Mick runzelte die Stirn.

„Schau mich nicht so an! Es wird dir gefallen. Oder auch nicht. Wir werden sehen!“

„Was?“

„Gib schon her!“

Mick gab ihr einen Zwanzig-Euro-Schein, und sie verschwand in einer Seitengasse.

Gerade als er bezahlt hatte, kam sie mit einer Tüte zurück und gab ihm das Restgeld.

„Was ist das?“

„Restgeld.“

„Nein, ich meine, was hast du da in der Tasche?“

„Sei nicht so neugierig!“

„Das sagt die Richtige!“

Laura kicherte und streckte die freie Hand nach ihm aus. „Kommst du?“

Sie schlenderten zusammen zurück zur Göttin. Es gefiel Mick, mit Laura Hand in Hand zu gehen. Als sie ankamen, zog Laura ihr Sweatshirt aus, es war inzwischen Mittag und sehr warm geworden. Ihr T-Shirt, das sie darunter trug, war nassgeschwitzt.

„Warum hast du denn den Sweater nicht längst ausgezogen? Du bist ja klitschnass!“

„Ich kann mich so doch nicht in ein Café setzen, Mick!“

Sie ging auf ihn zu und umarmte ihn. Die beiden versanken in einen unendlich zärtlichen Kuss. Und zum ersten Mal nahm er ihren intensiven Geruch wahr. Ihm schwanden beinahe die Sinne. Die Sonne, die Wärme, die ihn umgab, dieser leidenschaftliche Kuss, ihre sinnlichen Lippen auf seinen und dieser betörende, atemberaubende Duft, den sie verströmte.

Mit Genugtuung nahm sie die dicke Beule in seiner Jeans wahr.

„Schön, dass du mich riechen kannst, Mick!“, flüsterte sie, als sie ihm herzhaft an die Beule fasste.

Menschen drehten sich nach ihnen um, doch es war Mick völlig egal. Er wollte sie. Wollte dieses unglaublich sinnliche Wesen. Das ihn verstand. Das so klug war. So ohne jede Konvention. So vollkommen.

„Komm, fahr mich ins Paradies, mein großer Held!“, flüsterte sie und schob ihn von sich weg.

 

Waldviertel

Mick wechselte die Donauseite.

„Wir können ja ein wenig durchs Waldviertel fahren, es ist hübsch da oben.“

„Oh ja, sehr gerne, Mick.“

Sie fuhren über idyllischen Sträßchen, und Laura genoss den Wind in ihren Haaren.

„Wo sind wir heute Abend?“

„In einer kleinen Pension in Spitz.“

„Brauchen wir da noch lange dahin?“

„Maximal zwei Stunden.“

„Oh, das ist schön, ich möchte noch ein wenig spazieren gehen. Es ist herrlich hier.“

Mick hörte das gerne. Auch ihm war danach, sich ein wenig die Füße zu vertreten. Er parkte die Göttin an einer kleinen Waldlichtung. Als sie eine leere Tüte aus dem Auto mitnahm, schaute er sie fragend an, sagte jedoch lieber nichts. Sie gingen eng umschlungen einen schmalen Waldweg entlang. Wieder konnte Mick ihren Duft wahrnehmen, ihm wurde schwindlig vor Geilheit. Es entging Laura nicht, und sie lächelte zufrieden. Sie streckte ihren Arm in die Höhe.

„Komm her, Mick! Atme mich ein!“

Doch anstatt sich zu ihr herunterzubeugen, hob er sie hoch und drückte seine Nase unter ihre Achsel. Es war berauschend. Er sog sie tief in sich ein, während sie ihn mit ihren schlanken Beinen umklammerte.

Mick fühlte sich pudelwohl in Lauras Welt. Vieles war neu für ihn, aber alles war ungemein sinnlich. Der Geruch unter Lauras Achseln machte ihn nicht nur unglaublich geil, er fühlte sich seltsam geborgen. Ihm fiel seine Mutter ein, auch sie hatte damals so gerochen, als er sie als Kind umarmte.

„Hey! Lass mich runter!“, flüsterte sie und riss ihn aus seinen Gedanken.

Seine Geilheit war beim Gedanken an seine Mutter ohnehin etwas abgeklungen, und nachdenklich ließ er sie runter. Sie gingen noch ein Stück und kamen an eine weitere Lichtung, in deren Zentrum ein kleiner, von Seerosen überwucherter Weiher lag.

„Mein Gott, ist das schön hier!“, schwärmte Laura andächtig.

Um sie herum war nichts zu hören, was nicht Natur war. Sie setzten sich und lauschten den Vögeln, den Kröten und den Insekten.

Dann flüsterte sie: „Zieh dich aus, Mick!“

Mick drehte sich nach ihr um, ihr Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie das jetzt genau so meinte. Er zog sein T-Shirt aus. Zögerlich warf er ihr einen fragenden Blick zu. Ihr aufforderndes Nicken ließ seinen Gürtel öffnen, er schlupfte aus seinen Schuhen, streifte seine Jeans, seine Socken und zuletzt auch noch den Slip ab. Sie sammelte seine Kleider ein und verstaute sie in ihrer Tüte.

„Kommst du? Ich möchte noch ein Stück gehen!“, sagte sie, während sie ihre Hand nach ihm ausstreckte.

Mick war nicht eben begeistert. Zwar spürte er eine nie gekannte Erregung, doch dadurch war sein kleiner Freund zu nicht unbeträchtlicher Größe angewachsen. So „halbsteif“ durch den Wald zu gehen war ihm äußerst unangenehm. Er nahm dennoch ihre Hand, und sie gingen weiter. Micks Schritte waren linkisch, der Waldboden um den Weiher herum war zwar weich, doch es lagen etliche kleine Steinchen, Ästchen und allerhand dorniges Gestrüpp herum, das sich in seine Füße bohrte.

„Du solltest öfters barfuß gehen, Mick. Du machst gerade keine sehr männliche Figur“, lachte sie.

Mick war etwas angefressen. Ausgelacht zu werden, mochte er nicht, und hier zu gehen war sehr schmerzhaft.

„Oooch, was hat denn unser Mick? Bist du beleidigt? Ist es dir nicht recht, wenn ich mich amüsiere?“

„Nein, äh doch … Schon! Es ist nur …“

„Sprich dich ruhig aus, Mick!“

„Ich mag es nicht, wenn man mich lächerlich macht, Laura.“

Laura schaute ihn mit einem liebevollen Blick an. „Auch nicht, wenn du mir dabei sehr viel Spaß bereitest?“

„Was macht dir Spaß dabei, einen Mann zu sehen, der sich vor dir blamiert?“

Sie ging auf ihn zu, stand jetzt direkt vor ihm und schaute zu ihm auf.

„Knie dich hin, Mick, so möchte ich nicht mit dir reden!“

Mick kniete sich etwas widerwillig vor sie, sein Kopf war jetzt in Höhe ihrer Brust.

Sie streichelte seine Wangen, während sie sich hinter ihn stellte.

„Mick, es macht mir Spaß, einen Mann …“ Zärtlich fuhr Sie mit ihrem Handrücken an seinem kräftigen Oberarm entlang. „… einen richtigen Mann zu sehen, der sich für mich klein machen lässt. Ich weiß, dass auf dem Boden hier überall stacheliges Zeug liegt, und ich will spüren, dass du das für mich tust.“

„Warum machst du dich dann über mich lustig, Laura?“

Laura nickte verständnisvoll. „Weil ich auch will, dass du dich mir beugst, Mick. Ich mag deinen Stolz und den sollst du dir bewahren, Kriecher widern mich an. Aber ICH sollte für dich über deinem Stolz stehen. Damit musst du klarkommen, wenn du mich sexuell anmachen möchtest. Kannst du das?“

„Das weiß ich nicht, Laura!“

Sie stellte sich wieder vor ihn, hob sein Kinn an und sah ihm tief in die Augen.

„Danke! Das ist die einzige Antwort, die ich im Moment auf diese Frage akzeptiere, Mick. Du bist ein ehrlicher Mensch und opferst deine Würde nicht deiner Geilheit. Auch das macht dich zu einem coolen Mann. Lass dir Zeit festzustellen, ob du damit leben kannst. Im Moment jedenfalls kickt es dich nicht.“

Sie küsste ihn lange und wieder mit dieser Leidenschaft, die ihn erbeben ließ.

„Du darfst jetzt aufstehen!“

Wieder reichte sie ihm die Hand, und er nahm sie dankbar an. Sie gingen ein Stück weiter und kamen an eine neuerliche Lichtung neben dem Weiher.

„Hier ist es schön!“