Edgar Allan Poe
Unheimliche Geschichten
Herausgegeben von Charles Baudelaire
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Nohl
dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Edgar Allan Poe, geboren 1809 in Boston als Sohn von Schauspielern, gilt als eigenwilligste und faszinierendste Dichterpersönlichkeit im Amerika des 19. Jahrhunderts. Sein kurzes, aber bewegtes Leben, das 1849 in Baltimore unter geheimnisvollen Umständen ein Ende fand, wurde schon bald zur Legende.
Charles Baudelaire, geboren 1811 in Paris, begründete als Herausgeber der Werke Edgar Allan Poes dessen Weltruhm. Mit seinem Gedichtzyklus ›Fleurs du Mal‹ (1857) setzte er ein neues Datum in der Dichtungsgeschichte. Er starb 1867 in seinem Geburtsort.
Andreas Nohl wurde 1954 in Mülheim an der Ruhr geboren. Seine Übersetzungen u.a. von Mark Twains ›Tom Sawyer und Huckleberry Finn‹ und Rudyard Kiplings ›Dschungelbuch‹ wurden von der Presse hochgelobt. Zuletzt erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.
Poes Werk war von Anfang an eine Provokation – das Modische, Unoriginäre war ihm verhasst. Das puritanische Amerika strafte ihn dafür mit übler Nachrede und Vergessen. Erst in Frankreich fand er posthum geistiges Exil, als niemand Geringeres als Baudelaire ihn in den Rang setzte, der ihm gebührt, seine Werke in fünf Bänden übersetzte und kommentierte. Mit ebendieser Poe-Ausgabe von Charles Baudelaire beginnt die literarische Moderne. Andreas Nohl überträgt sie kongenial ins Deutsche und zeigt Poe, den großen Pionier, im Zeitalter von Copy and Paste und Epigonen auf der Höhe seiner Kunst.
Der vorliegende erste Band trägt den Titel Unheimliche Geschichten: Poes unvergleichliche Erzählungen – von den Detektivgeschichten wie ›Doppelmord in der Rue Morgue‹ über ›Der Gold-Skarabäus‹ bis hin zu den Grotesken und den visionären Traumbildnissen wie ›Ein Sturz in den Malstrøm‹ – bezeichnen bis heute die Höhepunkte ihrer Gattung, wenn sie sie nicht überhaupt erst begründet haben. »Wenn jeder, der seine Einfälle Poe verdankt«, so Arthur Conan Doyle, »den zehnten Teil seiner Einnahmen opfern müsste, könnte diesem ein Denkmal errichtet werden, das größer ist als die Pyramiden …«
Neuübersetzung
2. Auflage 2018
© dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München2017
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eBook ISBN 978-3-423-43215-3 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-28118-8
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ISBN (epub) 9783423432153
aus: Rousseau, Nouvelle Héloïse: »zu verneinen, was ist, und zu erklären, was nicht ist«.
Ein so finsterer Plan / Ist er des Atreus nicht würdig, dann des Thyestes.
Mr. Ainsworth hat nicht versucht, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, obwohl es durchaus erklärbar ist. Zieht man eine senkrechte Linie von einem Punkt in 25 000 Fuß Höhe zur Erd- oder Meeresoberfläche, so bildet diese Linie die Senkrechte eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Grundlinie vom rechten Winkel bis zum Horizont reicht, während die Hypotenuse sich vom Horizont bis zum Ballon erstreckt. Doch die Höhe von 25 000 Fuß ist wenig oder nichts im Vergleich zur Ausdehnung des Blickfelds. Mit anderen Worten sind Grundlinie und Hypotenuse des angenommenen Dreiecks verglichen mit dem Lot so lang, dass man die beiden Ersteren als nahezu parallel ansehen kann. Auf diese Weise erscheint der Horizont dem Aeronauten als ebenso hoch wie die Gondel. Doch da der Punkt unmittelbar unter ihm weit entfernt erscheint – und es auch ist –, erscheint er natürlich auch sehr tief unterhalb des Horizonts. Daher rührt der Eindruck einer Wölbung nach unten, und dieser Eindruck hält sich, bis die Flughöhe im Verhältnis zur Ausdehnung des Blickfelds so hoch ist, dass die scheinbare Parallelität von Grundlinie und Hypotenuse verschwindet – worauf die wirkliche konvexe Form der Erde sichtbar werden muss.
Das Zodiakallicht ist vermutlich das, was die antiken Autoren als Trabes bezeichnen. Emicant et trabes quas docos vocant. Plinius, lib. 2, S. 26
Seit der Erstveröffentlichung von Hans Pfaall hat sich herausgestellt, dass Mr. Green, bekannt durch den Ballon »Nassau«, und andere neuere Aeronauten den diesbezüglichen Behauptungen Humboldts widersprechen und von einer Abnahme des Unwohlseins berichten – was exakt die hier vorgelegte Theorie stützt.
Hevelius schreibt, er habe mehrfach bei gleich klarem Himmel, wenn Sterne der sechsten und siebten Größenordnung deutlich erkennbar waren, beobachtet, dass bei gleicher Höhe des Mondes, bei gleichem Abstand zur Erde und mit ein und demselben ausgezeichneten Teleskop der Mond und seine Macula nicht immer gleich hell erschienen. Aus den Umständen der Beobachtung geht hervor, dass die Ursache dieses Phänomens weder in unserer Luft noch im Fernrohr, noch im Mond oder dem Auge des Betrachters liegen, sondern in etwas gesucht werden muss (einer Atmosphäre?), das sich um den Mond herum befindet.
Cassini beobachtete häufig bei Saturn, Jupiter und den Fixsternen, dass ihre runde Form, wenn sie sich dem Mond im Zuge einer Verfinsterung näherten, sich in ein Oval verwandelte, während er bei anderen Verfinsterungen keine Formveränderung fand. Daraus könnte man folgern, dass der Mond zu gewissen Zeiten, zu anderen aber nicht, von einer dichten Masse umgeben ist, durch die die Strahlen der Sterne gebrochen werden.
Vgl. Archimedes, De Incidentibus in Fluido, lib. 2.
Raue Berge; ein Ausläufer der Blauen Berge, Blue Ridge [Mountains], östlicher Teil der Apalachen. – Charles Baudelaire
Mercier vertritt in »L’an deux mille quatre cent quarante« allen Ernstes die Thesen der Metempsychose, und I. D’Israeli sagt: »Kein System ist so einfach und widerstrebt dem Verstand so wenig.« Colonel Ethan Allen, der »Green Mountain Boy«, soll ebenfalls überzeugter Anhänger der Metempsychose gewesen sein.
Wir gehen in diesem Nachwort auf Poes Leben nicht gesondert ein, da es bereits in dem voranstehenden Aufsatz von Baudelaire ausführlich behandelt wird (vgl. dazu auch die Anm. zu S. 357 und 358).
Claude Pichois: Baudelaire. London 1989, S. 145.
Baudelaire et Asselineau. Hrsg. von Jacques Crépet und Claude Pichois, Paris 1953, S. 93 ff.
Marie Bonaparte: Edgar Poe. Wien 1934, Bd. III, S. 297 f.
Claude Pichois: Baudelaire. London 1989, S. 218 f.
Ebd., S. 382.
Valéry bezieht sich hier auf Baudelaires 1852 publizierten Aufsatz »Edgar Allan Poe, sa vie et ses ouvrages«, der sich in wesentlichen Teilen von unserem Text (»Edgar Poe, sa vie et ses œuvres«, s. S. 351) aus dem Jahre 1856 unterscheidet. Der Aufsatz wird in Band V unserer Ausgabe nachgereicht.
Paul Valéry: Zur Literatur. Werke, Bd. III. Frankfurt am Main 1989, S. 226, 228.
Michel Butor: Ungewöhnliche Geschichte. Versuch über einen Traum von Baudelaire. Frankfurt am Main (1961), S. 127 passim.