Aus dem Tibetischen
von Helmut Gassner
Wurzeltext der
«Mahayana-Geistesschulung
in sieben Punkten»
aus dem Tibetischen
von Gonsar Rinpotsche
Überarbeitet und herausgegeben von Schülern Gonsar Rinpotsches
Das Umschlagmotiv stellt ein Siegesbanner dar, das von tibetischen Mönchen des Klosters Ganden Schartse (Südindien) in Sand gestreut wurde.
Das Siegesbanner ist eines der acht glücksverheißenden Symbole des tibetischen Buddhismus, die acht Qualitäten des Körpers und acht des Geistes versinnbildlichen. Es symbolisiert zum einen den Rumpf des mit 112 glücksverheißenden Zeichen geschmückten Körpers eines Buddha; zum anderen die Eigenschaft des Geistes, die alle Hindernisse und jede Art von Negativität besiegt und die höchste Verwirklichung, die Quelle alles Guten, erlangt hat.
Die Technik des Streuens von Sandbildern gehört zu den traditionellen Künsten des tibetischen Buddhismus. Sie wurde von Buddha in den großen Tantras als besonders geeignet für das Herstellen von Mandalas empfohlen und ist bis heute in den großen Klöstern Tibets erhalten geblieben.
Alle Rechte vorbehalten – Printed in Switzerland
© Edition Rabten, Le Mont-Pèlerin, Schweiz
e-mail: info@editionrabten.com
www.rabten.eu/Publications_de.htm
Satz und Umschlaggestaltung: Edition Rabten
Photos: Sandbild Umschlag, Portrait Umschlagklappe:
Ruedi Hofstetter; Zeichnung auf Seite 17: Gonsar Rinpotsche
eBook Herstellung: Edition Rabten www.rabten.eu
ISBN 3-905497-34-4
eBook: ISBN 978-2-88925-074-5
eBook-Auslieferung:
HEROLD Auslieferungs Service GmbH
www.herold-va.de
Dieses Buch ist aus der Niederschrift eines Kurses entstanden, den der Ehrwürdige Gonsar Rinpotsche im September 1992 in Tashi Rabten (Feldkirch) gegeben hat.
Gonsar Rinpotsche ist einer der herausragenden Meister in der Übertragungslinie des großen Kyabdsche Tridschang Rinpotsche, denen wir es verdanken, daß die authentischen Unterweisungen des Buddhismus im Westen vollständig erhalten sind. Wir fühlen uns daher dem traditionellen Lehrstil dieser Meister, dem auch Gonsar Rinpotsche folgt, verpflichtet und bemühen uns, so nah wie möglich am gesprochenen Original zu bleiben, damit die eindringliche Klarheit, die Rinpotsches Darlegungen so besonders machen, auch bei der Lektüre spürbar bleibt. Wiederholungen, die die Funktion haben, bestimmte Punkte fest einzuprägen, wurden deshalb nur wenig gekürzt oder bearbeitet. Für eventuelle textliche oder inhaltliche Unzulänglichkeiten zeichnet einzig der Herausgeber verantwortlich.
Wir möchten an dieser Stelle dem Ehrwürdigen Gonsar Rinpotsche für seine weise Führung und Unterstützung danken, ohne die unsere Arbeit gar nicht möglich wäre. Unser Dank gilt auch allen Dharmafreunden für ihre hilfreichen Beiträge.
Wir freuen uns, diese Unterweisungen als Buch veröffentlichen zu können und sind sicher, daß sie den Leserinnen und Lesern von persönlichem Gewinn sein werden.
Mögen die Halter dieser Unterweisungen lange leben, und mögen durch sie Mitgefühl und Weisheit in uns zunehmen.
Die Herausgeber
Le Mont-Pèlerin, im August 2001
Der große Bodhisattva Gesche Tschekawa war einer der hervorragendsten Meister unter den frühen Kadampa-Meistern.
Er wurde im Jahr 1102, dem Eisen-Schlangen-Jahr, in der Ortschaft Loro in der Familie eines Nyingma-Yogi geboren. Er kam mit den glückverheißenden Zeichen einer heiligen Person auf die Welt. Schon in jungen Jahren beherrschte er die religiösen Anwendungen der Tradition seines Vaters. Damit gab er sich jedoch nicht zufrieden und suchte intensiv nach einem geistigen Meister. Zuerst traf er Retschungpa, den wichtigsten Schüler von Milarepa. Von ihm erhielt er zu verschiedenen Zeiten alle Unterweisungen, die von Milarepa in Verbindung mit dem neuen Tantra-System weitergegeben worden waren. Im Alter von 21 Jahren erhielt er vom Meister Tsiworpa die Gelübde eines Mönchs und wurde Yesche Dordsche genannt. Er besuchte viele große Übersetzer und Meister seiner Zeit wie Ngok Lotsawa. Besonders war er daran interessiert, die philosophischen Systeme des Buddhismus zu erlernen. Diese studierte er sehr genau mit der Hilfe von Meistern wie Gesche Tsen und Tschayülba. Er beherrschte alle philosophischen Systeme und konnte etwa hundert große Schriften auswendig.
Aber er war dennoch unzufrieden und dachte, es müsse eine spezielle Methode geben, um zur Erleuchtung zu gelangen. Einmal erhielt er eine Unterweisung von Gesche Nyang Tschak über den Text des Meister Langrithangpa, die «Geistesschulung in acht Versen». Von Gesche Näsurpa erhielt er Unterweisungen über die «Stufen auf dem Weg zur Erleuchtung» (Lamrim), Unterweisungen über die «blaue Broschüre» und über viele weitere besondere Übertragungen der Kadam-Tradition.
Besonders fühlte er sich zur «Geistesschulung in acht Versen» hingezogen. Er machte sich auch auf, um Gesche Langrithangpa zu treffen, als er aber in Lhasa ankam, war dieser schon gestorben. Er fragte, wer in den Unterweisungen dieses Meisters die höchsten Erkenntnisse besitze, und traf dann im Alter von dreißig Jahren Meister Scharawa in der Gegend Scho. Als er dort ankam, gab Meister Scharawa Unterweisungen über den Text «Schrawaka Bhumi» von Asanga. Er hörte diesen Unterweisungen zu und fand sie recht kompliziert und vermißte einen klaren Bezug zur Geistesschulung. In der Pause zwischen den Unterweisungen, als Gesche Scharawa Umkreisungen eines Stupa machte, breitete er seinen Überhang aus und bat den Meister, kurz darauf Platz zu nehmen, er wolle ihn um einen Rat bitten. Meister Scharawa antwortete, er habe alle Ratschläge während der Unterweisungen vom Thron des Dharma aus gegeben und habe keine zusätzlichen Ratschläge zu geben. Tschekawa antwortete, daß er einen Vers gesehen habe, der laute:
Gib den Gewinn und den Sieg den anderen, und nimm für dich selbst den Verlust und die Niederlage.
Er finde diesen Vers für seinen Geist sehr wertvoll, vor allem in Situationen, in denen er keine Unterkunft finden kann oder ihn Freunde enttäuschen, und würde gerne wissen, ob es sich um ein tiefgründiges Dharma handle. Gesche Scharawa antwortete: «Oh Bruder-Mönch, abgesehen davon, ob es deinem Geist zuträglich ist oder nicht, wenn jemand nicht den Wunsch hat, die Erleuchtung zu erlangen, dann kann er diesen Vers beiseite legen. Aber wenn jemand die Erleuchtung erlangen will, wird es ohne dieses Dharma nicht möglich sein.» Darauf bat Gesche Tschekawa um die Übertragung dieses Verses. Meister Scharawa antwortete weiter: «Es gibt niemanden, der nicht Nagardschuna als vollkommenen Meister betrachtet, und Nagardschuna sagt im Text «Ratnavali»:
Mögen alle Sünden der Wesen an mir reifen, und mögen alle meine heilsamen Eigenschaften an ihnen reifen.
Das war die Übertragung. Gesche Tschekawa bat um weitere Unterweisungen über diese Zeile, und Meister Scharawa antwortete: «Oh Bruder, sei geduldig, ich werde dir diese Unterweisungen Schritt für Schritt geben.» Er erhielt diese Unterweisungen und folgte deren Anwendung unter Aufsicht von Meister Scharawa während zwölf Jahren. Es gelang ihm damit, den Geist der Erleuchtung zu erzeugen und alle Fesseln des Selbstschätzens zu durchschneiden. Gesche Tschekawa sagte:
«Durch das Erwachen von Karma aus früherer Vertrautheit und die Ursache starken Wünschens und durch das Erdulden von Leid und Kritik habe ich die Anweisungen erhalten, die es mir erlauben, das Greifen nach dem Ich zu zähmen. Nun, selbst wenn ich sterbe, empfinde ich keine Reue.»
Obwohl Meister Scharawa viele Unterweisungen der großen Texte wie z.B. der «Fünf Dharmas» von Buddha Maitreya gab, wurden die Unterweisungen zur Geistesschulung nur wenigen geeigneten Schülern wie Gesche Tschekawa im geheimen gegeben. Tschekawa sagte:
«Bis ich Meister Scharawa fand, war jedes Dharma, das ich hörte, immer etwas, das zum Gedanken führte, daß es einen anderen Weg zum Erreichen der Erleuchtung geben muß. Deshalb kam ich nie zu einem Entschluß. Nachdem ich Meister Scharawa getroffen hatte, war ich überzeugt, daß es keine bessere Methode als diese geben kann, und so fand mein Geist Ruhe. So beneide ich niemanden, und ich habe keinen Wunsch, etwas anderes zu hören.»
Indem er die Unterweisungen von Meister Scharawa intensiv befolgte, wurde er zum Meister der essentiellen Unterweisungen des großen Fahrzeugs.
Nachdem Meister Scharawa gestorben war, gab Gesche Tschekawa den Schülern über alle Aspekte des Dharma Unterweisungen. Er lebte 34 Jahre über Meister Scharawas Tod hinaus und verweilte meistens an einsamen Orten. Seine Anwendung bestand vor allem in den zwei Aspekten des Geistes der Erleuchtung. Wer immer kam, um bei ihm Dharma zu suchen, fand seine Wünsche erfüllt. Die Anweisungen zur Geistesschulung jedoch gab er nur im geheimen an Schüler, die einer intensiven Anwendung folgten.
Später jedoch, während Unterweisungen im Ort Drephu, sagte er:
«Dieses Dharma der Geistesschulung ist nicht geeignet, um öffentlich unterrichtet zu werden, es wird nur im geheimen an die Anwender gegeben. Aber es ist schwer zu wissen, wem es nützt und wem nicht, deshalb habe ich es in sieben Punkten niedergeschrieben: das vorbereitende Dharma; die Schulung in den zwei Aspekten des Bodhitschitta; wie man widrige Umstände in den Weg zur Erleuchtung umwandeln kann; eine kurzgefaßte Beschreibung der Anwendung eines Lebens; Zeichen der Schulung des Geistes; die Bindungen der Geistesschulung; und Ratschläge in bezug auf die Geistesschulung.»
Gesche Tschekawa bat seinen Betreuer, den Anlaß der Namengebung dieser Unterweisungen zu feiern, indem allen Klausnern Rohzucker und Butter als Opfergaben offeriert wurden. Damit begann die Tradition, diese «Geistesschulung in sieben Punkten» in öffentlichen Unterweisungen zu unterrichten.
Später gründete er das alte Tscheka-Kloster in Meldro und lebte dort elf Jahre. Das Kloster hatte 900 Mönche. Er sagte auch voraus, daß sein wichtigster Schüler, Tschilbupa, das neue Tscheka-Kloster gründen werde, und sagte: «Wenn Vögel älter werden, verbringen sie ihr Leben in der Ferne.» Er verbrachte das Ende seines Lebens in Thaphu in Einsamkeit und sagte:
«Indem ich den Wunsch nach Essen und Kleidung überwunden hatte, verhielt ich mich gemäß einem verwundeten Wild. Ich überwand alles Verlangen für mich selbst und folgte den Anweisungen des Meisters gemäß dem Dharma. Wenn ich jetzt sterbe, habe ich keine Reue. Unter allen Klängen der Welt sind mir die Klänge der Schulung des Geistes die liebsten.»
Und so bat er seinen jüngeren Bruder, der sein Betreuer war, ihm die Worte der Schulung des Geistes vorzusprechen. Bald sagte er:
«Bringe Buddha Opfergaben dar, denn es scheint, daß mein innigster Wunsch nicht in Erfüllung geht. Ich habe mich immer danach gesehnt, in den Bereichen der Hölle Geburt zu nehmen, um den Wesen dort von Nutzen zu sein, aber alles, was ich jetzt sehe, sind Visionen des reinen Landes Sukhavati.»
In dieser Weise starb er im Alter von 75 Jahren, während er einige Worte der Geistesschulung sprach. Es war im Holz-Schaf-Jahr 1176.
Für den Nutzen zukünftiger Generationen verfaßte er auch viele Kommentare zu den Unterweisungen der Meister Atischa und Drom, die den Ursprung der Kadam-Tradition darstellen. Darunter sind die Unterweisungen der «Geistesschulung in sieben Punkten» die essentiellen Ratschläge, denen ein wahrer Anwender von Dharma folgen wird.
Ein großer Teil der Zuhörer von Dharma-Unterweisungen hat nur ein oberflächliches Interesse, was leicht dazu führen kann, daß das Dharma entsprechend oberflächlich benützt wird und damit der Geist gegen die eigentliche Wirkung des Dharma resistent wird, ähnlich wie wir bei unsachgemäßer Einnahme von Antibiotika gegen die Wirkung des Medikaments resistent werden. Aus diesem Grund waren die großen Kadampa-Meister so zurückhaltend, die Unterweisungen der Schulung des Geistes öffentlich zu unterrichten. Sie wollten damit verhindern, daß Schüler gegen diese allerwirksamsten Unterweisungen resistent werden.
Wenn diese Unterweisungen auf den eigenen Geist bezogen werden, sind sie äußerst wirkungsvoll. Wir alle erfahren ständig Schwierigkeiten, an deren Wurzel unser Selbstschätzen steht. Diese Unterweisungen sind wie die wirkungsvollste Medizin, um diese Wurzel unserer Probleme zu überwinden. Zu diesem Zweck werden solche Unterweisungen gegeben. So hoffe ich, daß es uns gelingen wird, damit den Egoismus zu besiegen!
Gonsar Tulku
Le Mont-Pèlerin, am 26.August 2001

Mahayana-Geistesschulung
in sieben Punkten
Wurzeltext
verfaßt von dem Kadampa-Meister
Gesche Tschekawa (1102-1176)





Ehrung dem Großen Erbarmen!
Diese Essenz des Nektars von Anweisungen kommt über den Meister Serlingpa.
Erkenne die Bedeutung des Textes, wie der Diamant, die Sonne und der Baum zu sein.
Er verwandelt das Aufkommen des fünffachen Niedergangs in den Weg zur Erleuchtung.
1. Das vorbereitende Dharma Zuerst schule dich in allen vorbereitenden Anwendungen.
2. Der Hauptteil: Die Schulung in den zwei Aspekten des Bodhitschitta
Schulung in konventionellem Bodhitschitta
Schiebe alle Schuld auf eines.
Meditiere über die Güte aller Wesen.
Übe Geben und Nehmen abwechselnd in Verbindung.
Beginne mit dem Nehmen von deiner Seite.
Setze die zwei auf den Atem.
Die drei Objekte, die drei Gifte,
die drei Wurzeln der Tugend
Sind eine kurzgefaßte Anweisung für die Zeit
danach (nach der Meditation);
Um dich (daran) zu erinnern,
Übe dich bei allen Aktivitäten durch
(das Rezitieren) der Worte.
Schulung in letztlichem Bodhitschitta
Nachdem Festigkeit erreicht ist, zeige das Geheimnis.
Betrachte alle Dharmas wie einen Traum.
Untersuche die Natur des ungeborenen Geistes.
Das Gegenmittel selbst wird sich auch auflösen.
Setze die Essenz des Weges auf die alles umfassende
Grundlage.
In der Zeit zwischen den Meditationen handle
wie ein Magier.
3. Widrige Umstände in den Weg
zur Erleuchtung umwandeln
Wenn die Umgebung und die Wesen voll von
Unheilsamem sind,
Verwandle die widrigen Umstände in den Weg
zur Erleuchtung.
Verbinde alles, was dir begegnet, umgehend mit der Meditation.
Die vier Vorbereitungen zu besitzen
ist die beste Methode.
4. Kurzgefaßte Beschreibung
der Anwendung eines Lebens
Wende die fünf Kräfte an, die die zusammengefaßte
essentielle Anweisung sind.
Die Mahayana-Anweisung des Versetzens des
Bewußtseins sind die fünf Kräfte selbst.
Die Körperhaltung ist wichtig.
5. Zeichen der Schulung des Geistes
Alles Dharma ist in einem Gedanken zusammengefaßt.
Halte (dich an) den wichtigsten der zwei Zeugen.
Bewahre stets einen freudigen Geist.
Die Umkehrung ist ein Zeichen dafür, daß
(der Geist) geschult ist.
Es gibt fünf große Zeichen der Schulung des Geistes.
Der Geist ist geschult, wenn er trotz Ablenkung
fähig ist.
6. Die Bindungen der Geistesschulung
Schule dich stets in den drei allgemeinen Bedeutungen.
Bleibe natürlich und verändere deine Einstellung.
Sprich nicht über die Fehler der anderen.
Denke nicht über die andere Seite nach.
Bereinige zuerst die Verblendung, die am
stärksten in dir ist.
Gib alle Hoffnungen auf Resultate auf.
Gib giftige Nahrung auf.
Sei (den Verblendungen) nicht treu.
Bleibe Verleumdungen gegenüber gleichgültig.
Lauere nicht im Hinterhalt.
Sei nicht verletzend.
Lade dem Ochsen nicht die Last des Dso auf.
Übe Rituale nicht verkehrt aus.
Beanspruche nicht das Verdienst.
Mach einen Gott nicht zum Teufel.
Suche nicht das Leid (der anderen) als Mittel
für das (eigene) Glück.
7. Ratschläge in bezug auf die Geistesschulung
Übe alle Yogas mit einem.
Überwinde alles Verkehrte mit einem.
Man hat zwei Aktivitäten –
eine zu Beginn und eine am Ende.
Welches der beiden auch geschieht, ertrage es.
Halte die zwei, selbst auf Kosten des Lebens.
Übe dich in den drei Schwierigen.
Erlange die drei hauptsächlichsten Ursachen.
Wende die drei (Einstellungen) an, die niemals
degenerieren sollen.
Besitze die drei Untrennbaren.
Schule dich den Objekten gegenüber,
ohne parteiisch zu sein.
Es ist wichtig, in allem, im Umfassenden und
im Tiefen, geschult zu sein.
Meditiere immer über die ausgewählten (Objekte).
Sei nicht von anderen Umständen abhängig.
Wende besonders jetzt an.
Tu nicht die verkehrten Dinge.
Wende nicht nur gelegentlich an.
Schule dich entschlossen.
Befreie dich durch zwei, durch Untersuchung
und Analyse.
Gib nicht an.
Sei nicht ärgerlich.
Sei nicht launisch.
Erwarte keine Belohnung.
Das Schlußwort, mit dem Meister Tschekawa die vollständige Beherrschung des Bodhitschitta zeigt.
Aufgrund meines großen Vertrauens und indem ich Mühen und Kritik nicht beachtete, erhielt ich die Anweisungen, die das Greifen nach dem Ich zähmen. Auch wenn ich jetzt sterbe, habe ich nichts zu bereuen.

Ich möchte Sie alle mit vielen Taschi Delegs begrüßen. Was diese beiden Wörter bedeuten, werden die meisten von uns inzwischen wissen: Sie sind das tibetische Äquivalent von «Grüß Gott», «Grüezi miteinand» oder «Guten Tag». Die Bedeutung der Wörter Taschi Deleg ist zwar mit unseren Grußformeln nicht identisch, ihre Verwendung aber ähnlich. So benützen die Tibeter diesen Spruch ebenso, um sich zu begrüßen. Die Bedeutung von Taschi Deleg reicht jedoch wesentlich tiefer. In bezug auf Dharma erklärt, enthalten diese beiden Wörter den gesamten Weg der Entwicklung des Geistes.
Einfach übersetzt bedeutet Taschi Deleg soviel wie «Glück und Wohlbehagen»; man wünscht also Glück und Wohlbehagen. Im Hinblick auf Dharma dagegen umfaßt dieser Ausdruck den gesamten Weg der Entwicklung des Geistes. Drei Wörter sind in dieser Grußform enthalten: Taschi, Deva und Legpa. Taschi bedeutet «Glück in diesem Leben», Deva bedeutet «Wohlbehagen innerhalb des bedingten Daseins über dieses Leben hinaus», also in nachfolgenden Existenzen, und Legpa bedeutet «letztliches Wohlbehagen», das heißt, Freiheit von bedingtem Dasein. Manche Leute werden diese Begrüßung mit einem derartigen Verständnis aussprechen, aber der Großteil der Menschen, auch der Tibeter, wird sich der eigentlichen Bedeutung nicht bewußt sein; nämlich daß dem anderen ein so weitreichendes Glück und Wohlbehagen gewünscht wird.
Das war der erste Teil des Kurses, eine Erklärung von «Taschi Deleg». Der folgende Teil ist darin bereits enthalten, geht eigentlich nicht darüber hinaus. Dharma bedeutet nichts anderes als einen Weg, der in diesem Leben Wohlbehagen bringt, nach diesem Leben ein Dasein in Wohlbehagen ermöglicht und letztlich einen Zustand vollständigen, reinen Glücks ermöglicht. Dharma ist ein Weg, der von einem Zustand des Glücks zu immer weitreichenderen Zuständen von Glück führt. Mit Hilfe des Dharma können Wesen Wohlergehen erfahren und einen bleibenden Zustand reinen Glücks erlangen, frei von allen Fehlern. Dharma wird als das beste Mittel bezeichnet, um ein solches Ziel zu erreichen.
Angewendet wird Dharma von Wesen mit Geist, das heißt von Lebewesen, die einen Geist besitzen. Anwendung von Dharma ist nicht etwas, das Erde oder Steine durchführen können. Auch die Auswirkung der Anwendung von Dharma kommt denjenigen zugute, die einen Geist besitzen, und nicht Objekten wie Steinen oder Erde.
Wir sind nicht mit Steinen oder Erde vergleichbar. Wir sind Wesen, Personen. Wir sind Objekte, die eine Anhäufung von fünf Daseinsaggregaten darstellen; oder anders ausgedrückt: Wir sind Wesen, die eine Verbindung von Körper und Geist darstellen. Wir sind Wesen, die fünf Aggregate besitzen. Als solche Wesen erfahren wir Glück und Leid, im Gegensatz zu Objekten wie Tischen oder Stühlen, die weder das eine noch das andere empfinden. Als Wesen mit fünf Aggregaten sind wir Objekte, die Empfindungen von Wohlbehagen und Leiden ausgesetzt sind.
Es ist wichtig, sich bewußt zu sein, daß man als Geist besitzendes Wesen diese grundlegende Eigenschaft hat. Besitzt ein Objekt diese fünf oder zumindest vier Aggregate, handelt es sich notwendigerweise um ein Wesen, das Erfahrungen von Glück und Leid durchlebt. Es gibt Wesen, die eine grobe Form, einen grobstofflichen Körper besitzen wie zum Beispiel wir; und es gibt Wesen, die keinen solchen grobstofflichen Körper besitzen. Es gibt jedoch kein Wesen, das zwar Geist besitzt, aber nicht Empfindungen von Glück und Wohlbehagen erfährt.
Die fünf Aggregate sind das Aggregat der Form, der Empfindung, der Unterscheidung, der zusammensetzenden Faktoren und des Bewußtseins. Fühlende Wesen stellen eine Ansammlung dieser fünf Aggregate dar. Es gibt verschiedene Arten von fühlenden Wesen, wobei wir selbst zur Art der Menschen gehören. Mensch zu sein bedeutet nicht, daß es irgendwo in unserem Inneren ein Objekt, ein Stück gibt, das man isolieren und dem man dann die Eigenschaft «Mensch» verleihen könnte. Vielmehr ist es so, daß weder unser Körper allein noch unser Geist allein uns zu Menschen machen. Nur durch das Zusammenkommen von Körper und Geist stellen wir ein Objekt dar, das die Eigenschaften eines Menschen hat, das richtigerweise als Mensch bezeichnet werden kann und das Glück und Leid erfährt.
Wie bereits erwähnt, gibt es Wesen, die das Aggregat der Form besitzen, und Wesen, die das Aggregat der Form nicht besitzen. Alle Wesen aber besitzen die weiteren vier Aggregate: das Aggregat der Empfindung, das Aggregat der Unterscheidung, das Aggregat der zusammensetzenden Faktoren und das Aggregat des Bewußtseins.
Es gibt kein Wesen, das nicht den Empfindungen von Glück und Leid unterliegt. Ganz gleich, um welche Art von Wesen es sich handelt, um Menschen, Tiere oder andere Wesen aus den sechs Daseinsbereichen, und ganz gleich, wie groß oder klein sie sein mögen – alle Wesen machen Erfahrungen von Glück und Leid.
Manche Wesen bewegen sich auf zwei Beinen, manche auf vieren. Die körperlichen Unterschiede, die Unterschiede in bezug auf das Aggregat der Form, sind relativ leicht zu erkennen. Die übrigen vier Aggregate dagegen sind sehr, sehr ähnlich, fast identisch. So gibt es keinen wirklichen Grund, weshalb wir uns hier drinnen aufhalten sollten, ein Hund dagegen nicht. Der einzige Grund ist höchstens der, daß uns ein Hund hier ablenken könnte, wenn wir versuchen, Dharma zu erklären oder aufmerksam zuzuhören.
Unabhängig davon, in welchem der sechs Daseinsbereiche ein Wesen lebt – es ist immer ein Objekt, das Erfahrungen von Glück und Leid unterliegt. Wir unterliegen nicht nur diesen Erfahrungen, sondern wir haben auch dauernd ein Streben in uns, Wohlbehagen zu erleben und Leid nicht zu erleben. Dieses Streben ist eine Eigenschaft, die unserer grundlegenden Natur entspricht, eine Eigenschaft, die wir nicht erst erlernen oder uns erst aneignen müssen.
Diese Eigenschaft ist kein Fehler, sondern durchaus gerechtfertigt. Wohlbehagen erfahren zu wollen ist nichts Verbotenes, nichts Falsches. Leid vermeiden zu wollen ist ebenfalls nicht falsch. Im Gegenteil, dieses grundlegende Sehnen in uns nach dem Erfahren von Glück und dem Nichterfahren von Leid ist vollkommen gerechtfertigt. Für einen selbst ist es notwendig, Mittel anzuwenden, die einem Glück und Wohlbehagen bringen; und sich für das Wohlergehen anderer einzusetzen ist ebenso notwendig und richtig. Denn so, wie man sich selbst ständig nach Glück sehnt, sehnen sich auch alle anderen ständig nach Glück. Aus diesem Grund ist es korrekt, ja sogar notwendig, Mittel anzuwenden, die sowohl einem selbst als auch anderen das begehrte Wohlbehagen bringen.