Vorwort des Autors

Es war Zufall, dass ich vor einiger Zeit auf ein YouTube-Video stieß, das mir ein wenig albern vorkam, aber zugleich auch sehr vielsagend. Zwei Jungen hatten es gemacht und auf ihrem Kanal schon einige ähnliche Videos veröffentlicht. Über ein paar Wochen habe ich den Kanal der beiden verfolgt. Die Filme wurden immer schriller und ihr Kanal immer bekannter.

So kam ich auf die Idee, ein Buch zu schreiben über zwei Jungen, die YouTube-Stars werden wollen. Hier ist nun die Geschichte von Felix und Leon.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Florian Buschendorff

„Hi, ihr Lieben! Hier ist wieder eure Any! – In meinem letzten Video habe ich euch gebeten, mir Fragen zu stellen. – Es ging um das Thema Jungskennenlernen. – Aus euren Kommentaren habe ich mir ein paar rausgesucht, die ich euch heute beantworte. Zum Beispiel: ‚Wenn dich ein süßer Junge nach deiner Telefonnummer fragt, würdest du sie ihm geben?‘ – Okay. Also wenn mich ein Junge nach meiner Nummer fragt, dann …“

Leon stoppte das Video.

„Sie heißt übrigens Anita“, sagte Leon.

„Und das weißt du woher?“, fragte Felix.

„Ich habe sie heute gefragt“, antwortete Leon.

„Nicht dein Ernst! Du bist einfach auf dem Schulhof zu ihr hingegangen und hast sie nach ihrem richtigen Namen gefragt?“

„Cool, oder?“

„Ja, aber sie hat dir daraufhin eine gelangt.“

„Nö. Sie hat gesagt: ‚Anita‘.“

„Und dann?“

„Bin ich wieder gegangen.“

„Sehr cool, Leon.“

„Hätte ich vielleicht sagen sollen: ‚Hallo, ich bin der Leon. Ich schaue mir alle deine Videos an und finde dich total scharf‘?“

„Hat sie dich denn erkannt?“, fragte Felix.

„Ich glaube kaum, dass sie sich unsere Videos anguckt.“

„Komm, das letzte war doch richtig geil!“, sagte Felix.

„Ja, aber bisher hat es leider …“ Leon rief das letzte Video auf, das sie vor vier Tagen gemacht hatten, und sah auf die Statistik. „… gerade mal 126 Aufrufe.“

„Und davon sind bestimmt 100 von uns“, sagte Felix und lachte. „Egal, mach noch mal an!“

Leon startete das Video.

Felix saß hinter Leons Schreibtisch, er trug eine blonde Langhaar-Perücke und roten Lippenstift, der breit über die Lippen hinausgemalt war. Mit den Fingern strich er sich durch die langen, blonden Haare und kringelte sie um den Zeigefinger zu einer Locke. Dann winkte er lächelnd in die Kamera und sprach mit hoher Stimme.

„Hi, ihr Süßen! Hier ist wieder eure Any! – Ihr fragt euch bestimmt, wie ich das mit meinen neuen Extensions so toll hingekriegt habe. – Ihr habt mir ja sooo viele Fragen gestellt. Zum Beispiel: ‚Wie hast du das mit deinen tollen Extensions so toll hinbekommen?‘ – Das will ich euch gerne zeigen. Schaut her!“

Man sah, wie sich Felix das T-Shirt vom Oberkörper streifte, einen Arm in die Luft streckte und mit einer Schere unter seinem Arm herumhantierte.

„Also: Schneidet euch mal wieder eure Achselhaare! – Dann nehmt ihr etwas Uhu – und pappt das Ganze – einfach unten dran. – Fertig!“

Leon bekam einen Lachanfall.

„Das ist zu geil! Dein Blick am Schluss!“ „Ja“, seufzte Felix. „Aber anscheinend will das kein Lurch sehen. Es gibt Millionen von Verarschungsparodien.“

„Ja, aber diese ist doch einfach mal hammergeil!“

„Tja“, sagte Felix. „Aber wahrscheinlich nicht hammergeil genug.“

Er rief noch einmal Anys Video auf.

„Sieh dir das an: 131 378 Aufrufe. Sie hat 30 000 Abonnenten!“

„Aber nur, weil sie einfach mal megagut aussieht“, sagte Leon. „Da kannst du mit deiner Faschingsperücke nicht mithalten.“ Leon schaltete den Ton stumm und ließ Anys Video noch einmal lautlos ablaufen.

„Sie ist schon extrem süß“, sagte Leon.

„Ja, aber nicht sehr schlau.“

„Mann, sie tut doch nur so!“, sagte Leon. „Du musst doch belangloses Zeug erzählen, wenn du willst, dass die Girlies sich das anschauen.“

„Du bist richtig verknallt, oder?“, fragte Felix. „Du nicht?“

„Ich?“, entgegnete Felix. „Sie geht in die Zehnte, ich in die Neunte. Sie könnte meine Mutter sein.“

Felix scrollte die Liste der vorgeschlagenen Videos herunter.

„Ich hab’s!“, rief Felix. „Gestehe ihr doch deine Liebe über YouTube!“

„Ganz bestimmt!“, sagte Leon.

Felix drückte eine Tastenkombination. Auf dem Display erschienen die blassen Gesichter zweier Jungen, die offensichtlich seit mehreren Stunden in einem dunklen Zimmer vor einem Notebook nebeneinander auf dem Bett lagen.

„Unvorteilhaft“, sagte Leon.

„Hey, Anita-Schätzchen!“ Felix grinste ins Notebook. „Neben mir liegt mein Freund Leon. Er ist etwas schüchtern, aber er möchte dir jetzt etwas Wichtiges sagen.“

„Du siehst bescheuert aus“, sagte Leon und schob Felix’ Kopf aus dem Bild.

„Denk dran: Sie ist bestimmt schon 16 oder 17“, flüsterte Felix. „Du musst es mit Romantik versuchen!“

„Ja, also, Anita …“, fing Leon an und brachte seinen Kopf so nah an die Notebook-Kamera, dass sein Gesicht das ganze Display ausfüllte.

„Also, was ich dir sagen wollte, Anita: Du bist der leuchtendste Stern an meinem goldenen Abendhimmel.“

Felix lachte und schob sein Gesicht wieder vor die Kamera.

„Was Leon dir eigentlich sagen will, Anita: Er findet dich einfach mal megascharf.“

„Ich liebe dich, Any!“, wimmerte Leon.

„Ja, ich liebe dich!“

„Perfekt!“, sagte Felix und stoppte die Aufnahme. „Und jetzt hochladen!“

Felix’ Zeigefinger schnellte auf die Enter-Taste für ‚Veröffentlichen‘ zu. Doch Leons Hand war schneller und bestätigte mit der Maus den Button mit ‚Löschen‘.

„Du traust dich doch sonst alles“, sagte Felix. „Das ist doch Kinderkacke!“, sagte Leon.

„Na und?“, erwiderte Felix. „Wir machen schließlich nur Kinderkacke.“

Felix setzte sich auf.

„Wir sollten vielleicht auch noch einmal über unseren Namen nachdenken. Die Anfänger ist nicht wirklich cool, oder?“

„Weiß nicht“, sagte Leon, „ich find’s okay.“ Felix gähnte.

„Ich haue jetzt ab“, rief er und sprang vom Bett.

„Komm, Mann, ist doch erst zehn!“, sagte Leon und startete ein neues Video.

„Kennst du das hier schon?“

„Ey, wir liegen hier seit fünf!“, sagte Felix.

„Morgen ist Schule, schon vergessen?“ „Ja, habe ich.“

„Verpenn nicht wieder!“ Felix zog seine Schuhe an. „Erdkundetest erste Stunde!“

„Mal schauen“, murmelte Leon. Felix nahm seine Tasche.

„Morgen frage ich sie nach ihrer Telefonnummer“, sagte Leon.

„Das bringst du nicht.“

„Um was wetten wir?“, fragte Leon.