Sylvia Harke

Wenn Frauen zuviel spüren

Schutz und Stärkung für Hochsensible

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Sylvia Harke

Sylvia Harke ist Dipl.-Psychologin (*1978) und arbeitet selbständig als Seminarleiterin, Coach und Buchautorin. 2014 erschien ihr marktführendes Buch »Hochsensibel – Was tun?« und 2016 »Hochsensibel ist mehr als zart besaitet«. Mit Hilfe ihrer ausgeprägten intuitiven Wahrnehmung entwickelte sie eine eigene psychologische Methode für Hochsensible. Dabei verknüpft sie moderne Elemente der Psychologie mit den uralten Traditionen der Naturvölker. Durch ihre umfangreiche Beratungstätigkeit mit hochsensiblen Frauen weiß sie genau, welche Fragen und Themen ihnen auf den Herzen liegen

Impressum

© 2017 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2017 Knaur Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz

Covergestaltung: atelier-sanna.com, München

Coverabbildung: Maren Winter/Shutterstock.com

 

Haftungsausschluss:

Die in diesem Buch vorgestellten Übungen wurden von der Autorin und dem Verlag sorgfältig geprüft und haben sich in der Praxis bewährt. Dennoch kann keine Garantie für das Ergebnis übernommen werden. Der Verlag und die Autorin schließen jegliche Haftung für Gesundheits- und Personenschäden aus.

 

Alle Namen im Buch wurden geändert.

 

 

ISBN 978-3-426-44421-4

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.


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Widmung

Dieses Buch widme ich von Herzen allen

sensitiven, kreativen, naturverbundenen,

mitfühlenden und suchenden Frauen, die in ihre Kraft kommen wollen.

Viele von ihnen wirken unsichtbar im Hintergrund:

als die gute Fee der Firma, umsichtige Mutter, engagierte Vereinsfrau,

Künstlerin, Helferin, Gelehrte, Geliebte oder Umweltschützerin.

Du bist so viel stärker, als Du glaubst.

 

Es berührt mich zu sehen,

wie viele hochsensible Frauen

sich noch heute kleinmachen und selbst verleugnen.

Doch die alten Zeiten neigen sich dem Ende zu.

Jede Frau hat das Recht, ihre wahren Begabungen zu verwirklichen

und ein selbstbestimmtes Leben in Fülle und Freude zu leben.

 

Wir sind alle gemeinsam auf dieser Lebensreise. Wir sind nicht allein!

Mögest Du Deinen Weg in Schönheit und Würde gehen.

 

Zeige Dich authentisch mit Deiner Empfindsamkeit. Werde sichtbar.

Finde Deine eigene Weisheit und gib sie an die nächste Generation weiter.

Du bewirkst einen Unterschied.

Du kannst es.

Du wirst es.

Vorwort

Meine Berufung: sensitive Frauen ermutigen

Hochsensibilität authentisch zu leben erfordert Courage. Besonders hochsensible Frauen brauchen Ermutigung, um zu ihrem Anderssein zu stehen: ohne Schuld und Scham, mit Würde und Selbstliebe. Es ist mir schon seit vielen Jahren ein Herzensanliegen, besonders Frauen darin zu unterstützen, in ihre Kraft zu kommen.

Warum? Weil ich selbst als Mädchen und junge Frau an mir gezweifelt habe, mich schämte, verunsichert war, mich nicht hübsch fand, nicht liebenswert. Und vor allem: Ich fühlte mich schmerzlich anders. Wenn ich eine Zeitreise unternehmen könnte, würde ich sofort mein jüngeres Ich besuchen und ihr mitteilen, dass sie ein liebenswertes, außergewöhnliches und tiefsinniges Mädchen ist, das Vertrauen in die Zukunft haben darf. Ich würde ihr sagen:

Deine Fragen werden beantwortet.

Du wirst geliebt.

Du findest deinen Weg.

Du bist nicht allein.

Du bist genau richtig, so wie du bist.

Welch eine Erleichterung wäre das gewesen!

Wie viele Mädchen und Frauen brauchen auch heute noch genau diese Ermutigung?

Mein Gefühl von Einsamkeit, die unbeantworteten Fragen, meine Sehnsucht nach Sinn, Verbundenheit und Erkenntnis: Sie alle führten mich auf meinen Entwicklungsweg: zu dem, was ich heute bin. Ich lebe meine Berufung als Autorin und Beraterin für Hochsensible. Schon als Kind liebte ich Bücher und begann, kleine Geschichten und Gedichte zu schreiben. Als Jugendliche träumte ich davon, einmal Schriftstellerin zu werden. Heute bin ich selbst ein Vorbild. Ich formuliere eine Sprache, die viele verstehen. Ich erhebe meine Stimme. Das macht mich glücklich. Und als wäre das noch nicht genug, verändert sich auch das Leben vieler meiner Leserinnen und Leser zum Positiven. Ich bekomme Dankesbriefe, die mir zeigen, dass meine Bücher einen Unterschied bewirken, dass sie befreien, bestärken, ermutigen und Klarheit bringen. So soll es auch mit diesem Ratgeber sein.

Das Herzstück dieses Buches ist die bewusste Konzentration auf sensitive Frauen mit ihren besonderen Lebensthemen. »Die sieben Archetypen sensitiver Frauen« wird vieles erklären, was Sie bisher nur geahnt haben. Es hat mir viel Freude gemacht, die Inhalte dieses Buches zu entwickeln und mit den Traditionen unserer Urvölker zu verbinden. Dazu gehören das Geschichtenerzählen, Rituale, Visionsarbeit und Naturverbundenheit. Deshalb ist es gleichgültig, welche Bücher Sie schon über Hochsensibilität gelesen haben. Dieses Buch geht einen Schritt weiter. Es begleitet Sie als sensitive Frau auf dem Weg in Ihre weibliche Kraft.

Auf meiner Internetseite finden Sie zusätzliche frauen­spezifische Gedichte, Geschichten und Arbeitsblätter, die ich Ihnen im Downloadbereich kostenlos zur Verfügung stelle.

 

www.hsp-academy.de/downloads

 

Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Weg!

Kapitel 1 Einleitung

Hochsensibilität – ein neues Phänomen?

Glauben Sie, zu sensibel für diese Welt zu sein? Empfinden Sie sich als verletzlich? Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Grenzen zu durchlässig sind? Fühlen Sie sich manchmal wie von einem anderen Stern? Wünschen Sie sich, belastbarer, stärker und stressresistenter zu sein? Haben Sie nah am ­Wasser gebaut? Sehnen Sie sich danach, in Ihre Kraft als Frau zu kommen? Dann liegen Sie mit der Lektüre dieses Buches goldrichtig.

Hochsensibilität ist eine Temperamentsveranlagung, die sich bei ca. 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung finden lässt. Die Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensibilitätsforschung, Dr. Elaine Aron, hat mit ihren bahnbrechenden Forschungsarbeiten 1997 eine Welle ausgelöst, die bis heute ihre Kreise zieht. Tausende Selbsthilfegruppen haben sich weltweit gegründet. Immer mehr Universitäten erforschen das Phänomen. Wissenschaftler bestätigen, dass »Hochsensibilität« real ist und keine Krankheit. Etwa 70 Prozent der Hochsensiblen sind introvertiert, schüchtern und in sich gekehrt. Doch in ihrem Inneren findet sich ein ausgesprochener Gefühls- und Wahrnehmungsreichtum. 30 Prozent sind extrovertiert und erkennen oftmals erst in der zweiten Lebenshälfte die eigene Sensibilität.

Warum fühlen sich viele sensitive Frauen allein mit ihrer Wahrnehmung? Wie entsteht das Gefühl der Isolation? In früheren Zeiten wurden hochsensible Menschen als »zart besaitet« oder »melancholisch« bezeichnet. Viele Frauen aus der älteren Generation tragen Lasten mit sich, die ihnen den Zugang zu ihren verletzlichen Gefühlen abgeschnitten haben. Die Nachkriegszeit verlangte von den Menschen, dass sie stark, funktional und pragmatisch sein mussten. Es gab keinen Raum für »Mimositäten«. Hochsensible Frauen, die in den Vierziger- und Fünfzigerjahren geboren wurden, konnten ihr sensibles Naturell größtenteils nicht leben. Dies führte bei ihnen zur Überanpassung und einer starken Leistungsbereitschaft. Ohne Wissen über ihre hochsensiblen Bedürfnisse nach Rückzug, Ruhe und Feinsinnigkeit gingen sie über ihre Grenzen hinaus. Auf die Dauer lässt sich ein hochsensibles Naturell aber nicht ignorieren. Es sind besonders die Frauen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren geboren wurden – und alle danach –, die sich mutig dem verdrängten kollektiven Gefühlshaushalt zuwenden. Wie Knospen im Frühling öffnen wir uns als Gesellschaft wieder dem Zarten, Feinen, Schönen und Verletzlichen. Und das ist gut so, denn dieser Gefühlsreichtum verbindet uns mit unserer Lebendigkeit.

Das Phänomen der Hochsensibilität erfährt heute eine so hohe Nachfrage, dass es keine Seltenheit ist, wenn zu Vorträgen über dieses Thema mehr als einhundert Gäste kommen. Die Zuhörer sind wissbegierig und wollen verstehen, was mit ihnen los ist. Mütter möchten erfahren, warum ihre hochsensiblen Kinder gestresst auf Lärm und Reizüberflutung reagieren und wie sie besser beschützt werden können. Wir leben in einer hektischen, hochtechnisierten Zeit, die schneller zu ticken scheint als früher. Die Medien versorgen uns Tag und Nacht mit brandaktuellen Nachrichten. In Großstädten prasseln täglich so viele Informationen, Gerüche, Geräusche und Ereignisse auf uns ein, dass Hochsensible das Gefühl haben, ihnen wird alles zu viel. Sie sind die Ersten, die spüren, dass wir uns als Gesellschaft weit von der Natur entfernt haben. Sensitive Frauen sehnen sich nach einem Leben in Balance.

Über dieses Buch

Im Jahr 2008 las ich zum ersten Mal über Hochsensibilität und war erstaunt, wie sehr ich mich in den Beschreibungen wiederfand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich selbst keine Worte für meine Andersartigkeit, doch dann fiel es mir sprichwörtlich »wie Schuppen von den Augen«. Das Thema ließ mich nicht mehr los. Ich konnte rückblickend mein Leben besser verstehen. Heute weiß ich über meine hochsensible Veranlagung Bescheid und bin dankbar für die Talente, die damit verknüpft sind. Seitdem ich aufgehört habe, anders sein zu wollen, als ich bin, verwirkliche ich meine Lebensträume. Dazu gehört auch das Schreiben. Schon als Kind wollte ich Autorin werden.

Als im Jahr 2014 mein erster Ratgeber Hochsensibel – Was tun? erschien, veränderte sich mein Leben grundlegend. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich als Klinikpsychologin in einer Eltern-Kind-Fachklinik, doch die Nachfrage meiner Leserinnen und Leser wurde bald so groß, dass ich heute freiberuflich als Coach für Hochsensible arbeite. Mein Erstlingswerk hat sich mittlerweile als einer der bekanntesten und meistgekauften Ratgeber zum Thema Hochsensibilität etabliert. Im Jahr 2016 folgte mein zweiter Ratgeber Hochsensibel ist mehr als zart besaitet.

Tief in meinem Herzen spürte ich, dass ich etwas zu sagen hatte, was noch keinen Platz in meinen ersten zwei Büchern fand. In mir formte sich die Idee, ein Buch speziell für hochsensible Frauen zu schreiben. Schon während meines Studiums besuchte ich Frauengruppen. Ich fragte mich damals, war­um ich so wenig Vertrauen in mich hatte, und sehnte mich danach, stärker und selbstbewusster zu sein. Ich besuchte schamanische Frauenkreise und interessierte mich auch für die politisch-soziale Arbeit für Frauen. Damals lebte ich in Magdeburg und gab für das »Frauenprojekthaus« Kreativkurse, was mir sehr viel Freude bereitete. Das Haus wurde von engagierten Mitarbeiterinnen des Gleichstellungsamtes Magdeburg geleitet, die ich bis heute in sehr guter Erinnerung habe. Wie in einem Puzzle setzte ich Stück für Stück die verlorenen Teile meines weiblichen, sensitiven Selbst über die Jahre zusammen und konnte schließlich die innere Stärke aufbauen, die ich heute habe.

Meine Yogalehrerin empfahl mir 1999, das Buch Die Wolfsfrau von Clarissa Pinkola Estés zu lesen. Die Autorin ist eine Psychotherapeutin aus den USA, die mit Hilfe von Märchen heilt. Auch in dem Buch, das Sie jetzt in Ihren Händen halten, finden Sie im Kapitel über Beziehungen eine altbekannte Geschichte. Ich erzähle Ihnen »Die kleine Meerjungfrau« von Hans Christian Andersen und nehme Sie mit auf eine Reise zu den verborgenen Lebensthemen hochsensibler Frauen.

Was sich mir über viele Jahre erschloss, ist die Instinktnatur der Frau, von der auch Estés immer wieder schrieb. Als Symbol dafür stellte sie die Wölfin vor, die ihrem Buch den Titel gab. Dieser natürliche Instinkt ermöglicht uns, tiefste Verluste zu überwinden. Auch ich habe frühe Verluste erlebt, etwa die Trennung meiner Eltern während meiner Kindergartenzeit und den Tod meiner Großmutter, als ich ein junges Mädchen war. Diese einschneidenden Erlebnisse weckten schon früh mein Interesse an Psychologie und Spiritualität. Durch mein intensives Suchen nach Erkenntnis, die Teilnahme an Selbsterfahrungsgruppen und die Reflexion meiner eigenen Biografie habe ich die seelischen Selbstheilungskräfte am eigenen Leib erfahren dürfen. Sie lassen sich durch Bilder und Geschichten aktivieren. Auf meinem eigenen Selbstheilungsweg haben ich viel getanzt, gesungen, gemalt, geweint, gelacht, gelesen, geschrieben und mich mit Gleichgesinnten verbunden.

Unsere feminine Instinktnatur lockt uns zu jener Metamorphose, die uns zum Schmetterling werden lässt, auch wenn wir zuvor eine unscheinbare Raupe waren. In der damaligen Zeit malte ich oft das Motiv »La Mariposa«, die Schmetterlingsfrau. Interessanterweise findet sich heute in meinem Firmen-Logo ebenfalls ein Schmetterling: der Monarchfalter. Ich hatte eine Spur aufgenommen, die ich noch viele Jahre ver­folgen sollte.

Ich verzichte bewusst darauf, Sie in diesem Buch mit wissenschaftlichen Studien zu konfrontieren. Wenn Sie mehr dar­über lesen wollen, kaufen Sie sich das Buch Hochsensible in der Psychotherapie von Elaine Aron oder besuchen Sie den Blog auf meiner Internetseite www.hsp-academy.de. Ich möchte Sie in die Erfahrungswelt hochsensibler Frauen einladen, jenseits von abstrakten Statistiken. Die wenigen Zahlen, die in diesem Buch auftauchen, stammen aus meiner eigenen Umfrage mit vierhundertvierzig hochsensiblen Frauen.

Es war mir ein großes Bedürfnis, ein Buch speziell für hochsensible Frauen zu schreiben. Darin fließen meine langjährigen Erfahrungen ein, die ich in Frauengruppen, meiner eigenen Entwicklung und in der Arbeit mit hochsensiblen Klientinnen machen konnte. Es fühlt sich für mich so an, als würden Hunderte Fäden in ein Muster fließen, das ich endlich in diesem Buch für sie zusammenweben konnte. Jeder Faden hat seinen sinnvollen Platz und seine Bedeutung. Der gewebte Buchstoff hat eine verdichtete Struktur, die Ihnen Orientierung, Erkenntnis und Mut für Ihren eigenen Weg geben soll.

Für wen ist dieser Ratgeber?

Die Lektüre, die Sie jetzt in Ihren Händen halten, ist für feinsinnige Frauen jeden Alters ein wertvoller Begleiter. In diesem Buch ermutige ich sensitive Frauen, ihre Gaben zu erkennen, anzunehmen und kreativ zu nutzen. Sie werden sich beim Lesen an vielen Stellen wiedererkennen und Antworten auf Lebensfragen finden, die sich durch die Erkenntnis der Hochsensibilität gewinnen lassen.

Warum ein Buch für Frauen? Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Büchern zur Hochsensibilität. In diesem Ratgeber finden Sie vielschichtige Informationen, die frauenspezifische Fragen beantworten. Es möchte Mut machen und empfindsame Frauen darin unterstützen, ihre innerste Kraft zu entfalten.

Egal, ob Sie bereits meine Vorgängerbücher gelesen haben oder nicht, hier finden Sie Perlen der Erkenntnis über die weibliche Psyche. Ich lade Sie ein, neue Heilungsräume für mehr Selbstvertrauen zu entdecken. Durch meine Tätigkeit als Psychologin habe ich interessante Lebensgeschichten von hochsensiblen Frauen vor Augen. In meinem Ratgeber gebe ich diesen Frauen eine Stimme.

Wenn Sie das Gefühl haben, besonders sensibel zu sein, und diese Eigenschaft bisher mit negativen Assoziationen verknüpfen, kann ich Sie beruhigen: Hochsensibilität ist keine Schwäche! Sie ist Ausdruck einer intensiven Wahrnehmungsfähigkeit und birgt eine Fülle von Begabungen, die einfach nur erweckt und gepflegt werden möchten. Ich habe diesen Ratgeber für sensitive Frauen geschrieben, die

Sensitive Frauen, die sich mit ihrer Urnatur – und der damit verwobenen Kraft – verbinden wollen, fühlen sich in der Regel orientierungslos. Sie empfinden sich nicht als die kraftvolle Amazone. Sie haben Hemmungen, ihre Krallen auszufahren, um sich zu schützen. Insgeheim glauben sie, sich verstellen zu müssen, wenn sie Stärke zeigen. Kraft und Sensibilität schließen sich in unserer kollektiven Vorstellung gegenseitig aus. Wenn wir an starke Frauen denken, fallen uns alle möglichen Figuren ein, nur hochsensibel sind diese Frauen bestimmt nicht. Ob es die unbezähmbare Pippi Langstrumpf ist, die kämpferische Xena aus der Fantasy-Serie oder Captain Janeway vom Raumschiff Voyager: Sie alle sind stark, jedoch nicht hochsensibel. Wie lassen sich diese beiden Qualitäten zusammenbringen?

Hochsensibilität ist kraftvoll, wenn wir die damit verbundenen Gaben erkennen und wertschätzen. Dafür brauchen verletzte, sensitive Frauen neue Erfahrungsräume und heilsame Kreise, in denen sie zu ihrer wahren Essenz finden können. Ich möchte Sie, liebe Leserin, einladen, die Flügel Ihrer Sensitivität voll zu entfalten. Wie eine Raupe, die zum Schmetterling wird, können wir unsere wahre Bestimmung aktivieren, wenn wir im Herzen erkennen, wer wir wirklich sind.

Die Geschichten, Übungen, Affirmationen und Begegnungen in diesem Buch bieten Ihnen einen Schlüssel zur Stärkung Ihrer Weiblichkeit. Es ist möglich! Öffnen Sie Ihr Herz für Ihre zarte Seite und entdecken Sie die Schönheit darin.

Kapitel 2 Selbsterkenntnis

Hochsensibel oder hochsensitiv?

Ich verwende beim Schreiben für »hochsensibel« folgende Synonyme: sensitiv, hochsensitiv, feinsinnig, feinfühlig, empfindsam, wahrnehmungsbegabt, gesteigerte Sinneswahrnehmung, empathisch, hellfühlig, spürsinnig, feinspürig, sensorisch begabt, feinsensorisch, sinnesbegabt, zart besaitet, zartfühlend. Diese Begriffe sind für mich gleichwertig. Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, einen Unterschied zwischen »hochsensibel« oder »hochsensitiv« zu machen. Diese Unterscheidung ist ein deutschsprachiges Phänomen. Elaine Aron, die US-amerikanische Psychologin und Pionierin auf dem Gebiet der Sensitivitätsforschung, hat den Begriff »HSP« weltweit etabliert. Im Englischen spricht man von einer »Highly Sensitive Person«. Das war es. Es gibt keine weitere Differenzierung.

Ich möchte es in diesem Buch so einfach wie möglich halten. Bitte legen Sie Worte nicht auf die Goldwaage, die sich bemühen, Hochsensibilität zu beschreiben. Kein Begriff kann dieses vielschichtige Phänomen vollkommen erklären. Es geht einfach um Sensitivität. Dieser Ausdruck leitet sich von unseren Sinnen ab. Sensitivität leitet sich von Sensorik ab (Englisch: sense = der Sinn oder das Gefühl). Das sind unsere Wahrnehmungsorgane. Sie helfen dabei, die Umwelt zu dechiffrieren und unseren Körper wahrzunehmen. Sie geben uns Orientierung. Wir sehen, riechen, hören, schmecken und tasten. Darüber hinaus gibt es noch weitere Sinne: den Temperatursinn, die Schmerzempfindung, den Gleichgewichtssinn (die Verarbeitung erfolgt im Innenohr) und die Körperempfindung (Tiefensensibilität für die Organe). Phänomene von außersinnlicher Wahrnehmung, wie die Intuition und ein feines Gespür fürs Zwischenmenschliche werden landläufig als »sechster« oder »siebter Sinn« bezeichnet.

Starke Empfindsamkeit bei Frauen und ihre Folgen im Alltag

Wenn Sie sich zum ersten Mal mit dem Thema der Hochsensibilität beschäftigen, wird Ihnen der folgende Abschnitt helfen zu erkennen, ob Sie zur Gruppe der Hochsensiblen gehören. Anhand kurzer Beispiele schildere ich typische Alltagssitua­tionen, Empfindungen und Herausforderungen feinfühliger Frauen. Aus meiner Umfrage mit vierhundertvierzig hochsensiblen Frauen kommen einzelne mit ihren Lebensgeschichten zu Wort. Im Anschluss daran finden Sie einen Test. Beantworten Sie die Fragen spontan und direkt. Nach der Auswertung werden Sie wissen, ob Sie hochsensibel sind und in welchen Lebensbereichen Ihre Sensibilität am stärksten ausgeprägt ist.

Wo sind meine Taschentücher? Nah am Wasser gebaut

Kennen Sie das auch? Sie sitzen abends vor dem Fernseher oder lesen ein Buch. Sobald es in der Handlung emotional wird, steigen bei Ihnen intensive Gefühle auf. Vielleicht müssen Sie weinen: entweder aus Glück oder ausgelöst durch Trauer. Ereignisse wie Hochzeiten, Vorstellungsgespräche, Vorträge, Klassentreffen, Verliebtsein, Arzttermine, Streit in der Familie oder neue Lebensumstände lösen bei Ihnen ebenfalls starke Gefühle aus. Dabei kann das Spektrum von Aufregung, Nervosität, Angst, innerer Unruhe, Gefühlsrausch bis hin zu melancholischem Schwelgen reichen. Haben Sie von Ihrem Umfeld oft gehört, dass Sie sich »nicht alles so zu Herzen nehmen« sollen oder dass Sie ein »dickeres Fell« brauchen? Vielleicht lieben Sie es andererseits, diese Gefühlswelt durch Malen, Tanzen oder Musik zum Ausdruck zu bringen. Wenn Sie gefühlvolle Musik hören, können Sie in Ihre eigene Welt abtauchen, bekommen womöglich eine Gänsehaut, und innere Landschaften tauchen vor Ihrem geistigen Auge auf. Nicht nur die Gefühlswelt einer hochsensiblen Frau ist besonders ausgeprägt, sondern auch ihre feinen Antennen für Umweltreize. Zuweilen führt diese besondere Empfindsamkeit zu merkwürdigen Auswüchsen.

Fühlen Sie sich manchmal wie die Prinzessin auf der Erbse? Empfindlichkeit für Sinnesreize

Wann waren Sie das letzte Mal shoppen? Wegen ihrer feinen Körperempfindungen stellen sensitive Frauen höhere Qualitätsansprüche bei Kleidung. Dies hat vor allem mit dem Tragekomfort zu tun. Entweder scheuert der Schuh, die Form des Hutes passt nicht zum Gesicht, die Hose drückt und zwickt irgendwo. Da braucht es schon Fingerspitzengefühl, um die passenden Stücke zu finden. Haben Sie auch ein feines Gespür für Farben und Formen? Jeder Farbton erweckt in uns ein bestimmtes Gefühl. Deshalb kleiden sich viele hochsensible Frauen farblich nach ihrer aktuellen Stimmung. Dissonanzen in Farben, Klängen oder Asymmetrien stören ihr Wohlbefinden. In diesen Alltagssituationen haben Sie sicher schon den Begriff der »Prinzessin auf der Erbse« gehört. Dieses Märchen von Hans Christian Andersen ist ein Schlüssel zum Verständnis für hohe Sensibilität. Wenn wir das Wort nicht mehr verächtlich verwenden, sondern die Gabe der feinen Wahrnehmung darin erkennen, ergibt das Märchen einen neuen Sinn. In der Erzählung wird ein Test durchgeführt, um herauszufinden, ob das Mädchen eine Erbse noch unter einer Aufschichtung von zwanzig Matratzen und zwanzig Daunendecken spüren kann. Nur so kann sie ihre königliche Abstammung beweisen. Wie Sie sehen, ist das Thema der hohen Sensibilität nicht neu. Die Geschichte vermittelt das Geheimnis einer gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit. Die ausgeprägte Sinneswahrnehmung führt auf der anderen Seite zum Phänomen der Reizüberflutung. Dies zeigt sich in Form von Stressreaktionen auf unsere moderne Lebensweise und ihrer lauten Geräuschkulisse.

Wo sind meine Ohrenstöpsel? Wenn die Welt zu laut wird

Durch ihr empfindsames Nervensystem fühlen sich Sensitive schneller wegen Lärm gestresst. Sicher haben Sie schon beobachtet, dass der Besuch eines überfüllten, lauten Cafés unangenehm werden kann oder Ihnen vorbeifahrende Autos lärmend auffallen. Einen Höhepunkt der Geräuschbelästigung stellt das alljährliche Silvesterfest mit seinen dröhnenden Feuerwerken dar. Wahrscheinlich suchen Sie eine Möglichkeit, sich um Mitternacht zu verkriechen, um Ihre empfindsamen Ohren zu schützen. Wenn Sie sich dem Gruppengefühl des Überschwangs hingeben, kann es sein, dass Sie sich auf der unerträglich lauten Straße wiederfinden. Sind Ihnen kreischende Kinder in der S-Bahn oder im Supermarkt zu laut und Sie denken, dass kann nicht sein? Genauso wie äußerlicher Lärm Sie quält, so können auch Ihre Gedanken unüberhörbar werden.

Wieso mache ich mir so viele Gedanken? Nachdenklich, gründlich und genau

Susanne

Ich denke sehr vorausschauend und übergreifend, kann gut auf Problemlagen reagieren. Ich analysiere besonders viel, setze mich mit sämtlichen Facetten einer Situation auseinander und verliere mich darin. Ich »weiß« immer schon vorher, was passieren wird, und das führt teilweise zu Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich habe das Glück, zurzeit in einem Feld tätig zu sein, das mir bereits ermöglicht, meine Hochsensibilität positiv umzusetzen. Auch wenn ich hierbei oft an meine Grenzen stoße, da ich beim Verfassen von Texten oder Vorbereiten von Vorträgen mich selbst vielfach kontrolliere und meinem Wissen nicht traue. Ich würde gerne meine Verbindung mit der Natur mehr in die Gesellschaft einbringen.

Hochsensible sind genaue Beobachter. Ihnen entgeht kein Detail. Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Sie lange über Gespräche und Begegnungen mit anderen Menschen nachdenken? Ist es Ihnen wichtig, was in Ihrem sozialen Umfeld vor sich geht? Die Genauigkeit im Denken führt zu einer fabelhaften Analysefähigkeit. Sie sind in der Lage, jede Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, und machen sich dabei ein umfassendes Bild. Wenn Sie eine Entscheidung treffen, sind Sie eher langsam, weil Ihre Neigung zum gründlichen Nachdenken zu Zögerlichkeit führt. Sie möchten die verschiedenen Varianten abwägen und kommen damit manches Mal in eine Verunsicherung, weil Sie für beide Lösungen weit vorausdenken. Dies kann sich als Belastung zeigen, wenn es um weitreichende Entscheidungen geht. Wahrscheinlich suchen Sie dann den Rat verschiedener Menschen, um abzuwägen. Wenn Sie eine Aufgabe im Beruf oder privat erledigen, wollen Sie Ihr Bestes geben und alles richtig machen. Falls Sie sehen, dass etwas noch nicht perfekt ist, werden Sie es so lange verbessern, bis es Ihrem inneren Maßstab entspricht. Deshalb brauchen Sie für manche Erledigungen länger als andere Personen. Hochsensible sind nicht nur nachdenklich, sondern zuweilen recht melancholisch. Deshalb fühlen sie sich als Sonderlinge und einsam.

Bin ich die Einzige auf diesem Planeten, die so empfindet? Wie von einem anderen Stern

In unseren Seminaren erleben wir immer wieder ähnliche Szenen: Teilnehmer weinen, weil sie unter Gleichgesinnten zum ersten Mal das Gefühl haben, verstanden zu werden. Schnell entsteht ein Familiengefühl, das alle tief im Herzen berührt. Die Erfahrung, in unserem Wesen erkannt zu werden, nährt unsere Seele, löst Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit auf.

Hochsensible Frauen erleben in ihrem Alltag mit weniger sensiblen Freunden, Verwandten und Partnern oft, dass ihre Wahrnehmung in Frage gestellt wird. Kommentare, wie »Jetzt spinnst du schon wieder!« verletzen und isolieren. Wenn Frauen spöttische Witze und Abwertungen wegen ihrer feinen Wahrnehmung erdulden, kann es geschehen, dass sie ihr Selbstvertrauen verlieren. Gelegenheiten dafür bieten sich täglich. Durch das Phänomen der Reizüberflutung meiden Hochsensible Menschenansammlungen, die Lärm und Enge verursachen. Viele berichten, dass sie Energien um sich herum wahrnehmen können. Sensitive nehmen nicht nur den Krach in einer Einkaufspassage intensiver auf, sondern empfangen auch emotionale Schwingungen anderer Menschen weniger gefiltert. Vielleicht haben auch Sie schon den Streit eines Pärchens im Supermarkt oder das Weinen eines Kleinkindes ganz intensiv miterlebt. Oder das Autofahren in fremden Großstädten und auf der Autobahn kann für besonders empfindsame Naturen zur Zerreißprobe werden. Das Umfeld interpretiert das Vermeidungsverhalten Hochsensibler oft als Angst und mahnt zur Abhärtung: »Leg dir doch einfach ein dickeres Fell zu!« Wenn das so einfach wäre. Auch im zwischenmenschlichen Bereich fehlt Sensitiven häufig eine Schutzschicht. Sie fühlen sich emotional schneller betroffen als der Durchschnitt.

Warum fühle ich alles so intensiv mit?
Ein Gefühl von tiefer Verbundenheit

Erinnern Sie sich an einen erhabenen Moment in der Natur, zum Beispiel einen Sonnenaufgang? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Welche Plätze in den Wäldern, in den Bergen oder am Wasser empfinden Sie als heilig? Welche Orte versetzen Sie in Staunen und Verzückung und eröffnen Ihnen Tore in eine andere Welt? Sicher haben Sie schon oft solche Momente erfahren, in denen Ihnen die Heiligkeit der Natur bewusst war. Verspürten Sie den intensiven Wunsch, sich für Tiere, Pflanzen und Bäume zu engagieren? Vielleicht sehnen Sie sich tief in Ihrem Herzen nach einem naturverbundenen, einfachen Leben auf dem Land oder nach einem Garten. Wenn Sie in den Nachrichten von Natur- oder Umweltkatastrophen am anderen Ende der Welt erfahren, kann es geschehen, dass Sie eine tiefe Betroffenheit empfinden. Hochsensible leiden unter Ungerechtigkeiten, die anderen Lebewesen geschehen, und entwickeln den Wunsch zu helfen. Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Caroline engagiert sich im Verein für soziale Gerechtigkeit

Jede meiner Stärken kann von einer anderen Perspektive gerade auch meine Schwäche sein. Beispielsweise meine Wahrnehmung für die Leiden anderer Wesen und der Wunsch, diese zu unterstützen, fordern mich immer wieder heraus, meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse wahrzunehmen und nicht zu viel Verantwortung zu übernehmen. Ich arbeite in der sozialwissenschaftlichen Forschung: und das mit großer Leidenschaft. In meiner Freizeit engagiere ich mich in einem Verein für sozial benachteiligte Kinder und möchte etwas bewegen für mehr Gerechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft.

In zwischenmenschlichen Beziehungen spüren sensitive Frauen, wie es ihren Freunden, Verwandten und selbst Fremden geht. Wahrscheinlich sind auch Sie sozial hochbegabt. Diese Fähigkeit macht Sie andererseits anfällig für schlechtes ­Gewissen.

Wieso fühle ich mich schlecht, wenn ich andere
enttäuschen muss? Übertriebene Schuldgefühle

Ein weiterer Effekt der tiefen Verbundenheit mit dem Leben ist die Anfälligkeit für Schuldgefühle. Sensitive Frauen entwickeln ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, das oft übers Ziel hinausschießt. Sicher kennen Sie das quälende, schlechte Gewissen, wenn Sie Freunden oder Verwandten einen Wunsch abschlagen, nein sagen oder deren Erwartungen enttäuschen müssen. Wie ein Bumerang kehren die Gedanken an die Lieben zurück und hämmern auf Ihren wunden Punkt. Dann kommen Sie ins Grübeln und fragen sich, ob Sie etwas anderes hätten sagen oder tun können, um Ihr Gegenüber nicht zu verletzen. Diese Form von Schuldgefühlen kann uns lange Zeit begleiten, bis wir gelernt haben, dass wir ein Recht darauf haben, nein zu sagen.