Spiel, Satz und Sieg für die Dame

Thriller

Heidrun Bücker


ISBN: 978-3-96152-097-8
1. Auflage 2017, Oldenburg (Deutschland)
© 2017 Schardt Verlag, Oldenburg

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Titelbild: Rainer Griese, Troisdorf, Umschlaggestaltung: Marlies Mittwollen, Mangoblau/Agentur für Mediendesign und Text
Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Prolog

Irgendwann, irgendwo, einige Jahre zuvor

 

Die beiden in dunklen, teuren Anzügen gekleideten Herren saßen in dem eleganten Büro vor ihren Laptops und unterhielten sich in einer bizarren Stichpunktform.

Sie verstanden einander, obwohl für Fremde der Sinn nicht sofort erkennbar wurde.

„Ist alles vorbereitet?“ Selbstsicher.

Sein Gegenüber nickte emotionslos.

„Ja“, bestätigte er, „es geht los, sobald sich die Gelegenheit bietet.“

„Sprengladung?“

„Dito!“

„Leute vor Ort?“

„Dito!“

„Alles andere auch eingefädelt?“

„Alles bestens. Es kann losgehen!“

Seufzen und Nicken von seinem Gegenüber.

„Wenn alles glatt läuft, kann es in einem Jahr erledigt sein!“ Der ältere der beiden blickte von seinem Laptop hoch, rückte die breite Brille zurecht und schaute endlich dem Jüngeren in die Augen: „Dass auf jeden Fall über die Angelegenheit geschwiegen wird“, ermahnte er ihn zum wiederholten Male, „wir können es uns nicht erlauben, dass irgendetwas von unserem Plan in der Öffentlichkeit erscheint oder auch nur angedeutet wird, vor allem darf es eine Person niemals erfahren!“

„Zwei Personen“, verbesserte der Jüngere.

„Zwei Personen“, bestätigte er gefühlslos. „Ich hoffe, ich kann mich auf dein Schweigen verlassen“, eine leise Drohung lag in der Stimme, „es darf nichts Schriftliches festgehalten werden, wer weiß, wem es in die Hände fallen könnte ...!“

„Ich bin mir darüber im Klaren“, gab der Jüngere barsch zurück, „sonst rollt auch mein Kopf!“ Etwas bereitete ihm Unbehagen. Den negativen Gedanken schüttelte er aber sofort ab.

 

Achtundvierzig Stunden später

 

Der Ältere tobte. Er schleuderte wütend eine Mappe über den Tisch. Im Gesicht bereits rot angelaufen, japste er nach Luft.

„Was ist schiefgelaufen? Wer hat nicht aufgepasst? Ich dachte, alle Anweisungen wären exakt, klar und zweifelsfrei gewesen!“ Er rannte wild geworden in seinem Büro hin und her, ein Tiger auf Beutezug.

Der Jüngere versuchte beruhigend auf ihn einzureden: „Nur eine winzige Kleinigkeit. Man kann noch nicht einmal davon sprechen, dass etwas nicht geklappt hat. Wir haben den Fehler sofort korrigiert.“

Der Ältere lief noch einige Male auf und ab, setzte sich dann, wirkte gelassener, erschöpft, aber nicht zweifelsfrei. Das ungute Gefühl schüttelte er ab.

„Ich habe dir hier eine Notiz hingelegt, wenn du sie gelesen hast, dann vernichte sie“, er reichte eine dünne Mappe herüber und lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück, „nichts, was wir nicht im Griff hätten, eigentlich läuft alles wie geplant!“ Seiner Stimme fehlte die Überzeugung.

„Eigentlich“, zischte der Ältere, „mit einem ‚eigentlich‘ kann ich nicht viel anfangen. Es muss alles glatt laufen, sonst sind wir geliefert!“

Er nahm das Dokument, legte es auf seinen mittlerweile zusammengeklappten Laptop, schnappte sich beides und eilte hinaus.

Der Jüngere blieb sitzen und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Er war gezwungen, dem anderen recht zu geben. Es ging nicht anders, es musste funktionieren, und dafür würde er sorgen. Es fing schon mit der Auswahl seiner unmittelbaren Helfer an. Es gab nur einen, dem er vertrauen konnte. Mit der ersten Aktion hatten sie begonnen. Nur eine winzige nicht im Vorfeld zu berechnende Kleinigkeit ließ ihn frösteln. Sein bislang freundliches Gesicht zeigte keine aufgesetzte, beruhigende Maske mehr. Grimmig dachte er an die Drecksarbeit, die getan werden musste. Das würde etwas Zeit und gute Planung in Anspruch nehmen, war langwieriger – aber nicht unmöglich.

 

Zwei Tage später

 

Sie wachte im Krankenhaus auf, wusste im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand. In ihren Ohren vernahm sie Rauschen. Dieses gleichmäßig laute Zischen und Surren, sie schlummerte fast wieder ein. Dann kam der Traum. Sie sah ihre Tochter, sie erblickte ihren Sohn, sie schaute ihren Mann an, alle drei saßen im Auto, ihrem Geländewagen, dem Range Rover, den sie sich erst vor wenigen Monaten geleistet hatten. Drei Personen, ihre Familie, sie lästerten, sie spotteten, sie zogen sie auf, sie riefen: „Beeil dich, wo hattest du denn bloß deine Gedanken?“

Das fröhliche Lachen der drei verfolgte sie bis zur Haustür. Sie hielt den Schlüssel bereits in der Hand. Das geschieht mir recht, dachte sie, sie machen sich lustig über mich. Sie hatte ihr Handy vergessen, und da sie einen wichtigen geschäftlichen Anruf erwartete, war es nötig, das Ding aus dem Haus zu holen. Normalerweise ermahnte sie ständig ihre Tochter, ihren Sohn und auch ihren Mann, an solche wichtigen Gegenstände zu denken, daher die Freude der drei, dass auch ihr so etwas passieren konnte.

Sie lächelte, sie liebte ihre Familie, für die sie durch dick und dünn gehen würde. Sie berührte mit dem Schlüssel gerade das Schloss der Haustür – „Mamaaa“ ... ein Schrei – wollte den Schlüssel eben ins Schloss schieben, als es passierte ...

Sie erwachte ruckartig, roch den Rauch, schmeckte den Qualm und hörte ihn – den Schrei!

Oder bildete sie sich das alles nur ein?

Sie zitterte, starrte in das Zimmer, ein Krankenzimmer. Sie fühlte eine überwältigende Leere. Riesig, dunkel, empfindungslos, betäubend.

Die Erinnerung setzte ein. Sie spürte wieder die Detonation, sie spürte erneut die Druckwelle, die sie gegen die Haustür presste. Und immer wieder der entsetzliche, angstvolle Schrei: „Mamaaa!“

Dann die erlösende Besinnungslosigkeit – für den ersten Moment.

Das Erwachen in einer fremden, ungewohnten Umgebung, Menschen, die sie nicht kannte, an ihrem Bett. Gesichter, die sie nicht zuordnen konnte.

Die Klauen der Geister, die sie wegrissen, in die Tiefen des Unterbewusstseins, sie kämpfte dagegen an, sie spürte den Stich, sah verschwommen die Nadel, die sich in ihre Vene bohrte, dann wurde sie erneut von einer Strömung erfasst, die sie langsam in die Dunkelheit zog.

Das nächste Mal blieb sie länger wach, spürte die Verbände am Arm, am Kopf. Die Hüfte schmerzte, als sie sich vorsichtig und stöhnend bewegte. Wie lange lag sie schon hier, in diesem sterilen Krankenzimmer? Sie versuchte sich zu erinnern. Es gelang ihr nicht. Eine Melodie?

Der Schrei: „Mamaaa!“

Die Erinnerung ...

Jemand versuchte ihr schonend die Ereignisse des vergangenen Tages zu erklären ... war es erst gestern gewesen? Wer? Polizei? Der Arzt? Sie erinnerte sich schwach an eine Stimme.

Schon driftete sie wieder weg.

Als sie ein weiteres Mal versuchte, die Augen zu öffnen, spürte sie die Präsenz einer anderen Person im Raum. Sie versuchte sich zu bewegen, der Schmerz trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Unter Aufwendung all ihrer Willenskraft gelang es ihr endlich, den Kopf zu drehen.

War es ihr Wimmern? War es ihr Stöhnen?

Die Schwester sprang auf, als sie merkte, dass ihre Patientin erwacht war.

Der Nebel, der ihre Gedanken bislang umflutete, lichtete sich etwas.

Die mitfühlende, freundliche Stimme der jungen Schwester, streichelte ihre Seele.

„Wie geht es Ihnen?“ Leise, verständnisvoll, traurig.

Die Schwester drückte eine Taste am Kopfende des Krankenbettes, die sie nicht sehen, nur ahnen konnte, augenblicklich stürmte ein Arzt ins Zimmer.

Dann die Erkenntnis, das Wissen warum sie hier lag, der Schrei, die Detonation, die Explosion, die Wucht, mit der sie gegen die Tür geschleudert wurde ...

Sie waren tot, sind tot, tot ...

 

Spiel, Satz und Sieg für die Dame

 

Was passiert, wenn man alles verliert, was wichtig ist?

Es zerrinnt, das Gefühl für Sicherheit, für Geborgenheit, kurz gesagt: Es ist egal, was man tut, was man macht. Das Leben? Es ist egal.

Andere bezeichnen es als Mut. Sie wusste es besser, sie war eigentlich nicht mutig. Wenn sie alles noch hätte, was sie verloren hatte, würde sie sich niemals auf diese Art der Freizeitgestaltung einlassen.

Warum Vorsicht? Wofür?

Ihre Familie lebte nicht mehr.

Ein Versehen!

Ein simples, einfaches Versehen!

Das sagte man ihr zumindest.

Ein Fehler.

Ihr Mann wurde verwechselt. Dass ihre Kinder mit im Auto saßen: ein Irrtum, ein Fehler.

Der Geländewagen explodierte einige Meter von der Haustür entfernt, auf der Straße.

Sie hatte Glück. Aber konnte man in diesem Fall von Glück sprechen? Sie konnte und wollte es nicht.

Hätte sie nicht ihr Handy im Haus vergessen, und wäre sie nicht zurückgegangen, um es zu holen, hätte sie ebenfalls im Wagen gesessen. Sie spürte immer noch den Schlüssel in ihrer Hand, sie spürte die Klinke, hatte sie bereits in der Hand, als die Explosion sie mit aller Wucht gegen die Tür knallte.

Einen Tag später, im Krankenhaus, kam sie zu sich.

Vierundzwanzig Stunden verzögerte sich ihr bewusstes Wissen um den Tod ihrer Familie. Vierundzwanzig Stunden lebten sie alle drei schon nicht mehr, als sie es endlich erfuhr.

Aber nicht nur das. Sie erfuhr gleichzeitig, dass man das Auto verwechselt hatte.

Achtundvierzig Stunden später stellte sich heraus, die Verwechslung war mit Absicht herbeigeführt worden. Die Nummernschilder des Wagens wurden kopiert. Sie befanden sich auch noch an einem anderen Auto, dem Fahrzeug, dem eigentlich der Anschlag galt. Der Zufall wollte es, dass ihr Mann jemandem ähnelte, dem der eigentliche Anschlag galt, sagte man ihr zumindest. Ein Ablenkungsversuch, der gelang.

Einige Tage dämmerte sie im Krankenhaus vor sich hin, stand unter der Wirkung eines Beruhigungsmittels. Sie war nicht imstande, zu weinen.

Am vierten Tag packte sie die Wut, grimmige Wut, Zorn, Zorn auf die Mörder. Rache! Sie wollte Rache!

Am fünften Tag wurde sie mutig – oder leichtsinnig, wie man es nimmt. Ihr war alles egal, fast alles ... Was sollte sie auch machen? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Jemand sollte bezahlen für das, was man ihrer Familie angetan hatte.

Gerechtigkeit für die Toten, aber die Toten blieben tot.

Eine Wunde, die nie verheilen würde.

Sie würde kämpfen, sie würde die Mörder finden, und wenn es Jahre dauern würde.

Mit einer eisig erstarrten Grimasse des Kummers schwor sie unerbittliche Rache.

Ihr Geist durchlief immer wieder verschiedene Empfindungen: Verzweiflung, Mutlosigkeit, Trostlosigkeit, Tapferkeit, Selbstvertrauen – und den unbändigen Wunsch, zu töten.

Der Schock am fünften Tag über ihre finanziellen Mittel, der Schock über die Schulden, von denen sie nichts wusste und die man ihr schonungslos noch am Krankenbett präsentierte, gaben ihr den Rest.

Der junge Bankangestellte verzog keine Miene bei ihrem Anblick. Die blauen Flecken, Prellungen, die blutdurchtränkten Verbände, nichts schien eine Gefühlsregung in ihm hervorzurufen. Kein Mitleid. Gleichgültig lächelnd präsentierte er ihr die Unterlagen. Eiskalte Augen, ohne eine Spur Anteilnahme. Ihr Magen verkrampfte sich.

Töten! Mehr als alles andere auf der Welt verspürte sie den Wunsch, den Mörder umzubringen. Sie sehnte sich verzweifelt und inständig nach dem Leben mit ihrer Familie, einem Leben, das sie niemals mehr haben würde.

Schmerz, lähmender Schmerz, er durchschnitt ihr Bewusstsein.

Und wieder tauchte sie ins Nichts.

 

Eine Psychologin wurde gerufen, Monika, sie sprach ihr Mut zu, kümmerte sich um sie und wich ihr tagelang nicht von der Seite.

Das half, sie wurde ruhiger, bedankte sich bei ihr für die kolossale Hilfsbereitschaft und fragte, warum sie das alles tat.

„Ich habe fast dasselbe durchgemacht“, gab Monika traurig zur Antwort, „und als ich hörte, was dir passiert ist“, sie duzten sich nach einigen Tagen, „dachte ich, ich könnte dir helfen, Mut zu fassen, und zeigen, dass es besser wird im Laufe der Zeit. Man vergisst nicht, aber es tut weniger weh. Die Erinnerungen verlieren ihre Schärfe.“

Sie hielt Julia lange fest in den Armen, etwas zersprang in ihr. Endlich, endlich konnte sie weinen, den Tränen freien Lauf lassen, sie weinte Ewigkeiten, und in diesem Augenblick war Monika für sie die Retterin.

 

Aber war sie stark genug, um weiterzuleben?

Kapitel 1

Fünf Jahre später, Fort Myers, Florida

 

Schläge und Schreie zeichnete das digitale Gerät auf. Weinen. Schluchzen. Dann wieder klatschende Geräusche.

Er prügelte gerne, er prügelte viel, immer wieder.

Sie trug oft eine große, dunkle Sonnenbrille, nahm sie auch im Schatten nicht ab. Und wenn es mal nötig war, sah man blaue Flecken, grüne Schattierungen, im Gesicht, an den Augen oder an den Armen und Beinen. Auf den Handgelenken bildeten sich ab und an Handabdrücke, gut sichtbar, kaum verdeckt durch eine langärmelige Bluse, trotz der Hitze.

Aber wann ging sie schon mal alleine aus? Eigentlich nie, und wenn, dann schirmten Bodyguards sie ab und ließen keine Fremden in ihre Nähe. Beim Anblick der Schlägertypen verspürte niemand Lust, sich ihr zu nähern.

Die zwei Männer, die im Überwachungswagen, zweihundert Meter Luftlinie vom Haus entfernt saßen, hörten sich das Spektakel als Hörspiel an.

„Er schlägt mal wieder ordentlich zu“, meinte der jüngere und kleinere der beiden Männer, Simon genannt, „morgen können wir sicherlich wieder ein wunderschönes blaues Auge bewundern.“ Mit Genugtuung lehnte er zurück, um sich intensiver auf die Schreie zu konzentrieren. Der andere sagte nichts.

Das Wimmern ging in Schluchzen über, noch verhalten, dann lauter.

„Du verdammtes Miststück, dir werde ich zeigen, wie es ist, mich zu blamieren“, hörten sie eine männliche Stimme, „du wirst mit niemandem flirten, wenn wir das nächste Mal ausgehen“, ein dumpfer Schlag, „du wirst keinen Kellner ansehen ...“ Seine anderen Worte wurden durch laute Schreie übertönt. Sie hörten ihn atmen, schwer, wütend.

„Bitte nicht, nein“, schluchzte sie, „ich habe doch nur freundlich gelächelt, ich habe nicht geflirtet ...“ Das Telefon klingelte, er ließ von ihr ab, sie wimmerte weiter, nicht mehr so laut, dann ein lautes Geräusch, ein Schrei voller Angst: Ruhe.

„Sie sagt nichts mehr, das war sicherlich ein Tritt.“ Verklärtes Lächeln von Simon. Während des Abhörens zuckten seine Hände und Füße. Den Tritt hatte er im Geiste selbst getätigt.

Angewidert wandte sich der andere, Andrés, ab. Er verstand nicht, was daran so toll sein sollte, eine Frau, die sich nicht wehrte oder wehren konnte, zu verprügeln.

„Ich komme sofort“, hörten sie die männliche Stimme.

Kurze Zeit später öffnete sich die Haustür, und der schlagende Ehemann fuhr in seinem Lamborghini weg. Er fuhr selbst, diesmal ohne Chauffeur, den ließ er wahrscheinlich bei der Ehefrau. Ein anderes Team folgte dem Wagen. Die Aufgabe von Andrés und Simon bestand nur darin, das Haus abzuhören.

„Was soll das Ganze eigentlich“, unterbrach Simon Andrés’ Gedanken, „warum die Alte abhören und beobachten? Warum verfolgen wir nicht ihn?“

Andrés zuckte mit den Achseln. Er hatte eine Vermutung, sprach sie aber nicht aus, dafür wurde er nicht bezahlt. Du bist so blöd, dachte er, mit einem Blick auf seinen Kollegen, dumm und blöd, eine gefährliche Kombination.

Auf ein Gespräch mit Simon verzichtete er.

Von ihrem Standort aus überblickten sie einen Teil der Terrasse und auf der anderen Seite die Haustür der Luxusvilla, hier in Fort Myers, Florida.

Die Tür zur Terrasse öffnete sich, eine Frau, Ende dreißig, dunkelhaarig und schlank, humpelte hinaus und ließ sich stöhnend auf eine Liege nieder. Mit der linken Hand drückte sie einen Eisbeutel auf ihr linkes Auge. Sie schluchzte verhalten.

„Die verträgt einiges“, fast ein anerkennendes Nicken von Simon, „die wird öfter durchgewalkt, sonst wäre sie noch nicht wieder auf der Terrasse.“ kam es diesmal leiser.

Andrés enthielt sich weiterhin der Stimme.

Sie hörten die leisen, vorsichtigen Schritte, die sich der Liege Coras näherten. Dann konnten sie die Person auch schon erkennen. Die Haushälterin. Sie brachte einen weiteren Beutel mit Eis und ein gekühltes Glas Wasser. Den Beutel legte sie Cora direkt auf die Stirn, das Glas stellte sie auf einen Beistelltisch. Die Haushälterin kannte das. Sie sah es nicht zu ersten Mal.

„Cora“, begann sie eindringlich flüsternd, die Angesprochene reagierte nicht, „Cora“, nun etwas lauter und inständiger, „so kann es nicht weitergehen. Du spielst hier den Sandsack und Trainingspunchingball für deinen Ehemann! Wir müssen etwas unternehmen! Irgendwann stehst du nicht mehr auf und schleppst dich mühselig auf die Terrasse!“

Cora blickte verzweifelt und mit rotgeweinten, geschwollenen Augen ihre Haushälterin an, die mittlerweile schon fast ein Jahr lang für sie arbeitete. Hätte sie genauer überlegt, wäre es ihr merkwürdig vorgekommen, denn zuvor hatte es keine länger als ein oder zwei Monate in der vornehmen Villa der Durantes ausgehalten. Cora und Paul Durante wohnten seit einigen Jahren in Florida. Sie stammten aus Deutschland, lebten aber seit über zehn Jahren in Fort Myers. Paul Durante hatte durch zweifelhafte Geschäfte ein Vermögen gemacht. Cora ahnte mittlerweile, um was für Unternehmungen es sich handeln könnte, wagte aber nicht, etwas zu sagen, geschweige denn, ihren Ehemann zu fragen. Julia, die Haushälterin, die sich mittlerweile seit einem Jahr um sie und nicht nur um den Haushalt kümmerte, kam ebenfalls aus Deutschland und war eine alte Bekannte Pauls. Einige Jahre zuvor hatte sie durch einen Unfall ihren Mann und ihre beiden Kinder verloren. Da sie unabhängig war und eine Stelle benötigte, stellte Paul sie ein. Sie war etwas älter als Cora, genauso groß, schlank, trug ihre Haare kurz und organisierte den gesamten Haushalt.

Es war heute nicht das erste Mal, dass sie Cora nach einer brutalen Attacke durch ihren Ehemann versorgte. Im Laufe des letzten Jahres fuhr sie Cora viermal zur unterschiedlichen Notaufnahmen der Krankenhäuser in der näheren Umgebung. Zweimal dasselbe anzusteuern wagte sie nicht. Vorsichtig tastete sie jetzt Cora, die immer noch bewegungslos auf der Liege lag, ab. Cora stöhnte, schrie einmal kurz auf.

„Ich glaube, eine der Rippen ist angeknackst oder gebrochen. Wir sollten ins Krankenhaus.“

Die Angesprochene schüttelte energisch den Kopf: „Ich weiß nicht, wann Paul wiederkommt. Wenn ich nicht hier bin, dann rastet er noch mehr aus“, flüsterte sie ängstlich, schüttelte nochmals den Kopf, man merkte ihr die Schmerzen an, „so schlimm wird es nicht sein“, sie verzog das Gesicht, stöhnte, „morgen ist es sicherlich schon wieder besser, dann wird es mir leid tun, dass wir ins Krankenhaus“, sie wollte sich aufstützen, fuhr aber schmerzvoll zusammen, „gefahren sind. Nein, bring mir noch etwas Eis und ein Aspirin, ich bleibe hier ruhig liegen, dann geht es gleich schon wieder!“ Bei jeder noch so kleinsten Bewegung durchfuhr ein stechender Schmerz ihren Körper.

Julia ging ins Haus zurück, man hörte sie in der Küche rumoren, Minuten später brachte sie Cora das Gewünschte. Diese lag mit geschlossenen Augen auf der Liege, Julia berührte nur leicht ihre Schulter, und schon schrie sie wieder auf.

„Ich bin es nur, Cora, hier ist ein Schmerzmittel, das hilft besser als Aspirin.“

Wenn sie unter sich waren, duzten sie sich. Das würde Julia aber nie in Gegenwart Pauls wagen. Sie konnte kündigen, Cora nicht. Sollte er mitbekommen, dass sich die Frauen angefreundet hatten, würde er Julia sofort hinauswerfen. Da aber in seiner Gegenwart keinerlei Anzeichen zu beobachten waren, dass sie sich gut verstanden, beachtete er Julia nicht.

Einen Monat, nachdem sie in Fort Myers bei den Durantes angefangen war, bedankte sie sich bei Paul überschwänglich, dass er ihr einen Job gegeben hatte. Der winkte ab: „Mach deine Arbeit vernünftig, stör mich nicht und vor allem: Wenn ich mitbekomme, dass du eine Plaudertasche bist, dann kannst du was erleben. Was in meiner Gegenwart besprochen wird und was in meinem Haus passiert, geht niemandem etwas an! Verstanden?“ Julia begriff die Drohung. Sie beeilte sich, zu nicken und schnellstens in die Küche zu verschwinden.

Paul hatte diesmal fester zugeschlagen als sonst. Julia merkte es sofort. Sie vermutete auch, dass zwei Rippen gebrochen waren. „Cora, überleg es dir noch mal, ich kann dir helfen, von hier zu verschwinden. Komm mit nach Deutschland!“ Sie flüsterte, obwohl sie immer noch draußen auf der Terrasse saßen.

Julia vermutete hier keine Abhörvorrichtung. Paul war sich zu sicher, Cora unter Kontrolle zu haben, dass er gar nicht auf die Idee kam, Julia könnte ihr beistehen.

Als sie vor einigen Monaten Cora nach einer seiner Wutattacken ins nächste Hospital gefahren hatte, gab es anschließend Ärger. Paul drohte Julia, sie solle sich aus familieninternen Angelegenheiten heraushalten, sonst würde sie ihren Job verlieren. Das konnte und wollte sie nicht riskieren.

Nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Mannes vor fünf Jahren, bei dem auch ihre beiden Kinder ums Leben kamen, stellte sich eine Woche später heraus, dass ihr Mann hoch verschuldet war, bei Institutionen, von denen sie noch nie etwas gehört hatte.

Leider lagen die Kreditunterlagen, von ihrem Ehemann unterschrieben, vor, sie konnte nicht bezahlen, und man verlangte eine sofortige Rückzahlung der Gelder. Auf die Schnelle versuchte sie alles zu verkaufen, als sie einige Tage nach dem Anschlag das Krankenhaus verlassen konnte.

Leider gelang es nicht, sämtliche Schulden zu begleichen.

Den merkwürdigen Job, die man ihr einige Wochen später anbot, erwies sich im ersten Augenblick als Glücksgriff. Sie sagte zu, später erkannte sie, auf was sie sich eingelassen hatte.

Nun arbeitete sie seit einem Jahr hier in Florida.

„Cora“, versuchte sie es nochmals inständig. Cora reagierte nicht, wahrscheinlich wirkte das starke Schmerzmittel endlich. „Cora, ich bin für dich da. Gemeinsam schaffen wir es. Ich habe einen Bekannten in Deutschland, der kann dir sicherlich helfen.“

Noch immer mit geschlossenen Augen und bleich im Gesicht, das langsam aber stetig anschwoll, reagierte Cora: „Helfen? Wobei, womit? Mir kann niemand helfen!“

„Doch, Cora, wenn du willst, nehme ich Kontakt zu ihm auf. Vielleicht weiß ich morgen schon mehr. Lass mich nur machen!“

Die misshandelte Frau nickte.

Kurz nach vier verließ eine unscheinbar wirkende Frau, bekleidet mit einer einfachen Strickjacke, bequemen Schnürschuhen und einer dunkelblauen Hose das Gelände der vornehmen Villa. Die Kleidung hatte bereits bessere Tage gesehen. In dieser noblen Gegend fiel sie nicht weiter auf, hier beschäftigte man Personal für einen Hungerlohn. Julia gehörte dazu.

Die wenigen Schritte bis zur Haltestelle legte sie bedächtig zurück. Der Bus fuhr erst in einigen Minuten ab, sie hatte noch etwas Zeit. Den Kopf gesenkt haltend, schaute sie weder nach rechts oder links, beachtete auch nicht den Lieferwagen, der eine Straßenecke weiter stand.

Sie stieg in den Bus, grüßte einige Mitfahrgäste die sie im letzten Jahr hier kennengelernt hatte, und setzte sich an einen freien Fensterplatz in der dritten Reihe.

„Hallo Julia“, grüßte eine ältere Frau, die hinter ihr saß, „willst du einkaufen?“

„Grace, ich hab dich gar nicht bemerkt“, gab Julia zurück.

„Das habe ich festgestellt“, lachte Grace, „du warst mit deinen Gedanken auf einem anderen Stern!“

„Reinigung“, sagte Julia, „ich muss einige Sachen abholen.“

Grace stand bereits auf, ihre Fahrt endete an der nächsten Haltestelle. Sie drückte den Signalknopf. Augenblicklich wurde der Bus langsamer.

„Ciao Julia“, meinte Grace, als sie ausstieg. Julia winkte ihr kurz zu, dann setzte sich der Bus auch schon wieder in Bewegung. Zwei Stationen weiter und Julia verließ ihn ebenfalls, lief die wenigen Schritte bis zur Reinigung etwas schneller, vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurde, und stieß die Tür des Ladenlokals auf. Im Inneren herrschte Ruhe. Aus dem hinteren Raum steckte ein kleiner, untersetzter, dürrer Mann seinen Kopf durch den Vorhang, erkannte Julia und winkte sie durch. Diese vergewisserte sich nochmals, dass sie alleine war und niemand sie beobachtete, verschwand schnell durch den Vorhang in den hinteren Raum, lief dann eilig weiter zu einer Stahltür, die nur angelehnt war, zog sie auf, schlüpfte hindurch und schob sie schnell hinter sich zu. Sobald das Klicken des zufallenden Schlosses zu hören war, gingen im Raum die Lichter an. Hier befanden sich Kleiderstangen und Behälter mit schmutziger Wäsche, aus deren Mitte ein Mann trat, der nicht in das Ambiente der Wäscherei passte.

Groß, mittelblond, durchtrainiert, lässig bekleidet mit einer schwarzen Designerjeans, einem weißen Hemd und Laufschuhen, sah er zu Julia, die sich erschöpft auf einen Stuhl, nahe des Ausgangs setzte und meinte grinsend: „Wenn ich dich nicht besser kennen würde“, er nahm einen weiteren Stuhl und schob ihn ihr vor die Füße, „würde ich annehmen, eine erschöpfte ältere Haushälterin vor mir zu haben! Wo ist denn deine Schürze?“

Julia zog den Stuhl noch einige Zentimeter näher und legte ihre Beine hoch. Seufzend antwortete sie: „Oh, Entschuldigung, hab ich vergessen.“ Theatralisch wischte sie sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Puh, bin ich erschossen“, sie holte tief Luft, „ich glaube sie ist so weit, wir können die Aktion starten.“

„Ich habe es bereits vernommen, Andrés rief an.“ Er nickte bekräftigend, „warten wir noch einen Tag, ich glaube, wenn du dich langsam vorwagst und ihr einiges erklärst, wird sie mitmachen“, dann etwas leiser: „wenn er sie bis dahin nicht umgebracht hat.“

„Ich habe Cora starke Schmerzmittel gegeben, sie schläft. Habt ihr schon überprüft, woher sein Anruf kam? Warum ist er so eilig los?“

„Hernandez! Eine neue Lieferung ist im Anmarsch. Er ist nun einige Zeit beschäftigt.“

Julia nickte. „Dann könnte es klappen. Ich werde sie nachher nochmals ins Gebet nehmen, vorausgesetzt, er kommt heute nicht mehr zurück“, dann überlegte sie kurz, „ach, Patrick, wie sieht es mit dem Rücktransport aus? Soll ich es alleine machen? Habt ihr schon etwas besprochen?“

Patrick nickte. „Wir wollen nicht, dass sie misstrauisch wird und es sich noch anders überlegt, wenn zu viel Fremde auftauchen. Zu dir hat sie nun Vertrauen gefasst, dass dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Ich werde dir noch den genauen Plan zukommen lassen, damit du den Rückweg kennst. Die Instruktionen kommen vom Boss persönlich.“

Julia runzelte verwundert die Stirn und schaute Patrick fragend an. „Der Boss persönlich?“

Er nickte.

„Der hat sich doch sonst nie um unsere Einsätze gekümmert!“ Sie zuckte mit der Schulter, stand auf, reckte sich, schnappte ihre große Einkaufstasche und ging zum Ausgang. Kaum trat sie durch eine unsichtbare Schranke, erlosch das Licht, sie wusste, Patrick war nicht mehr da. Sie öffnete die Tür vorsichtig und ging in den anderen Raum. Dort wurde sie lächelnd von dem kleinen Mann empfangen, der ihr ein Wäschepaket in die Hand drückte. „Nicht das Wichtigste vergessen!“

Sie stopfte es in ihre Einkaufstasche und verließ den Laden. Draußen schaute sie sich kurz um, sah nichts Auffälliges und schlenderte langsam zurück zur Haltestelle. Da sie noch etwas Zeit hatte, bis der nächste Bus fuhr, setzte sie sich mit gesenktem Kopf auf eine Bank, die Einkaufstasche hielt sie fest umklammert auf ihrem Schoß. Sie wirkte wie das Hausmädchen reicher Leute, unauffällig, geduldig und unscheinbar.

Eine halbe Stunde später erreichte sie die Villa der Durantes. Paul war noch nicht zurück. Cora lag immer noch auf der Liege. Es wurde Zeit, sie zu wecken. Vorsichtig näherte sich Julia, entsetzt sah sie sich das Gesicht Coras aus der Nähe an. Die Augen waren zugeschwollen, diesmal schien es schlimmer als zuvor. Cora atmete flach, sie röchelte, das Luftholen schien zu schmerzen. Vorsichtig hob Julia Coras Shirt. Sie hoffte, dass es kein Milzriss, sondern nur zwei gebrochene Rippen waren.

Sanft versuchte sie Cora zu wecken, indem sie ihren Arm berührte. Cora stöhnte angstvoll auf und bemühte sich, die Augen zu öffnen.

„Ich bin es nur“, Julia streichelte behutsam ihre Hand, „ich habe es in die Wege geleitet, du musst nur noch zustimmen.“

Verwirrt blickte sich Cora um, wusste im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand, bis der erste stechende Schmerz ihr Bewusstsein erreichte. „Was ...? Wo bin ich? Ach Julia ...“, sie verzog vor Pein das Gesicht zu einer Grimasse, langsam kam die Erinnerung. „Oh Gott“, stammelte sie, „diese Schmerzen! Ist er da?“

„Nein, er ist weggefahren. Er wird sicherlich heute nicht mehr zurückkommen!“

Cora ließ sich erleichtert zurückfallen, stutzte dann: „Was hast du in die Wege geleitet?“

„Deine Flucht!“

Verwirrt drehte sie den Kopf in Julias Richtung. Diese versuchte es mit weiteren Erklärungen: „Ich habe dir doch erzählt, mein Bekannter, er kann dafür sorgen, dass du sicher zurück nach Deutschland kannst“, sie machte eine kurze Pause, ließ den Gedanken in Coras Gehirn Fuß fassen, „wir wissen beide, welche Geschäfte dein Mann betreibt! Wenn du in Deutschland gegen ihn aussagst, kannst du ins Zeugenschutzprogramm. Du erhältst eine neue Identität. Das Wichtigste: Du wirst nicht mehr geschlagen und verprügelt!“

Cora gab keine Antwort, die Luft auf der Terrasse, verzerrt von der Hitze, schien sich nicht zu bewegen. Julia wagte einen erneuten Vorstoß, langsam, bedächtig, ermahnte sich selbst zur Ruhe: „Diesmal bist du davongekommen, weil das Telefon klingelte, aber darauf kannst du dich nicht immer verlassen. Ich bin auch nicht ständig da, um einzugreifen!“

Langsam begriff Cora. „Du hast recht, so geht es nicht weiter, ich kann nicht mehr.“ Sie schaute Julia an, erstaunt, eine völlig andere Person vor sich zu sehen. Nicht körperlich, die Kleidung war noch dieselbe, aber das Auftreten, das Gehabe, die Art, wie sie nun zu ihr sprach, energischer, sie wirkte nicht mehr unscheinbar, sie spürte positive Energie von ihr ausgehen, einfach alles war anders. Sie schüttelte den Kopf: „Wer bist du?“

„Jemand, der dich hier herausbringen wird, jemand, der dir hilft“, eine völlig neue Julia schaute ihr in die Augen, „ich bin nicht alleine, aber ich werde dich nach Deutschland zurückbringen, im Gegenzug brauche ich deine Zustimmung, dass du gegen deinen Mann aussagen wirst. Das ist die Bedingung.“ Cora schwieg, sie begriff noch nicht ganz.

„Sobald wir deine Aussage haben, wirst du im Zeugenschutzprogramm verschwinden. Mit deinem Wissen kannst du deinen Ehemann für Jahrzehnte hinter Gitter bringen. Wenn er irgendwann aus dem Gefängnis entlassen wir, gibt es dich nicht mehr!“

„Ihr braucht Beweise?“

Julia nickte.

„Die habe ich!“

Nun war es an Julia zu staunen.

„Ich habe schon vor Jahren angefangen, Unterlagen zu kopieren und wichtige Daten zu notieren. Du kannst sie alle haben, Hauptsache, ich komme hier lebend weg“, etwas leiser, „damit habe ich nicht mehr gerechnet!“

„Gut, aber du musst dich erst noch etwas erholen“, Julia ergriff Coras Arm und versuchte ihr hochzuhelfen, „es wird anstrengend, wir werden noch ein paar Tage warten. Sobald du in der Lage bist, dich etwas besser zu bewegen, werden wir aus Florida verschwinden. Ach, übrigens“, langsam näherten sie sich der Terrassentür, „im Inneren des Hauses werden wir nicht über die Sache reden! Verstanden?“

„Ich verstehe. Also nur im Garten.“

Julia öffnete mit der rechten Hand die Tür, mit der linken stützte sie Cora. Sie bemühten sich vorsichtig die Treppe hoch ins Obergeschoss, dort schleppte Julia Cora ins Bad, half ihr, sich zu waschen, und packte sie anschließend ins Bett.

Erleichtert verschwand sie anschließend in ihr Zimmer, duschte und entledigte sich der Dienstbotenkleidung. Hoffentlich kann ich bald wieder meine normalen Sachen tragen, dachte sie.

Ein Jahr Florida war lang genug, fand sie. Mittlerweile spielte sie ihre Rolle als Haushälterin perfekt, es war der längste Einsatz, den sie je gehabt hatte. Zum Glück vermisste sie niemand in Deutschland. Ob bereits ein neuer Auftrag in der Heimat auf Patrick, ihren Partner und sie, wartete?

Halt, korrigierte sie sich, dieses Kommando ist noch nicht beendet. Noch war Cora nicht in Sicherheit.

Die anderen Einsätze liefen stets kürzer ab, ihr Boss meinte dazu, es sei alles nur eine Frage der Einarbeitung, was immer er auch damit meinte.

Vor fünf Jahren war sie froh, das Angebot erhalten zu haben, obwohl man es sicherlich nicht als Stellenangebot betrachten konnte. Sie war am Ende, am Boden zerstört. Wenige Tage zuvor hatte sie Mann und Kinder verloren, musste dann auch noch den gesamten Besitz verkaufen, um wenigstens einen Teil der Schulden zu begleichen, da schien es ein Geschenk des Himmels zu sein, dass ihr heutiger Boss sie aufsuchte und den Vorschlag unterbreitete, für ihn in einer Spezialeinheit zu arbeiten. Die Bezahlung schien gut. Thomas Enders versprach, sich um die restlichen Verbindlichkeiten ihres Mannes zu kümmern, und konnte ihr wenige Tage, nachdem sie den Vertrag unterschrieben hatte, berichten, dass sie die verbleibenden Kredite monatlich abzahlen konnte. Die Summe wurde ihr direkt vom Gehalt abgezogen. Sie hatte mit einem Schlag einen Job und war den Druck ihrer Geldsorgen los. Sie zog in eine winzige Wohnung und nahm sich fest vor, für ihre Zukunft selbst vorzusorgen.

Sie wollte nie wieder ohne Geld und Wohnung dastehen. Nie wieder die Kontrolle über ihre finanziellen Angelegenheiten verlieren. Nie wieder in Abhängigkeit Anderer geraten und stets den Überblick behalten.

Ihr verstorbener Mann hatte mit keinem Wort die Schulden und Kredite erwähnt, die er aufgenommen hatte. Immer war nur die Rede davon, dass es der Firma gutginge und sich niemand Sorgen machen müsste.

Langsam entwickelte Julia einen Plan, aber um ihn realisieren zu können, benötigte sie ihren Job und Einkünfte.

Zuerst war eine Ausbildung notwendig. In einer Art Kaserne wurde sie eingearbeitet, lernte, mit der Waffe umzugehen, absolvierte ein hartes Trainingsprogramm, wurde aber auch medizinisch unterrichtet. Der gesamte Tag war von morgens bis abends ausgefüllt mit Hektik und Stress. Sie lernte ihren Partner Patrick kennen, lernte mit ihm zu arbeiten, lernte ihm bedingungslos zu vertrauen, was ihr zuerst schwerfiel.

Immer wieder verfolgten sie die Träume, die Explosion, die Druckwelle, das Aufwachen einen Tag später im Krankenhaus. Immer wieder durchlebte sie diese Zeitspanne von vierundzwanzig Stunden.

Linda und Christoph, ihre Kinder waren tot, obwohl sie im Unterbewusstsein meinte, den Schrei ihrer Tochter gehört zu haben. Ihr Ehemann Holger: in Stücke zerfetzt. Es ging über ihre Vorstellungskraft. Sie versuchte die Erinnerungen und Gedanken daran zu verdrängen, sie wollte ihre Familie so in Erinnerung behalten, wie sie lebend aussahen, nicht als blutige, abgetrennte Gliedmaßen und Stücke. Zum Glück blieb ihr die persönliche Identifizierung erspart. Anhand von DNA Proben konnte man zweifelsfrei feststellen, wer die Opfer waren.

Nach dem ersten Schock verlernte sie das Lachen. Ihr war alles egal, und hätte man ihr im Krankenhaus nicht die Psychologin an die Seite gestellt, wäre sie ihrer Familie gefolgt.

Am schlimmsten waren die Nächte. Sie durfte nicht träumen. Sobald sie die Augen schloss, kam der Tod. Sie durchlebte die Explosion immer wieder aufs Neue, die Explosion, die ihr die Familie nahm.

 

Nun arbeitete sie mittlerweile schon fünf Jahre für die Organisation, die gesamten letzten zwölf Monate hatte sie in Fort Myers gelebt.

Es war notwendig, eine Vertrauensbasis zu Cora aufzubauen, um sie zurück nach Deutschland zu holen. Sie brauchten ihre Zeugenaussage, um ihren brutalen Mann Paul vor Gericht dingfest zu machen, einen Drogendealer und Waffenhändler, der in Deutschland gesucht wurde.

Endlich schien es so weit zu sein. Cora willigte ein, mit Julia nach Deutschland zurückzukehren.

Erleichtert, dass der Job bald beendet sein würde, ließ sich Julia aufs Bett fallen und war einige Sekunden später traumlos eingeschlafen.

Kapitel 2

Deutschland, irgendwo, fünf Jahre zuvor

 

Was ist das hier? Das soll eine Schule sein? Soll ich verarscht werden?“ Julia, die in Begleitung ihres neuen Chefs Thomas Enders in einem unwirklich ausschauenden Kasernenhof stand, schaute sich missbilligend um. Ihre Reisetasche mit den notwendigsten Dingen knallte sie missmutig auf den Boden.

Enders schüttelte den Kopf. „Keiner will Ihnen etwas, Julia, ich erwähnte doch, wir sind eine Spezialeinheit, zwar nicht das Militär, aber in etwa durchlaufen unsere Leute das gleiche Trainingsprogramm.“

Julia schwieg, schnaubte, hob ihre Tasche wieder auf und folgte Enders in eine doppelstöckige Baracke, die schon bessere Tage gesehen hatte, zumindest von außen. Im Innern änderte sich der Anblick. Das gesamte riesige ehemalige Militärgelände war mit einem Zaun eingefasst und die unbewohnt wirkende Baracke nur durch eine bewachte Barriere zu erreichen.

„Sie erhalten noch einen Dienstausweis, damit Sie ungehindert die Schranke passieren können. Aber Sie wurden bereits avisiert. Man kennt Sie schon. Wir haben hier wenige neue Mitarbeiter. Wir sind nur eine kleine Truppe, die allerdings sehr effizient arbeitet.“

In der Zwischenzeit erreichten sie einen größeren Raum, hier standen tatsächlich einige Tische und Stühle. Das Inventar erinnerte flüchtig an einen Klassenraum. Sie durchquerten ihn, erreichten eine weitere Tür und befanden sich in einem Flur. Von hier aus gingen einzelne Zimmer ab, spartanisch eingerichtet, mit einem noch winzigeren Bad pro Schlafeinheit. Alle Türen standen offen. Einige der Kammern schienen bewohnt. Vor einem leer wirkenden Zimmer blieb Enders stehen und wies mit der Hand hinein.

„Das ist Ihre Unterkunft für die nächsten Monate. Machen Sie es sich bequem. Für gewöhnlich bleiben die Türen offen. Hier herrscht Vertrauen untereinander.“

Julia schwieg bedrückt. In der letzten Zeit redete sie kaum. Enders schien es nicht zu bemerken, fröhlich fuhr er mit seinen Erläuterungen fort: „In einer Stunde treffen wir uns in dem vorderen Raum, dann mache ich Sie mit einigen Leuten bekannt, auch mit Ihrem zukünftigen Partner.“

Er ließ Julia alleine zurück. Ohne äußerlich eine Gefühlsregung erkennen zu lassen, schaute sie sich in ihrer Unterkunft um, stellte ihre Tasche auf das schmale Feldbett und packte aus. Ihre wenigen Kleidungsstücke legte sie in den schmalen Spind, ihre Kulturtasche kam ins winzige Bad. Glücklicherweise brauchte sie die sanitären Örtlichkeiten nicht mit anderen zu teilen. Im Spind entdeckte sie einen schwarzen Jogger, passende Sportschuhe, genau in ihrer Größe, weitere, dunkle Kleidungsstücke wie Hosen und Hemden. Genervt presste sie die Lippen aufeinander, um nicht laut zu fluchen. Gut, dass sie wenigstens die eigene Unterwäsche tragen konnte.

In den letzten Wochen hatte sie zwanzig Kilo an Gewicht verloren. Hunger verspürte sie kaum noch.

„Hallo, du bist die Neue? Ich bin Claudia!“ Claudia, Mitte dreißig, trug ihre kurzen Haare auf Streichholzlänge geschnitten, sie standen frech, aber doch gekonnt gestylt, in alle Richtungen ab. Sie wirkte schlank, feingliedrig, ließ aber auch Stärke erkennen. Sie sah gut aus und war sich dieser Wirkung auf andere auch bewusst.

Julia hatte nicht bemerkt, dass jemand sich ihr fast geräuschlos genähert hatte. Verdattert blickte sie auf.

„Das lernt man hier auch“, meinte Claudia lächelnd, als Julia sie erstaunt anschaute, „das lautlose Anschleichen, meine ich. In ein paar Tagen kannst du das auch.“

„Ich bin Julia“, stellte sich Julia vor, „seit wann bist du hier?“

„Seit zwei Monaten. Genaue Details erfährst du gleich im Besprechungs- und Schulungsraum. Wir sind nur eine kleine Clique, hier kennt jeder jeden, wir duzen uns alle und werden einem Partner zugewiesen.“ Claudias Stimme war leise, melodiös und optimistisch.

„Um was genau geht es eigentlich? Ich bin noch nicht auf dem Laufenden.“

„Das erfährst du auch gleich. Komm, es wird Zeit, und keine Angst, wir fressen uns nur gegenseitig zum Frühstück.“

Ein kleines Lächeln zeigte sich in Julias Gesichtszügen. Claudia gefiel ihr.

Im Schulungsraum versammelten sich nach und nach die anderen Mitglieder dieser Sondereinheit. Langsam füllte es sich.

Enders betrat den Raum in Begleitung eines Mannes, Mitte vierzig, groß, kräftig, durchtrainiert, schlank mit einem harten, kantigen Gesicht. Er trug Sportkleidung, in schwarz natürlich.

„Für alle die heute neu dabei sind: Das ist Niclas Forster, auch Nick genannt“, stellte Enders ihn vor, „er wird euch die Tricks und Kniffe beibringen, die ihr zum Überleben braucht, aber auch benötigt, um die euch gestellten Aufgaben und Aufträge zu erfüllen.“ Er machte eine stilvolle, kurze Pause, sah alle einzeln an und fuhr dann fort: „Es wird eine schwierige Zeit, nicht ganz einfach für einige von euch, aber ich glaube fest daran, dass alle, die sich hier im Raum befinden, es schaffen werden“, er lächelte, „immerhin habe ich Sie alle persönlich ausgesucht.“

Forster trat nun vor: „Danke Thomas, das reicht, mehr wollen wir nicht hören“, er machte einige winkende Handbewegungen, als ob er Enders hinausscheuchen wollte, dieser verließ auch eiligst den Raum, und Forster wandte sich wieder an seine Schüler: „Den Anzugträger wären wir los, jetzt können wir endlich produktiv arbeiten. Für die, die neu hinzugekommen ist, also Julia, mein Name ist Nick, wir werden uns hier alle duzen. In unserer Clique, ich will sie nicht Truppe nennen, denn das erinnert ans Militär, werden wir lernen, wie wichtig es ist, dass wir uns alle aufeinander verlassen können. Jeder arbeitet mit einem Partner zusammen, aber es kann auch vorkommen, dass wir alle an einem Strang ziehen, das bedeutet, dass ein Auftrag nicht nur von zwei Personen erledigt werden kann.“

Die Tür öffnete sich erneut, ein mittelblonder Mann, vielleicht Mitte bis Ende dreißig, schlüpfte hinein, setzte sich in die letzte Reihe und blickte sich neugierig um.

„Patrick, da bist du ja, darf ich dir deine neue Partnerin Julia vorstellen?“

Nick deutete auf Julia, die weiterhin stumm, fast teilnahmslos, auf ihrem Stuhl saß und sich weder rührte noch einen Ton sagte. Langsam und bedächtig drehte sie sich zu Patrick um, nickte ihm lediglich kurz zu und schaute auch schon wieder in die andere Richtung.

Das kann ja heiter werden, dachte Patrick, mit dieser sturen Kuh soll ich zusammenarbeiten? Er verdrehte die Augen, Nick sah es, zuckte kurz mit der Schulter und drehte sich dann zu einem freien Tisch um, auf dem einige Stapel mit Dokumenten und Papieren lagen, die er verteilte.

„Diese Mappen lest bitte in Ruhe heute Abend durch.“ Er gab jedem der Anwesenden die entsprechenden Unterlagen in die Hand. Bei Julia blieb er stehen: „Die anderen werden nun mit ihren Schießübungen fortfahren, wir beide müssen uns noch unterhalten, also bleib bitte sitzen.“

Während ihre neuen Kollegen den Raum verließen, rührte sie sich nicht.

Merkwürdig fand Julia die lockere Stimmung. Obwohl draußen und auch drinnen das Flair einer Kaserne vorherrschte, schien es hier keine Befehle zu geben.

„Du redest nicht viel, hörst zu. Das ist gut, das ist für diesen Job äußerst hilfreich. Aber ab und zu sollte man doch sprechen, mit mir zum Beispiel“, lächelte er Julia an, als sie alleine waren, zog einen anderen Stuhl näher und setzte sich. „Das oberste Blatt ist eine Art Stundenplan. Wir fangen morgen mit einem Einführungsprogramm für dich an, die anderen sind schon zwei Monate weiter, das musst du aufholen. Enders erzählte, dass du damit keine Probleme hättest.“

„Nein.“ Kurz und knapp, ohne eine Gefühlsregung. Ihre Sinne waren geschärft, ihre Augen gaben Bitterkeit preis.

Patrick war hinter sie getreten, sie zuckte nicht zusammen, denn sie schien es bemerkt zu haben.

„Machen das hier alle?“

Patrick verstand, was sie meinte. „Bald machst du es auch. Und noch andere Dinge, von denen du glaubst es niemals zu können. Nick ist da Spezialist.“

„War das alles? Oder gibt es noch etwas, was ich wissen oder beachten muss?“ Ihre Stimme wirkte angespannt. Sie stand langsam auf, nahm die Unterlagen und drehte sich endlich zu Patrick um. Er sah ihr in die Augen, was er erkannte, war großes Leid, Trauer, aber auch Entschlossenheit.

Sie scheint viel mitgemacht zu haben, dachte er, wir haben zwar eine kurze Information erhalten, aber die besagte nicht viel. Sie verlor ihre Familie, aber wie und warum?

Seine zukünftige Partnerin verließ den Raum und wandte sich ihrem Zimmer zu, verschloss die Tür und setzte sich in den einzigen Sessel. Der mühsam von ihr auferlegte starre Gesichtsausdruck wandelte sich, kaum fiel die Tür ins Schloss, in eine eisig erstarrte Grimasse des Kummers.

Einige Sekunden schaute sie aus dem Fenster, fasste sich, nahm dann die Unterlagen zur Hand und fing an zu lesen.

Patrick und Nick warteten, bis sie sicher sein konnten, dass ihr Gespräch nicht gehört wurde.

„Es wird schwierig werden, aus ihr eine brauchbare Partnerin zu machen!“

„Warte mit deiner Einschätzung, bis sie eine Woche hinter sich gebracht hat. Bei manchen dauert es länger, und dann klappt es doch noch.“

Missmutig schüttelte Patrick den Kopf: „Ich muss mich in Notsituationen hundertprozentig auf sie verlassen können. Ich muss dir doch nicht erklären, was passiert, wenn der Partner versagt!“

Nick stimmte zu. Auch er machte sich Gedanken über Julia. Er hoffte, er würde es schaffen, ihr eine Gefühlsregung zu entlocken, und wenn es nur ein lauter Fluch, oder das Wörtchen „Scheiße“ wäre. Er erhob sich. „Mal sehen, was der morgige Tag bringt. Ich werde gleich versuchen, nochmals mit ihr zu reden. Ich weiß auch nicht, warum Enders sie unbedingt im Team haben will“, er schüttelte mit dem Kopf, „aber hat er je über seine Gedanken oder Beweggründe mit uns geredet?“ Patrick lachte nur kurz auf, blieb aber sitzen, während Nick hinaus in Richtung Julias Zimmer ging.

Patrick nahm sich unterdessen die Mappe mit Julias Daten zur Hand. Es war ein kurzer Abriss ihres Lebenslaufes. Irgendetwas ließ ihn stutzig werden. Richtig! Er war zu kurz. Etwas fehlte, aber was? Außer Geburtsdatum und Schulbesuche fehlten bis zur Heirat einige Angaben.

Es war kein Beruf vermerkt. Warum? Hatte sie keinen? Was machte sie nach dem Abitur? War sie Tochter aus reichem Haus und brauchte bis zur Hochzeit nicht zu arbeiten? Das konnte ja heiter werden.

Patrick blätterte weiter. Zwei Jahre nach der Heirat kam das erste Kind, ein Sohn, das Kreuz hinter dem Namen besagte, er war tot. Bei der Tochter, zwei Jahre jünger als ihr Bruder, das Gleiche. Das passte zu seinen Informationen. Vergeblich suchte er nach dem Namen des Ehemannes. Nichts!

Lediglich eine Notiz, dass er verstorben sei, wieder das besagte Kreuz hinter dem Titel Ehemann.

Was bedeutete das?

Warum sollte niemand den Namen erfahren oder wissen?

Eine Menge Fragen bestürmten ihn. Er runzelte nachdenklich die Stirn.

War besagter Ehemann berühmt? Dann hätte man etwas über seinen Tod gelesen, zumindest wäre Julia als Ehefrau erwähnt worden.

Er stand auf und verließ den Schulungsraum, ging aber nicht in sein Zimmer, sondern mit der Mappe unter dem Arm in einen leeren Büroraum. Am Kopierer vervielfältigte er die Akte einmal und legte anschließend das Original wieder auf Nicks Stapel. Die Kopien behielt er, ging dann nach draußen, stieg in seinen grauen, unauffälligen Golf Dienstwagen und fuhr zurück in seine Wohnung. Ein Bürogebäude für die kleine, im Untergrund arbeitende Spezialeinheit gab es nicht. Enders selbst, offiziell leitender Staatsanwalt und Chef einer großer Behörde, arbeitete in einer exklusiven, modern eingerichteten Büroetage mit Vorraum und Sekretärin, mit anderen Untergebenen, die nicht wussten, dass es noch eine geheime Schatteneinheit gab.

Patrick besaß in seiner Wohnung, einem Loft im siebten Geschoss eines hypermodernen Gebäudes, einen Arbeitsraum. Offiziell lautete seine Tätigkeit, für Nachbarn, dem Postboten und auch für seine wenigen Freunde Manager eines international agierenden Unternehmens, daher auch seine ständigen Reisen. Bei der genauen Definition hielt er sich bedeckt, meinte, es hätte mit Immobilien zu tun, und keiner fragte gezielt nach.

Außer Julia absolvierten die anderen Mitglieder der Clique, wie Nick es nannte, einen Wiederholungskurs. Sie arbeiteten schon einige Monate zusammen und verfügten über genügend Einsatzerfahrung, dass sie hin und wieder schon kleinere Aufträge erledigen konnten.

Die kleine, gut ausgebildete Mannschaft wurde benötigt, wenn es darum ging, dem Verbrechen mit nicht ganz aufrichtigen Mitteln auf die Spur zu kommen, Beweise zu sammeln oder zu platzieren, um auch an die Hintermänner zu gelangen. Manchmal mit unlauteren Machenschaften, oft mit Tricks, die in einem Prozess nicht benannt werden durften. Alles geheim, alles im Untergrund.

Die Clique gab es schlichtweg nicht.