SAM

 

Mein Name ist Sam und ich bin überaus glücklich!

 

Es ist verrückt – einfach nur verrückt. Wenn ich mich an die letzten 21 Monate zurückerinnere, muss ich unweigerlich grinsen. Aber ich fange mal von ganz vorn an. Was geschah vor 21 Monaten? Vor 630 Tagen lernte ich den Mann meiner Träume im Internet kennen. Anfangs dachte ich noch, dass er ein Faker sei, weil er definitiv zu gut aussah. Schnell wurde ich eines Besseren belehrt. Zac besuchte mich, und schnell war klar: Wir gehören einfach zusammen. Gern erinnere ich mich an unsere ersten Tage zurück, denn sie waren einfach magisch.

Nachdem Zac einige Zeit bei mir geblieben war und mich mit Geschenken nur so überhäuft hatte, beschlossen wir, zu ihm zu fahren. Ich war total gespannt auf seine Villa. Auf der langen Reise zu ihm hatte ich zwar die Befürchtung, dass er in dem Punkt, was sein Heim anging, gelogen haben könnte, aber dem war nicht so. Zac lebt tatsächlich in einer Villa, und wenn ich Villa sage, dann meine ich auch eine Villa. Sie ist gigantisch!

Vom Bahnhof aus fuhren wir mit dem Taxi zu seinem Anwesen. Aus dem Staunen kam ich eine ganze Weile nicht mehr raus. Vor dem Haus steht ein dreistufiger Springbrunnen, der größer ist, als ich selbst, und kaum betritt man die Villa, fühlt man sich plötzlich ganz klein. Die Decken sind so verdammt hoch! Der Flur ist echt der Oberknaller. Von dort gelangt man auch geradewegs ins stilvoll eingerichtete Wohnzimmer. Neben dem Hauseingang ist eine Gästetoilette, links entlang die moderne rustikale Küche, davor eine runde Buchholztreppe, die ins Obergeschoss führt. Solch eine Einrichtung hatte ich noch nie gesehen! Die Couch ist der Wahnsinn, der gigantische Fernseher an der Wand voll krass. Noch besser ist nur noch der Blick auf die überdachte Terrasse. Wenige Schritte weiter folgt ein imposanter Pool mit Treppe, umgeben von einer Menge Rasen und einer sehr dichten Hecke.

Zac hatte echt nicht gelogen! Er freute sich darüber, dass ich so hibbelig war und nur noch grinste. Natürlich wollte ich sofort das Obergeschoss sehen. Fast schon schüchtern zeigte Zac mir sein Schlafzimmer. Es ist wunderschön. Besonders das Himmelbett ist ein Traum. Ich ließ mich auch gleich mal drauffallen. Es fühlte sich so weich an, dass ich auf der Stelle hätte einschlafen können. Zac musste mich an der Hand zerren, damit ich wieder aufstand, aber ich war stärker und zog ihn auf mich drauf. Wir sahen einander tief in die Augen und knutschten eine Weile. Wäre ich nicht so neugierig auf den Rest der Villa gewesen, hätte ich ihm die Kleider vom Leib gerissen.

Das Badezimmer haute mich fast aus den Latschen. Eine solch gigantische Badewanne hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen. Dazu gab es noch eine Dusche. Muss man sich mal reinziehen! Bad mit Dusche und Wanne! Prompt düste ich ins nächste Zimmer. Es war ein kleiner Musikraum. Zac hatte mir ja erzählt, dass er Gitarre und Klavier spielt, aber geglaubt hatte ich es irgendwie nicht. Mein Traummann setzte sich auch sofort ans Klavier und spielte einen wunderschönen Song. Der Herr hat wirklich Talent! Auf die Frage, was denn in den anderen drei Zimmern wäre, sagte er nur, dass es Gästezimmer wären. Die interessierten mich allerdings herzlich wenig.

Interessant hingegen wurde die erste Begegnung mit der Putzfrau, die, wie ich später erfuhr, montags und freitags zum Saubermachen kommt. Zuerst hielt ich sie für Zacs Mutter und den Fensterputzer, der einmal pro Woche auf der Matte steht, verwechselte ich mit seinem Vater. Aber diese Art von Verwechslung hatte ich auch mit dem Gärtner, der sich alle sieben Tage blicken lässt. Zac lachte ungemein, als ich dachte, der Typ sei sein Dad.

Ganze drei Tage musste ich mich an diese neue Umgebung gewöhnen. Als Arbeitsloser, der in einer kleinen Wohnung hauste, war ich es einfach nicht gewöhnt, auf solch einem Anwesen zu leben. Okay, noch lebte ich ja nicht da, aber das änderte sich ziemlich schnell.

Ich blieb dreizehn Tage bei Zac, dann fuhren wir gemeinsam zu mir zurück. Wir konnten einfach nicht die Finger voneinander lassen. Daheim angelangt quoll mein Briefkasten ja beinahe vor Post über. Eine Rechnung nach der anderen und natürlich Post von der ARGE. Mein fröhliches Gesicht wich schlagartig einem frustrierten. Meine gute Laune war vor allem in dem Moment im Keller, als ich den Brief vom Jobcenter öffnete. Die ARGE kürzte mir das Geld um 30 Prozent, weil ich nicht zu einem Termin erschienen war. Zac lachte herzhaft, ich fand es weniger lustig.

„Honey“, sagte Zac mit einem Schmunzeln. „Vergiss diese Spinner. Von nun an hast du doch mich.“

„Wie meinst du das?“, fragte ich.

„Kündige denen“, meinte er gelassen. „Oder lass dich kündigen. Keine Ahnung, wie man das bei denen nennt.“

„Und dann?“

„Ziehst du zu mir.“

Natürlich sagte ich nicht sofort zu, da wir uns ja erst seit wenigen Wochen kannten, aber verneinen konnte ich jedoch nicht. Ich wäre verdammt dumm gewesen, wenn ich diese Chance nicht genutzt hätte. Zac war der Mann meiner Träume und besaß obendrein auch noch Geld. Meinetwegen hätte er ebenfalls arbeitslos sein können, aber dem war ja nicht so. Als ich Zac sagte, dass ich sein Angebot annähme, fiel er mir schluchzend um den Hals. Ich fand das voll süß, und nach der Trösterei gab es heißen und hemmungslosen Sex.

Ich schrieb der ARGE einen Brief, kündigte die Wohnung und zog zu meinem Männeken. Die meisten Sachen aus meiner Wohnung schmissen wir in den Müll. War eh alles so alt und unbenutzbar. Nur wichtige Sachen nahm ich mit.

Als ich dann bei Zac wohnte, nahm mein Leben eine weitere Wendung. Wieso? Zac schleppte mich zum Zahnarzt! Die Sau hatte gesagt, dass wir Schuhe kaufen gehen würden, stattdessen wurde ein Abdruck meiner Zähne angefertigt. Wenige Wochen später bekam ich mit meinen damals 25 Jahren eine Zahnspange verpasst! Zuerst dachte ich, dass ich damit total dämlich aussehen würde, aber dem war zum Glück nicht so. Die Zahnspange war durchsichtig und verdammt teuer! Aber das war Zac egal. Er wusste, wie sehr ich unter meinen leicht schiefen Hauers gelitten hatte. Trotzdem! Mal eben so ein paar Tausender zu verbraten, nur damit ich mich wohler fühlte, war schon herbe.

Dem nicht genug bekam ich eine neue Frisur verpasst. Endlich hatte ich die Frisur, die ich immer schon hatte haben wollen! Mann, so glücklich war ich noch nie zuvor gewesen. Von diesem Moment an ging es jeden Monat zum Friseur, um mir die Haare färben und schneiden zu lassen. Den lästigen Schaumfestiger wurde ich dank eines Glätteisens auch endlich los. Dem nicht genug kauften wir eine Creme für meine Hautprobleme. Innerhalb weniger Tage war ich pickelfrei! Lag aber vielleicht auch an der Anti-Milben-Bettwäsche, die er einmal pro Woche auf 90 Grad wusch. Ich weiß noch, wie ich mich im Spiegel anschaute und mich gar nicht mehr wieder erkannte. Wie ein neuer Mensch kam ich mir vor!

In Zacs Nähe hatte ich auch kaum noch das Verlangen nach Zigaretten. Irgendwann griff ich gar nicht mehr zur Fluppe. Die ersten Tage fiel es mir gar nicht auf. Erst als Zac mich darauf ansprach. Schon komisch, aber ich wurde ohne Entzugserscheinungen zum Nichtraucher.

Neue Freunde fanden wir auch bald: Zwei junge lesbische Frauen, die nur wenige Häuser weiter wohnen. Rebecca sieht aus wie Reese Witherspoon und Alice ein wenig wie Angelina Jolie. Schnell war mir klar, wer von beiden der Herr im Haus ist. Rebecca ist eine liebevolle und leicht verrückte Seele, mit der ich hin und wieder herumalbere. Wir verstehen uns echt blendend. Mit Alice hingegen habe ich so ein wenig meine Schwierigkeiten. Sicherlich verstehen wir uns, aber das Weib ist mir eindeutig zu dominant. Manchmal schafft sie es, mich allein mit ihren bestimmenden Blicken zum Schweigen zu bringen. Lustigerweise versteht sich mein Kerl gut mit ihr, dabei ist er alles andere als dominant veranlagt.

Vor drei Monaten bekam ich die Spange raus. Bevor ich meine gerichteten Hauers allerdings betrachten konnte, wurden mir erst einmal die Zähne geweißt. Eine ekelhafte Prozedur, aber das Ergebnis konnte sich echt sehen lassen! Ich lachte und heulte zur gleichen Zeit. So beschwingt war ich ja noch nie gewesen! Dem Zahnarzt fiel ich vor Dankbarkeit erst einmal um den Hals und Zac knutschte ich vor versammelter Mannschaft ab. War mir echt scheißegal, was die anderen dachten.

Und heute, wenn ich hier auf der Terrasse liege und Zac beim Schwimmen beobachte, frage ich mich immer wieder, wo ich jetzt wäre, wenn ich diesen Schnuckel niemals kennengelernt hätte. Wäre ich immer noch in dieser kleinen Bude und von der ARGE abhängig? Würde ich immer noch total verpickelt und frustriert herumlaufen? Wäre ich noch auf dem schwulen Portal und hätte ein sinnloses Date nach dem anderen?

Zac war meine Rettung, und dafür kann ich ihm einfach nicht genug danken.

ZAC

 

Mein Name ist Zac und ich bin überaus glücklich!

 

Wenn ich morgens hier in meinem Bett neben Sam liege und ihn beim Schlafen betrachte, dann erinnere ich mich gern an unsere bisherige gemeinsame Zeit. Mal an unser Kennenlernen, mal an verrückte Unternehmungen oder auch mal an unser wildes Sexleben. Es ist kaum zu glauben, dass wir schon seit 21 Monaten zusammen sind. Sam hat sich äußerlich sehr verändert, innerlich ist er jedoch genauso liebevoll geblieben, wie er es schon immer gewesen ist. Nie hätte ich es für möglich gehalten, einen Mann wie ihn zu finden. Es war pures Glück. Hätte es dieses Onlineportal für Schwule nicht gegeben, wären wir uns niemals begegnet. Ich sollte denen vielleicht mal ein Strauß Blumen schicken oder so.

Ich weiß noch, wie wir die ersten Tage miteinander verbrachten. Es war einfach wunderschön und urkomisch. Um Sam aus diesem schrecklichen Alltag herauszuholen, schlug ich vor, zu mir zu fahren. Sam war total begeistert, als er mein Heim betrat. Aus dem Staunen kam er gar nicht mehr heraus. Er war so knuffig. Sein Lächeln wollte nicht mehr verebben. Um zu zeigen, wie tief meine Liebe zu ihm ging, setzte ich mich ans Klavier und spielte einen Song. Zu meiner Verwunderung erkannte Sam das Lied augenblicklich und sang gleich mal mit. Was mich noch mehr verwunderte, war seine Stimme. Wieso hatte er mir nicht gesagt, dass er singen kann? Angeblich hätte er nie Gesangsunterricht genommen. Dafür traf er aber verdammt viele Töne. Ich liebe den Klang seiner Stimme.