Buch
Iris Parker hat drei sehr unterschiedliche Töchter: die sensible Daisy, Künstlerin in Cornwall, Kontrollfreak Rose, Mutter und Anwältin, und zu guter Letzt Fleur, Freigeist und Femme fatale. Alle drei können sich nicht ausstehen, und alle drei sind schockiert, als sie bei der Verlesung des Testaments vom letzten Wunsch ihrer Mutter Iris erfahren. Nicht so sehr ein Wunsch, vielmehr eine Bedingung: Wenn sie das Vermögen erben wollen, müssen die Schwestern ein Jahr lang eine Reihe von Wochenenden miteinander verbringen, die Iris vor ihrem Tod organisiert hat. Doch ein Jahr scheint nicht genug Zeit zu sein, um die tiefen Wunden zu heilen, die sie einander ihr Leben lang zugefügt haben. Bald müssen die Blumenschwestern aber einsehen, dass eine Mutter immer am besten weiß, was für ihre Kinder gut ist – auch über den Tod hinaus.
Autorin/Autor
Cathy Hopkins ist für zahlreiche Jugendbücher bekannt, die in über 30 Ländern erschienen sind. Sie wurde in Manchester geboren, wuchs in Kenia auf und wohnt heute mit ihrem Mann Steve und den drei Katzen Dixie, Georgia und Otis in Bath. In ihrer Freizeit tut sie nichts lieber, als in ihrem Garten zu arbeiten, zu lesen oder mit ihren Freunden lange Spaziergänge zu machen – die meistens in einem Pub enden. »Die Blumenschwestern« ist Cathy Hopkins erster Erwachsenenroman.
Cathy Hopkins
Die Blumenschwestern
Roman
Aus dem Englischen
von Gabriele Weber-Jarić
Die englische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel
»The Kicking the Bucket List« bei Harper,
an imprint of HarperCollinsPublishers, London.
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1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Februar 2018
Copyright © der Originalausgabe 2017 by Cathy Hopkins
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: FinePic®, München
Redaktion: Ilse Wagner
MR · Herstellung: kw
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-21120-2
V001
www.goldmann-verlag.de
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Für Mum
1
Dienstag, 1. September
Wilson Richardson hatte seine Kanzlei im Londoner Stadtteil Chiswick im ersten Stock eines Bürogebäudes, das an der Hauptstraße lag. Im Treppenhaus roch es modrig, und dem Empfangsbereich hätte ein neuer Anstrich gutgetan. Meine Schwester Rose, eine adrette, zierliche Person, war schon da. Sie trug ihr dunkles Haar in einem Bob, jedes Härchen am Platz, und war noch immer schwarz gekleidet, dabei war unsere Mutter seit zwei Monaten tot. Ich hatte mich gegen Trauerkleidung entschieden. Es war ein warmer Sommertag, deshalb hatte ich eine leichte graue Hose und eine hellgrüne Kaftan-Bluse angezogen. Glücklicherweise mussten Rose und ich einander nicht lang ertragen, denn gleich nach der Begrüßung führte uns die Empfangsdame in das Büro von Mr Richardson. Die Empfangsdame hatte die blonden Haare zu einem extrem straffen Pferdeschwanz gebunden. Meine jüngste Schwester Fleur hatte diese Frisur früher als Facelifting für arme Leute bezeichnet, aber das war, als wir noch miteinander sprachen.
An einem schweren Schreibtisch aus Eiche saß ein kahlköpfiger Mann. »Wilson Richardson«, stellte er sich vor.
»Ich bin Rose, und das ist Dee«, erklärte Rose. »In Ihren Unterlagen steht sie wahrscheinlich als Daisy.«
»Ich bin hier und kann selbst für mich sprechen«, sagte ich.
Rose seufzte. »Dann tu’s doch. Ich wollte nur etwas klären. Zwei Namen können verwirrend sein.«
Ich richtete meinen Blick auf Mr Richardson. »Mein Name ist Daisy oder Dee. Die meisten Leute nennen mich Dee. Meiner Mutter war Daisy lieber.«
»Genau das habe ich gemeint«, sagte Rose.
Toller Auftakt, oder? Der Anwalt winkte uns zu den drei Stühlen vor seinem Schreibtisch, die schon zur Verlesung des Testaments meiner Mutter aufgestellt worden waren. »Nehmen Sie bitte Platz.«
»Meine Schwester Fleur müsste auch jeden Moment erscheinen.« Rose setzte sich.
»Sie ist nie pünktlich«, erklärte ich. »Wahrscheinlich kommt sie zu ihrer eigenen Beerdigung noch zu spät.« Ich hüstelte peinlich berührt und verfluchte mich.
Wir warteten. Mir war, als wäre ich wieder ein Schulkind und der Direktor hätte mich in sein Büro zitiert. Ich wollte die Verlesung hinter mich bringen und nach Hause fahren. Rose schien es ähnlich zu gehen, ihr linker Fuß wippte. Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so beherrscht war wie sie, aber der Fuß hatte sie von jeher verraten. Es war, als wollte sie aufspringen und davonrennen, diesmal vermutlich fort von ihren Schwestern.
Ich weiß nichts mehr über sie, ging es mir durch den Kopf. Rose warf einen Blick auf ihre Uhr. Ist sie glücklich? Kommen sie und Hugh gut miteinander aus? Was wird sie mit ihrem Anteil machen? Braucht sie das Geld ebenso dringend wie ich? Wahrscheinlich nicht.
Wir wussten, dass Mum uns ihr Vermögen zu gleichen Teilen vermacht hatte, das hatte sie schon vor Jahren gesagt. Das Haus in Hampstead, in dem wir aufgewachsen waren, hatten Mum und Dad von den Eltern meines Vaters geerbt. Es war ein großes Haus aus der Zeit Königin Victorias, nicht weit vom Park Hampstead Heath entfernt. Noch bevor der Stil modern wurde, stand meine Mutter auf Shabby Chic und hatte deshalb nur selten etwas verändert, sodass es den Charme einer vergangenen Epoche besaß, mit Holzfußböden, Kaminen und Original-Armaturen. Angesichts der lebensgefährlichen Elektrik und der uralten Rohrleitungen hätte das Haus dringend »modernisiert« werden müssen, wie Immobilienmakler dies bei renovierungsbedürftigen Objekten nannten. Doch bevor meine Mutter in die Seniorensiedlung zog, verkaufte sie es für etwas über zwei Millionen Pfund. Mein Anteil würde also gut und gern ausreichen, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen, Geld für mein Alter zurückzulegen und, falls nötig, meiner Tochter Lucy unter die Arme zu greifen. Trotzdem war die Summe kein Ersatz für meine Mutter. Der Verlust war noch so frisch, dass mich erneut eine Woge der Trauer erfasste.
Wir mussten nicht lang warten. Nach fünf Minuten wurde Fleur von der Empfangsdame hereingeführt. Sie war gebräunt, das blonde Haar von der Sonne noch einen Ton heller gebleicht. Offenbar war sie verreist gewesen. Auch Fleur hatte sich gegen Trauerkleidung entschieden. Sie trug ein Sommerkleid aus Krepp mit einem Muster aus winzigen korallenroten und cremeweißen Blumen, dazu rote Slingpumps, die aussahen, als hätten sie ein Vermögen gekostet. Ich dachte an meine billigen, ausgetretenen Slipper und schob die Füße unter meinen Stuhl. Mr Richardson bedeutete Fleur, auf dem freien Stuhl Platz zu nehmen.
»Der Verkehr war eine Katastrophe«, sagte Fleur, führte es jedoch nicht weiter aus, denn um ihren Unwillen zum Ausdruck zu bringen, seufzte Rose bereits laut und vernehmlich. Rose war eine Pünktlichkeitsfanatikerin und missbilligte Menschen, die zu spät kamen; beides gehörte zu ihrem Zwangscharakter. Fleur schien einzusehen, dass wir die Entschuldigung schon mehrfach von ihr gehört hatten, wenn auch vor vielen Jahren. Sie nickte mir kurz zu und setzte sich.
Mr Richardson räusperte sich und griff nach den Unterlagen auf seinem Schreibtisch. »Dann können wir ja. Ihre verstorbene Mutter, Frau Iris Parker, hat mich beauftragt, Sie heute hier zu versammeln. Sie hat ein Testament hinterlassen, zu dem ich noch kommen werde. Zuvor werde ich jedoch der Bitte Ihrer Mutter entsprechen und Ihnen einen Brief von ihr vorlesen. Sind Sie damit einverstanden?«
Rose sah Fleur und mich an. »Einen Brief? Wann soll sie den denn geschrieben haben?« Sie war sichtlich verärgert. Offenbar hatte sie von dem Brief nichts gewusst. Geschieht ihr recht, dachte ich, obwohl ich selbst auch nichts davon gewusst hatte.
»Im April dieses Jahres«, antwortete Mr Richardson.
»Also drei Monate vor ihrem Tod«, sagte Rose.
Mr Richardson nickte. »Das dürfte hinkommen. Soll ich anfangen?«
»Bitte«, sagte Rose. Sie antwortete einfach für uns alle, es war immer dasselbe.
Mr Richard begann, den Brief vorzulesen.
»Meine geliebten Mädchen (ja, für mich werdet ihr immer Mädchen bleiben).
Folgendes möchte ich euch für nach meinem Tod mit auf den Weg geben:
Erstens wünsche ich mir, dass ihr euch an mich erinnert, aber nicht traurig seid. In der letzten Zeit hat das Leben angefangen, mich zu ermüden. Ich bin so weit. Ich möchte wieder bei eurem Vater sein. Er wartet auf mich, da bin ich mir ganz sicher. Vergesst mich nicht, aber erinnert euch an mich, so wie ich war, als es mir noch besser ging, und lasst euch von diesen Erinnerungen trösten.
Zweitens möchte ich nicht, dass ihr euch wegen der letzten Phase meines Lebens schuldig fühlt. Das wäre Zeitverschwendung. Das habe ich euch zwar schon zu meinen Lebzeiten mehrfach versucht klarzumachen, aber ihr wart alle so verbohrt, dass ihr wahrscheinlich kein Wort mitgekriegt habt. Schuldgefühle zeugen von Schwäche und nagen an einem wie Wut. Lasst sie los. Deshalb sage ich es noch einmal und möchte, dass ihr diesmal zuhört: Ich bin gern in die Seniorensiedlung gezogen. Dort habe ich Freundschaften geschlossen und bin betreut worden. Trotzdem war ich unabhängig, was mir wichtig war. Ich liebe euch sehr, aber wenn ich zu einer von euch gezogen wäre, hätten wir uns gegenseitig in den Wahnsinn getrieben. Wir sind erwachsene Frauen, und jede von uns führt ihr eigenes Leben. Es war meine Entscheidung, das Haus zu verkaufen und umzuziehen. Meine! Unser schönes altes Haus in Hampstead war nicht mehr das Richtige für mich. Ich konnte die Arbeit nicht mehr bewältigen. Schon seit Jahren hatte ich das Bedürfnis, mein Leben zu vereinfachen und meine Pflichten zu reduzieren. Ihr habt ständig überlegt, was für mich das Beste wäre und wo ich wohnen sollte. Denkt nicht mehr darüber nach. Ich war da, wo ich sein wollte.
Damit meine ich ganz besonders dich, liebe Daisy. Was hätte ich denn bei dir in Cornwall tun sollen? Außer dir hätte ich dort niemanden gekannt. Ebenso gut hätte ich im Ausland leben können. Ich hätte meine liebe Jean vermisst und Martha, die mir in den letzten Jahren eine so gute Freundin geworden ist, nie kennengelernt. Was ich getan habe, war das Beste für uns alle.
Ich schreibe das, ohne zu wissen, wann ich sterben werde oder welche von euch dann bei mir sein wird. Deshalb möchte ich, dass ihr Folgendes begreift und verinnerlicht: Die meisten von uns können über die Zeit und die Umstände ihres Todes nicht entscheiden. Fühlt euch deshalb nicht schlecht, falls ihr es nicht geschafft habt, in meinen letzten Stunden bei mir zu sein. Ich habe ein Leben voller Erinnerungen an euch, so wie es umgekehrt auch der Fall ist. Haltet diese Erinnerungen in Ehren, klammert euch nicht an die letzten Wochen oder Monate meines Lebens. Sie sind nur ein Teil meiner Reise. Erinnert euch an das Gesamtbild. Ich hatte ein gutes, erfülltes Leben. Lasst mich ziehen. Keiner von uns kann vorhersagen, wann wir geboren werden und wie unser Ende aussehen wird. Liebe Daisy, weißt du noch, dass du vorhattest, Lucy zu Hause zur Welt zu bringen? Du hattest ein Gebärbecken, die CD mit dieser scheußlichen Musik, bei der im Hintergrund Delfine schnatterten (der Himmel weiß, wie man sich dabei entspannen soll) und deine ätherischen Öle. Außerdem sollte Andy bei dir sein und dir den Rücken massieren. Ha! Erinnerst du dich noch daran? Und dann musstest du zum Kaiserschnitt ins Krankenhaus, wo weit und breit kein Delfin zu sehen war. Du, liebe Rose, hattest auch alles geplant, praktisch und patent, wie Du bist. Du hattest Dir in einer wunderschönen Privatklinik ein Zimmer reservieren lassen. Und was war? Du hast das Kind auf dem Rücksitz eines Taxis bekommen. Wer weiß, ob der Fahrer sich jemals davon erholt hat.«
Ich sah zu Rose hinüber. Jetzt war der beste Moment, einen einvernehmlichen Blick zu tauschen und gerührt an unsere gemeinsame Vergangenheit zu denken. Aber Rose saß steif und aufrecht da und schaute nur Mr Richardson an.
»Die Kraft, die uns zur Welt gebracht hat«, las Mr Richardson weiter vor, »trägt uns auch wieder hinaus. Allerdings könnte es weniger glatt und pünktlich vonstattengehen, als wir geplant und gehofft hatten. Deshalb noch mal: Quält euch nicht, wenn ihr in meinen letzten Stunden nicht bei mir gesessen habt oder mein Tod in euren Augen nicht friedlich war. Irgendwann war meine Zeit gekommen.
Denkt immer daran, dass ich euch liebe und auf jedes meiner einzigartigen und unabhängigen Mädchen stolz bin. Und ihr sollt auch stolz auf euch und auf das sein, was ihr erreicht habt. Vergleicht euch nicht mit anderen. Jede Blume ist auf ihre Art schön. Denkt daran und bleibt euch selbst treu.
Heute seid ihr zur Testamentseröffnung hier. Wie ich immer gesagt habe, wird alles, was ich besitze, gleichmäßig unter euch aufgeteilt. Ohne jede weitere Diskussion. Ich weiß, dass es dir, liebe Fleur, finanziell gut geht, aber Lebensumstände können sich auch wieder ändern. Die Reichen werden arm und die Armen reich. Und du, liebe Daisy, kannst nicht wissen, ob ein Galerist eines Tages deine wundervollen Gemälde entdeckt, dich unter Vertrag nimmt und dir ein Vermögen beschert. Liebe Rose, du und Hugh habt eure Berufe und eure Familie und glaubt vielleicht, dass ihr dieses Erbe nicht braucht, aber es steht euch zu. Lang bevor euer Vater gestorben ist, haben er und ich entschieden, dass unser Besitz unter euch aufgeteilt wird und jede ein Drittel erhält. Allerdings wird das erst ein Jahr nach meinem Tod geschehen.«
Wie war das? Mir blieb die Luft weg. »Erst in einem Jahr?«
Mr Richardson schaute auf. »Soll ich eine kleine Pause machen?«
»Haben Sie ›ein Jahr‹ gesagt?«, fragte ich. »Ab jetzt?«
Mr Richardson nickte. »Ja.«
Innerlich stöhnte ich. Im Gegensatz zu Rose und Fleur war es für mich schwierig, finanziell über die Runden zu kommen. Dort, wo ich wohnte, war der Bedarf an Kunstlehrern gering, und auch der Verkauf meiner Bilder hatte nachgelassen, was hauptsächlich daran lag, dass ich mich in letzter Zeit nicht inspiriert gefühlt hatte.
»Darf ich weitermachen?«, fragte Mr Richardson.
Rose nickte knapp.
»Bitte«, sagten Fleur und ich.
Mr Richardson konzentrierte sich wieder auf den Brief.
»Ich möchte, dass ihr in diesem Jahr etwas Bestimmtes tut. Es ist eine Bedingung meines Testaments. Ich habe lang darüber nachgedacht und handele in eurem Interesse, auch wenn ihr das zunächst vielleicht nicht einseht.«
Mr Richardson musterte uns. Ich linste zu meinen Schwestern hinüber. Rose sah verkniffen aus, Fleur interessiert. Mr Richardson raschelte mit seinen Unterlagen und fuhr fort.
»Meine Freundinnen Martha und Jean wissen ebenso wie ich, dass wir das letzte Kapitel unseres Lebens aufgeschlagen haben. Darüber unterhalten wir uns häufig. Wir sprechen über unser Leben, was wir mit ihm angefangen haben, und wie wir uns den Tod vorstellen. Einige der älteren Menschen hier in der Siedlung sprechen zudem über Wunschlisten, auf denen steht, was sie gern gemacht hätten, wenn sie genug Zeit gehabt hätten, und was sie davon noch geschafft haben, bevor sie hierhergezogen sind. Wie ich schon sagte, hatte ich ein glückliches und erfülltes Leben. Ich habe alles getan, was ich tun wollte, und musste keine Wunschliste schreiben. Ich habe Erfahrungen gemacht und gelernt, was Freude und was Liebe ist. Auch was Leid ist, denn das gehört ebenfalls zum Leben. Trotzdem gibt es etwas, das ich bedauere, nämlich dass ihr, meine Mädchen, nicht mehr miteinander verkehrt, und ich, als eure Mutter, zu wenig getan habe, um diesen Zustand zu ändern. Glaubt nicht, ich wüsste nicht, dass ihr die Besuche bei mir immer so gelegt habt, dass ihr keiner eurer Schwestern begegnen musstet. Ihr habt zwar immer behauptet, das hätte mit den weit auseinander liegenden Wohnorten oder Terminen zu tun, aber das habe ich euch nicht abgenommen. Ich mag ja Ende achtzig sein, aber ich bin noch nicht senil. Anfangs war mir nicht klar, wie ich euch wieder zusammenbringen konnte, ich weiß ja, was für Sturköpfe ihr seid. Dann habe ich mit Jean und Martha darüber gesprochen. Nach einer Weile ist in mir ein Plan gereift: Ich würde keine Wunsch- sondern eine Auftragsliste schreiben. Die Wunschliste schreibt man, wenn man noch Zeit hat; die Auftragsliste dann, wenn man keine mehr hat. Ich habe nicht mehr viel Zeit, im Gegensatz zu euch. Deshalb habe ich eine Liste mit Aufgaben zusammengestellt, die ihr erfüllen müsst. Auf die Weise möchte ich mit meinem Tod das erreichen, was mir zu Lebzeiten nicht gelungen ist, sprich, euch wieder zu vereinen. Ihr fragt euch, wie das funktionieren soll. Zunächst einmal, indem ihr im kommenden Jahr alle zwei Monate ein gemeinsames Wochenende verbringt.«
Rose ballte ihre Hände zu Fäusten. Fleur sah mich, eine Braue hochgezogen, an.
»Jeweils ein Wochenende verbringt ihr bitte bei einer von euch. Dabei wechselt ihr euch ab. Ich weiß, dass ihr genügend Platz habt. Fangt also schon mal an, eure Gästezimmer zu putzen. Ich meine aber nicht, dass ihr einander bloß besucht. Sich gegenübersitzen und Tee trinken wäre zu langweilig. Deshalb habe ich mir etwas Zielführendes ausgedacht. Dazu später mehr. Zunächst einmal bedeutet es, dass ihr gemeinsam etwas erleben sollt. Macht euch keine Gedanken, es ist alles schon in die Wege geleitet, und Mr Richardson wird euch erklären, worum es im Einzelnen geht. Mit dieser Bedingung habe ich alles getan, was in meiner Macht steht, und kann in Frieden ruhen. Ihr müsst auch nicht befürchten, dass ihr demnächst den Machu Picchu erklimmen oder Line Dance lernen sollt, oder sonst etwas in der Art. O nein, mein Plan wird viel mehr Spaß machen, wenn auch nicht unbedingt so, wie ihr es euch vielleicht vorstellt. Ihr blockiert jetzt einfach ein über den anderen Monat jedes zweite Wochenende und folgt den Anweisungen, die man euch geben wird. Falls eine von euch ein Wochenende auslässt, verfällt das gesamte Erbe. Deshalb wird Mr Richardson euch jeden zweiten Monat um eure Unterschrift bitten, mit der ihr bestätigt, dass ihr meinen Wünschen gefolgt seid.
Ach, was gäbe ich jetzt darum, eure Gesichter zu sehen! Wie kann man einer Mutter ihren letzten Wunsch verwehren? Einer Mutter, die alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um in Frieden ruhen zu können? Auf den Satz bin ich besonders stolz. Ja, wahrscheinlich ist das eine Art Erpressung. Normalerweise mag ich so etwas nicht, aber wenn ihr von meiner Bedingung erfahrt, werde ich ja nicht mehr da sein und kann nicht hören, wie ihr euch beschwert.«
Fleur brach in Gelächter aus. Rose schüttelte den Kopf, als würde sie ihren Ohren nicht trauen. Das Problem hatte ich nicht. Ich hatte alles sehr gut verstanden und konnte mir auch vorstellen, wie spitzbübisch Mums Augen beim Schreiben des Briefs gefunkelt hatten.
»Versucht stattdessen mit Gott zu sprechen oder mit einer anderen Macht, an die ihr glaubt«, las Mr Richardson weiter vor. »Ich habe einmal gelesen, dass Meditation bedeutet, Gott zuzuhören, und dass man mit ihm spricht, wenn man betet. Unterhaltet euch mit eurer höheren Instanz oder redet meinetwegen mit der Wand. Ihr müsst weder gläubig sein, noch es jeden Tag tun. Hier und da einmal genügt, oder immer dann, wenn euch danach ist oder euch etwas bedrückt. Das bringt euch mit dem eigenen Innenleben in Kontakt, und das ist nie verkehrt. In der Hektik des Lebens überhören wir häufig das, was unser Herz sagt. Mir hat es jedenfalls geholfen. Schaut, wohin es euch führt. Wenn nicht, kehre ich als Gespenst zurück und suche euch heim. Keine Sorge, Daisy, war nur ein Witz.
Liebe Rose, liebe Daisy, liebe Fleur – das Einzige, was mir am Herzen liegt, ist euer Wohlergehen und dass ihr glücklich seid. Welche Mutter wünscht sich das nicht für ihre Kinder? Ich hoffe, meine Bedingung und die damit verbundene Liste werden zur Verwirklichung meiner Wünsche beitragen. Auf Wiedersehen, meine geliebten Mädchen. Gott segne euch. Wie immer in Liebe, eure Mutter. Verschieden. Tot. Von euch gegangen.«
Ich stieß den Atem aus. »Verdammt und zugenäht.«
»Genau.« Fleur kicherte. »Diese alte schlaue Füchsin.«
Rose sah aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
2
Dienstag, 1. September
Ich schaute durch die Fenster auf die Häuser gegenüber und versuchte, den Inhalt des Briefes zu verarbeiten. Mr Richardson verließ das Büro, um den Brief und das Testament meiner Mutter für uns zu kopieren.
Rose und Fleur waren beschäftigt und telefonierten. Ich fühlte mich unwohl. In der Luft lag unausgesprochener Groll. Alles war wie immer. Seit drei Jahren hatten meine Schwestern und ich kaum noch miteinander gesprochen. Der Grund war ein Streit, bei dem es um die Frage ging, wo unsere Mutter nach ihrem Schlaganfall wohnen sollte. Zuvor hatte ich mich mit meinen Schwestern einigermaßen verstanden, auch wenn wir uns nicht direkt nahestanden. Es war dreißig Jahre her, dass wir als Kinder und später als Teenager unter einem Dach gewohnt hatten. Danach nahmen wir nur noch sporadisch am Leben der anderen teil, und als wir die vierzig überschritten hatten, trieben wir auseinander. Fleur hielt sich häufig im Ausland auf, Rose hatte mit ihrem Beruf und ihrer Familie zu tun. Wenn wir an Weihnachten, Geburtstagen und anderen Familienfesten zusammentrafen, fielen wir in unsere alten Rollen zurück und benahmen uns wie zu der Zeit, als wir Kinder waren.
Doch in den vergangenen drei Jahren hatte jede von uns meine Mutter bei festlichen Anlässen an einem anderen Tag besucht.
Es war Roses Idee gewesen. Als Mum nach ihrem Schlaganfall in die Seniorensiedlung zog, schlug Rose uns vor, Mum zu Festen und Feiern getrennt zu besuchen, damit sie sich drei statt nur ein Mal freuen konnte. Ich hatte nichts dagegen. An Feiertagen waren die Züge brechend voll, sodass ich liebend gern auf einen Tag auswich, an dem sich der Festtagsverkehr gelegt hatte. Allerdings würde ich nun meine Schwestern nicht mehr sehen, doch das schien keine von ihnen zu stören. Schon Jahre vorher hatte Rose mir erklärt, dass ich »eigentlich nicht mehr zu ihrem Leben gehöre«. Das hatte mich getroffen. Ich glaubte immer, Schwestern würden zusammengehören, auch wenn sie sich eine Zeit lang nicht sahen, aber ich wusste, was Rose meinte. Ich hatte nichts mehr mit den alltäglichen Ereignissen ihres Lebens zu tun. Trotzdem hatte sie mich verletzt, aber das konnte sie ja von jeher sehr gut. Seit wir Kinder waren, hatte Rose mich zurückgewiesen. In der Grundschule bezog sie mich nicht in den Kreis ihrer Freundinnen ein; als wir älter waren, wurde ich aus ihrem Zimmer gejagt, wenn ihre Freunde und Freundinnen kamen. Immer war ich zu klein oder nicht cool oder klug genug, um in ihre Clique aufgenommen zu werden.
Damals vor drei Jahren machten wir Schwestern uns Sorgen um unsere Mutter. Nach dem Schlaganfall war eine Seite ihres Körpers geschwächt, und sie hatte dann und wann Schwierigkeiten zu gehen. Ihr Arzt warnte uns vor der Gefahr eines zweiten Anfalls. Wir waren uns einig, dass Mum für den Rest ihres Lebens nur das Beste haben sollte. Aber wie sollte das aussehen? Rose konnte sie nicht aufnehmen. Sie hatte einen anstrengenden Job in einem Verlag, einen Ehemann, Kinder im Schulalter und kein Gästezimmer. Fleur lebte seinerzeit in Kalifornien, und unsere Mutter so weit umzusiedeln, war ausgeschlossen. Folglich fiel die Wahl auf mich. Meine Tochter Lucy hatte das Nest damals schon seit sechs Jahren verlassen. Zuerst hatte sie bei der Schwester ihres Vaters in London gewohnt. Dann war sie mit ihrem Freund nach Australien gezogen, um in der Nähe ihres Vaters zu sein. Seitdem stand ihr Zimmer leer, und ich lebte allein.
»Dee könnte zu Mum ziehen«, schlug Fleur vor. »Dee könnte sich um sie kümmern.«
»Ja«, sagte Rose zu mir, »du kannst überall malen. In dem Haus gibt es zig Zimmer, in denen du malen kannst.«
»Mein Leben spielt sich in Cornwall ab«, entgegnete ich. »Ich möchte ebenso wenig wie Mum entwurzelt werden. So etwas wie mein Haus finde ich nie wieder, und meine Vermieterin wird es kaum für mich freihalten. Wenn Mum eines Tages stirbt, werden wir das Haus in Hampstead verkaufen, und dann bin ich obdachlos.«
»Bitte übertreib nicht«, sagte Rose.
»Ihr habt gut reden, ihr habt eigene Häuser. Ich wohne zur Miete.«
»Und wessen Schuld ist das?«, fragte Rose.
Ich tat, als hätte ich den Seitenhieb nicht mitbekommen. »Und was soll ich mit Max und Misty machen?«
»Mum hat eine Katzenallergie«, sagte Rose. »Falls sie zu dir zieht, müssen die Katzen ins Tierheim.«
»Vergiss es. Ich kann und werde mich nicht von meinen Katzen trennen. Ich fasse es nicht, dass du so etwas überhaupt vorschlagen kannst. Und was ist mit Lucy, wenn sie nach Hause kommt?«
»Sie kommt doch nur alle zwei Jahre«, entgegnete Fleur. »In Mums Haus wäre genug Platz für sie.«
»In England ist Cornwall ihr Zuhause, ebenso wie für mich.«
»Du bist selbstsüchtig und gefühllos«, sagte Rose.
»Ach wirklich?«
»Die Katzen sind dir wichtiger als Mum«, ergänzte Fleur.
»Ich tue, was ich kann«, erwiderte ich aufgebracht. »Keine von euch hat je über die Strecke nachgedacht, die ich jedes Mal zurücklegen muss, wenn ich Mum besuche. Von den Kosten mal ganz abgesehen. Sieben Stunden kann die Reise dauern, vorausgesetzt Busse, Fähre und Zug sind pünktlich, was nur selten der Fall ist.«
»Hör auf zu jammern«, sagte Rose.
»Du hast gut reden«, gab ich zurück. »Du wohnst in Highgate, das ist nur eine Stunde von Mum entfernt.«
»Ich aber nicht«, sagte Fleur. »Ich wohne in Kalifornien. Trotzdem schaffe ich es, Mum zu besuchen.«
»Du hast sie mehr als einmal enttäuscht«, kam es von Rose. »Wenn du ihr sagst, dass du dann und dann kommst, trägt sie die Tage im Kalender ein. Sie freut sich darauf, kauft ein, backt Kuchen. Und dann sagst du ab und tauchst irgendwann aus heiterem Himmel auf, beladen mit teuren Geschenken, um alles wieder wettzumachen.«
»Nein, Rose, du dumme Nuss, es macht mir Freude, Mum zu verwöhnen, und ich wüsste nicht, was daran falsch sein sollte. Versuch nicht, mir Schuldgefühle einzureden. Ich tue, was ich kann.«
»Du hast eine Wohnung in London«, sagte ich zu Fleur. »Wenn du hier bist, ist es ja wohl kein großes Problem, Mum zu besuchen.«
»Dee ist die beste Option«, sagte Rose.
»Nein«, antwortete ich, »versucht nicht, mir zu befehlen und über mein Leben zu entscheiden. Die Lage, in der ich bin, hat euch noch nie interessiert. Mir vorzuschlagen, ich soll mein Zuhause aufgeben, bringt das Fass wirklich zum Überlaufen. Außerdem hängt es von Mum ab. Warum fragen wir sie nicht, was sie sich wünscht?«
Während wir stritten und grollten, machte Mum sich online über ihre Unterbringungsmöglichkeiten schlau, fand etwas, das ihr gefiel, und nahm ihren Umzug in Angriff. Aber Rose, Fleur und ich waren eingeschnappt und fühlten uns von den anderen missverstanden. Wenn wir Mum besuchten, achteten wir strikt darauf, dass keine der anderen beiden Schwestern bei ihr war. Wir wollten einander nicht mehr begegnen. Außerdem wollten wir unser Zerwürfnis vor Mum verbergen. Nach einer Weile gefiel es mir sogar, sie bei meinen Besuchen für mich zu haben. Ich stellte mir vor, ein Einzelkind zu sein. Bei meinen Besuchen versicherte Mum mir auch immer wieder, es sei goldrichtig, dass sie nicht nach Cornwall oder ich nach Hampstead gezogen sei, und ich solle bloß kein schlechtes Gewissen haben. Das hatte ich aber. Für mich war es, als hätte ich sie im Stich gelassen, als sie mich brauchte.
Mr Richardson kehrte zurück und überreichte jeder von uns einen Briefumschlag. »Hier finden Sie alle Informationen. Falls Sie Fragen haben, können Sie mich gern anrufen.«
»Danke«, antwortete Rose. »Ich muss los.« Sie steckte ihr Handy ein und stand auf.
Fleur und ich brachen kurz nach ihr auf und gingen unserer Wege. Mir war das recht. Meine Mutter mochte ja Pläne geschmiedet haben, um uns wieder zusammenzubringen, aber ich konnte mir das nicht vorstellen, jedenfalls nicht in diesem Leben.
Auf dem Weg zum Bahnhof beschloss ich, den Wünschen meiner Mutter zu folgen. Danach würde ich mit meinen Schwestern nichts mehr zu tun haben. Ich nahm an, dass sie das Gleiche dachten.
3
Mittwochmorgen, 2. September
Meine Tasche stand noch da, wo ich sie am Vorabend abgestellt hatte. Ich holte den Umschlag von Mr Richardson heraus, legte ihn auf das Schränkchen neben meinem Bett und erinnerte mich, dass Mum uns geraten hatte, mit Gott zu sprechen.
Ich setzte mich aufs Bett und schaute an die Zimmerdecke. Na schön, jetzt oder nie. »Also, lieber Gott, meine Mutter war der Meinung, dass ich mit dir sprechen soll. Ich weiß, seit meinem letzten Gebet ist schon eine Weile vergangen, aber nur, weil ich mir nicht sicher bin, ob mir jemand zuhört. Oder ob derjenige, der zuhört, Englisch kann. Ja, wie funktioniert das eigentlich? Gibt es für Gebete so etwas wie das Übersetzungsprogramm von Google, das sämtliche Sprachen abdeckt? Oder …« Warum redete ich eigentlich mit der Zimmerdecke? An der ich zu allem Überfluss in der linken Ecke über der Tür eine feuchte Stelle entdeckte. Falls Gott tatsächlich allgegenwärtig war, konnte ich ebenso gut mit dem Fußboden reden. Ich senkte den Blick und siehe da! Gott hatte mir eine glasklare Botschaft übermittelt. Sie bestand aus Brotkrümeln und Katzenhaaren und bedeutete: Dee McDonald, wie wär’s denn mal mit Staubsaugen?
»Wie dem auch sei, lieber Gott, ich wüsste zunächst mal gern, was du von Wespen hältst und warum sie existieren? Und warum es auf der Welt so viele Probleme und so viel Hass gibt? Was hast du dazu zu sagen?«
Keine Antwort. Außer dem Ticken des Weckers und dann und wann den Schritten eines Passanten draußen auf der Straße war nichts zu vernehmen. Im Spiegel am Frisiertisch erkannte ich eine schlanke Frau. Sie saß auf einem Bett mit schmiedeeisernem Rahmen und hatte sich grün-blaue Samtkissen hinter den Rücken geschoben. An ihrer Seite schlief eine silbergraue Katze. Die Frau war ich. Ich trug Jeans und ein hellblaues T-Shirt. Meine schulterlangen Haare waren kastanienrot und im Nacken lose gebunden. Die Ansätze mussten nachgefärbt werden. In Gedanken notierte ich mir, bei Boots Haarfärbemittel zu kaufen.
Das Telefon klingelte. Ich sprang auf.
»Spreche ich mit Daisy McDonald?«, fragte eine Männerstimme, die ich nicht kannte.
»So ist es«, antwortete ich ebenso förmlich.
»Hier spricht William Harris. Meine Mutter, Eleanor Harris, war Ihre Vermieterin.«
»War?«
»Ja, es tut mir leid, dass ich eine traurige Nachricht habe. Meine Mutter ist in der vergangenen Woche gestorben.«
Ich sank wieder aufs Bett, hörte mir an, was Mr Harris zu sagen hatte, und versuchte, meine Panik zu bezwingen. Weitere Informationen würde ich per Brief erhalten. O nein, dachte ich, ich weiß, was das bedeutet. Dieser Michael Harris will, dass ich ausziehe. Dann riss ich mich zusammen und konzentrierte mich wieder auf seine Worte.
Als wir uns verabschiedet hatten, legte ich das Telefon aufs Bett. Mrs Harris war schon älter gewesen, deshalb hatte ich mich seit Jahren vor diesem Anruf gefürchtet. Jetzt war er gekommen. Trotzdem konnte ich es nicht fassen. Zwar hatte ich Mrs Harris nicht gut gekannt, doch ihr Tod war ein Schock. Vor achtundzwanzig Jahren hatten wir uns kennengelernt. Nach meinem Kunststudium war ich hierhergezogen, in einen Ort namens Kingsand im Südwesten Englands. Damals träumte ich von einem Atelier am Meer. Mrs Harris besuchte meine erste Ausstellung im Clock Tower unten an der Bucht. Meine Bilder gefielen ihr. Als sie erfuhr, dass ich eine Wohnung suchte, bot sie mir ein Haus am Rand des Ortes an, das ihr gehörte. Als ich es sah, konnte ich mein Glück nicht fassen, zumal die Miete angesichts der Größe und Lage des Hauses lächerlich war. Es war das mittlere in einer kleinen Zeile von drei Häusern und hatte zwei Stockwerke, dazu einen Dachboden, so hell, dass ich dort malen konnte. Im ersten Stock gab es zwei Zimmer und ein uraltes, aber funktionstüchtiges Bad. Im Parterre lagen Wohnzimmer, Küche und Klo. Der Küche schloss sich eine Terrasse mit schmiedeeisernem Geländer an. Sie führte in einen kleinen verdorrten Garten. Im Lauf der Zeit erweckte ich den Garten wieder zum Leben, pflanzte Rosen, Lavendel und wilde Geranien.
Mrs Harris sagte, sie suche eine gute Mieterin, jemanden, der sich um das Haus kümmerte. Nur das war ihr wichtig, die Miete zweitrangig. Das Haus hatte schon ihren Eltern gehört. In den Zimmern standen alte dunkle Mahagoni-Möbel, an den Fenstern hingen verblasste Samtvorhänge, und auf den Holzfußböden lagen abgetretene Teppiche. Mrs Harris war in diesem Haus aufgewachsen und suchte nach dem richtigen Mieter, jemand, der das Haus auf Dauer bewohnte. Sie legte keinen Wert auf Urlaubsvermietungen an wechselnde Gäste, bei denen sie nicht wusste, was für Leute das waren. Das Haus war kleiner als mein Elternhaus, doch es erinnerte mich so sehr daran, dass ich mich von Anfang an darin heimisch fühlte. Mrs Harris und ich bekamen also das, was wir uns gewünscht hatten. Ich begegnete ihr selten. Sie wohnte in Truro und kam nur einmal im Jahr bei mir vorbei. Wenn es Juni war, nickte sie beim Anblick der Rosen beifällig und schien sich zu freuen, dass ich im Haus nicht viel verändert hatte. Ich zahlte die Miete pünktlich, hielt das Haus in Schuss und füllte es mit Büchern, Reiseandenken und Bildern, die Freunde von mir gemalt hatten. Ich fand die Einrichtung gemütlich und unkonventionell zugleich. Es war mein Zuhause. Und nun war Mrs Harris gestorben, und all unsere Vereinbarungen würden nicht mehr gelten.
Mittwochnachmittag, 2. September
»Hallo, lieber Gott, ich bin es wieder.« Ich war dabei, die Sträucher im Garten zu trimmen, als würde das meine Probleme lösen. »Tut mir leid, dass wir heute Morgen unterbrochen wurden. Das Leben hatte sich eingeschaltet, ich bin sicher, du weißt, wie das ist – musst du ja, wenn du allgegenwärtig bist. Kann sein, dass ich demnächst kein Zuhause mehr habe. Kannst du mir helfen? Oder gehören sich solche persönlichen Wünsche nicht?«
Wie zur Antwort klingelte das Telefon. Ich lief in die Küche und meldete mich. »Hallo?«
»Spricht dort Dee McDonald?« Wieder eine mir unbekannte Männerstimme. Kultiviert. William Harris war es nicht.
»Ja.«
»Hier spricht Michael Harris.«
Er war der ältere Bruder. Ich war ihm vor Jahren begegnet, als er auf dem Weg zu seiner Mutter hier kurz Station gemacht hatte. Er war in meinem Alter, gut aussehend, solide wirkend und mit der Selbstsicherheit gesegnet, wie man sie häufig bei privilegierten und auf Privatschulen erzogenen Menschen antrifft.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie so überfalle, aber ich bin ganz in Ihrer Nähe … ich glaube, mein Bruder hat schon mit Ihnen gesprochen.«
»Ja. Der Tod Ihrer Mutter tut mir sehr leid.«
»Danke. Wäre es Ihnen recht, wenn ich kurz vorbeikomme?«
Meine Güte, dachte ich. Die beiden haben es aber eilig. Der Flurspiegel zeigte mir, wie ich in meiner Gartenkluft und mit ungeschminktem, von der Gartenarbeit gerötetem Gesicht aussah. Ich strich mir die Haare aus der Stirn und wischte den Fleck weg, den meine erdigen Finger hinterlassen hatten.
»Ich werde Sie nicht lang aufhalten«, fuhr Michael Harris fort. »Aber ich würde gern mit Ihnen sprechen.«
Einen Moment lang war ich unschlüssig. Dann dachte ich, bring es hinter dich. »Ist gut, aber geben Sie mir bitte fünf Minuten.«
Ich rannte ins Bad, spritzte mir Wasser ins Gesicht, trug ein bisschen Lippenstift auf und strich meine Haare glatt. Keine Ahnung, was das sollte. Männer spielten in meinem Leben schon seit Langem keine Rolle mehr, aber alte Gewohnheiten verlieren sich nicht so schnell. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich bei der vergangenen kurzen Begegnung mit Michael Harris unterlegen gefühlt hatte und mein Selbstwertgefühl stärken wollte.
Nach exakt fünf Minuten war er an der Haustür. Er sah immer noch gut aus: schöne dunkelbraune Augen und volles blondes Haar mit ersten grauen Fäden. Er war der Typ, den man für nett und zuverlässig hielt. Letzteres lag wahrscheinlich an seiner Größe und den breiten Schultern. Um die Taille hatte er ein wenig zugelegt. Das fand ich gut, offenbar hatte auch er Schwächen.
»Sie möchten sicherlich über das Haus sprechen«, sagte ich und führte ihn ins Wohnzimmer.
Er nickte und schaute sich um, als wäre er schon dabei, den Wert des Hauses zu schätzen. »Ich bin auf dem Weg nach Truro. Um mich um die Beerdigung zu kümmern und so weiter.«
»Ja natürlich. Ich möchte Ihnen auch noch mal mein Beileid aussprechen.«
Diesmal deutete er das Nicken nur an, und ich hatte den Eindruck, dass er über den Tod seiner Mutter nicht sprechen wollte. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht rechtzeitig angemeldet habe, aber mein Bruder hat gesagt, dass er mit Ihnen telefoniert hat, und da das Haus auf meinem Weg lag …« Er wirkte betreten, so viel Anstand hatte er wenigstens. »Ich dachte, ich schaue mal vorbei, schließlich waren Sie hier für lange Zeit zu Hause.«
»Wenn Sie mögen, notiere ich mir Ihre Bankverbindung und überweise die Miete künftig an Sie. Ich war mit meinen Zahlungen immer pünktlich.«
»Das weiß ich, aber darum geht es nicht. Jetzt, da meine Mutter tot ist, möchten mein Bruder und ich das Haus verkaufen. Ich weiß, dass William Ihnen die Einzelheiten schriftlich mitteilen wird, aber in Anbetracht der Situation ist das vielleicht ein bisschen förmlich. Deshalb wollte ich die Gelegenheit nutzen und mit Ihnen persönlich reden.«
»Welche Situation meinen Sie?«
»Na, dass Sie hier so lang gewohnt haben.«
Mein Magen verkrampfte sich. Mein schlimmster Albtraum wurde wahr, trotzdem versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Natürlich wollten die Brüder ihr Erbe. Das Haus musste mindestens 500.000 Pfund wert sein. Ich konnte es ihnen nicht einmal verdenken, obwohl Michael Harris nicht aussah, als wäre er knapp bei Kasse. Der blaue Pullover war aus Kaschmir, die dunkle Hose gut geschnitten, und die braunen Lederschuhe dürften auch nicht gerade billig gewesen sein. Michael Harris hatte die Ausstrahlung eines Mannes, der sorglos lebte. Er roch sogar teuer, nach einem Herrenduft von Chanel. Pour Monsieur nannte es sich, ich kannte den Duft – holzig mit einer Spur Zitrone. Es war das Lieblingsparfüm meines Vaters gewesen. Nach seinem Tod hatte meine Mutter noch jahrelang eine halb volle Flasche aufbewahrt. Wie immer stimmte der vertraute Geruch mich melancholisch, als wäre mein Vater einen Moment lang dagewesen und, wie der Duft, wieder verblasst. In solchen Augenblicken spürte ich die Lücke, die er in meinem Leben hinterlassen hatte, und wurde mir der alten Sehnsucht bewusst, sie mit jemandem oder etwas zu füllen.
»Sie sind die erste Person, der wir das Haus anbieten«, fuhr Michael Harris fort. »Das ist das Wenigste, was wir tun können.«
Ich musste lachen. Michael Harris sah mich verwundert an. Ich dachte daran, dass ich das Haus hätte kaufen können, wenn meine Mutter die Auszahlung meines Erbanteils nicht an eine Bedingung geknüpft hätte. Aber das wollte ich Michael Harris nicht erklären. Zuerst musste ich alles mit meiner Freundin Anna besprechen.
Michael Harris entschuldigte sich erneut.
»Ich muss meine Finanzen prüfen«, sagte ich. »Wie kann ich Sie erreichen.«
»Ach so?« Er wirkte verdutzt. »Sicher, das ist verständlich. In der Zwischenzeit werden wir das Haus von Maklern schätzen lassen. Das ist Ihnen und uns gegenüber nur fair. Wir werden drei Meinungen einholen.«
»Sehr vernünftig. Es wäre aber schön, wenn die Makler mir vor ihrem Besuch rechtzeitig Bescheid sagen würden.«
Michael Harris ließ seinen Blick über die Ziergegenstände im Wohnzimmer gleiten und schien sie zu missbilligen. Es waren ja auch sehr viele, aber die meisten hatten eine Geschichte, waren entweder Urlaubssouvenirs oder Geschenke von Freunden. Sein Blick blieb an der griechischen Bronzestatue eines Mannes mit überdimensioniertem Penis haften. Sie stand auf dem Kaminsims. Anna hatte sie mir vor fünf Jahren geschenkt, als eines meiner Dates total schiefgelaufen war und ich erklärt hatte, mit Männern sei ich fertig. Anna kaufte die Statue, um mich zum Lachen zu bringen. Was ihr auch gelang.
»Ein Satyr mit erigiertem Penis«, bemerkte Michael Harris. »Ein typisches Beispiel für eine ithyphallische Darstellung. Manche Wissenschaftler sind der Meinung, bei solchen Figuren handele es sich um Dionysos, andere behaupten, dass es ein Faun aus seinem Gefolge sei. Im Gegensatz zur eleganten Schönheit anderer griechischer Statuen ist die Vulgarität hier überdeutlich, finden Sie nicht?«
Du eingebildeter Wichser, dachte ich und hätte beinah gekichert, weil der Ausdruck so gut zu der Statue passte. »Ich glaube, es steht einfach nur für ›he, guckt mal, was ich habe‹«. Ich weiß nicht, warum ich das sagte, wahrscheinlich, weil Mr Harris sich so hochtrabend angehört hatte.
Er lachte nicht, sondern sah sich weiter um. Ich war froh, als er sich verabschiedete.
»Ich melde mich wegen der Maklertermine«, sagte er, als wir unsere E-Mail-Adressen getauscht hatten. Ich sah ihm nach, als er durch den kleinen Vorgarten zu seinem Wagen lief – einem schwarzen Jaguar, den er vor Annas Cottage geparkt hatte. Bevor er einstieg, schaute er zurück, um einen Blick auf das Haus zu werfen, und sah mich noch immer im Türrahmen stehen. »War nett, Sie wiederzusehen«, rief er.
Klar, dachte ich, aber eigentlich willst du mich nur schleunigst aus dem Haus haben und dir das Geld unter den Nagel reißen. »Finde ich auch«, antwortete ich und lächelte so unecht und übertrieben wie die ithyphallische Darstellung eines Penis.
In der Küche sank ich auf einen Stuhl und blinzelte ein paar Tränen fort. Das Haus hier war nicht mehr mein Zuhause, es gehörte William und Michael Harris. Max, mein hellbrauner Tabby, hockte auf dem Fensterbrett und beobachtete mich. Auf einem Bild, das ich zusammen mit Fotos und Ansichtskarten an das Notizbrett über dem Herd gepinnt hatte, war ein Buddha zu sehen. Mit geschlossenen Augen und friedlichem Gesichtsausdruck deutete er ein Lächeln an. Du selbstzufriedener Sack, dachte ich. Für deinen Platz unter dem Feigenbaum musstest du bestimmt keine Miete zahlen.
Die Fotomontage auf dem Notizbrett zeigte die Stationen meines Lebens: meine Tochter Lucy, wie sie als Kleinkind im roten Badeanzug in Goa im Meer paddelt; Lucy im Alter von neun Jahren für ein Kostümfest als Charly Chaplin verkleidet; mein Hochzeitsfoto mit Andy, meinem geschiedenen Ehemann und Lucys Vater. Auf dem Foto war ich vierundzwanzig Jahre alt und trug einen Kranz aus cremeweißen Rosen. Auf einem anderen Foto sah man Nick, gut aussehend, abenteuerlustig, freigeistig. Alle hatten ihn geliebt, aber eine feste Beziehung oder gar ein Familienleben war bei ihm nicht drin, jedenfalls nicht mit mir. In der Mitte steckte ein Foto, auf dem jemand ausgeschnitten worden war. Das dürfte John gewesen sein, mein letzter Partner. Sechs Jahre lang waren wir zusammen, bis mir bei einer Dinner-Party die Erleuchtung kam. John, ein anerkannter Künstler hier aus der Gegend, palaverte auf seine übliche überhebliche Art, und plötzlich fielen meine Scheuklappen ab, und ich erkannte, was er war, nämlich ein aufgeblasener Langweiler, der mir in der ganzen Zeit unseres Zusammenlebens auf der Tasche gelegen hatte. Später fand ich noch heraus, dass er mich ständig betrogen hatte. Mit ihm hätte ich den ersten Preis im »Liebe-macht-blind-Wettbewerb« gewinnen können. In einem symbolischen Akt schnitt ich ihn seinerzeit aus sämtlichen Fotos heraus und verbrannte die Schnipsel mit Annas Hilfe. Wie eine Hexe sah ich zu, wie sein selbstgefälliges Gesicht in den Flammen Blasen warf, sich zusammenrollte und in der Asche zerfiel.
Noch weiter unten war ein Foto von meinen Katzen Max und Misty mit Nikolausmützen. Zudem gab es jede Menge Fotos von meiner Mutter, auf vielen war sie kostümiert, so etwas hatte ihr Spaß gemacht. An Weihnachten trug sie Pullover mit Elchmotiven, an Geburtstagen war sie wie eine Zauberfee gekleidet, an Ostern wie ein Hase. Einmal an Halloween hatte sie sich als Gespenst ein weißes Laken übergehängt. Ich war sechs Jahre alt und schrie bei ihrem Anblick wie am Spieß. Meine liebe verrückte Mutter. Auf anderen Fotos sah man Freunde und Freundinnen von mir beim Grillen und bei Dinner-Partys. Die meisten waren hier in meinem Haus, Summer Lane 3, aufgenommen worden, wo ich mich aufgehoben gefühlt hatte, in guten wie in schlechten Zeiten.
Ich liebte nicht nur das Haus, fuhr es mir beim Blick aus dem Fenster durch den Sinn, sondern auch die Gegend und die Menschen, die hier lebten. Ich kannte jeden, und mit den meisten war ich befreundet. Wenn ich zum Briefkasten an der Straße ging, traf ich immer jemanden, mit dem ich plaudern und Neuigkeiten austauschen konnte. Wir bildeten eine Gemeinschaft, jeder half jedem.
In die Halbinsel Rame verliebte ich mich schon, als ich zum ersten Mal hierherkam. Damals fand auf den Klippen am Meer ein Musik-Festival statt. Rame ist ein Juwel, das sich hinter Plymouth und dem Tamar versteckt. Auf der Ostseite der Halbinsel liegen Kingsand und Cawsand, malerische Zwillingsdörfer mit engen Gässchen und rosa, blau und ockergelb gestrichenen Cottages. Kingsand hat drei kleine Strände, einen Pub und ein Café. Im Südwesten ist die Küste unberührt, aber an die Strände dort gelangt man nur über lange gewundene Pfade die Klippen hinab. Cremyll ist ein Ort nördlich von Kingsand, dort legt die kleine Personenfähre von und nach Plymouth an. Auf die Art anzureisen ist großartig. Man tuckert an den Yachten vorbei, die im Hafen von Plymouth vertäut liegen, und sieht eine Weile später das herrschaftliche Anwesen Mount Edgcumbe aufragen, dessen Rasen sich bis hinunter zum Meeresufer erstreckt.
»Lieber Gott«, sagte ich. »Ich brauche fünfhunderttausend Pfund und die bitte schnell.« Ich wandte mich zu Max um. »Wie soll ich in den nächsten Wochen oder Monaten so viel Geld auftreiben? Ich habe keine Zeit, Mums Wünsche zu erfüllen, die ich außerdem nicht mal kenne.« Max blinzelte und wandte sich ab. Gott fand solche Bitten wahrscheinlich ebenso langweilig wie er.
Wenigstens war ich so geistesgegenwärtig gewesen, Michael Harris um einen Aufschub zu bitten. Wie man andere vertröstet, hatte ich vor vielen Jahren von meiner Schwester Rose gelernt, aber da ich immer allen alles recht machen will, vergesse ich die Regeln für gewöhnlich. Natürlich musste ich nicht »meine Finanzen prüfen«, ich wusste genau, wie viel ich auf dem Konto hatte, nämlich exakt vierhundert Pfund. Ich hatte eine Teilzeitstelle als Kunstlehrerin in einer hiesigen Oberschule, und im Winter gab ich abends Malkurse. Für beides erhielt ich einen Hungerlohn. Er reichte aus, um über die Runden zu kommen, und wenn ich ein Gemälde verkaufte, konnte ich mir auch einmal etwas außer der Reihe leisten. Aber das war schon eine Weile her, mir fehlten die Ideen und die Lust zum Malen. Ich hatte keine Altersvorsorge und keine Ersparnisse. Wie so viele in meiner Generation ging ich davon aus, nie alt zu werden. Sicher, in einem Jahr würde man mir mein Erbe auszahlen – vorausgesetzt, meine Schwestern hielten sich an die Auflagen –, aber ob die Brüder Harris bereit waren, so lange zu warten? Wohl eher nicht.