Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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1. Auflage 2018
© 2018 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© der Originalausgabe 2016 by Adam Gazzaley and Larry D. Rosen.
Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei The MIT Press unter dem Titel The Distracted Mind.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Dr. Heide Lutosch und Franka Reinhart, Leipzig Redaktion: Matthias Michel, Wiesbaden Umschlaggestaltung: Laura Osswald, München
Umschlagabbildung: Shutterstock/Mar Kyr
Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)
ISBN Print 978-3-86881-673-0
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-964-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-965-8
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Vorwort
Teil I Kognition und Grundbegriffe der kognitiven Steuerung
1. Interferenz
2. Ziele und kognitive Steuerung
3. Gehirn und Steuerung
4. Einschränkungen der Steuerung
5. Schwankungen und Abweichungen
Teil II Verhalten in der Hightech-Welt
6. Die Psychologie der Technik
7. Auswirkungen konstanter Aufmerksamkeitsverschiebung
8. Auswirkungen von Informationstechnologien auf verschiedene Bevölkerungsgruppen
9. Warum unterbrechen wir uns selbst?
Teil III Gezielte Steuerung
10. Ankurbeln der Steuerung
11. Verhalten ändern
Danksagung
Über die Autoren
Dieses Buch ist das erste seiner Art, das sich den ganz realen Herausforderungen zuwendet, mit denen wir in unserer außerordentlich spannenden, jedoch auch extrem ablenkenden Hightech-Welt konfrontiert sind – und zwar aus der doppelten Perspektive eines Psychologen und eines Neurowissenschaftlers. Anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen und realen Beispielen, wie Menschen konkret mit ihrem eigenen überforderten Gehirn umgehen, vermitteln wir Ihnen einen einzigartigen Blick auf unsere von Informationen immer stärker gesättigte Umwelt (mit allgegenwärtigen Smartphones, Chat-Nachrichten, E-Mails, sozialen Medien und Computerspielen, Werbeeinblendungen und Dialogfenstern) in Verbindung mit ständig zunehmenden Erwartungen, dass wir das ganze Jahr über rund um die Uhr erreichbar sind und auf alles sofort reagieren. Wir legen dar, wie immens unser Gehirn davon beansprucht wird. Das überforderte Gehirn nimmt Sie mit auf eine Reise, auf der Sie erfahren, wie und warum wir so sehr mit Unterbrechungen und Ablenkungen zu kämpfen haben, die sowohl innere als auch äußere Ursachen haben können. Außerdem vermitteln wir Ihnen ganz praktische Strategien, wie Sie Ihr Verhalten ändern und Ihr Gehirn gegen Interferenzen wappnen können, damit Sie Ihre Ziele besser erreichen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die unterbrechenden Technologien unsere Aufmerksamkeit immer stärker von den wichtigen Aspekten des Lebens ablenken, weshalb wir unbedingt verstehen müssen, warum wir so anfällig sind für Interferenz und wie wir vor dem Hintergrundrauschen unserer Hightech-Welt relevante Signale nicht aus dem Blick verlieren.
Das überforderte Gehirn ist kein pseudowissenschaftliches Werk, das versucht, mit farbenfrohen Hirnscans und fragwürdigen Inhalten zu überzeugen. In diesem Buch präsentieren wir mit vereinter wissenschaftlicher Kompetenz aktuelle und praxisbezogene Erkenntnisse. Dr. Adam Gazzaley ist kognitiver Neurowissenschaftler und ein Vorreiter in der Forschung darüber, wie das Gehirn mit Ablenkungen und Unterbrechungen umgeht. Dr. Larry Rosen ist Psychologe, der sich vor allem mit der »Psychologie der Technik« beschäftigt und seit mehr als dreißig Jahren als Pionier auf diesem Gebiet tätig ist. Aus beiden Perspektiven setzen wir uns damit auseinander, warum wir uns in unserem modernen technischen Ökosystem nur ungenügend orientieren können und inwiefern dies unsere Sicherheit, Kognition, Bildung, Arbeitsumgebung und Beziehungen zu Freunden und Verwandten massiv beeinträchtigt. Wir illustrieren diesen Diskurs mit unseren Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Hypothesen sowie Auffassungen anderer Experten und erläutern, warum unser Gehirn nur so mühsam mit den Anforderungen durch Kommunikation und Informationen zurechtkommt.
Wir gliedern unsere Darstellung in drei Teile. In Teil I vermitteln wir Ihnen neu gewonnene Erkenntnisse, warum unser »Interferenz-Dilemma« überhaupt existiert und weshalb es für uns aktuell eine so große Rolle spielt. Wir erörtern, wie ein besonders hoch entwickelter Aspekt unseres Gehirns, der unser Menschsein kennzeichnet – die Fähigkeit, uns übergeordnete Ziele zu setzen –, heftig mit den fundamentalen Einschränkungen unseres Gehirns hinsichtlich der kognitiven Steuerung – Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und Ziel-Management – kollidiert. Diese Kollision bewirkt eine enorme Empfänglichkeit für Ziel-Interferenz in Form von Ablenkungen durch irrelevante Informationen sowie Unterbrechungen durch Versuche von Multitasking. Diese Störungen beeinträchtigen unsere Wahrnehmungen, wirken sich auf unser Sprachvermögen aus, behindern Entscheidungsprozesse und hemmen präzise Erinnerungen an Lebensereignisse. Die negativen Auswirkungen sind noch stärker ausgeprägt bei Menschen mit unterentwickelter oder gestörter kognitiver Steuerung, z. B. bei Kindern, Jugendlichen und Senioren sowie klinischen Populationen. Weiterhin erörtern wir aus evolutionärer Perspektive, warum wir stark Interferenz-fördernde Verhaltensweisen zeigen und dabei gewissermaßen optimal agieren, um unseren inhärenten Trieb nach Informationsbeschaffung zu befriedigen.
In Teil II untersuchen wir sorgfältig unser reales Verhalten und zeigen, wie die in Teil I beschriebene Kollision durch unsere ständige Konfrontation mit den vielfältigen Möglichkeiten moderner Informationstechnologie zusätzlich verstärkt wird. Wenn wir mit Freunden und Verwandten gemütlich am Tisch sitzen und zusammen essen, schauen wir alle immer wieder auf unser Handy. Niemand steht mehr untätig in einer Warteschlange und hängt einfach seinen Gedanken nach oder unterhält sich mit den Mitwartenden. Stattdessen starren wir wie gebannt auf unser Smartphone und tauchen dabei in virtuelle Welten ein. Wir verteilen unsere beschränkte Aufmerksamkeit auf komplexe Anforderungen, die häufig nachhaltige, alleinige Konzentration und intensives Nachdenken erfordern. Wir erläutern, warum wir uns so verhalten, obwohl wir uns der Nachteile bewusst sind. Anhand eines neuen Modells auf Grundlage der Theorie zur optimalen Nahrungsbeschaffung legen wir dar, wie unsere Hightech-Welt dieses Verhalten aufrechterhält, indem wir unseren instinktiven Drang nach Informationen jederzeit befriedigen können und darüber hinaus starke internale Faktoren wie Langeweile und Angst eine Rolle spielen. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir mit einem archaischen Gehirn in einer Hightech-Welt leben.
In Teil III erörtern wir schließlich, was wir ändern können, um die Resilienz unseres Gehirns zu stärken, und welche Verhaltensstrategien wir anwenden sollten, um in allen Lebensbereichen zu bestehen. Zunächst widmen wir uns dabei einer breiten Palette von möglichen Ansätzen – von technikfrei bis Hightech –, die uns zur Verfügung stehen, um die Neuroplastizität zu fördern und unser überfordertes Gehirn zu stärken. Dabei betrachten wir unter anderem traditionelle Bildung, kognitives Training, Computerspiele, Medikation, körperliche Betätigung, Meditation, Naturerfahrung, Neurofeedback sowie Hirnstimulation und legen dar, wie in unseren faszinierenden Zeiten genau jene Technologien, die das überforderte Gehirn hervorbringen, im Umkehrschluss als Gegenmittel eingesetzt werden können. Anschließend geben wir Hinweise, wie wir unser Verhalten gezielt modifizieren können, ohne auf moderne Technik zu verzichten, um die negativen Auswirkungen der Überforderung unseres Gehirns zu minimieren. Unter Verwendung des weiter vorn im Buch vorgestellten Optimalitätsmodells als theoretische Grundlage für die empfohlenen Verhaltensänderungen sind alle von uns vorgeschlagenen Strategien praxiserprobt und wissenschaftlich solide unterfüttert.
Das überforderte Gehirn vermittelt Einsichten, wie und warum unser Gehirn Schwierigkeiten dabei hat, den permanenten Informationsstrom zu bewältigen und sich in einer von unaufhörlichen Unterbrechungen und Ablenkungen geprägten Welt auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir weiten diese Perspektive noch etwas aus und beschäftigen uns damit, welche Folgen diese Überbeanspruchung in unserem Privatleben, im Straßenverkehr, in der Schule und am Arbeitsplatz hat, und erörtern, warum wir uns so verhalten. Ganz entscheidend ist jedoch, dass wir handfeste, praktikable Hinweise vermitteln, was wir konkret tun können, um im Informationszeitalter erfolgreich unseren Weg zu gehen.
Unser Gehirn ist ein beeindruckendes System zur Informationsverarbeitung und die komplexeste der Menschheit bekannte Struktur. Das Gehirn ermöglicht es uns, so außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen wie die Entdeckung der allgemeinen Relativitätstheorie, die Fresken in der Sixtinischen Kapelle, den Bau von Flugzeugen oder die Komposition von Sinfonien. Und trotzdem vergessen wir immer wieder, auf dem Heimweg Milch zu kaufen. Wie passt das zusammen?
Im ersten Teil dieses Buches erläutern wir, wie der Konflikt zwischen unseren Zielen und unseren beschränkten Fähigkeiten zur kognitiven Steuerung zu Interferenzen und Leistungseinbußen führt. In Kapitel 1 erörtern wir zunächst detailliert das Thema Interferenz und erklären, worum es sich dabei genau handelt, wie sie uns beeinflusst und warum ihre negativen Auswirkungen offenbar immer mehr zunehmen. Wir stellen ein Modell vor, das ursprünglich dazu entwickelt wurde, um das Verhalten von Tieren bei der Nahrungssuche zu veranschaulichen, und sich unserer Auffassung nach auch dazu eignet, um unsere Neigung zum häufigen Aufgabenwechsel zu verstehen. In Kapitel 2 beschäftigen wir uns damit, wie sich das menschliche Gehirn im Laufe der Evolution entwickelt hat, um komplexe Ziele zu formulieren und sie mithilfe einer Reihe von Fähigkeiten umzusetzen, die als kognitive Steuerung bezeichnet werden: Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und Ziel-Management. In Kapitel 3 tauchen wir tief ein in das Gehirn des Menschen. Die in den letzten Jahrzehnten entstandenen, nichtinvasiven Technologien machen es möglich, dem Gehirn gewissermaßen bei der Arbeit zuzuschauen und dadurch zu verstehen, welche Prozesse darin ablaufen und wie kognitive Steuerung eigentlich funktioniert. So beeindruckend diese Vorgänge auch sein mögen, unterliegen sie jedoch auch nicht zu unterschätzenden Einschränkungen, die sich im Vergleich zu unseren steinzeitlichen Vorfahren gar nicht so sehr verändert haben. In Kapitel 4 werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie und wodurch unsere Aufmerksamkeit, unser Arbeitsgedächtnis und unser Ziel-Management eingeschränkt werden. In Kapitel 5 betrachten wir schließlich, inwiefern diese Einschränkungen durch Alter, Erkrankungen und selbst unsere momentane mentale Verfassung beeinflusst werden.