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Kielschwein – eine innen auf dem Kiel liegende Verstärkung, die typischerweise das Unterende des Mastes auf Großseglern aufnimmt – und so wenig ein Tier ist wie der.
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Wenn Sie mehr zu diesem Thema lesen wollen, ist als Einstiegslektüre in die moderne Glücksforschung folgendes Buch der amerikanischen Psychologieprofessorin sehr empfehlenswert:
Barbara L. Fredrickson, »Positivity«, Oxford: Oneworld Publication
Auf Deutsch:
Barbara L. Fredrickson, »Die Macht der guten Gefühle«, Campus Verlag 2011
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(»sie« – Schiffe sind immer weiblich)
Für Anita & Max
»In zwanzig Jahren werden Sie mehr darüber enttäuscht sein, was Sie nicht gemacht haben, als darüber, was sie getan haben.
Also werfen Sie die Leinen los.
Segeln Sie aus dem sicheren Hafen.
Nutzen Sie die Passatwinde und setzen Sie die Segel.
Forschen Sie. Träumen Sie. Entdecken Sie!«
MARK TWAIN
Der Kalenderweise weiß: Reisen bildet. Und zwar schon bei der Anreise.
So stieg ein unternehmungslustiger Passagier samt Frau und Sohn in Genua gut gelaunt aus dem Taxi, nachdem er die begeisternde Anreise mit der Bahn durch den Gotthard-Tunnel erlebt hatte. Er übergab die Koffer den kräftigen Kofferschleppern der Reederei, während seine Frau fragte, wo es zum Schiff gehe. Da alle drei noch nie im Hafen von Genua an Bord gegangen waren, kannten sie die Wege zur Einschiffung nicht. Die dienstbaren Geister machten eine Handbewegung, die vermuten ließ, die nächste Gelegenheit links abbiegen zu müssen. Sodann murmelten sie etwas Unverständliches von einer breiten Türe. Für den Passagier hörte es sich so an, als ob sie in fremden Zungen sprächen, und so verließ er sich auf sein Gespür und die Fähigkeit, schon zu erkennen, wo es langginge.
Und siehe, nach der Kurve links stand auch schon eine Gruppe Reisender, die unschwer als Nicht-Italiener auszumachen waren. Genauer gesagt als Deutsche. Sie wurden nämlich gerade auf Deutsch von einer Reiseleiterin instruiert, ihr zu folgen. Gesagt, getan – zumal die Reiseleiterin launige Anekdoten vom Leben an Bord erzählte, um, wie sie sagte, »die Zeit zu verkürzen, bis der Bus so weit ist«.
Nun hat sich der moderne Mensch in unsrer von Terrorismus gebeutelten Welt ja schon an vielerlei Reisevorschriften gewöhnt, die der eigenen Sicherheit zuträglich sein sollen. Zum Beispiel Flüssigkeiten im Handgepäck in durchsichtigen Plastiktüten aufzubewahren statt im undurchsichtigen Reisenecessaire. Wie jedermann sofort erkennt, ist das ein absolut sinnvoller Schutz gegen ungewollte Explosionen in höchsten Höhen. Ebenso einleuchtend ist es, dass man bei der Einreise in manche Länder schriftlich und unwiderruflich angeben muss, ob man terroristische Anschläge zu unternehmen gedenkt. Als Ehrenmann gibt man derart Niederträchtiges natürlich sofort frank und frei gegenüber den Einreisebehörden zu.
Angesichts solcher »Sicherheitsmaßnahmen« lag für den Anreisenden die Vermutung nahe, dass die Reiseteilnehmer, die hier brav und diszipliniert mit ihrem Handgepäck in der Schlange standen, nicht zu Fuß durch den Hafen streunen sollten, um an Bord zu gelangen, sondern per Bus direkt bis zur Gangway verbracht werden sollten. So schaltete er das Bewusstsein als selbstständig denkendes Einzelindividuum aus, legte den »Ich-bin-ein-Schaf-und-trotte-der-Herde-hinterher«-Modus ein und folgte samt Frau und pubertierendem Sohn der Anekdoten erzählenden Reiseleiterin Schritt für Schritt Richtung Bus.
Das Einzige, was ihn irritierte, war die Tatsache, dass die amüsanten Geschichten der reiseleitenden Dame so gar kein Lächeln auf die Gesichter der Mitstehenden zauberten. Ihn befielen üble Vorahnungen von miesepetrigen Passagieren, die willens waren, den weiteren Verlauf der Reise mit Übellaunigkeiten zu »würzen«. Die aufkeimende Unlust bekämpfte er durch still in sich hineingesprochene mantraartige Ermahnungen, sich nach einem Jahr harter Arbeit den wohlverdienten Urlaub durch nichts vermiesen zu lassen. Erst recht nicht durch übellaunige Mitreisende.
Derart emotional gefestigt stellte er schließlich fest, dass die schrittweise Vorwärtsbewegung zum Stillstand gekommen war. Und die reiseleitende Dame an der Spitze verkündete: »So, jetzt sind die Busse parat. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise nach Düsseldorf!«
Da schaute der angereiste Passagier seine Frau an und lachte laut auf, weil er erkannte, dass die Herrschaften nicht übellaunig waren, sondern traurig – über das Ende ihrer Kreuzfahrt. Und so beschloss er, den »Ich-bin-ein-Schaf-und-trotte-der-Herde-hinterher«-Modus für den Rest der Reise abzulegen, und drehte um. Nicht ohne zuvor seinem Sohn recht zu geben, der etwas von »Wie blöd ist das denn?« gemurmelt hatte.
Kurz danach durchschritt die Familie die breite Tür, die die wackeren Kofferträger der Reederei zuvor gemeint hatten, die der Passagier aber nicht gesehen hatte, weil er der männlichen Devise gefolgt war: »Männer fragen nicht nach dem Weg« ( »Landausflug«).
Und weil der Herr mit seiner Familie niemand anderer als der Autor selbst war, sei hier klipp und klar gesagt: Nur wer Fehler macht, kann auch darüber lachen. Vorausgesetzt, man akzeptiert die menschliche Fehlbarkeit und kann sich eingestehen, nicht immer alles richtig machen zu müssen.
Aus genau diesem Grund bin ich allen Gleichgesinnten dankbar, die mir für dieses Buch ihre eigenen »Erfahrungen« berichtet haben – weil auch sie darüber lachen können.
Denn Schiffsreisen sind dazu da, dass man Spaß hat. Mit sich und anderen.
… seufzte die auf ihrem Sofa gestrandete Kreuzfahrerin, als sie die Tasse heißen Kaffees mit beiden Händen umschloss und es sich gemütlich machte. Sie schloss lächelnd die Augen, gab sich ihrer tiefen Sehnsucht nach der Weite des Meeres hin und hörte …
… das »Tap! Tap!« ihrer Schuhe auf dem Metall der Gangway.
Erst klang es wie ganz weit weg.
Doch Schritt für Schritt kam es näher.
Untermalt wurde dieser gleichmäßige Takt vom gemächlichen Ächzen der Gangway, diesem Verbindungsstück zwischen Alltag und Ferien, das sich im milden Rhythmus der Hafenwellen über den Asphalt des Kais schob.
Sie spürte, wie sie das Geländer links und rechts fest im Griff hatte. Neben sich die weiße Stahlwand des Schiffsrumpfs.
Auf halber Höhe der Gangway blickte sie sich noch einmal um, schaute auf den Kai hinab, sah dort das »Willkommen an Bord«-Schild »ihres« Schiffes stehen und wendete sich mit dieser herrlich glucksenden Vorfreude im Bauch wieder um.
Sie ging die letzten Meter die Gangway empor, machte einen Schritt durch die Luke in der Schiffswand und betrat ihr Schiff …
… jetzt!
Sie hörte ein »Herzlich Willkommen« – vom Cruise Director und einem halben Bataillon strahlender Philippino-Mädels und -Jungs, die ihr gleich das Handgepäck abnahmen und sie zu ihrer Kabine begleiteten.
Unter ihren Füßen dämpfte nun ein weicher Teppichboden ihren Schritt – und die herrliche Gewissheit machte sich in ihr breit:
Endlich! Wieder! Da!
Schließen Sie, liebe Leserin und werter Leser, jetzt die Augen und stellen Sie sich das Ganze noch einmal vor. Mit Ihnen in der Hauptrolle.
Dazu die Gerüche des Salzwassers, den fröhlichen Geräuschteppich des Ankommens, das leise Gläserklingeln der Begrüßungscocktails und das Glücksgefühl, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein. Dort gibt es nur Ruhe, Weite und wunderbare neue Länder. Herrlich!
Anlegen an und für sich ist keine Kunst. Täglich legt jeder von uns seine Kleidung an. Unfallfrei.
Das Anlegen der Rettungsweste während der Sicherheitsübung bedarf da schon etwas mehr Erfahrung. Ganz ungewohnt ist der Vorgang des Anlegens allerdings, wenn es ein Schiff tut.
Aus diesem Grund wird dieser Vorgang auch gern beim einen mit Interesse, beim anderen mit Kennermiene und beim dritten mit Unverständnis begleitet. Letzteres ist immer wieder Anlass zu Heiterkeit.
So hörte der Autor, wie sich zwei Damen, die das Manöver abseits ihrer fachmännisch blickenden Ehemänner beobachtet hatten, dazu ihre eigenen Gedanken machten. Wie sich später herausstellte, waren es alte Schulfreundinnen, die die Liebe in unterschiedliche Teile des deutschen Kulturkreises verschlagen hatte. Annemie lebte im beschaulichen Ostwestfalen, während ihre Freundin in der malerischen Schweiz wohnte.
»Jetzt legt er schon wieder mit der linken Seite an!«
»Annemie, das heißt doch Backbord.«
»Ach ja! Hat er in den anderen Häfen aber auch schon immer so gemacht.«
»Immer mit der Backbordseite?«
»Ja. Vielleicht kann er nur mit links.«
Wen’s interessieren sollte: Kapitäne legen ihr Schiff immer gegen die Strömung an.
Außerdem spielt der Wind eine Rolle. Wenn es zum Beispiel beim Einlaufen in einen Hafen kaum Wind gibt, aber beim Auslaufen welcher zu erwarten ist, dann legt er sein Schiff bereits in »Auslaufrichtung« an, damit er später besser wegkommt.
Und schließlich redet beim Anlegen auch der Lotse noch ein empfehlendes Wörtchen mit. Das zum Thema: »Vielleicht kann er nur mit links«.
Die beiden Freundinnen schauten unterdessen schweigend zu, wie die Wurfleinen von Bord zu den wartenden Festmachern am Kai geworfen wurden.
Schließlich sagte Annemie: »Lass uns mal lieber gehen. Mein Erwin schaut schon wieder so sauer. Er wollte sich schon im letzten Hafen beschweren.«
»Warum denn?«
»Unsere Kabine ist doch auf der Backbordseite.«
»Ja und?«
»Er meint, er hätte extra eine Balkonkabine gebucht – wegen dem Meerblick. Und jetzt liegen wir schon wieder so, dass wir nur den Hafen sehen. Das ärgert ihn. Ich kenn doch meinen Erwin.«
Solche Mitreisende darf man nicht einfach ziehen lassen, sondern muss solchen Juwelen des unfreiwilligen Humors folgen. In der Hoffnung auf weitere Trouvaillen. Und tatsächlich: Eine ging noch.
Als die beiden den Zauberer sahen, der abends für gute Stimmung auf der Bühne sorgte, sagte die Dame, die von ihrem Schweizer Wohnort Luzern mit dem Bus zum Ausgangshafen Venedig angereist war: »Schau mal, der Zauberer da. Der ist auch in Luzern eingestiegen.«
Darauf Annemie: »Ich wusste gar nicht, dass das Schiff auch durch die Schweiz gefahren ist.«
Natürlich wissen wir alle, was es alltagssprachlich bedeutet, »sich zu beschweren«. Aber versuchen Sie mal, sich das Verb ganz langsam auf der Zunge zergehen zu lassen: »sich be-schwer-en«.
Fällt Ihnen etwas auf?
Genau. Es drückt etwas ganz anderes aus, als wir gemeinhin meinen: Man kann nämlich nicht einen anderen beschweren – sondern immer nur sich selbst! Das »Schwere« – die Last also – liegt demnach auf den Schultern dessen, der es tut – nicht auf dem, über den sich beschwert wird. Und schwer zu sein ist auf See ein nicht sehr hilfreicher Zustand. Wer schwer ist, geht leicht unter.
Besonders dann, wenn dem, worüber er sich beschwert, jeglicher Sinn abgeht. Deshalb können solche »Untergänge« auch sehr komisch sein. Wie der folgende Fall zeigt:
Der kundige Passagier weiß, dass die Kabinen in den unteren Decks nicht nur kostengünstiger sind, sondern bei bewegter See auch weniger stark das Auf und Ab des Schiffes spüren lassen. Zumal wenn sie in der Mitte zwischen Bug und Heck liegen. Das hat mit dem geringeren Drehmoment zu tun, was eine größere Ruhe der Kabinen-Bewegungen zur Folge hat – im Vergleich zu Kabinen am Heck oder am Bug (Bd. 1 »Kabine«). Wie gesagt, das weiß der erfahrene Passagier.
Ein First-Time-Cruiser hatte die Wahl einer solchen Kabine nahe der Wasserlinie wohl als Tipp erhalten, aber den wahren Vorteil nicht richtig verstanden – und war nun gar nicht zufrieden damit. Deshalb ließ er kurz nach Ankunft an Bord den Hotelmanager kommen.
Nachdem der konziliante Mann die Kabine betreten hatte, forderte ihn der Gast auf: »Schauen Sie bitte mal aus dem Bullauge raus.«
Der Hotelmanager tat, wie ihm geheißen.
»Und? Was sehen Sie?«, fragte der Gast streng – und fuhr ohne eine Antwort abzuwarten fort: »Das Wasser steht höchstens 20 cm unter dem Fenster.«
Der Hotelmanager vermutete nun, dass der Gast vielleicht befürchtete, das Bullauge könne nicht dicht sein. Also holte er schon mal Luft, um dem besorgten Mann einige sachdienliche Informationen über die Einzigartigkeit und Sicherheit dieses Schiffes mitzuteilen. Doch ließ er diese Luft gleich wieder ab, als er hörte, weshalb sich der Gast beschwerte: »Hören Sie mal«, setzte der nämlich zu seinem finalen Gedankenschluss an, »was mache ich denn da bei Hochwasser? Da sehe ich ja gar nichts mehr!«
Tja, es ist in der Tat nicht ganz einfach zu begreifen, dass diese Riesenschiffe aus Eisen tatsächlich auf dem Wasser schwimmen. Der wahre Grund ist, dass sie durch ihre schiere Größe viel Wasser verdrängen, was sie trägt.
Genau das versuchte auch eine Passagierin, als ihr Schiff auf Reede lag – nämlich das Wasser zu verdrängen. Doch trug es sie nicht. Und das kam so: Wie man weiß, legt ein Schiff normalerweise im Hafen an. Dann betreten die Passagiere dessen festen Boden über die schiffseigene Gangway. Manchmal ist das Schiff aber zu groß, das Hafenbecken nicht tief genug oder einfach schon mit anderen Schiffen so voll, dass kein Liegeplatz mehr frei ist. Dann bleibt das Schiff draußen auf See, ankert – und liegt »auf Reede«.
Damit Passagiere und Besatzung dennoch festen Grund betreten können, werden alle Land-Willigen mit Tenderbooten an den Kai gebracht. Diesen Vorgang nennt der Seemann »tendern«. Und derjenige, der das Ganze beaufsichtigt, hat »tender duty«.
Unerfahrene Zeitgenossen könnten diese Aufsicht vielleicht für eine Formalie halten, würden dabei aber außer Acht lassen, dass nicht jeder versteht, um was es beim Tendern geht. Obwohl das nicht wirklich schwer ist.
Oben erwähnte Dame war erst im letzten Hafen an Bord gekommen und ging nun, da das Schiff auf Reede lag, zu der jungen Frau, die »tender duty« hatte. Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ sie sie wissen, dass sie keine Lust habe, sich in der Schlange hinten anzustellen. Schließlich wohne sie in einer Suite auf dem obersten Deck und wolle jetzt raus.
Die junge Frau erklärte der Passagierin zuversichtlich, dass das sofort geschehen werde, sobald das Tenderboot angelegt habe.
Darauf die Passagierin: Sie wolle kein Boot, sie wolle an Land. Bei diesen Worten hob sie die Stimme, sodass die ersten Mitwartenden aufblickten.
Ja, erwiderte die junge Frau der Crew weiterhin ruhig, das verstehe sie schon, aber heute ginge das nun mal nicht ohne Boot, weil um sie herum nur Wasser sei.
Nun wurde die Passagierin deutlich und verlangte, dass die junge Frau unverzüglich den Durchgang freigebe, damit sie an Land könne. Die junge Schiffsangestellte könne sich ihr Boot an den Hut stecken. Sie wolle JETZT über »diesen Steg« an Land. (Sie meinte die Gangway!). Dann holte sie das Tagesprogramm aus der Tasche, schlug es auf und hielt es der jungen Frau hin.
»Können Sie lesen?«, fragte sie schnippisch.
»Gestern ging ’s noch!«
»Dann sehen Sie ja, was hier steht: Land-GANG! Außerdem hat uns der Kapitän eben viel Spaß beim Land-GANG gewünscht und Sie wollen mir jetzt weismachen, dass hier gar kein Land ist und wir mitten auf dem Meer sind? Halten Sie sich für intelligenter als den Kapitän?«
Nun sah sich die junge Frau gezwungen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten: »Gut«, sagte sie, »dann gehen Sie.«
Hocherhobenen Hauptes marschierte die Dame siegesgewiss in Richtung der offenen Tenderluke, kleine rote Rauchwölkchen der Wut hinter sich lassend. Begleitet wurde sie dabei von amüsierten Blicken der anderen Passagiere.
An der Tenderluke angekommen blieb sie stehen und schaute … auf die unendliche Wasserfläche des Meeres … Weit und breit nichts, worauf sie ihren sorgsam pedikürten Fuß hätte setzen können – außer Wasser.
Die Ratlosigkeit, die sich daraufhin auf ihrem Gesicht breitmachte, sahen nur Poseidon und seine Gespielinnen, denn die Suitenbewohnerin starrte einfach nur geradeaus aufs Meer. Dabei ging ihr vielleicht die Frage durch den Kopf, ob sie den nächsten Schritt tun solle, um ihr Gesicht zu wahren, oder nicht. Doch ersparte sie der Crew dankenswerterweise das »Frau über Bord«-Manöver und wartete wie alle anderen auch, bis das Tenderboot anlegte. Sie beschloss allerdings, erst mit dem nächsten Boot an Land zu fahren – mit Passagieren, die ihren Auftritt nicht miterlebt hatten.
Merke: Selbst auf sehr großen Schiffen begegnet man den Mitgliedern der Crew immer wieder. Deshalb gebietet allein schon die soziale Intelligenz, ihnen freundlich zu begegnen. Mal ganz abgesehen davon, dass das Reisen mit guter Laune mehr Spaß macht, als den Nervtöter zu geben.
Eine Einsicht, die im Übrigen auch an Land gilt. So vergaß ein frankofoner Gast offensichtlich, dass er in der Schule Geografieunterricht gehabt hatte, und beschwerte sich allen Ernstes am Ende seiner Karibik-Kreuzfahrt bei seinem Reisebüro mit folgenden Worten: »Wir haben elf Stunden gebraucht, um von den Bahamas wieder zurück nach Paris zu kommen. Bei unseren Freunden aus New York hat die Heimreise nur drei Stunden gedauert.«
Darauf erwiderte die Dame in dem Reisebüro: »Aber Sie hatten einen Direktflug!«
»Erzählen Sie mir nichts. Sie hätten uns einen besseren Flug raussuchen können.«
Was soll man dazu sagen? Soll man solchen »Kennern« die Weltkarte vor Augen halten und darauf hoffen, dass sie die unterschiedlich langen Strecken Bahamas-New York und Bahamas-Paris mit bloßem Auge erkennen? Oder sollte man mit einem Zentimetermaß beide Strecken auf der Karte ausmessen und die unterschiedlich großen Zahlen nebeneinanderhalten? Oder sollte man ihnen generell erst einmal erklären, wo sie überhaupt waren?
Klar ist: Nicht nur auf Schiffen braucht die Crew in Sachen Beschwerden viel Geduld. Auch in den Reisebüros müssen Mitarbeiter Dinge ausbügeln, für die sie nichts – aber auch gar nichts – können.
Unser Mitgefühl sei deshalb hiermit allen von Herzen ausgedrückt!
Da war das junge Mädchen, das am ersten Tag nach dem Ablegen zur Rezeption kam, geradezu eine Wohltat. Sie ließ die Rezeptionistin nämlich Folgendes wissen: »Es hat bei der Rettungsübung geheißen, man solle sich melden, wenn man Beschwerden habe.«
Die Rezeptionistin befürchtete, dass dieses junge Mädchen auf den Spuren ihrer sauertöpfischen Eltern wandeln wollte, und antwortete geduldig: »Hmh. Und was ist deine Beschwerde?«
Darauf die Kleine erfrischend naiv: »Ich kriege immer Wasser in die Nase, wenn ich in den Pool springe.«
Ist es nicht schön, wenn ein junger Mensch noch gar nicht weiß, was es heißt, sich zu beschweren? Sondern Beschwerde als medizinisches Phänomen interpretiert? Und ist es nicht noch herrlicher, wenn man diesem jungen Menschen mit dem einfachen Rat helfen kann: »Einfach die Nase zuhalten!«?
Ein Rat, den man übrigens auch auf andere Beschwerden ganz vortrefflich anwenden kann!
Die optimale Reiseroute und die beste Reisezeit sind für jeden Cruiser die beiden zentralen Variablen, die seine Reiseplanung beeinflussen. Wobei die Frage nach der besten Reisezeit von einigen Faktoren bestimmt wird, die jeder grundsätzlich für sich selbst abklären muss.
Hier eine kleine Auswahl an solchen Fragen:
Muss man sich nach den Schulferien der eigenen Kinder richten?
Oder will man Kindern gar aus dem Weg gehen? (Letzteres bedeutet: nur außerhalb der Schulferien buchen)
Will man hauptsächlich warme Regionen aufsuchen?
Oder darf es auch etwas Expeditionelles sein? (Antarktis, Nordostpassage und dergleichen)
Will man Städte und Regionen besuchen, die man am besten auf dem Wasserwege erreicht?
Oder möchte man bestimmte Themen auf seinem Schiff vorfinden? (von Golfspielen bis Heavy Metal)
Will man sich berieseln lassen und einfach nur abschalten? (US-Entertainment-Schiffe)
Oder sucht man Inspirationen und will Hafenstädte und exotische Regionen kennenlernen? (klassische Kreuzfahrt)
Hat man ein enges Budget einzuhalten? Oder darf es auch ein bisschen mehr sein?
Muss man langfristig planen?
Oder ist »last minute«-Spontaneität möglich?
Muss die Bordsprache Deutsch sein?
Oder darf es auch Englisch sein?
Ist Luxus unabdingbare Voraussetzung für den Reisegenuss?
Oder ist es vielleicht sogar vorstellbar, einmal ein Frachtschiff ausprobieren zu wollen?
Die Beantwortung all dieser Fragen lenkt die Wahl des richtigen Schiffes in die eine oder andere Richtung – und definiert ein Stück weit, mit wem man reisen will, und daraus ergibt sich meist, wann man reisen kann.
Trotzdem möchte mancher wissen, welcher Zeitpunkt unabhängig von persönlichen Voraussetzungen optimal für eine Reise zu den jeweiligen Destinationen wäre.
Leider kann man diese Frage nicht generell beantworten. Sonst würden sich alle danach richten – und alle wären zur gleichen Zeit unterwegs. Eine Tatsache, die dem entgegensteht, was viele unter »optimal« verstehen.
Deshalb muss man um die Ecke denken und seine Schlüsse ziehen. Zum Beispiel wenn man weiß, wo und wann US-Schiffe am stärksten vertreten sind. Warum gerade US-Schiffe? Weil die meist sehr groß sind. Und viele Menschen befördern, die dann die Destinationen »erfüllen«.
Deshalb ist die Nebensaison der US-Schiffe der Zeitpunkt der Wahl. Wer jedoch nicht antizyklisch reisen kann, sollte sich zumindest innerlich auf eine gewisse »Menschendichte« einstellen.
Hier ein kleiner Einblick, wann für US-Cruiseships jeweils Haupt- und Nebensaison ist. (Und weil alles seine Vor- und Nachteile hat, sind einige davon gleich mit aufgeführt)
Land |
Hochsaison |
Nebensaison |
---|---|---|
Alaska |
Juni bis inklusive August
Vorteile: Die Temperaturen sind relativ warm, was auch die Fauna munterer macht, weshalb in dieser Zeit die Chancen steigen, Tiere live zu sehen. |
Mai & September
Vorteile Mai: Geringere Regenwahrscheinlichkeit als im Sommer und mehr Schnee auf den Bergen.
Vorteile September: End-Season-Preise und die Hoffnung, das Nordlicht sehen zu können. |
Australien |
Ende November bis März
Vorteile: Der Winter der Nordhalbkugel ist grundsätzlich der Sommer in Australien. |
Mai bis inklusive September
Vorteile: Es sind weniger Menschen unterwegs und der Mai kann ein wunderbarer Herbstmonat in Australien sein. (Stichwort »Südhalbkugel«) |
Bermuda |
Juni bis inklusive August
Vorteile: Vorteile: Die Temperaturen im Wasser und an Land sind zum Sporteln und Golfen sehr gut. (Achtung: Nicht mit Bahamas verwechseln!) |
April & Mai sowie September & Oktober
Vorteile: Im Mai kann man die besten Preise erzielen.
Nachteil: Der Oktober ist der regenreichste Monat. (Die Golfplätze freut’s.) |
Kanada & Neuengland |
September bis Oktober
Vorteile: Indian Summer vom Feinsten. |
Mai bis August – obwohl das die Hauptreisezeit der US-Bürger ist, da in dieser Zeit die Schulferien liegen.
Vorteile: Angenehme Temperaturen und viele Familien unterwegs. |
Karibik |
Ende Juni bis inklusive August; von Weihnachten bis zum 6. Januar; von Februar bis Mitte April |
Ende April bis inklusive Mai; September bis Anfang Januar (mit Ausnahme der Weihnachtsferien)
Vorteile: Günstigere Preise, weniger Besucher. Übrigens: keine Angst vor der Hurrikan-Saison (Juni bis inklusive November). Die Schiffe können den sich nur langsam bewegenden Wirbelstürmen ausweichen, da sie schneller sind. Deshalb gibt es auf solchen Cruises vielleicht mal eine Hafenänderung. Mehr »Wirbel« ist nicht zu befürchten. |
Hawaii |
Ende Dezember bis inklusive April. Mit der Spitzensaison für den US-Markt von Weihnachten bis erste Januarhälfte. |
Mai & Juni; September bis Mitte Dezember
Vorteile: Zwischen den beiden Spitzensaison-Terminen Thanksgiving und Weihnachten sehr oft günstige Preise. |
Mittelmeer |
Mai bis September
Nachteile: Viele Menschen sind unterwegs, da die meisten europäischen Länder Ferien haben.
Tipp für Reisende ohne Kinder: einfach zu Hause bleiben. Es ist herrlich leer überall und in dieser Zeit ist es in unseren Breiten wettertechnisch am schönsten. (Aber das wissen Sie sicherlich ohnehin längst.) |
Oktober bis inklusive April
Vorteile: Herrliche Herbst- respektive Frühlingstage sind möglich. |
Mexikanische Küste |
Februar bis Mitte April
Vorteile: Angenehme Temperaturen, Februar & März sind die Haupt-Whale-Watching-Monate. |
Früher Januar & Mai; Oktober & November
Vorteile: Weniger Besucher sind zu erwarten. |
Nordeuropa |
Juni bis August
Vorteile: Nordeuropa ist in dieser Zeit sonnensicher, warm und das Leben verlagert sich von drinnen nach draußen.
Nachteile: Jetzt sind alle Schiffe in dieser Region. |
Mai und September
Vorteile: Frühling und Herbst können wundervolle Stimmungen an den Tag legen. Und in die Nacht. Hurtigruten bieten sogar Fahrten im bitterkalten Winter an, mit der Chance, das Polarlicht sehen zu können. |
Südamerika |
November bis inklusive März
Vorteile: Wunderbar warme Temperaturen und ein so ganz anderes »Weihnachtsfeeling« als bei uns. |
April und Oktober
Vorteile: Wenig Betrieb bei mildem Wetter.
Nachteil: Um die Galapagos-Inseln herum kann die See kabbelig sein. |
Tahiti & Südsee |
Mai bis inklusive Oktober
Vorteile: Gute Zeit für Honeymooners und Familien, da Zyklone selten auftreten. |
November bis inklusive April
Vorteil: Das ist die Sommerzeit in der Südsee und die feuchteste Zeit des Jahres, wobei die Wassertemperaturen perfekt sind. Die Wolken am Firmament sind überdies eine Art himmlischer Sonnenschutz. (Trotzdem eincremen!) |
Und noch etwas: Was die Wettersituation an den Reisezielen betrifft, kann man immer weniger zuverlässige Prognosen treffen. Deshalb sollte man zu den Temperaturen und Sonnenstunden jeweils aktuell entsprechende Websites im Netz befragen.