Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel «Sometimes I Lie» bei HarperCollins, London.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Januar 2018
Copyright © 2018 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
«Sometimes I Lie» Copyright © 2017 by Alice Feeney
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ISBN Printausgabe 978-3-499-27311-7 (1. Auflage 2018)
ISBN E-Book 978-3-644-40214-0
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-644-40214-0
Für meinen Daniel. Und für sie.
Ich heiße Amber Reynolds. Drei Dinge sollten Sie über mich wissen:
1. Ich liege im Koma.
2. Mein Mann liebt mich nicht mehr.
3. Manchmal lüge ich.
Zweiter Weihnachtstag 2016
Ich habe den freien Fall zwischen Schlaf und Aufwachen immer gemocht. Die halbbewussten Sekunden vor dem Öffnen der Augen, in denen Träume Wirklichkeit sein könnten. Ein Moment größter Freude oder großen Leids, bevor die Sinne neu starten und einem sagen, wer und wo und was man ist. Noch eine Sekunde länger genieße ich die ersehnte Selbsttäuschung, die mich glauben lässt, ich könnte eine andere sein, könnte überall sein, könnte geliebt sein.
Ich spüre das Licht durch meine Augenlider und werde auf den Platinring an meinem Finger aufmerksam. Er fühlt sich schwerer an als sonst, als würde er mich hinabziehen. Ein Tuch wird über meinen Körper gezogen, es riecht fremd, bin ich in einem Hotel? Die Erinnerung an den Traum verflüchtigt sich. Ich will sie festhalten, will versuchen, jemand anders zu sein, woanders zu sein, aber es gelingt mir nicht. Ich bin nur ich, und ich bin hier, wo ich, wie ich schon weiß, nicht sein will. Meine Glieder schmerzen, und ich bin so müde, dass ich die Augen nicht öffnen will. Bis mir einfällt, dass ich es nicht kann.
Panik fegt wie ein eiskalter Wind durch mich hindurch. Ich weiß nicht, wo ich bin oder wie ich hierhergekommen bin, aber ich erinnere mich, wer ich bin. Ich heiße Amber Reynolds. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt. Ich bin mit Paul verheiratet. Diese drei Dinge wiederhole ich im Kopf, kralle mich an ihnen fest, als könnten sie mich retten, aber mir ist klar, dass ein Teil der Geschichte fehlt, die letzten Seiten wurden herausgerissen. Als ich die Erinnerungen, soweit es mir möglich ist, wiederhergestellt habe, vergrabe ich sie, bis in meinem Kopf genug Ruhe herrscht, um zu denken, zu fühlen, Zusammenhänge herzustellen. Eine Erinnerung widersetzt sich, kämpft sich an die Oberfläche zurück, aber ich will ihr nicht glauben.
Das Geräusch einer Maschine drängt sich in mein Bewusstsein, stiehlt die letzten Fragmente von Hoffnung und hinterlässt nichts als die unliebsame Gewissheit, dass ich mich in einem Krankenhaus befinde. Der sterile Geruch reizt mich zum Würgen. Ich hasse Krankenhäuser. In ihnen wohnen der Tod und verspätete Reue, und ich würde freiwillig nicht einmal zu Besuch herkommen, geschweige denn bleiben.
Vorhin waren Leute da, Fremde, jetzt erinnere ich mich. Sie benutzten ein Wort, das ich nicht hören will. Ich erinnere mich an große Aufregung, laute Stimmen und Angst, nicht nur meine eigene. Ich bemühe mich, mehr auszugraben, aber mein Kopf macht nicht mit. Irgendetwas sehr Schlimmes ist passiert, aber ich kann mich nicht erinnern, was oder wann.
Warum ist er nicht hier?
Es kann riskant sein, eine Frage zu stellen, auf die man die Antwort schon kennt.
Er liebt mich nicht.
Ich setze ein Lesezeichen bei diesem Gedanken.
Eine Tür geht auf. Schritte, dann kehrt wieder Stille ein, aber sie ist angeknackst. Links von mir hustet jemand, und ich merke, dass zwei Menschen bei mir sind. Fremde in der Dunkelheit. Mir ist kälter als je zuvor, ich komme mir winzig vor. Noch nie habe ich eine solche Angst gekannt wie die, die mich jetzt packt.
Wenn doch bloß jemand etwas sagen würde.
«Wer ist sie?», fragt eine Frauenstimme.
«Keine Ahnung. Armes Ding, was für eine Katastrophe», erwidert eine andere.
Wenn sie bloß nichts gesagt hätten. Ich beginne zu schreien.
Ich heiße Amber Reynolds! Ich bin Radiomoderatorin! Wieso wissen Sie nicht, wer ich bin?
Ich schreie wieder und wieder dieselben Sätze, aber sie ignorieren mich, weil ich nach außen hin stumm bin. Nach außen hin bin ich niemand und habe keinen Namen.
Ich will das Ich sehen, das sie gesehen haben. Ich will mich aufsetzen, die Hand ausstrecken und sie berühren. Ich will wieder etwas fühlen. Irgendetwas. Irgendjemanden. Ich will tausend Fragen stellen. Ich glaube, ich will die Antworten wissen. Sie haben wieder das Wort von vorhin gesagt, das ich nicht hören will.
Die Frauen gehen hinaus, schließen die Tür, doch das Wort bleibt zurück; ich bin mit ihm allein und kann es nicht länger ignorieren. Ich kann die Augen nicht öffnen. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht sprechen. Das Wort schießt an die Oberfläche und zerplatzt, und ich weiß, dass es wahr ist.
Koma.
Eine Woche zuvor – Montag, 19. Dezember 2016
Um ihn nicht zu wecken, schleiche ich in der frühmorgendlichen Dunkelheit auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Alles ist an seinem Platz, trotzdem bin ich sicher, dass etwas fehlt. Ich ziehe mir gegen die Kälte den dicken Wintermantel über und gehe in die Küche, wo ich meine Routine beginne. Bei der Hintertür fange ich an, drücke wiederholt die Klinke herunter, bis ich sicher bin, dass abgeschlossen ist:
Runter, hoch. Runter, hoch. Runter, hoch.
Danach stelle ich mich vor den großen Herd, die Arme seitlich abgewinkelt, als wollte ich ein Riesenorchester aus Gaskochfeldern dirigieren. Meine Finger nehmen die vertraute Stellung ein, Zeigefinger und Mittelfinger berühren den Daumen an jeder Hand. Während ich mit dem Blick prüfe, dass alle Knöpfe abgedreht sind, flüstere ich leise vor mich hin. Ich mache drei komplette Durchgänge, meine Fingernägel klicken aneinander wie ein Morsecode, den nur ich verstehe. Als ich sicher bin, dass alles in Ordnung ist, verlasse ich die Küche und warte kurz in der Tür, falls heute ein Tag ist, an dem ich umdrehen und die ganze Routine von vorn beginnen muss. Nein, heute nicht.
Ich schleiche über quietschende Dielen in den Flur, nehme meine Tasche und überprüfe den Inhalt. Handy. Geld. Schlüssel. Ich schließe sie, öffne sie wieder und sehe noch einmal nach. Handy. Geld. Schlüssel. Auf dem Weg zur Haustür sehe ich ein drittes Mal nach. Ich halte einen Moment vor dem Spiegel inne und bekomme beim Anblick der Frau, die mir entgegensieht, einen Schreck. Ich habe das Gesicht einer Frau, die einst hübsch gewesen sein mag, ich erkenne sie kaum noch. Helle und dunkle Schattierungen. Lange schwarze Wimpern rahmen große, grüne Augen ein, darunter haben sich traurige Schatten eingenistet, darüber liegen dicke braune Augenbrauen. Die Haut spannt wie eine blasse Leinwand über meinen Wangenknochen. Die Haare sind so braun, dass sie fast schwarz sind, glatte Strähnen liegen faul auf meinen Schultern, weil ihnen nichts Besseres einfällt. Ich bürste mit den Fingern hindurch und binde sie nach hinten zu einem Pferdeschwanz, den ich mit einem Band, das ich am Handgelenk habe, sichere. Meine Lippen öffnen sich, als wollte ich etwas sagen, aber aus meinem Mund strömt nur Luft. Ein Radiogesicht starrt mich an.
Mir wird klar, wie spät es ist, der Zug wird nicht auf mich warten. Ich knipse das Licht aus, verlasse das Haus, prüfe dreimal nach, dass die Tür verschlossen ist, und laufe den mondbeschienenen Gartenweg hinunter.
Es ist früh, aber ich bin spät dran. Madeline wird bereits im Büro sein, die Zeitungen sind gelesen und aller guten Geschichten beraubt. Die Producer werden die Papierkadaver durchschnüffeln, bevor sie angeschnauzt und beauftragt werden, ihr die besten Interviews für die Morgensendung zu besorgen. Taxis werden losgeschickt, um überdrehte und schlecht vorbereitete Gäste abzuholen und abzuliefern. Jeder Morgen ist anders und trotzdem völlige Routine. Seit sechs Monaten gehöre ich jetzt zum Team von Coffee Morning, und die Dinge verlaufen nicht nach Plan. Viele würden sicher denken, ich hätte einen Traumjob, aber auch Albträume sind Träume.
Im Foyer kaufe ich für mich und eine Kollegin Kaffee, dann steige ich die Treppe in den fünften Stock hinauf. Aufzüge mag ich nicht. Bevor ich das Büro betrete, klebe ich mir ein Lächeln ins Gesicht und rufe mir in den Sinn, was ich wirklich gut kann: mich den Vorstellungen meiner Mitmenschen anpassen. Ich habe «Amber, die Freundin» oder «Amber, die Ehefrau» drauf, aber jetzt gerade ist «Amber vom Coffee Morning» gefragt. Ich kann alle Rollen spielen, die mir das Leben gegeben hat, ich kenne meinen Text, ich probe schon sehr, sehr lange.
Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen, aber wie erwartet hat sich das kleine, größtenteils weibliche Team bereits versammelt. Drei Producer mit frischen Gesichtern, angetrieben von Koffein und Ehrgeiz, sitzen gebeugt an ihren Schreibtischen. Umgeben von Bücherstapeln, alten Skripten und leeren Tassen, tippen sie auf ihre Tastaturen ein, als hinge das siebte Leben ihre Katze davon ab. In der hinteren Ecke sehe ich das Schimmern von Madelines Lampe in ihrem Privatbüro. Ich setze mich an meinen Tisch, stelle den Computer an und erwidere das warme Lächeln und die Grüße der anderen. Menschen sind keine Spiegel, sie sehen einen nicht, wie man sich selbst sieht.
Madeline hat in diesem Jahr drei Assistentinnen verschlissen. Es dauert nie sehr lange, bis sie die nächste rauswirft. Ich will kein eigenes Büro und brauche keine Assistentin. Ich sitze gern hier draußen bei den anderen. Der Platz neben mir ist leer. Jo ist noch nicht da, was ungewöhnlich ist, sollte ich mir Sorgen machen? Der für sie mitgebrachte Kaffee wird langsam kalt, daher raffe ich mich dazu auf, ihn Madeline ins Büro zu bringen. Eine Art Friedensangebot.
Ich halte in der Tür inne wie ein Vampir, der hereingebeten werden will. Madelines Büro ist lächerlich klein, buchstäblich eine umgewidmete Abstellkammer, aber sie weigert sich, beim Team zu sitzen. Jeder Zentimeter der Holzwände ist mit gerahmten Fotos von ihr mit verschiedenen Promis vollgehängt, auf einem kleinen Regal hinter dem Schreibtisch drängen sich Auszeichnungen. Sie sieht nicht auf. Ich betrachte das hässliche, kurzgeschnittene Haar, die grauen Wurzeln, die unter den schwarzen Stoppeln zutage treten. Ihre Kinnschwabbel liegen aufeinander, der Rest ihres üppigen Fleisches ist Gott sei Dank unter weiter, schwarzer Kleidung verborgen. Die Schreibtischlampe beleuchtet die Tastatur, über der Madelines mit Ringen beschwerte Finger schweben. Ich weiß, dass sie mich sieht.
«Ich dachte, du möchtest vielleicht einen Kaffee», sage ich, über die Schlichtheit meiner Worte enttäuscht, wenn man bedenkt, wie lange ich gebraucht habe, sie zu finden.
«Stell ihn auf den Tisch», erwidert sie, ohne den Blick vom Monitor zu nehmen.
Gern geschehen.
Ein kleiner Heizlüfter röhrt in einer Ecke vor sich hin, und die verbrannt riechende Wärme windet sich um meine Beine und hält sie fest. Ich merke, dass ich das Muttermal auf ihrer Wange anstarre. Meine Augen machen das manchmal, fokussieren sich auf die Makel von anderen, und ich vergesse, dass sie sehen, dass ich Dinge sehe, die sie nicht gesehen haben wollen.
Ich versuche es mit: «Hattest du ein schönes Wochenende?»
«Ich kann noch nicht reden», sagt sie. Ich überlasse sie sich selbst.
Zurück an meinem Tisch, sehe ich die Post durch, die sich seit Freitag angesammelt hat: einige furchtbar aussehende Romane, die ich nie lesen werde, ein bisschen Fanpost und eine Einladung zu einer Benefizgala. Ich trinke meinen Kaffee und verliere mich in Tagträumen, was ich anziehen könnte und wen ich mitnehmen würde, wenn ich denn hinginge. Ich sollte wirklich mehr Wohltätigkeitsarbeit machen, ich scheine nur nie die Zeit zu haben. Madeline ist sowohl das Gesicht von Child Crisis als auch die Stimme von Coffee Morning. Ich fand ihre enge Verbindung zur größten Kinderschutzorganisation im Lande immer seltsam, angesichts der Tatsache, dass sie Kinder hasst und selbst keine hat. Sie war nicht mal verheiratet. Sie ist völlig allein im Leben, aber niemals einsam.
Als ich die Post sortiert habe, lese ich mir das Briefing für die heutige Sendung durch, ein bisschen Hintergrundwissen kann nie schaden. Da ich meinen roten Stift nicht finden kann, gehe ich zum Schrank mit den Büromaterialien.
Er ist neu aufgefüllt worden.
Ich werfe einen Blick über die Schulter, wende mich wieder den ordentlichen Stapeln zu, greife mir eine Handvoll Post-it-Blöcke und stopfe rote Stifte in die Taschen, bis die Schachtel leer ist. Die anderen Farben lasse ich unangetastet. Niemand schaut auf, als ich zu meinem Tisch zurückgehe, niemand sieht, dass ich meine Taschen in die Schublade entleere und sie verschließe.
Als ich schon denke, die einzige Freundin, die ich hier habe, würde heute nicht kommen, taucht Jo auf und lächelt mich an. Sie trägt das Gleiche wie immer, eine blaue Jeans und ein weißes Oberteil, als wäre sie in den Neunzigern steckengeblieben. Die Stiefel, die sie eigentlich hasst, sind an den Absätzen abgelaufen, ihr blondes Haar ist feucht vom Regen. Sie setzt sich an den Tisch neben meinem, den anderen Producern gegenüber.
«Sorry, dass ich so spät komme», flüstert sie. Außer mir nimmt niemand Notiz von ihr.
Als Letzter kommt Matthew, der Redakteur der Sendung. Das ist nicht ungewöhnlich. Die Nähte seiner hautengen Chinohose, die tief hängt, um Platz für seinen Bauch zu schaffen, sind kurz vorm Platzen. Die Hose ist außerdem etwas zu kurz für seine langen Beine und enthüllt über den braunen, glänzenden Schuhen bunte Socken. Grußlos geht er zu seinem aufgeräumten Schreibtisch am Fenster. Warum ein Team von Frauen, die eine Sendung für Frauen produzieren, von einem Mann geleitet wird, will mir nicht in den Kopf. Aber immerhin ist Matthew das Risiko eingegangen, mir den Job zu geben, nachdem meine Vorgängerin ausgestiegen war, also sollte ich vermutlich dankbar sein.
«Matthew, wenn du da bist, kannst du in mein Büro kommen?», ruft Madeline aus ihrer Kammer.
«Und er hat gedacht, der Morgen könnte nicht schlimmer werden», flüstert Jo. «Gehen wir nach der Arbeit noch was trinken?»
Ich nicke, erleichtert, dass sie nach der Sendung nicht gleich wieder verschwinden will.
Wir sehen zu, wie Matthew seine Notizen nimmt und in Madelines Büro eilt, sein extravaganter Mantel flattert hinter ihm her, als würde er sich wünschen, fliegen zu können. Kurz darauf kommt er aufgebracht und mit rotem Gesicht wieder herausgestürmt.
«Wir gehen besser ins Studio.» Jo unterbricht meine Gedanken. Gute Idee, da wir in zehn Minuten auf Sendung sind.
«Ich schaue mal, ob Ihre Majestät fertig ist», erwidere ich und freue mich, Jo zum Lächeln gebracht zu haben. Ich fange Matthews Blick auf, der eine sauber getrimmte Augenbraue hochzieht. Ich hätte das nicht laut sagen sollen.
Während der Uhrzeiger sich auf die volle Stunde zubewegt, gehen alle auf Position. Madeline und ich nehmen unsere angestammten Plätze auf der dunklen Hauptbühne im Studio ein. Durch riesige Glasfenster werden wir vom sicheren Regieraum aus beobachtet wie zwei sehr unterschiedliche Tiere, die versehentlich in dasselbe Gehege gesperrt wurden. Im Regieraum sitzen Jo und die anderen Producer. Er ist hell und laut, die Million unterschiedlicher Knöpfe wirken furchtbar kompliziert, gemessen an dem, was wir hier tun, mit Leuten reden und so tun, als hätten wir Spaß dabei. Das Studio selbst ist schwach beleuchtet und unangenehm leise. Es gibt lediglich einen Tisch, einige Stühle und ein paar Mikrophone. Madeline und ich sitzen in der Trübnis, schweigen uns an und warten darauf, dass das Sendelicht rot aufleuchtet und der erste Akt beginnt.
«Guten Morgen, willkommen zur Montagsausgabe von Coffee Morning, ich bin Madeline Frost. In der heutigen Sendung bekommen wir Besuch von Bestsellerautorin E.B. Knight, aber zuerst sprechen wir über die steigende Zahl von weiblichen Brötchenverdienern, und außerdem bitten wir Sie, unsere Hörer und Hörerinnen, zum Thema eingebildete Freunde bei uns anzurufen. Hatten Sie als Kind einen imaginären Freund? Oder vielleicht heute noch …»
Der vertraute Klang ihrer Radiostimme beruhigt mich, ich schalte auf Autopilot und warte, dass ich an der Reihe bin. Ob Paul schon wach ist? Er hat sich in letzter Zeit seltsam benommen, hat bis spätnachts in seinem Schreibschuppen gesessen, ist erst ins Bett gekommen, als ich schon fast wieder aufstehen musste, oder auch gar nicht. Er nennt den Schuppen Hütte. Ich nenne Dinge lieber, was sie sind.
Als Pauls erstes Buch gerade groß rauskam, haben wir mit E.B. Knight mal einen Abend verbracht. Das ist jetzt über fünf Jahre her, kurz davor hatten wir uns kennengelernt. Ich war damals Fernsehjournalistin. Lokalnachrichten, nichts Aufregendes. Aber die Kamera zwingt einen dazu, sich um sein Aussehen zu bemühen, anders als das Radio. Damals war ich schlank, ich konnte nicht kochen, ich hatte auch vor Paul niemanden zum Bekochen gehabt und mir selbst selten die Mühe gemacht. Außerdem war ich immer am Arbeiten. Meistens habe ich über Schlaglöcher oder den Diebstahl von Messing von Kirchendächern berichtet, doch eines Tages sprang mir der Zufall zur Seite. Eine Showbiz-Reporterin wurde krank, also schickte man mich zu einem Interview mit einem gehypten neuen Autor. Ich hatte sein Buch nicht mal gelesen. Ich war verkatert und sauer, die Arbeit von jemand anderem machen zu müssen, doch all das änderte sich, sobald ich den Raum betrat.
Pauls Verleger hatte für das Interview eine Suite im Ritz gebucht, die sich wie eine Bühne anfühlte, und ich fühlte mich wie eine Schauspielerin, die ihren Text nicht gelernt hatte. Ich weiß noch, dass ich mir völlig überfordert vorkam, aber als er sich in den Sessel mir gegenüber setzte, merkte ich, dass er noch nervöser war als ich. Es war sein erstes Fernsehinterview, und irgendwie brachte ich es fertig, dass er sich entspannte. Als er danach um meine Visitenkarte bat, dachte ich mir nichts dabei, aber mein Kameramann machte sich einen großen Spaß daraus, auf dem Weg zum Wagen von der «Chemie» zwischen uns zu schwärmen. Als Paul am Abend anrief, kam ich mir wie ein Backfisch vor. Wir redeten, es war, als würden wir uns schon lange kennen. Er sagte, er müsste kommende Woche zu einer Buchpreisverleihung und hätte keine Begleitung. Ob ich vielleicht Zeit hätte? Ich hatte. Bei der Verleihung saßen wir am selben Tisch wie E.B. Knight, ich aß also gemeinsam mit einer Legende und einem sehr bemerkenswerten ersten Date zu Abend. Sie war charmant, clever und geistreich, und ich freue mich auf das Wiedersehen, seit ich erfahren habe, dass sie unser Gast sein wird.
«Wie schön, Sie zu sehen», sage ich, als sie ins Studio geführt wird.
«Nett, Sie kennenzulernen», erwidert sie und setzt sich. Kein Zeichen des Wiedererkennens; wie leicht es ist, mich zu vergessen.
Ihr Markenzeichen, der weiße Bob, umrahmt ein zartes achtzigjähriges Gesicht. Sie ist makellos, sogar die Fältchen sind am Platz. An den Rändern ist sie ein wenig weicher geworden, aber ihr Verstand arbeitet schnell und präzise. Die Wangen sind rougegerötet, die blauen Augen, weise und wachsam, sehen sich im Studio um und legen sich dann auf ein Ziel fest. Sie lächelt Madeline so warm an, als würde sie eine Heldin treffen. Das tun manche Gäste. Es macht mir nichts aus, nicht wirklich.
Nach der Sendung drängeln wir uns alle zur Auswertung in den Besprechungsraum und warten auf Madeline. Als sie endlich kommt, wird es still. Matthew geht die Beiträge nacheinander durch, was hat funktioniert, was nicht. Madeline sieht nicht glücklich aus, ihr Mund ist verzogen, sie wirkt, als würde sie Bonbons mit dem Hintern auswickeln. Wir anderen schweigen, und ich lasse wieder meine Gedanken wandern.
Funkel, funkel, kleiner Stern.
Madeline wirft ein Stirnrunzeln ein.
Ach, wie bist du mir so fern.
Sie verdreht die Augen, schnalzt die Zunge.
Wunderschön und unbekannt.
Als Madeline die nonverbalen Kritikmittel ausgehen, steht das Team auf und beginnt, den Raum zu verlassen.
Wie ein strahlend Diamant.
«Amber, kann ich dich kurz sprechen?» Matthew reißt mich aus meinem Tagtraum. Sein Ton lässt mir keine Wahl. Er schließt die Tür des Besprechungsraums, und ich setze mich wieder hin und versuche, sein Gesicht zu lesen. Wie immer erweist sich das als unmöglich, es ist frei von Emotion; seine Mutter könnte gestorben sein, man würde es nicht merken. Er nimmt sich einen Keks und bietet mir ebenfalls einen an. Ich schüttele den Kopf. Wenn Matthew etwas zu sagen hat, nimmt er gern Umwege. Er versucht, mich anzulächeln, hat aber schnell genug von der Mühe und beißt stattdessen in den Keks. Ein paar Krümel richten sich auf seinen schmalen Lippen häuslich ein, die wie bei einem Goldfisch auf- und zuschnappen, während er um die richtigen Worte ringt.
«Also, ich könnte Smalltalk machen, fragen, wie’s dir geht, so tun, als würde es mich interessieren, so in der Art, oder ich kann direkt zum Punkt kommen», sagt er. Vor Grauen zieht sich mein Magen zusammen.
«Red weiter», sage ich und wünsche mir das Gegenteil.
«Wie läuft es zwischen dir und Madeline?», fragt er und nimmt noch einen Bissen.
«Wie immer, sie hasst mich», erwidere ich zu schnell. Jetzt ist die Reihe an mir, ein falsches Lächeln im Gesicht zu tragen, das Preisschild bleibt dran, damit ich es nach Gebrauch zurückgeben kann.
«Ja, das tut sie, und das ist ein Problem», sagt Matthew. Das sollte mich eigentlich nicht überraschen. «Ich weiß, dass sie dir das Leben schwergemacht hat, als du neu im Team warst, aber für sie ist es auch nicht leicht gewesen, sich auf dich einzustellen. Die Spannung zwischen euch beiden scheint sich nicht zu lösen. Du meinst vielleicht, die anderen bekommen nichts davon mit, aber das stimmt nicht. Es ist wichtig für die Sendung und den Rest des Teams, dass die Chemie zwischen euch beiden stimmt.» Er starrt mich an, wartet auf eine Antwort, die ich nicht zu geben weiß. «Meinst du, du kannst dich bemühen, deine Beziehung zu ihr zu verbessern?»
«Na ja, ich kann’s versuchen …»
«Gut. Mir ist erst heute klargeworden, wie unglücklich sie mit der Situation ist. Sie hat eine Art Ultimatum gestellt.» Er hält inne und räuspert sich. «Sie will, dass ich dich ersetze.»
Ich warte, dass er noch etwas sagt, aber er ist fertig. Die Worte hängen zwischen uns, während ich versuche, sie zu begreifen.
«Schmeißt du mich raus?»
«Nein!», wehrt er ab, doch seine Miene sagt etwas anderes, während er überlegt, was er jetzt tun soll. Seine Hände treffen vor seiner Brust zusammen, die Fingerspitzen berühren sich wie eine hautfarbene Kirchturmspitze oder ein halbherziges Gebet. «Na ja, noch nicht. Ich gebe dir bis Silvester, um etwas zu ändern. Tut mir leid, dass das alles so dicht vor Weihnachten kommt, Amber.» Er entkreuzt die langen Beine, als würde es ihn Mühe kosten, und sein Körper zieht sich so weit von mir zurück, wie der Stuhl es zulässt. Sein Mund reagiert, indem er die Form verliert, als hätte er einen extrem unangenehmen Geschmack auf der Zunge. Er wartet auf meine Erwiderung. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Manchmal halte ich es für das Beste, nichts zu sagen, wer schweigt, kann nicht falsch zitiert werden. «Du bist toll, wir mögen dich, aber du musst verstehen, dass Madeline Coffee Morning ist, sie moderiert die Sendung seit zwanzig Jahren. So leid es mir tut, wenn ich zwischen euch beiden wählen muss, sind mir die Hände gebunden.»
Zweiter Weihnachtstag 2016
Ich versuche, mir meine Umgebung vorzustellen. Ich liege nicht in einem Krankensaal, dazu ist es zu still. Ich bin nicht in der Leichenhalle; ich kann mich selbst atmen hören, in meiner Brust zuckt ein kurzer Schmerz, wenn die Lungen sich mühevoll mit Sauerstoff vollpumpen. Das ist seltsam tröstlich, die einzige Gesellschaft in einem unsichtbaren Universum. Ich zähle die Piepser, sammle sie in meinem Kopf, habe Angst, sie könnten zu Ende gehen, und weiß nicht, was das bedeuten würde.
Ich komme zu dem Schluss, dass ich in einem Einzelzimmer liege. Ich stelle mir vor, wie ich in meiner Klinikzelle liege, die Zeit rinnt langsam an den vier Wänden herunter, bildet schmutzige Schlammpfützen, in denen ich allmählich ertrinken werde. Bis dahin existiere ich in einem unendlichen Raum, in dem sich Täuschung mit Wirklichkeit verbindet. Mehr tue ich im Moment nicht, nur existieren und warten, ohne zu wissen, worauf. Ich bin auf meine Werkseinstellungen zurückgesetzt worden, eher menschliches Etwas als menschliches Wesen. Jenseits der unsichtbaren Wände geht das Leben weiter, doch ich bin still, reglos und in mir verschlossen.
Der körperliche Schmerz ist real und macht sich lautstark bemerkbar. Wie schlimm mögen meine Verletzungen sein? Ein schraubzwingenartiger Schmerz zieht sich um meinen Schädel herum zusammen und pulsiert im selben Takt wie mein Herzschlag. Ich prüfe meinen Körper vom Scheitel bis zur Sohle, eine vergebliche Suche nach einer einleuchtenden Selbstdiagnose. Mein Mund wird offen gehalten, ich kann ein fremdes Objekt zwischen meinen Lippen, meinen Zähnen stecken spüren, das meine Zunge zur Seite drückt und sich in meinen Rachen schiebt. Mein Körper scheint mir seltsam unvertraut, als würde er jemand anderem gehören, aber alles ist komplett bis hinunter zu den Füßen und Zehen, die ich alle zehn spüre, welch riesige Erleichterung. Ich bin körperlich und geistig anwesend, es muss mich nur jemand wieder anschalten.
Ich frage mich, wie ich aussehe, ob mir jemand die Haare gekämmt oder das Gesicht gewaschen hat. Ich bin kein eitler Mensch, ich werde lieber gehört als gesehen, am liebsten bleibe ich unbemerkt. Ich bin nichts Besonderes, ich bin nicht wie sie. Eigentlich bin ich eher ein Schatten. Ein kleiner Schmutzfleck.
Trotz meiner Angst sagt mir irgendein Urinstinkt, dass ich das hier durchstehe. Ich werde wieder funktionieren, weil ich muss. Und weil es immer so ist.
Ich höre, dass eine Tür sich öffnet, dann kommen Schritte auf das Bett zu. Durch den Schleier meiner Augenlider erkenne ich schattenhafte Bewegungen. Zwei Personen. Ich rieche billiges Parfüm und Haarspray. Sie reden, aber ich kann die Worte nicht ganz verstehen, noch nicht. Im Moment sind sie nur Geräusch wie ein fremdsprachiger Film ohne Untertitel. Eine der beiden zieht meinen linken Arm unter der Decke hervor. Ein merkwürdiges Gefühl, wie wenn man sich als Kind schlappstellt. Als Fingerspitzen meine Haut berühren, zucke ich innerlich zusammen. Ich lasse mich von Fremden nicht gerne anfassen. Ich lasse mich von niemandem gerne anfassen, nicht einmal von ihm, nicht mehr.
Sie wickelt etwas um meinen linken Oberarm, einen Abbindgurt, wie ich annehme, als er straff angezogen wird. Sanft legt sie meinen Arm ab und geht auf die andere Seite. Die zweite Krankenschwester, vermutlich sind die beiden das, steht am Fußende meines Betts. Ich höre energische Finger Seiten umblättern und stelle mir vor, dass sie entweder einen Roman oder meine Krankenakte liest. Die Geräusche werden schärfer.
«Nur noch diese eine Übergabe, dann kannst du abhauen. Was ist mit ihr passiert?», fragt die Frau neben mir.
«Kam gestern Nacht rein. Ein Unfall», erwidert die andere, sie bewegt sich beim Sprechen. «Lassen wir mal ein bisschen Tageslicht rein, das macht es doch gleich fröhlicher!» Ich höre das Kratzen der Gardinen, die sich widerstrebend zurückziehen lassen, und finde mich plötzlich in einer helleren Düsterkeit wieder. Dann sticht mir ohne Vorwarnung etwas Spitzes in den Arm. Ich fühle etwas Kaltes unter meine Haut strömen, in meinen Körper eintauchen, bis es Teil von mir wird. Ihre Stimmen holen mich wieder zurück.
«Sind die Angehörigen benachrichtigt worden?», fragt die älter Klingende.
«Es gibt einen Ehemann. Wir haben es mehrmals versucht, immer ging sofort die Mailbox an», erwidert die andere. «Eigentlich müsste er doch merken, wenn seine Frau an Weihnachten nicht da ist.»
Weihnachten.
Ich durchforste meine Bibliothek der Erinnerungen, doch zu viele Regale sind leer. Ich erinnere mich an gar nichts. Normalerweise verbringen wir Weihnachten bei meiner Familie.
Warum ist niemand bei mir?
Ich merke, dass mein Mund schrecklich trocken ist, und schmecke altes Blut. Was würde ich für einen Schluck Wasser geben, aber wie kann ich mich verständlich machen? Ich konzentriere mich ganz auf meinen Mund, will ihm eine Form geben und eine Delle, wie winzig auch immer, in die ohrenbetäubende Stille drücken, aber nichts kommt. Ich bin ein in mir selbst eingeschlossenes Gespenst.
«Alles klar, ich geh nach Hause, wenn das okay ist?»
«Bis dann, grüß Jeff von mir.»
Die Tür geht auf, in der Ferne höre ich ein Radio. Eine vertraute Stimme dringt an mein Ohr.
«Sie arbeitet übrigens bei Coffee Morning, ihr Arbeitsausweis war in der Tasche», sagt die Krankenschwester, die gerade gehen will.
«Wirklich? Nie von ihr gehört.»
Ich kann euch hören!
Die Tür klappt zu, die Stille kehrt zurück, und dann bin ich weg, bin nicht mehr da, schreie lautlos in die Dunkelheit, die mich verschluckt hat.
Was ist mit mir passiert?
Sosehr ich innerlich auch schreie, äußerlich bin ich stumm und völlig reglos. Im echten Leben werde ich dafür bezahlt, im Radio zu reden, jetzt bin ich zum Schweigen gebracht, jetzt bin ich nichts. Die Dunkelheit wälzt meine Gedanken um, bis das Geräusch der sich öffnenden Tür alles anhält. Ich nehme an, dass auch die zweite Krankenschwester mich verlässt, und will rufen, sie bitten zu bleiben, ihr erklären, dass ich mich nur ein wenig im Kaninchenbau verlaufen habe und ein bisschen Hilfe brauche, um den Ausgang zu finden. Doch sie geht nicht. Jemand anders hat das Zimmer betreten. Ich rieche ihn, ich höre ihn weinen und spüre seine überwältigende Angst vor meinem Anblick.
«Es tut mir so leid, Amber. Ich bin jetzt da.»
Er hält meine Hand ein bisschen zu fest. Ich bin diejenige, die sich selbst verloren hat, er hat mich vor Jahren verloren, und jetzt bin ich nicht mehr zu finden. Die Krankenschwester geht, entweder, um uns Raum zu geben, oder vielleicht weil sie spürt, dass die Situation zu unangenehm ist, dass etwas nicht stimmt. Mir wäre lieber, sie würde bleiben, ich will nicht mit ihm alleine sein, obwohl ich nicht weiß, warum.
«Kannst du mich hören? Bitte wach auf», sagt er wieder und wieder.
Mein Kopf zuckt vor dem Klang seiner Stimme zurück. Wieder legt sich die Schraubzwinge um meinen Schädel, als würden Tausende von Fingern in meine Schläfen kneifen. Ich erinnere mich nicht, was mir zugestoßen ist, aber ich weiß mit absoluter Gewissheit, dass dieser Mann, mein Mann, etwas damit zu tun hat.
Montag, 19. Dezember 2016 – Nachmittag
Als Matthew sagte, ich könnte mir den Rest des Tages freinehmen, war ich zunächst dankbar gewesen. Das Team war bereits in der Mittagspause, so konnte ich Fragen oder vorgetäuschtem Mitgefühl aus dem Weg gehen. Erst jetzt, während ich in einem Strom aus Touristen und Einkaufsbummlern wie ein Lachs die Oxford Street entlangschwimme, geht mir auf, dass er sich damit selbst einen Gefallen tun wollte: Kein Mann will das tränenverschmierte Gesicht einer Frau sehen, wohl wissend, dass er dafür verantwortlich ist.
Obwohl Dezember ist, strahlt der Himmel in Hellblau, die Sonne drängt sich durch die vereinzelt dahintreibenden Wolken, um inmitten von Trübnis und Zweifeln einen schönen Tag vorzutäuschen. Ich will einfach stehen bleiben und nachdenken, also tue ich es. Mitten auf dem übervölkerten Gehweg und zur Verärgerung meiner Mitmenschen.
«Amber?»
Vor mir steht lächelnd ein hochgewachsener Mann. Erst bin ich ratlos, dann flackert ein Wiedererkennen auf, gefolgt von einer Flut an Erinnerungen. Edward.
«Hi, wie geht’s dir?», bringe ich heraus.
«Super. Es ist schön, dich zu sehen.»
Er küsst mich auf die Wange. Es sollte mir egal sein, welchen Anblick ich biete, doch ich schlinge die Arme um mich, als wollte ich mich verstecken. Er sieht fast genauso aus wie früher und scheint in den gut zehn Jahren seit unserer letzten Begegnung kaum gealtert zu sein. Er ist gebräunt, als wäre er gerade aus warmen Gefilden zurückgekehrt, das braune Haar schimmert blond, keine Spur von grau. Er sieht gesund und gepflegt aus und scheint sich in seiner gebräunten Haut ungewöhnlich wohlzufühlen. Seine Kleidung wirkt neu und teuer, der Anzug unter dem langen Wollmantel scheint maßgeschneidert zu sein. Die Welt war immer zu klein für ihn.
«Ist alles in Ordnung?», fragt er. Mir fällt ein, dass ich geweint habe, sicher sehe ich furchtbar aus.
«Ja. Na ja, nein. Ich hatte gerade schlechte Neuigkeiten.»
«Das tut mir leid.»
Ich nicke, während er eine Unterhaltung erwartet, die ich nicht zu führen weiß. Ich muss daran denken, wie sehr ich ihn verletzt habe. Ich habe ihm nie erklärt, warum ich ihn nicht mehr sehen konnte; eines Morgens habe ich seine Wohnung verlassen, seine Anrufe ignoriert und einen glatten Schnitt gemacht. Wir studierten damals beide in London. Da ich immer noch zu Hause wohnte, war ich sooft wie möglich bei ihm. Bis es vorbei war, danach bin ich nie zurückgekehrt.
Eine Frau, die im Gehen eine SMS schreibt, läuft in mich hinein. Sie schüttelt den Kopf, als wäre es meine Schuld, dass sie nicht aufgepasst hat, wo sie hingeht. Der Stoß treibt ein paar Worte aus ihrem Versteck.
«Bist du über Weihnachten in London?», frage ich Edward.
«Ja. Ich bin gerade mit meiner Freundin hergezogen, neuer Job in der großen Stadt.» Meine Erleichterung wird schnell von etwas anderem abgelöst. Natürlich ist sein Leben weitergegangen. Ich sage mir, dass ich mich für ihn freue, und zwinge mein Gesicht, mit einem nicht allzu begeisterten Lächeln zu antworten, begleitet von einem matten Nicken.
«Das ist sicher gerade kein guter Moment», sagt er. «Hier ist meine Karte. Es wäre schön, dich mal wieder zu treffen. Ich bin verabredet und schon spät dran, aber ich habe mich sehr gefreut, dich zu sehen, Amber.» Ich nehme die Karte und versuche noch einmal zu lächeln. Er berührt meine Schulter und verschwindet wieder in der Menge. Er konnte gar nicht schnell genug wegkommen.
Ich sammle meine Einzelteile auf und schalte auf Autopilot. Meine Beine tragen mich in eine kleine Bar unweit der Oxford Street. Hier war ich am Anfang unserer Beziehung oft mit Paul. Jetzt kommen wir nicht mehr her, ich kann nicht sagen, wann wir überhaupt das letzte Mal aus waren. Ich hatte gedacht, ein vertrauter Ort würde mir Sicherheit geben, aber das ist nicht der Fall. Ich bestelle ein großes Glas Rotwein und schiebe mich zu dem einzigen freien Tisch durch, nahe am Kamin, in dem ein offenes Feuer brennt. Obwohl ich mich eigentlich aufwärmen will, rücke ich meinen Stuhl etwas weg, starre mein Glas Malbec an und blende erfolgreich das Weihnachtstohuwabohu um mich herum aus. Ich muss eine Frau, die niemanden mag, überzeugen, mich zu mögen, und wenn ich lange genug meinen Wein anstarre, fällt mir hoffentlich eine Lösung ein. Im Moment weiß ich nicht weiter.
Ich trinke einen kleinen Schluck Wein. Er ist gut. Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl in meiner Kehle. Ich bin so blöd gewesen. Alles lief so gut, und jetzt habe ich alles aufs Spiel gesetzt. Ich hätte mir mit Madeline mehr Mühe geben müssen, mich an den Plan halten sollen. Ich darf diesen Job nicht verlieren, noch nicht. Es gibt bestimmt eine Lösung, ich weiß nur nicht, ob mir selber eine einfällt. Ich brauche sie. Ich bereue den Gedanken, beschließe, dass ich stattdessen ein zweites Glas Wein brauche, und bestelle nach. Während ich warte, hole ich mein Handy aus der Tasche und wähle Pauls Nummer. Ich hätte ihn sofort anrufen sollen, keine Ahnung, warum ich es nicht getan habe. Er geht nicht ran, ich versuche es wieder. Nichts, nur die Mailbox. Ich hinterlasse keine Nachricht. Der Wein wird gebracht, und ich trinke einen Schluck, ich will mich betäuben, weiß aber, dass ich langsam machen sollte. Wenn ich das Ganze in Ordnung bringen will, brauche ich einen klaren Verstand, und mir bleibt nichts anderes übrig. Mir sollte selber eine Lösung einfallen, aber es kommt nichts.
«Ah, du hast ohne mich angefangen», sagt Jo, wickelt sich einen irrwitzig langen Schal vom Hals und setzt sich zu mir. Als sie mein Gesicht sieht, verschwindet ihr Lächeln. «Was ist los? Du siehst grauenhaft aus.»
«Dann weißt du es noch nicht?»
«Was denn?»
«Ich hatte ein Gespräch mit Matthew.»
«Das erklärt deinen depressiven Zustand.» Sie studiert die Weinkarte.
«Ich verliere wahrscheinlich meinen Job.»
Jo starrt mein Gesicht an, als würde sie nach etwas suchen.
«Was quatschst du da?»
«Madeline hat ihm ein Ultimatum gestellt. Sie oder ich.»
«Und er hat gesagt, dass du raus bist? Einfach so?»
«Nicht ganz, ich habe bis Silvester, um sie umzustimmen.»
«Dann stimm sie um.»
«Wie?»
«Keine Ahnung, aber das können die nicht mit dir machen.»
«Mein Vertrag läuft im Januar aus, also können sie ihn problemlos einfach nicht verlängern. Ich hätte nichts in der Hand. Außerdem gibt ihnen das Zeit, über Weihnachten einen passenden Ersatz zu finden.» Ich sehe, wie Jo die Neuigkeiten verarbeitet und dass sie zu demselben Schluss kommt wie ich vor ein paar Stunden.
«Das Pech verfolgt dich auf Schritt und Tritt.»
«Ich bin erledigt, stimmt’s?»
«Noch nicht. Uns fällt was ein, aber zuerst brauchen wir mehr Wein», sagt sie.
«Kann ich bitte noch ein Glas von dem hier haben?», frage ich den vorbeikommenden Kellner. Dann wende ich mich wieder Jo zu. «Ich darf den Job nicht verlieren.»
«Wirst du nicht.»
«Ich habe noch nicht alles erledigt.» Der Kellner lungert immer noch in der Nähe herum und wirft mir einen besorgten Blick zu. Ich lächele. Er nickt höflich und geht den Wein holen. Ich werfe einen kurzen Blick in die Runde und weiß, dass ich zu laut bin. Das passiert manchmal, wenn ich müde oder betrunken bin. Ich ermahne mich, leiser zu sein.
Der Wein kommt. Jo sagt, ich soll meinen Notizblock und einen Stift aus der Tasche holen, in großen roten Buchstaben PROJEKT MADELINE auf eine leere Seite schreiben und die Worte zur Sicherheit unterstreichen. Jo gehört zu den Menschen, die gerne alles aufschreiben. Wenn man nicht aufpasst, kann einen das in Schwierigkeiten bringen. Sie betrachtet den Notizblock, und ich trinke noch etwas Wein, genieße die Wärme, die in meinen Körper fließt. Ich lächele, Jo grinst zurück, wie so oft haben wir dieselbe Idee gehabt. Sie sagt mir, was ich schreiben soll, und ich notiere alles Wort für Wort, um nichts zu vergessen. Die Idee ist gut.
«Sie geht davon aus, dass sie niemals gefeuert wird. Madeline Frost ist Coffee Morning», sagt Jo. Mir fällt auf, dass sie ihr Glas nicht angerührt hat.
«Genau das hat Matthew auch gesagt. Daraus könnte man vielleicht einen neuen Jingle machen.» Ich dachte, sie würde lächeln. Tut sie nicht.
«Aber sie weiß nicht, wie dein Gespräch mit Matthew gelaufen ist. Also müssen wir ihr weismachen, die hätten die Nase voll von ihren Wutanfällen und würden sie loswerden wollen», sagt sie.
«Aber das würden sie nie tun.»
«Das kann sie nicht mit absoluter Sicherheit wissen. Niemand ist heute mehr unersetzlich, und ich denke, wenn wir genug Samen auslegen, wird die Saat aufgehen. Ohne diesen Job wäre sie nichts. Er ist ihr Leben, mehr ist da nicht.»
«Stimmt. Aber wie? Wir haben nicht viel Zeit.» Ich beginne wieder zu weinen, ich kann nicht anders.
«Schon gut. Heul dich ruhig aus, lass es raus. Zum Glück stehen dir Tränen.»
«Mir steht gar nichts.»
«Was soll das? Du bist schön. Zugegeben, du könntest dir ein bisschen mehr Mühe geben …»
«Danke.»
«Tut mir leid, aber es ist nun mal wahr. Ungeschminkt siehst du leider nicht blass und interessant aus, sondern einfach nur blass. Du hast eine gute Figur, aber irgendwie versuchst du sie immer unter denselben alten Klamotten zu verstecken.»
«Ich versuche, mich zu verstecken.»
«Dann hör damit auf.»
Sie hat recht, ich bin total fertig. Meine Gedanken spulen zurück zu Edward, er muss damals wirklich heilfroh gewesen sein, dass er mich losgeworden ist.
«Ich bin gerade auf der Oxford Street einem Ex begegnet», sage ich und halte Ausschau nach einer Reaktion in ihrer Miene.
«Welchem?»
«Es gibt keinen Grund, das so zu sagen, so viele waren es nicht.»
«Mehr als bei mir. Wer war es?»
«Ist egal. Ich kam mir wie eine Vogelscheuche vor, wie eine Versagerin. Ich wünschte mir einfach, er hätte mich nicht so gesehen.»
«Na und? Im Moment musst du dich auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Geh und kauf dir was zum Anziehen, ein paar neue Klamotten, Schuhe, was mit Absatz, und wenn du schon dabei bist, besorg dir Make-up. Nimm einfach die Kreditkarte, morgen musst du glücklich und selbstsicher aussehen. Madeline weiß, dass er heute mit dir sprechen wollte, und erwartet, dass du mit den Nerven am Ende bist, vielleicht gar nicht erst kommst, aber da hat sie sich geschnitten. Und wir bringen über die sozialen Medien ein paar Gerüchte in Umlauf. Wir nehmen die Situation in die Hand. Du weißt, was du zu tun hast.»
«Ja.»
«Dann geh jetzt shoppen und heute Abend früh ins Bett. Und wenn du morgen zur Arbeit kommst, siehst du umwerfend und sorgenfrei aus.»
Ich gehorche, trinke mein Glas aus und zahle. Beim Ausmalen meines Lebens habe ich mich immer an die Umrandungen gehalten, doch jetzt bin ich bereit, ein bisschen über die Stränge zu schlagen. Bevor ich die Bar verlasse, reiße ich die Seite mit Projekt Madeline aus meinem Notizbuch, knülle sie zusammen und werfe sie in den Kamin, wo das weiße Papier braun anläuft und verbrennt.
Zweiter Weihnachtstag 2016 – Abend
Als ich zu fallen beginne, vergesse ich im ersten Moment, Angst zu haben, ich kann nicht begreifen, warum die Hand, die mich gestoßen hat, so sehr wie meine aussieht. Doch dann folgen mir meine schlimmsten Ängste in die Dunkelheit. Ich will schreien, aber ich kann nicht, die vertraute Hand liegt fest über meinem Mund. Ich kann keinen Laut von mir geben, kaum atmen. Als mich endlich die Panik aus diesem wiederkehrenden Albtraum rüttelt, wache ich in einem anderen auf. Ich erinnere mich noch immer nicht, was mir zugestoßen ist, sosehr ich es auch versuche, so unbedingt ich es herausfinden muss.
Leute kommen und gehen, eine Kakophonie aus Gemurmel, seltsamen Geräuschen und Gerüchen. Verschwommene Gestalten bewegen sich über mir und um mich herum, als wäre ich unter Wasser, würde in meinen eigenen Fehlern ertrinken. Manchmal habe ich das Gefühl, am Grund eines trüben Teiches zu liegen, das Gewicht der schmutzigen Flüssigkeit drückt mich nach unten, spült Geheimnisse und Dreck in mich hinein. In manchen Augenblicken denke ich, es wäre eine Erleichterung zu ertrinken, dann wäre alles vorbei. Hier unten kann mich niemand sehen, aber ich war ja immer ziemlich unsichtbar. Die neue Welt, die mich umgibt, dreht sich in Zeitlupe weiter, gerade so außer Reichweite, während ich völlig reglos verharre, unten in der Finsternis.
Manchmal gelingt es mir, lange genug an die Oberfläche zu schwimmen, um Geräusche wahrzunehmen und sie so weit zu beschleunigen, dass sie wieder erkennbar werden wie jetzt. Ich höre, wie eine Seite umgeschlagen wird, bestimmt einer der albernen Krimis, die er so gern liest. Die anderen kommen und gehen, aber er ist immer da, ich bin nicht mehr allein. Ich wundere mich, dass er das Buch nicht weglegt und zu mir kommt, weil ich doch wach bin; dann erinnere ich mich, dass ich für ihn nicht wach bin, für ihn hat sich nichts verändert. Jegliches Zeitgefühl hat mich verlassen, es könnte Tag sein oder Nacht. Ich bin eine stumme lebende Leiche. Eine Tür wird geöffnet, jemand betritt das Zimmer.
«Hallo, Mr. Reynolds. Sie dürften so spät eigentlich nicht mehr hier sein, aber wir machen heute mal eine Ausnahme. Ich war dabei, als Ihre Frau gestern Nacht eingeliefert wurde.»
Gestern Nacht?
Es kommt mir vor, als läge ich seit Tagen hier.
Die Stimme des Arztes kommt mir bekannt vor, wahrscheinlich hat er mich behandelt. Ich stelle ihn mir vor. Ein ernsthafter Mann mit müdem Blick, die zerfurchte Stirn von Falten miterlebter Traurigkeit durchzogen. Ich stelle mir einen weißen Kittel vor, dann fällt mir ein, dass das nicht mehr üblich ist. Ärzte sehen wie alle anderen aus, und der Mann, den ich mir vorgestellt habe, verblasst und verschwindet.
Ich höre, dass Paul das Buch fallen lässt und wie ein Idiot herumkramt, Mediziner haben ihn schon immer eingeschüchtert. Ich wette, er steht auf und gibt ihm die Hand, nein, ich weiß, dass er es tut, ich muss ihn gar nicht sehen, um genau zu wissen, wie er sich verhalten wird, ich kann jede Bewegung vorhersagen.
«Soll sich mal jemand Ihre Hand ansehen?», fragt der Arzt.
Was ist mit seiner Hand?
«Nein, schon gut», sagt Paul.
«Das sieht ganz schön geschwollen aus, sind Sie sicher? Ist kein Problem.»
«Es sieht schlimmer aus, als es ist, aber danke. Wissen Sie, wie lange sie so bleiben wird? Niemand will mir etwas sagen.» Pauls Stimme klingt fremd, klein und erstickt.
«Zu diesem Zeitpunkt ist das sehr schwer zu sagen. Ihre Frau ist bei dem Unfall ziemlich schwer verletzt worden …», und während mir diese Worte immer wieder durch den Kopf gehen, schweife ich für eine Weile ab. Ich gebe mir alle Mühe, aber immer noch nichts, keine Erinnerung an irgendeinen Unfall. Ich habe nicht mal ein Auto.
«Sie sagten, Sie waren hier, als sie eingeliefert wurde, war sonst noch jemand dabei? Ich meine, wurde noch jemand verletzt?», fragt Paul.
«Soweit ich weiß, nein.»
«Sie war also allein?»
«Es waren keine weiteren Fahrzeuge beteiligt. Die Frage ist mir unangenehm, aber Ihre Frau hat blaue Flecke und Schrammen am Körper. Haben Sie eine Ahnung, woher die stammen?»
Was für blaue Flecke?
«Vom Unfall, habe ich angenommen», sagt Paul. «Mir ist vorher nichts aufgefallen …»
«Verstehe. Hat Ihre Frau je versucht, sich selbst zu verletzen?»
«Natürlich nicht! So ist sie nicht.»
Wie bin ich denn, Paul?
Wenn er mir etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, würde er es vielleicht wissen.
«Sie haben gesagt, sie wäre gestern sehr aufgebracht gewesen, als sie das Haus verließ. Wissen Sie, weswegen?»
«Allgemeiner Kram. Probleme bei der Arbeit.»
«Aber zu Hause war alles in Ordnung?»
Wir alle drei verharren in peinlichem Schweigen, das Pauls Stimme zerstört.
«Wenn sie aufwacht, wird sie dann wie immer sein? Wird sie sich an alles erinnern?» Ich konzentriere mich so sehr auf das, woran ich mich nicht erinnern soll, dass ich fast die Antwort verpasse.
«Ob sie vollständig genesen wird, lässt sich noch nicht sagen, ihre Verletzungen sind sehr schwer. Sie hatte den Sicherheitsgurt nicht angelegt …»
Ich lege immer den Sicherheitsgurt an.
«… sie muss mit einigem Tempo gefahren sein, um so durch die Windschutzscheibe zu fliegen, und hat dabei einen harten Schlag gegen den Schädel abbekommen. Sie hat Glück, überhaupt noch hier zu sein.»
Glück.
«Wir können nur einen Tag nach dem anderen nehmen», sagt der Arzt.
«Aber sie wird doch wieder aufwachen, oder?»
«Tut mir leid. Können wir irgendwen anrufen, der Sie unterstützt? Verwandte? Freunde?»
«Nein. Ich habe nur sie», sagt Paul.
Als ich diese Worte höre, werde ich weich. Früher entsprachen sie nicht der Wahrheit. Als wir uns kennenlernten, war er so berühmt, dass alle ein Stück von ihm abhaben wollten. Sein erster Roman wurde über Nacht zum Bestseller. Er hasst es, wenn ich das sage, erklärt immer, dass über Nacht zehn Jahre gedauert hat. Aber der Erfolg hielt nicht an. Erst wurde es noch besser, dann viel schlimmer. Danach konnte er nicht mehr schreiben, die Worte entglitten ihm. Sein Erfolg hat ihn gebrochen und sein Versagen uns.
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