Organisation und Führung
Herausgegeben von
Dietrich von der Oelsnitz
Jürgen Weibler
2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2017
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-031180-0
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-031181-7
epub: ISBN 978-3-17-031182-4
mobi: ISBN 978-3-17-031183-1
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Diese neu vorliegende Management-Lehrbuchreihe befasst sich in ihren verschiedenen Einzelbänden mit ausgewählten Fragen der Organisation und Führung. Die Verbindung von wissenschaftlicher Problembehandlung und praktischer Anschaulichkeit soll ihre Ausführungen leiten. Darüber hinaus sind unterschiedliche Zugänge ausdrücklich erwünscht – hierdurch wird ein inhaltlich wie methodisch vielfältiges Spektrum für die Behandlung von Organisations- und Führungsfragen ermöglicht. Denn auch die Probleme, denen wir im Rahmen des Nachdenkens über und des Handelns in Organisationen begegnen, tragen keine disziplinären Etiketten.
Die jeweiligen Einzelbände wenden sich dabei zunächst an Dozenten und Studierende in der grundständigen wie weiterbildenden Lehre. Praktiker können von den anwendungsorientierten Ausführungen jedoch ebenfalls profitieren.
Das Thema dieses Werkes ist sowohl von betriebswirtschaftlich als auch von volkswirtschaftlich überragender Bedeutung – werden Innovationen doch von Wirtschaft und Politik gern als Schwungrad des nationalen Wohlstandes bezeichnet und dementsprechend nachdrücklich eingefordert. In der Tat kommt betrieblichen Produkt-, Verfahrens- und Sozialinnovationen im Rahmen einer dynamischen Wettbewerbswirtschaft eine fundamentale Rolle zu.
Das Buch von Wolfgang Burr trägt dabei nicht zufällig den grundsätzlichen Titel »Innovationen in Organisationen«, denn es geht ihm nicht nur um das betriebliche Management des Innovationsprozesses – dies wird mittlerweile von einer Reihe guter Lehrbücher thematisiert –, sondern um einen weitergespannten Ansatz: nämlich eine Darstellung des theoretischen Fundaments, der gesamtwirtschaftlichen Grundlagen sowie der einzelwirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Innovationen. Mit diesem originellen Ansatz öffnet er den notwendigerweise integrativen Blick auf den Gesamtkontext innovativer Unternehmen und Systeme.
Auf der Grundlage einer stringenten Argumentation gelingt es Wolfgang Burr, sowohl konzeptionelle als auch empirische Erkenntnisse, sowohl gesamt- als auch einzelwirtschaftliche Tatbestände aufeinander zu beziehen und miteinander zu verknüpfen. Insbesondere das fünfte Kapitel, das sich mit konkreten Strategien und Methoden des Innovationsmanagements befasst, gewährleistet, dass sich nicht nur Wissenschaftler, sondern auch interessierte Praktiker mit diesem Buch über das auch weiterhin virulente Thema »Innovationen in Organisationen« angemessen informieren können.
Die Herausgeber wünschen dem Werk eine positive Aufnahme und weite Verbreitung.
Ilmenau und Hagen, im Oktober 2003
Dietrich von der Oelsnitz |
Jürgen Weibler |
Technische Universität Ilmenau |
FernUniversität in Hagen |
Fachgebiet Unternehmensführung |
Lehrstuhl für BWL, insb. |
|
Personalführung und Organisation |
Das vorliegende Lehrbuch ist aus Kernvorlesungen entstanden, die ich an der Universität Erfurt im Fach Innovationsökonomie in den Jahren 2002 und 2003 gehalten habe. Es behandelt betriebswirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Fragestellungen der Innovationsforschung auf Grundlage der ökonomischen Theorie, vor allem des Resource-Based View of the firm und der Neuen Institutionenökonomik. Ziel ist eine Darstellung, wie gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen und unternehmensinterne Grundentscheidungen gemeinsam den Innovationsprozess, das Innovationsverhalten und die Anreize zu Innovationen in Unternehmen beeinflussen. Für die Unterstützung bei der Vollendung des Manuskripts bin ich mehreren Personen zu Dank verpflichtet: Frau Mandy Förster hat in gewohnter Professionalität und Perfektion mein Manuskript Korrektur gelesen und an die Formvorschriften des Verlages angepasst. Die studentischen Hilfskräfte des Lehrstuhls für Innovationsökonomie, Frau Stefanie Rost, Frau Sandra Zeugner, Herr Markus Kubisch, Herr Paul Schulze-Cleven, Herr Marius Claudy und Frau Annegret Kummert haben mich durch die Literaturbeschaffung und die Erstellung der Abbildungen wirksam und mit viel Engagement unterstützt. Frau Katrin Becker vom Kohlhammer Verlag hat das Projekt gekonnt über alle terminlichen Klippen und durch die Untiefen der Formvorschriften gesteuert. Widmen möchte ich diese Publikation vier Menschen, denen ich sehr viel verdanke: Prof. Dr. Dres. h.c. Karl Oettle, der mich während meines Studiums mit der wissenschaftlichen Seite der Betriebswirtschaftslehre vertraut machte. Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot, bei dem ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter das strukturierte Arbeiten mit ökonomischen Theorien gelernt habe. Prof. Dr. Alexander Gerybadze, der mich als wissenschaftlichen Assistenten an das empirische Arbeiten mit Daten und Fallstudien und die evolutorische Sicht der Betriebswirtschaftslehre heranführte. Prof. Dr. Profs. h.c. Dr. h.c. Klaus Macharzina, der mir als seinem Lehrstuhlvertreter die fachliche Breite der Betriebswirtschaftslehre zeigte und wertvolle Ratschläge für das Management von Universitätseinrichtungen gab.
Die Verantwortung für sicherlich verbliebene Fehler im vorliegenden Buch liegt allein bei mir als Verfasser.
Erfurt, im September 2003 |
Wolfgang Burr |
Wir freuen uns, dass unsere etablierte Management-Lehrbuchreihe mit dieser Neuauflage von Wolfgang Burrs Titel erneut eine positive Bestätigung durch den Leser erfahren hat. Das ist in einem zunehmend schwierigen Markt für Lehrbücher und einer anhaltend großen Konkurrenz – gerade im weiterhin stark beackerten Themenfeld »Innovation« mit seiner Vielzahl neuer, oft auch populärwissenschaftlicher Publikationen – keineswegs selbstverständlich.
Auch in der zweiten Auflage hat der Verfasser seinen breiten und umfassenden Ansatz beibehalten, gleichwohl aber auch neue Schwerpunkte gesetzt; so zum Beispiel hinsichtlich nationaler Regulierungsversuche, zu beachtender Pfadabhängigkeiten oder verstärkt auftretender Spillover-Effekte auf Dritte. Gleichzeitig hat das Buch eine noch pointiertere Struktur erhalten: Die Ausführungen werden nun gegliedert nach Grundlagen, gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bzw. Voraussetzungen für Innovationen sowie theoretischen und praktischen Aspekten des unternehmerischen Innovationsmanagements. Auf diese Weise bleibt die (bereits in der ersten Auflage gelungene) Synthese von einzel- und gesamtwirtschaftlichen Fragestellungen bei all den notwendigen Anpassungen an den zwischenzeitlichen Erkenntnisfortschritt erhalten.
Die Herausgeber wünschen der zweiten Auflage eine ähnlich positive Resonanz, wie sie bereits ihr Vorläufer über die Jahre hinweg erfahren hat.
Braunschweig und Hagen, im Januar 2017
Dietrich von der Oelsnitz |
Jürgen Weibler |
Technische Universität Braunschweig |
FernUniversität in Hagen |
Institut für Unternehmensführung |
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. |
Lehrstuhl für Organisation und Führung |
Personalführung und Organisation |
Anlässlich der 2. Auflage wurden mehrere tiefgreifende Veränderungen am vorliegenden Buch durchführt. Die Neuauflage wurde genutzt, um Fehler der Erstauflage zu beseitigen. Zusätzlich erhielt das Buch eine grundlegend andere Struktur, indem die Ausführungen in drei große Hauptkapitel (Grundlagen der Innovation, Rahmenbedingungen der Innovation, Innovationsmanagement) gegliedert wurden. Es wurden gegenüber der Vorauflage mehrere Kapitel grundlegend neu geschrieben oder stark erweitert. Dies gilt insbesondere für die Kapitel zu nationalen Innovationssystemen, Wettbewerb und Innovation, Dominantem Design, Regulierung und Innovation, Spillover-Effekten, Agglomeration, Pfadabhängigkeiten und zu Standardisierungsstrategien. Das Kapitel zur technologischen Leistungsfähigkeit wurde um die Ausführungen zu Daten zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands gekürzt. Ebenso sind die Ausführungen in der Erstauflage mit Daten zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Forschung und Innovation ersatzlos weggefallen. Der Grund für diese beiden Kürzungen lag darin, dass solche Daten sehr kurzlebig sind. Es zeigte sich bei Durchsicht des Manuskriptes einmal mehr, wie beständig im Vergleich zu schnell veralteten Daten die Ausführungen zu Theorien und grundlegenden Konzepten der Innovationsforschung sind, auch wenn hier vereinzelt Aktualisierungsbedarf bestand.
Zur Neuauflage des vorliegenden Buches haben mehrere meiner Mitarbeiter wertvolle Impulse und Unterstützung gegeben. So hat mich Johann Valentowitsch bei der Neufassung der beiden Kapitel zu nationalen Innovationssystemen sowie zu Wettbewerb und Innovation unterstützt. Manuel Bail danke ich für seine Unterstützung bei den Kapiteln zu Spillover-Effekten, Agglomeration und Pfadabhängigkeiten. Herrn Dr. Torsten Frohwein bin ich für das Korrekturlesen des Kapitels zur Regulierung und Innovation zu Dank verpflichtet. Besonderes erwähnen möchte ich meine Verwaltungsangestellte Frau Claudia Schneider, die mit großer Genauigkeit das Skript gelesen und formatiert hat sowie insbesondere bei der Erstellung des Inhalts-, Abbildungs- und Stichwortverzeichnisses mir eine sehr wertvolle und unverzichtbare Hilfe war.
Die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer Verlag war wie bei den letzten gemeinsamen Buchprojekten auch dieses Mal sehr effizient und erfreulich. Die Verantwortung für alle verbliebenen Fehler dieses Buches liegt allein bei mir als Autor.
Stuttgart, Januar 2017 |
Wolfgang Burr |
Abb. 1: |
Zusammenhang der Begriffe Invention und Innovation |
Abb. 2: |
Der Innovationsprozess im weiteren Sinne |
Abb. 3: |
Phasen des FuE-Prozesses |
Abb. 4: |
Rahmenbedingungen des betrieblichen Innovationsprozesses |
Abb. 5: |
Elemente eines Innovationssystems: Akteure, Beziehungen, Institutionen |
Abb. 6: |
Phasen der Herausbildung eines dominanten Designs und ihre Auswirkungen auf die Innovationsaktivitäten in der Industrie |
Abb. 7: |
Markteintritt und -austritt von Unternehmen in der U.S. Autoindustrie von 1894-1962 |
Abb. 8: |
Polya-Urnen-Modell zur Verdeutlichung von Pfadabhängigkeit |
Abb. 9: |
Das Kausalmodell von Viscusi/Moore 1991 |
Abb. 10: |
Zum Zusammenhang von Haftungskosten und Innovationstätigkeit |
Abb. 11: |
Ressourcen i. e. S. und Routinen i. w. S. innerhalb des Ansatzes der ressourcenorientierten Unternehmensführung |
Abb. 12: |
Kernkompetenzen als Fundament der Unternehmensentwicklung |
Abb. 13: |
Ressourcenkategorien innerhalb des Ansatzes der ressourcenorientierten Unternehmensführung |
Abb. 14: |
Ressourcenmerkmale und verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteil |
Abb. 15: |
Fünf Wettbewerbskräfte nach Porter |
Abb. 16: |
Wettbewerbsstrategien nach Porter |
Abb. 17: |
Generierung von unternehmerischen Renten durch Institutionengestaltung, Ressourcenentwicklung und Ressourceneinsatz sowie Aufbau von Marktmacht |
Abb. 18: |
Theorien, Aktionsfelder, Strategien und Methoden des Innovationsmanagements von Unternehmen |
Abb. 19: |
Grundstruktur des Technologieportfolios |
Abb. 20: |
Zum Zusammenhang von Produkten und Technologien des Unternehmens |
Abb. 21: |
Untergliederung von Produkten in Teilelemente und Identifikation von Technologien |
Abb. 22: |
Dimensionen der Technologieattraktivität |
Abb. 23: |
Dimensionen der Ressourcenstärke |
Abb. 24: |
Früherkennung konkurrierender Technologien und ihre Positionierung in zukunftsorientierten Technologieportfolios |
Abb. 25: |
Strategieempfehlungen des Technologieportfolios |
Abb. 26: |
Einbindungsformen für Technologien und FuE-Aufgaben |
Abb. 27: |
Einbindungsformen für Technologien und FuE-Aufgaben aus Transaktionskostensicht |
Abb. 28: |
Einbindungsformen für Technologien |
Abb. 29: |
Lebenszyklus von Kompetenzen |
Abb. 30: |
Aufbau von Kompetenz und absorptiven Fähigkeiten sowie Abhängigkeiten von externen Technologielieferanten |
Abb. 31: |
Grundstruktur eines Patentportfolios |
Abb. 32: |
Grenzen von Patentportfolios |
Abb. 33: |
Positionierungsstrategien im Standardisierungswettbewerb |
Abb. 34: |
Lizenzierung aus Sicht der Transaktionskostentheorie |
Abb. 35: |
Lizenzierung als Form der Verwertung von strategisch wenig relevanten Kompetenzen |
Das vorliegende Buch gliedert sich in drei große Hauptkapitel. Das erste Hauptkapitel befasst sich mit der Darstellung von Grundlagen der Forschung und Entwicklung und der Innovationsforschung. Es werden vor allem notwendige Begriffe definiert, Klassifikationen eingeführt und Grundkonzepte der Innovationsforschung dargestellt. Das zweite Hauptkapitel stellt die Rahmenbedingungen dar, die Einfluss darauf nehmen, ob Unternehmen überhaupt Innovationen tätigen und mit welchem Erfolg. Will man verstehen, warum Innovationsprojekte von Unternehmen gelingen bzw. scheitern, so ist die Kenntnis der Rahmenbedingungen, unter denen der Innovationsprozess abläuft, unverzichtbar. Nachdem die wichtigsten Rahmenbedingungen vorgestellt sind, nimmt das dritte Hauptkapitel die unternehmensinterne Perspektive ein. Es werden ausgewählte Theorien, Konzepte und Methoden des Innovationsmanagements von Unternehmen vorgestellt.
Das vorliegende Buch nimmt eine ökonomisch-theoretische Perspektive ein. Die Bezugnahme auf Innovationstheorien und Konzepte aus anderen Wissenschaftsdisziplinen wie der Soziologie, der Psychologie und der Technikgeschichte kann nur sehr vereinzelt erfolgen. Ebenfalls ist das vorliegende Lehrbuch theoretisch-konzeptionell angelegt. Es bezweckt keine Einführung in statisch-ökonometrische Methoden, obwohl diese in der empirischen Innovationsforschung immer wichtiger werden. Dabei wird die Darstellung immer um Herausforderungen und aktuelle Fragestellungen der Innovationsforschung und des Innovationsmanagements herum gruppiert. Die Darstellung ist also primär problem- und themenorientiert und nur sekundär methodenorientiert.
Das vorliegende Buch ist ein Lehrbuch für den Einsatz in der Hochschullehre, es soll Interesse am Innovationsthema wecken, Konzepte vorstellen, mit Theorien vertraut machen und Methoden darstellen. Es ist kein Handbuch für Praktiker, auch wenn diese durch die Lektüre vielleicht Anregungen erhalten könnten.
Nachfolgend werden vier zentrale Begriffe erläutert, die in der Innovationsforschung und für das Verständnis des vorliegenden Buches zentrale Bedeutung haben.
Theorien sind der Versuch, mit Hilfe eines geordneten Aussagensystems die Realität zu erklären. Sie umfassen Ursache-Wirkungs-Aussagen. Für die Lösung praktischer Probleme sind jedoch Ziel-Mittel-Aussagen erforderlich. Solche Ziel-Mittel-Aussagen benennen Mittel bzw. Instrumente, die für die Realisierung bestimmter Ziele prinzipiell geeignet sind (vgl. Specht/Beckmann 1996, S. 14). Wir erhalten solche Aussagen durch Transformation von Ursache-Wirkungs-Aussagen in final-technologische Ziel-Mittel-Aussagen. Theorien sind also das Fundament für Technologien.
»Unter der Technologie ist allgemein ein Wissen zu verstehen, das zur Lösung praktischer Probleme geeignet ist.« (Specht/Beckmann 1996, S. 14). So verstandene Technologie umfasst Verfahrensregeln und Handlungsanleitungen, die zur Erreichung bestimmter Ziele empfohlen werden. Es handelt sich somit um ein »System von anwendungsbezogenen, aber allgemeingültigen Ziel-Mittel-Aussagen« (Chmielewicz 1979, S. 14, zit. nach Brockhoff 1999, S. 27).
Folgende Arten von Technologien sind zu unterscheiden: Schrittmacher-Technologien, Schlüsseltechnologien und Basis-Technologien (vgl. Brockhoff 1999, S. 33 f.):
• Schrittmacher-Technologien werden sich (voraussichtlich) erst zukünftig im Markt durchsetzen. Sie stellen den beteiligten Firmen hohe (latente) Wettbewerbsvorteile in Aussicht.
• Demgegenüber konnten sich Schlüssel-Technologien bereits im Markt etablieren. Sie ermöglichen den Unternehmen, die sie beherrschen, die Realisierung starker Wettbewerbsvorteile im gegenwärtigen Zeitpunkt.
• Basis-Technologien haben sich bereits seit längerem im Markt etabliert. Sie müssen von den relevanten Wettbewerbern als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme am marktlichen Wettbewerb beherrscht werden. Auf Basistechnologien kann aber kein Unternehmen explizite Differenzierungs- und Wettbewerbsvorteile aufbauen (vgl. Gerybadze 2002, S. 67).
Diese Sichtweise drückt einen Technologie-Lebenszyklus aus, zu dessen Beginn eine Technologie Schrittmacherfunktion für den technischen Fortschritt besitzt sowie zukünftige Wettbewerbsvorteile verspricht und an dessen Ende sie zur Basistechnologie gereift ist. »Allerdings stellen sich solche Abläufe nicht gesetzmäßig ein. Sie sind vielmehr das Ergebnis handelnder Personen, die durch Forschungs- und Entwicklungsentscheidungen, Nachfrage nach Produkten, staatliche Auflagen usw. den Ablauf beeinflussen.« (Brockhoff 1999, S. 33).
Die konkrete Anwendung einer Technologie, z. B. in Produkten oder Produktionsprozessen, wird als Technik bezeichnet. Eine Technologie kann somit eine Menge potenzieller Techniken umfassen, Technologie ist die Lehre von den Techniken (vgl. Brockhoff 1999, S. 27).
Bei Techniken kann unterschieden werden zwischen Spitzentechnik und höherwertiger Technik. Für diese Begriffe sind vielfältige Abgrenzungsmöglichkeiten denkbar. Eine häufige Definition orientiert sich am Input, der für die Technikentwicklung erforderlich ist:
• Von Spitzentechnik wird gesprochen, wenn in der entsprechenden Branche ein Forschungs- und Entwicklungsanteil am Umsatz von mehr als 9% üblich und erforderlich ist.
• Höherwertige Technik (auch hochwertige oder gehobene Technik genannt) wird demgegenüber Branchen mit einem Forschungs- und Entwicklungsanteil am Umsatz zwischen 3,0% und bis zu 9% zugeschrieben (vgl. EFI 2014, S. 218, 223).
Diese Definition hat eine Schwäche, denn Spitzentechnik bzw. höherwertige Technik wird nur anhand einer einzigen Kennzahl charakterisiert. Deshalb verwendet z. B. das U.S. Bureau of Labor Statistics eine Kombination von zwei Messgrößen, um Techniken zu charakterisieren und zu klassifizieren. Hierzu werden die beiden Indikatoren Forschungsintensität (Anteil der FuE-Ausgaben am Branchenumsatz) und Anteil des technisch-wissenschaftlichen Personals am gesamten Personalbestand einer Branche kombiniert. Spitzentechnik liegt gemäß dieser Klassifikation vor, wenn beide Messgrößen in einer Branche das Doppelte der Durchschnittswerte in der Volkswirtschaft als Ganzes übersteigen. Von höherwertiger Technik wird gesprochen, wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist (vgl. Brockhoff 1999, S. 32).
Technik findet Einsatz in neuen Produkten und bei der Umsetzung neuer Produktionsprozesse, ist also Fundament für die Realisierung von Sachgütern und Dienstleistungen in entsprechenden Produktionsprozessen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden: »Ein Produkt basiert in der Regel auf mehreren Techniken, die jeweils die praktische Anwendung von Technologien darstellen, die ihrerseits wiederum auf Theorien basieren.« (Specht/Beckmann 1996, S. 15). Eine zentrale Stellung hat die Technologie als Verbindungsglied zwischen Theorie und Praxis (Specht/Beckmann 1996, S. 14).
Innovation ist ein alltagssprachlich sehr häufig, fast schon inflationär verwendeter Begriff. Bei Innovationen geht es um etwas »Neuartiges«: Neue Produkte und Dienstleistungen, neue Produktionsverfahren, neue Vertrags- und Organisationsformen, neue Vertriebswege. Bereits diese Aufzählung zeigt, dass Innovation mehr ist als nur eine technische Neuerung. Der Innovationsbegriff darf nicht auf technische Lösungen verengt werden. Hauschildt ist nicht zu folgen, wenn er ausführt, dass Innovation »aus dem Zusammenwirken von Technik und Anwendung« erwächst (Hauschildt 1997, S. 13). Erschwerend kommt hinzu, dass Individuen Innovationen sehr unterschiedlich wahrnehmen und beurteilen. Einige Individuen sehen ein Produkt als sehr innovativ an, dem andere Individuen den Neuigkeitscharakter absprechen. Innovation ist somit kein objektiv messbarer, sondern auch ein subjektiv gefärbter Begriff (vgl. Voßkamp 2002, S. 64).
Im wissenschaftlichen Bereich ist der Innovationsbegriff mit definitorischen Problemen behaftet. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Hauschildt stellt einen Überblick über die Begriffsverwendung in der betriebswirtschaftlichen Literatur dar. Er nennt 18 verschiedene betriebswirtschaftliche Definitionen und zeigt die teilweise erheblichen Unterschiede zwischen ihnen auf (vgl. Hauschildt 1997, S. 4-6).
Joseph A. Schumpeter nimmt in seinem 1912 erstmalig erschienenen Buch »Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung« eine pragmatische Definition vor. Schumpeter spricht in seinem Buch noch nicht von Innovation, sondern von der »Durchsetzung neuer Kombinationen«, die nicht regelmäßig und in kleinen Verbesserungsschritten des Bestehenden erfolgt, sondern diskontinuierlich auftritt (vgl. Voßkamp 2002, S. 64). Diskontinuität bedeutet: Sprunghafte Veränderung, Zerstörung alter Gleichgewichte, Ersetzung des Bestehenden durch das Neue. Für Schumpeter gibt es fünf Klassen von neuen Kombinationen:
»1. Herstellung eines neuen, d. h. dem Konsumentenkreise noch nicht vertrauten Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes.
2. Einführung einer neuen, d. h. dem betreffenden Industriezweig noch nicht praktisch bekannten Produktionsmethode, die keineswegs auf einer wissenschaftlich neuen Entdeckung zu beruhen braucht und auch in einer neuartigen Weise bestehen kann mit einer Ware kommerziell zu verfahren.
3. Erschließung eines neuen Absatzmarktes, d. h. eines Marktes, auf dem der betreffende Industriezweig des betreffenden Landes bisher noch nicht eingeführt war, mag dieser Markt schon vorher existiert haben oder nicht.
4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten, wiederum: gleichgültig, ob diese Bezugsquelle schon vorher existierte – und bloß sei es nicht beachtet wurde sei es für unzugänglich galt – oder ob sie erst geschaffen werden muss.
5. Durchführung einer Neuorganisation, wie Schaffung einer Monopolstellung (z. B. durch Vertrustung) oder Durchbrechen eines Monopols« (Schumpeter 1931, S. 100 f.).
Den Begriff der Innovation verwendet Schumpeter erst 1939 (vgl. Hauschildt 1997, S. 7). In der neueren innovationsökonomischen Literatur finden sich noch viele weitere Klassifikationen des Innovationsbegriffs.
Prozessinnovationen sind »neuartige Faktorkombinationen, durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kostengünstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer oder schneller erfolgen kann. Ziel dieser Innovation ist die Steigerung der Effizienz« (Hauschildt 1997, S. 9). Beispiele für Prozessinnovationen sind die Einführung von Computer Integrated Manufacturing (CIM) in der herstellenden Industrie in den 1980er Jahren (gesteigerte Flexibilität bei der Bewältigung kleiner Fertigungslose) oder der Übergang von der Verwendung von 200 mm-Wafern auf 300mm-Wafer in der Herstellung von Halbleitern (Kostensenkung in der Halbleiterherstellung) bei Infineon.
Von Prozessinnovationen sind Produktinnovation zu unterscheiden: »Die Produktinnovation offeriert eine Leistung, die dem Benutzer erlaubt, neue Zwecke zu erfüllen oder vorhandene Zwecke in einer völlig neuartigen Weise zu erfüllen.« (Hauschildt 1997, S. 9) Eine erfolgreiche Produktinnovation war in den 1980er Jahren die Markteinführung der ersten Mobiltelefone, die erstmalig Telekommunikation mit der Mobilität der Nutzer verbanden oder vor einigen Jahren die Einführung von Blu-Ray-Abspielgeräten. Um eine erfolgversprechende technische Erfindung in ein marktgängiges Produkt umzusetzen, sind vielfältige Schritte erforderlich. Es müssen Investitionen für die Fertigungsvorbereitung und die Markterschließung getätigt werden, nachfolgend müssen Produktion und Marketing gestartet und Vertriebskanäle aufgebaut werden. Hieran wird ersichtlich, dass Innovationen nicht nur eine technische, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Seite haben.
Eine weitere Unterscheidung bei Produktinnovationen ist die zwischen Sachgut- und Dienstleistungsinnovationen, wobei letztere oftmals durch Besonderheiten im Vergleich zu Sachgutinnovationen gekennzeichnet sind. Häufig führt die Kombination von einem Sachgut mit innovativen Dienstleistungen zu neuartigen Problemlösungen und damit zu Innovation. Ein Beispiel für letzteres ist die Bündelung einer verkauften Werkzeugmaschine mit einem darauf abgestimmten Dienstleistungskonzept für Finanzierung, Beratung und After Sales Service als umfassende Problemlösung aus der Hand eines Anbieters (vgl. Burr/Stephan 2006).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Produkt- und Prozessinnovationen ist in folgendem Punkt zu sehen: Produktinnovationen werden im Markt durchgesetzt. Prozessinnovationen werden in der Regel innerbetrieblich durchgesetzt, wenn man den Fall, dass das Unternehmen seine erfolgreich realisierten Prozessinnovationen anderen Unternehmen am Markt anbietet, aus der Betrachtung ausblendet. Charakteristisch für Produktinnovationen ist, dass sie größere Durchsetzungsprobleme aufweisen als Prozessinnovationen: Für Produktinnovationen müssen Märkte geschaffen und zahlungsbereite Käufer gewonnen werden, während Prozessinnovationen von der Unternehmensleitung im Unternehmen durch Anordnung durchgesetzt werden können (vgl. Hauschildt 1997, S. 11).
Die Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozessinnovationen ist allerdings nicht trennscharf: Oft braucht es für Produktinnovationen die Einführung neuer Fertigungsprozesse im Unternehmen, also die Einführung von Prozessinnovationen zur Ermöglichung von Produktinnovationen. Und bei Dienstleistungsinnovationen sind Produkt- und Prozessinnovationen nicht trennbar, sondern vielmehr identisch (vgl. Hauschildt 1997, S. 11).
Hier wird in der Literatur unterschieden z. B. zwischen revolutionären und evolutionären Innovationen oder zwischen radikalen und inkrementalen Innovationen. Revolutionäre bzw. radikale Innovationen schaffen gänzlich neue Produkte und Dienstleistungen und somit neue Märkte. Evolutionäre bzw. inkrementale Innovationen bestehen aus graduellen Verbesserungen und kleinen Neuerungen an bestehenden Produkten und Dienstleistungen. Das sind allerdings nur sehr grobe Unterscheidungen, die mit großen Abgrenzungsproblemen verbunden sind (vgl. auch Voßkamp 2002, S. 65). Es fehlen objektive Maßgrößen und klare Regeln für die verlässliche Einordnung einer Innovation in eine der beiden Kategorien (vgl. auch Hauschildt 1997, S. 12). Zur groben Beurteilung des Innovationsgrades kann auf einzelne, möglichst objektiv messbare Messwerte abgestellt werden: Geschwindigkeit, Größe, Temperaturresistenz, Geräuschverminderung, Platzersparnis bzw. Grad der Miniaturisierung, Minderung des Energieverbrauchs etc. Ein wichtiger Indikator sind auch auffällige Veränderungen in den ökonomischen Effekten gegenüber dem bisher Bekannten: Sprunghafte Produktivitätssteigerung, Kostensenkung oder Flexibilitätserhöhung (vgl. Grupp 1994, S. 178 ff.).
Man kann sich dem Begriff und dem Wesen der Innovation am besten nähern, indem man den Begriff des Innovationsprozesses einführt (vgl. hierzu auch Voßkamp 2002, S. 64). Innovationsprozesse sind gesamtwirtschaftliche oder betriebswirtschaftliche Prozesse, die auf die Generierung und Durchsetzung von Innovationen abzielen (vgl. zum Folgenden Voßkamp 2002). Ein Innovationsprozess (Innovation i. w. S.) wird idealtypisch in drei Phasen unterteilt: die Inventionsphase, die Innovationsphase (Innovation i. e. S.) und die Diffusionsphase.
Eine Invention kann näherungsweise definiert werden als eine Idee, die etwas Neuartiges darstellt. Eine Invention in diesem Sinne ist z. B. eine technische Erfindung (so auch die Begriffsverwendung bei Specht/Beckmann 1996, S. 15). Eine Invention entsteht durch vorausgegangene Forschung und Entwicklung, die das Unternehmen durchgeführt hat (vgl. Specht/Beckmann 1996, S. 15).
Innovation (i. e. S.) ist demgegenüber die ökonomische Nutzung der Invention, also z. B. die Umsetzung der Technologie bzw. technischen Erfindung in ein marktgängiges Produkt oder der Einsatz der Technologie in den Leistungserstellungsprozessen des Unternehmens. Von Innovation wird also nur gesprochen, wenn die Invention marktlich verwertet oder innerhalb des Unternehmens genutzt und eingesetzt wird (vgl. Hauschildt 1997, S. 7). Produktinnovationen und Prozessinnovationen sind zur Innovation im engeren Sinne zu rechnen (vgl. Brockhoff 1999, S. 37). Ein Beispiel: Fuzzy Logic ist eine Steuerungs- und Regelungstechnik, die in den letzten Jahren zunehmende Beachtung gefunden hat. Die Umsetzung dieser Invention in ein marktgängiges Produkt findet sich z. B. bei neuen Waschmaschinengenerationen, die mit Hilfe von Fuzzy Logic eine besonders schonende Wäsche ermöglichen und Handwäsche simulieren können.
Die Abgrenzung vor allem zwischen Invention und Innovation ist sehr schwierig. Wo genau endet die neue Idee bzw. technische Erfindung, wo beginnt ihre ökonomische Umsetzung? Specht und Beckmann warnen davor, dass die begriffliche Abgrenzung von Invention und Innovation i. e. S. nicht zu einer isolierenden Betrachtung dieser beiden, eng zusammenhängenden Phasen des Innovationsprozesses führen darf: »Jede Innovation i. e. S. setzt eine Invention voraus. Umgekehrt ist jede Invention auf die Erfahrungen aus den Markteinführungs- und Nutzungsphasen bisheriger Produkte angewiesen« (Specht/Beckmann 1996, S. 15). Den Versuch einer Abgrenzung von Invention und Innovation (i. e. S.) macht Abbildung 1.
Abb. 1: Zusammenhang der Begriffe Invention und Innovation (Quelle: Brockhoff 1999, S. 36)
Eine ungeplante Erfindung kann zum Beispiel aufgrund von zufälligen Ereignissen und unvorhergesehenen Ergebnissen von Laborversuchen oder als unbeabsichtigtes Nebenprodukt von anderen Forschungsanstrengungen mit anderen Forschungsinhalten und Zielsetzungen gelingen, wie dies z. B. bei der zufälligen Entdeckung der Röntgenstrahlung oder den potenzfördernden Eigenschaften des Wirkstoffs Sildenafil (Viagra) der Fall war. Man spricht dann vom Auftreten eines Serendipitäts-Effektes. Tatsächlich kommen Erfindungen oft nicht geplant und intendiert zustande, sondern zufällig. Dies spiegelt die dem Forschungsprozess inhärente Ungewissheit wider (vgl. Brockhoff 1999, S. 35).
Die Diffusion bezeichnet die weitere Verbreitung der Neuerung, sie folgt auf die Innovation im engeren Sinne (vgl. Brockhoff 1999, S. 37). Die Diffusion bezeichnet die Ausbreitung der Innovation im Markt bzw. Unternehmen. Die Diffusionsphase beginnt mit der erstmaligen Übernahme (Adoption) der Produktinnovation durch einen Konkurrenten oder mit ihrer Imitation durch einen Konkurrenten bzw. bei Prozessinnovationen mit der Übernahme durch eine weitere Produktionsstätte des eigenen Unternehmens.
Abb. 2: Der Innovationsprozess im weiteren Sinne (Quelle: Brockhoff 1999, S. 38)
Unstrittig ist, dass der Innovationsprozess (Innovation i. w. S.) wenigstens die Phasen von der Invention bis zur Einführung des neuen Produktes in den Markt bzw. des neuen Verfahrens in die Fertigung umfassen muss. Ob der Diffusionsprozess auch zum Innovationsprozess zu rechnen ist, ist fraglich und umstritten. Nach Ansicht von Hauschildt liegt hier eine Aufgabenstellung vor, die von den vorhergehenden Aufgabenstellungen stark abweicht. »Irgendwann muss das Innovationsprojekt in tägliche Routine überführt werden. Dieses ist der Zeitpunkt, an dem die Zuständigkeit des Innovationsmanagements endet und die des funktional oder divisional zuständigen Managements beginnt.« (Hauschildt/Salomo 2011, S. 21). Hauschildt und Salomo sprechen hier von Routinemanagement und »Entscheidungen des betrieblichen Routinebetriebs und deren Durchsetzung« (Hauschildt/Salomo 2011, S. 34) in Abgrenzung zum Innovationsmanagement, das auf die Hervorbringung von Neuerungen abzielt. Während die betriebswirtschaftliche Innovationsforschung die Untersuchung des Innovationsprozesses mit der Einführung des Produktes in den Markt bzw. des Fertigungsprozesses im Unternehmen meistens beendet, untersucht die volkswirtschaftliche Innovationsforschung in stärkerem Maße den Diffusionsprozess der Innovation im Markt.
Den gesamten Innovationsprozess (Innovation i. w. S.) stellt Abbildung 2 dar. Die Darstellung des Innovationsprozesses sollte nicht als eine notwendige zeitliche Sequenz, als zwingende Abfolge von Aktivitäten angesehen werden. So werden in der Praxis Teilschritte überlappend gestaltet oder laufen zeitlich parallel ab, um Innovationsprozesse zu beschleunigen (vgl. Brockhoff 1999, S. 43 f.). Beispielsweise ist es in der Automobilindustrie üblich, zum Zeitpunkt der Markteinführung eines neuen PKW-Modells bereits mit der Entwicklung des Nachfolgemodells zu beginnen, obwohl das neu eingeführte Modell noch mindestens eine größere Überarbeitung vor sich hat.
Die Begriffe Forschung und Entwicklung (FuE) werden in Wissenschaft und Praxis uneinheitlich definiert. Verbindendes Merkmal ist, dass FuE der Weiterentwicklung bestehenden und/oder der Schaffung neuen Wissens dienen (so auch Specht/Beckmann 1996, S. 15). Nachfolgend wird die Betrachtung auf natur- und ingenieurwissenschaftliches Wissen verengt.
Unter dem Aspekt des Anwendungsbezuges bzw. der Anwendungsnähe kann unterschieden werden in Grundlagenforschung, Technologieentwicklung, Vorentwicklung sowie Produkt- und Prozessentwicklung (vgl. hierzu Specht/Beckmann 1996, S. 16).
Die Grundlagenforschung bezweckt die Gewinnung neuer wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse. Sie ist nicht an der direkten Umsetzbarkeit des Wissens in marktgängige Produkte und auf einen konkreten wirtschaftlichen Zweck hin orientiert. Beispiele für Grundlagenforschung sind die Erforschung von Elementarteilchen (Quarks, Neutrinos etc.) in unterirdischen Speicherringen am Cern in Genf, die Erforschung der Kernfusion oder die Forschung an Materialien und Werkstoffen mit neuen Eigenschaften, deren Anwendungspotenzial noch überhaupt nicht ersichtlich ist. Grundlagenforschung ist markt- und anwendungsfern. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung sind im Allgemeinen nicht patentierbar. Die amerikanische National Science Foundation (NSF) definiert Grundlagenforschung wie folgt: Ziel ist »a fuller knowledge or understanding of the subject under study, rather than a practical application thereof«. Diese Definition wird von der NSF in einer späteren Publikation präzisiert: »To take into account industrial goals, NSF modifies this definition for the industry sector to indicate that basic research advances scientific knowledge not having specific commercial objectives, although such investigations may be in fields of present or potential interest to the reporting company.« (Rosenberg 1990, S. 171). Damit wird deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung nicht anhand der Ziele des Forschers getroffen werden kann, sondern anhand der Art der erzielten Forschungsergebnisse.
Das Ergebnis der Grundlagenforschung ist nicht ein fertiges Endprodukt, das auf dem Markt einen Preis erzielt. Output der Grundlagenforschung ist eine Form von neuem Wissen, also ein geistiges Zwischenprodukt, das vielleicht (!) eine zukünftige Rolle spielen wird bei der Erfindung eines Endproduktes (vgl. Rosenberg 1990, S. 168 f.). Generell gilt, dass die Pfade von Grundlagenforschung zu ihrer Umsetzung in Anwendungen kompliziert sind (so auch Pavitt 2000, S. 3): »[...] the route from discovery to application is often long and tortuous, involving the movement of knowledge, techniques and instruments from one discipline to another. All this makes the forecasting and planning of applications of basic research a difficult, if not impossible task.« (Pavit 2000, S. 11) Die Dynamik des Zusammenspiels von Grundlagen- und Anwendungsforschung ist sehr schwer nachvollziehbar und die genauen Zusammenhänge sind schwer eruierbar.
Auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmen betreiben in der Regel keine Grundlagenforschung (vgl. Specht/Beckmann 1996, S. 16). Die Ergebnisse der Grundlagenforschung haben im Allgemeinen den Charakter eines öffentlichen Gutes, d. h. andere Unternehmen sind von seiner Nutzung nicht ausschließbar (die Ergebnisse der Grundlagenforschung stehen allen Unternehmen und Forschungsinstitutionen offen) und es herrscht Nichtrivalität im Konsum, d. h. die Grenzkosten der Versorgung eines weiteren Nutzers mit den Ergebnissen der Grundlagenforschung sind minimal, im Idealfall gleich null. Bei öffentlichen Gütern versagt aber die Bereitstellung über den Markt unter Nutzung des Preismechanismus. Daher wird Grundlagenforschung vor allem von staatlichen Institutionen und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck finanziert und betrieben. Träger der Grundlagenforschung sind in Deutschland z. B. Universitäten, die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz Gesellschaft und private Forschungsinstitute wie das Batelle-Institut (vgl. Specht/Beckmann 1996, S. 16 f.). Die Ausführungen in Kapitel 2.2.3 werden zeigen, dass Grundlagenforschung unter bestimmten Bedingungen aber auch von privaten, gewinnorientierten Unternehmen betrieben wird.
Anstelle des Begriffes Technologieentwicklung wird auch oft von »angewandter Forschung« gesprochen. Die National Science Foundation (NSF) definiert angewandte Forschung als »knowledge or understanding necessary for determining the means by which a recognized and specific need may be met« (vgl. zu diesen Definitionen der NSF auch Rosenberg 1990, S. 170). Technologieentwicklung baut auf den Ergebnissen der Grundlagenforschung auf. Sie beabsichtigt die Gewinnung oder Weiterentwicklung technologischen Wissens, das der Lösung praktischer Probleme dienen soll. Es werden die Ergebnisse der Grundlagenforschung mit Anwendungsproblemen, anwendungsorientiertem Wissen und praktischer Erfahrung konfrontiert und zusammengeführt. Beispiele für so verstandene angewandte Forschung sind z. B. die Bemühungen, das Anwendungspotenzial der Brennstoffzelle als Energieerzeugungseinheit für Personenkraftwagen zu erforschen oder die Supraleittechnik für die Energieübertragung nutzbar zu machen.
Die Vorentwicklung ist anwendungs- und umsetzungsnäher als die angewandte Forschung. Im Kern geht es hierbei um die anwendungsorientierte Entwicklung von Technologien zur Reife, um Studien zur technischen Machbarkeit geplanter Technologieumsetzungen, den Entwurf von Produktkonzepten und den Bau erster Prototypen.
In dieser Phase des FuE-Prozesses wird ein konkretes Produkt bzw. ein Produktionsprozess auf der Basis von Ergebnissen der Grundlagenforschung, der Technologieentwicklung und der Vorentwicklung hervorgebracht. Zu diesem Zweck müssen Ergebnisse der Grundlagenforschung, der Technologieentwicklung und der Vorentwicklung mit den Prognosen zu Anwendungspotenzialen und Einsatzmöglichkeiten der Technik und zu den Marktpotenzialen zusammengeführt werden. Ergebnis dieser letzten Phase ist die Markteinführung eines neuen Produktes bzw. der Start eines neuen Produktionsprozesses im Unternehmen (vgl. Specht/Beckmann 1996, S. 16 f.).
Die Abbildung 3 verdeutlicht die Abfolge und die Überlappung der verschiedenen Phasen des FuE-Prozesses.
Abb. 3: Phasen des FuE-Prozesses (in Anlehnung an Specht/Beckmann 1996, S. 16)
Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Begriff Forschung und Entwicklung in technischer und ökonomischer Hinsicht teilweise sehr unterschiedliche Aktivitäten umfasst. Die daraus resultierende Problematik für das FuE-Management zeigt Brockhoff auf: »Obwohl sich im Sprachgebrauch Forschung und Entwicklung als ein einheitlicher Begriff darstellt, umfasst er verschiedene Arten von Tätigkeiten. Bei diesen Tätigkeiten kann der Eindruck entstehen, dass die Bedingungen für die Entstehung neuen Wissens sich so stark voneinander unterscheiden, dass dafür unterschiedliche Institutionen, voneinander getrennte organisatorische Einheiten und verschiedene Führungsmuster angebracht sind.« (Brockhoff 1999, S. 50).
Forschung, Entwicklung und Innovation beruhen auf technischem, wirtschaftlichem oder gesellschaftlich-sozialem Wissen (vgl. Audretsch/Feldman 1996, S. 630) und bezwecken die Hervorbringung neuen Wissens sowie seine Anwendung in neuen Produkten, Dienstleistungen und Herstellprozessen. Wissen spielt in Innovationsprozessen eine zentrale Rolle. Forschung, Entwicklung und Innovation sind in ihrem Wesenskern spezifische Formen der Wissensarbeit.
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