Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2017
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ISBN Printausgabe 978-3-499-63328-7 (1. Auflage 2017)
ISBN E-Book 978-3-644-40300-0
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Wenn der Verstand es wüßte, wie unendlich herrlich
Es sich in Liebeswahnsinn beieinander ruht.
Ich glaube wohl: wenn das der Ärmste wüßte,
Verlör er ganz und völlig den Verstand.
Hafis, 14. Jh.
Liebeskummer macht seltsame Dinge mit den Menschen. Normalerweise gut gekleidete, umgängliche und fröhliche Menschen liegen plötzlich in ausgeleierten Jogginghosen und schlabbrigen T-Shirts bei abgedunkelten Jalousien in ihren Wohnzimmern vor dem Fernseher, ziehen sich «Vom Winde verweht» in Dauerschleife rein, während sie Eis aus Dreiliterkübeln hinunterstürzen, oder glotzen mit einem Kasten Bier im Arm die Wand an, von heftigen Heul- und Schreikrämpfen geplagt, die niemand hören will, umgeben von einsamen Zuhörern: Chipstüten und leeren Pizzakartons.
Es ist nicht schön, das wissen wir alle. Und wenn man die Liebste oder den Liebsten verloren hat oder das Objekt der Begierde erst gar nicht für sich gewinnen konnte, gibt es wohl kein Mittel, das diesen Schlag in die Magengrube sofort vergessen machen kann. Zeit heilt alle Wunden, sagt man dann immer etwas hilflos, aber das will kein Mensch hören, der an Liebeskummer leidet.
Deshalb gehen wir das Ganze nun einmal etwas anders an, denn es heißt ja nicht von ungefähr, dass Liebe durch den Magen geht. Und Liebeskummer dann eben vielleicht auch. Den Kochlöffel zu schwingen ist bei Herzschmerz jedenfalls eine gute und wirksame Medizin. Kochen zwingt uns zur Aktion, und wenn man sich schon nach jemandem verzehrt und daran vorerst nichts ändern kann, dann sollte man wenigstens etwas verzehren, das man bekommen kann. Und das vielleicht so gut schmeckt, dass man sogar neue Kräfte sammelt.
Natürlich ist mir klar, dass das nicht so einfach ist. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Wenn es in meinen jungen Jahren um die Eroberung einer schönen Frau ging, setzte ich meist hoffnungsvoll die Mittel der Kalligraphie ein. Ich feuerte regelrecht kleine Kunstwerke ab, die ich für mich nochmals abschrieb und für viele Jahre verwahrte. Doch kürzlich habe ich alle meine Liebesbriefe dem Feuer übergeben. Unter den pathetischen Schwüren, dem Ausdruck hochjauchzenden Glücks und den suizidalen Anwandlungen, die sich darin finden lassen, befand sich kein einziger Schrieb, der mir heute nicht peinlich wäre. Es ist rückblickend nicht gerade leicht, den eigenen Liebeskummer auszuhalten. Welch ein Wahnsinn! Eigentlich müsste ich dafür plädieren, das Verliebtsein unter Strafe zu stellen oder allenfalls nur mit Krankenschein zuzulassen. Andererseits ist mir bewusst, dass die Menschheit sich dann auf den letzten Mohikaner reduzieren würde. Daher muss es noch einen Mittelweg geben, und der führt weg vom Sofa in die Küche.
Damals, als ich mich einmal als abgewiesener junger Galan aus dem Fenster stürzen wollte, mir aber der Mut dazu fehlte, folgte glücklicherweise rasch die Erkenntnis, dass man aus seinem Schicksal immer das Beste machen sollte. Nicht kneifen, sondern handeln! Mein Geheimrezept: Immer wenn ich traurig bin, koche ich mir etwas