Kimberly
»Hast du den Neuen gesehen?« Aufgeregt kam Nina auf mich zugestürmt. Ihr kurzes dunkelbraunes Haar strich ihr dabei ins Gesicht und ihr Minirock wehte gefährlich nach oben, doch bevor er ganz umschlagen konnte, streifte sie ihn mit ihren Händen glatt. Eine davon ließ sie dort liegen, während die andere schon wieder zu ihrem Pony schnellte, um die Haare wieder aus ihren Augen zu entfernen.
»Nein, wieso?«, entgegnete ich. Es kamen nicht so oft neue Schüler mitten im Semester zu uns, darum hätte es gut möglich sein können, dass er mir bereits aufgefallen war.
Nina ließ sich auf ihren Stuhl sinken, den sie vor Langem einmal mit ihrem Namen gekennzeichnet hatte. Das war so bei uns - jeder hatte seinen Platz. Ich saß immer an der Wand, mit Blick auf die Tür der Schulmensa. Nina hatte ihren Platz mir gegenüber, Catharina rechts und Susan links von mir. Das war sie - unsere kleine Clique, bestehend aus Nina, Susan, Catharina und mir.
»Der sieht total heiß aus. Nicht so wie die letzten Trottel, die in unsere Stufe gekommen sind. Den musst du dir unbedingt ansehen. Richtig niedlich.« Während Nina noch vor sich hin schwärmte, waren Catharina und Susan in die Schulmensa gekommen und an unserem Tisch angelangt.
»Wer ist richtig niedlich?«, erkundigte sich Susan, während die beiden sich setzten.
»Der Neue«, klärte ich sie auf.
»Oh ja, den hab’ ich auch gesehen. Der ist wirklich so was von gutaussehend.«
»Dann ist er ja vielleicht was für dich. Sonst gibt’s hier ja keine süßen Jungs, außer den ganzen Footballern, aber die willst du ja nicht haben«, neckte Catharina sie.
»Die sind ja auch völlig verblödet. Wie haben die es nur auf diese Schule geschafft? Du hast den einzig halbwegs gescheiten abbekommen, Cathie. Wenigstens hat der noch was in seiner Birne. Gutes Aussehen ist nicht alles. Ich bin ja keine, die jeden nimmt.«
Das stimmte. Cathie hatte den Besten von den Footballern abbekommen und das schon vor einem Jahr. Brian, wie er hieß, war wirklich ein netter Junge, mit dem es noch möglich war, sich vernünftig zu unterhalten, während man bei den anderen teilweise das Gefühl hatte, mit einer Wand zu reden.
Damit war das Gespräch für heute eröffnet, während ich mir an diesem Tag vorrangig Gedanken darüber machte, wie ich mich am Nachmittag am besten auf das Englischreferat vorbereiten sollte. Daher schweiften meine Gedanken ein wenig ab, bis ich sah, wie jemand Unbekanntes durch die Tür den Speisesaal betrat. Es konnte kein anderer sein, als der Neue, der sich kurz umsah und sich dann etwas unentschlossen mit seiner schlanken, trainierten Gestalt durch die Massen an Schülern zu dem Tisch mit allen Footballern durchquetschte. Niemand sonst in der Mensa machte einen so orientierungslosen Eindruck. Und niemand sonst hätte die tratschlustigen, voreingenommenen Schüler nur mit seiner bloßen Präsenz zu einem fassungslosen Moment des Schweigens gebracht. Nina hatte Recht: er sah umwerfend aus. Sein schokobraunes Haar war glatt, glänzend und umrahmte sein hübsches Gesicht perfekt. Der Entfernung wegen konnte ich seine Augen leider nicht näher erkennen, aber sie schienen blau zu sein, was durch die sonnengebräunte Haut noch viel mehr zum Vorschein kam. Wenn ich neben ihm stehen würde, wäre er vielleicht einen Kopf größer als ich. Ich fragte mich, welchen Sport er wohl betrieb. Vielleicht auch Football? Dann würde er sehr gut zu den anderen Footballjungs passen, wobei zu hoffen war, dass er klüger war, als die meisten von ihnen.
»Ich hab’ es dir doch gesagt, Kim. Der Typ sieht ja mal so was von scharf aus«, unterbrach Nina meine Gedanken.
»Du hast leicht untertrieben. Der sieht so richtig mega hammer scharf aus«, pflichtete Catharina ihr bei.
»Allerdings«, schaffte ich es endlich zu murmeln, während meine Augen verfolgten, wie er beim Footballertisch angekommen, von Massen an Schülern umringt wurde, bis er nicht mehr zu sehen war.
»Ich glaube, wenn der nicht so dumm ist, wie die Anderen, dann könnte das auf jeden Fall was werden«, scherzte Susan, als suchte sie nach einem guten Hotel im Internet. Ich lachte über ihre gespielt oberflächliche Art und fing das Grinsen von Nina auf, welches genau den gleichen Gedanken belächelte.
»Hey, die anderen sind auch nicht so doof«, meckerte Cathie.
»Hast du dir mal deren Prüfungen angeschaut? Mason hat mir mal seine Geographieklausur gezeigt. Wenn du die siehst, fallen dir die Augen raus, sag ich dir«
Während die Beiden wieder diskutierten, wandte ich mich lächelnd meinem Frühstück zu. Ich hatte es bis zum Pausenende aufgegessen. Der Unterricht danach zog sich hin, wie die Zeit vor Weihnachten, wenn die kleinen Kinder ungeduldig darauf warteten, die Geschenke auspacken zu dürfen. Als ich zur dritten Stunde, bei Mrs. Grisell, eilte, bot sich mir allerdings ein anderes Bild, als das langweilige Schulleben, das ich in dieser Stunde erwartet hatte. Ich hatte Geschichte mit dem Neuen. Er saß schon auf seinem Platz, als ich den Raum betrat, und las etwas im Geschichtsbuch. Doch als ich auf seinen Tisch zukam, um daran vorbei, zu meinem, zu gehen, sah er auf und erfasste sofort meinen Blick. Obwohl noch viele andere Schüler neben mir in den Raum stürmten, um nicht zu spät zu kommen, hefteten sich seine ozeanblauen Augen nur auf mich und ich verspürte ein komisches Gefühl in mir. Etwas wie ...Verbundenheit? Ich hatte so etwas noch nie zuvor erlebt und doch kam es mir seltsam vertraut vor. Schüchtern sah ich weg und nahm meinen Weg auf.
Cathie erwartete mich schon an meinem Platz. »Wow, wir haben Geschichte zusammen mit dem heißen Neuen«, legte sie sofort los.
Ich grinste sie an »Du hast einen Freund. Vergiss das nicht.«
»Ach Quatsch. Tu ich schon nicht. Außerdem darf ich doch wohl noch schwärmen? Wahrscheinlich hat der sowieso 'ne Freundin. Wie kann so jemand auch Single sein?«
Da hatte sie Recht. Die Vorstellung, dass so ein Typ nicht vergeben war, passte irgendwie nicht zu seinem Aussehen. »Ja, vielleicht hast du Recht«, gab ich zurück. »Weißt du eigentlich wie er heißt?«
»Nee, keine Ahnung. Vielleicht weiß Nina ja irgendwas?«
Ich zuckte nur die Schultern und blieb stumm, weil ich mir vorkam, wie ein hysterischer Groupie, der sich die neusten Informationen über seinen Star beschaffen wollte. Cathie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Rick, der gerade versuchte, die letzten Sätze der Hausaufgaben bei seinem Tischnachbarn abzuschreiben, und ich ließ meinen Blick durch die Klasse streifen, bis er auf dem Neuen kleben blieb. Was hatte dieser Blick von vorhin wohl zu bedeuten? Eigentlich wusste ich gar nicht, warum ich so an ihm interessiert war. Ich meine - ja, ich hatte seit einiger Zeit schon keine Beziehung mehr gehabt, aber ich war nicht oberflächlich. Jedenfalls normalerweise nicht. Das, was ich jetzt gerade tat, war ziemlich oberflächlich.
So in Gedanken versunken, sah ich den Rücken des Jungen an und wachte erst richtig auf, als er sich plötzlich umdrehte und mich anblickte. Für einen kurzen Moment erwiderte ich den Blick, fragte mich, warum er mich so ansah, dann schaute ich peinlich berührt weg. Er hatte mich gerade dabei ertappt, wie ich ihn von hinten angestarrt hatte und ich hatte nicht mal wirklich darauf reagiert – wie peinlich. Um zu überprüfen, ob er danach noch immer hersah, flog mein Blick nochmal zurück und da lächelte er mich an. Es war kein belustigtes Lächeln, sondern ein aufrichtiges; ein Lächeln, das sagte: Hallo du da. Schüchtern riss ich meinen Blick wieder los, als hätte es nicht mir gegolten. Vielleicht hatte es das auch nicht. Vielleicht hatte ich mich nur getäuscht. Vielleicht schielte er. Ach quatsch, das tat er nicht - er hatte mich tatsächlich angelächelt und es hatte wundervoll ausgesehen.
Cathie neben mir hatte davon zum Glück nichts mitbekommen. Sie sah ganz fasziniert zu Mrs. Grisell, die gerade in die Klasse kam und ein altes Stück Papier aus ihrem Rucksack zog, auf dem ägyptische Hieroglyphen zu lesen waren. Der Neue indes drehte sich wieder nach vorne und überließ mir nur seinen muskulösen Rücken zum Anstarren.
»Guten Morgen«, schallte Mrs. Grisells helle Stimme durch den Raum.
»Morgen«, antwortete die Klasse im reinen Durcheinander.
»Heute we- … ach so«, unterbrach sie ihre übliche Heute-werden-wir-uns-mit-dem-und-dem-beschäftigen-Rede. »Das ist der neue Schüler an unserer Schule. Marlon …«, sie sah hinab auf eine Liste, die auf dem Pult lag. »Marlon … Adams. Marlon, kommst du aus England? Dein Nachname ist sehr typisch für diese Gegend«, stellte sie ihn vor und fragte ihn sofort aus.
»Meine Familie stammt aus England. Ich selber bin aber in Requa geboren.« Eine schöne, tiefe Stimme hatte er. Sie faszinierte mich bald mehr, als das, was er sagte. Irgendwie klang sie rau, andererseits aber auch samt. Ich konnte mich nicht ganz dazwischen entscheiden.
»Jetzt haben wir seinen Namen. Und er kommt aus England. Na, wenn das mal keine Infos sind«, flüsterte mir Cathie von der Seite aus zu und grinste.
Allerdings. Aus England zu kommen und dann hier ein Leben aufzubauen war bestimmt nicht einfach. Das europäische Wetter war meist als kalt und nass bekannt, zumindest im Vergleich zu Kalifornien, wo wir lebten. Hier in Arcata war selten schlechtes Wetter. Ich hatte mein ganzes Leben hier verbracht, beinahe jeden Tag. Deswegen waren Kälte und Regen eine Seltenheit für mich.
»Interessant«, sagte Mrs. Grisell in einem üblichen langweiligen Geschichtslehrer-Ton, ehe sie mit dem Unterricht begann.
Als die Stunde schließlich zu Ende war, packte ich meine Sachen und wartete stehend darauf, dass auch Cathie alles eingepackt hatte. Währenddessen beobachtete ich wie Marlon zusammen mit seinem Tischnachbarn Mason Forks durch die Tür ging. Nur kurz bevor er verschwand, drehte sich sein Kopf noch mal zu mir, lediglich um mich anzusehen. Warum tat er das? Seine Augen wirkten so prüfend, aufmerksam. Ich runzelte leicht die Stirn und sah weg.
Als Cathie dann endlich fertig war, ging ich mit ihr zu meinem Spind, wo Susan und Nina schon an der Wand lehnten und auf uns warteten. Unsere Spinde standen alle in einer Reihe, was uns damals, als wir neu auf die Highschool gekommen waren, gewissermaßen zusammengeführt hatte. Seitdem waren wir das unzertrennliche Viererpack, das von anderen wohl als durchschnittlich beliebt angesehen wurde, wobei ich immer das Gefühl hatte, der Schatten meiner drei Freundinnen zu sein. Während sie extrovertiert und offen in die Welt hinaus spazierten, blieb ich meist im Hintergrund, weil ich Angst vor der Reaktion meines Gegenübers hatte. Zu jeder Zeit war ich verängstigt.
Cathie schoss natürlich gleich los: »Ihr glaubt nicht, mit wem wir Geschichte haben.«
Nina sah sie an, wobei schon eine gewisse Ahnung in ihrem Blick schlummerte. »Sag du es uns.«
»Oh, ich glaub, ich kann‘s mir denken«, meinte Susan mit ironischem Unterton.
»Ja?«, warf ich genauso ironisch ein und grinste sie an, während ich die Bücher von gerade gegen Neue eintauschte.
»Mit dem Neuen. Das ist ja nicht gerade schwer zu erraten.« Sie lachte.
»Echt? Das ist ja cool. Wie heißt er denn jetzt?«, fragte Nina begeistert.
»Marlon Adams. Und er ist aus England. Das ist ja so was von cool«, schwärmte Cathie vor sich hin.
»Aus England? Wann ist er dann hierher gezogen?«
»Nein. Seine Familie stammt aus England. Er ist aber hier in Requa geboren«, wandte ich ein.
»Ach so. Trotzdem ist England cool«, erwiderte Susan, doch sie konnte ihre Meinung gar nicht bis zum Ende kundtun, weil Cathie schon theatralisch ihr Gesicht verzog und übermütig den Kopf schüttelte.
»Ja, nass und kalt. Eklig, wenn du mich fragst«, sagte sie.
»England ist nicht eklig«, ließ uns eine schöne, sanfte Stimme verstummen. »So viel regnet es da nicht und kalt ist es auch nicht immer.«
Ich fühlte ein nervöses Kribbeln in mir, als ich mich umdrehte und in Marlons Gesicht sah. Sein Blick war auf Cathie gerichtet, die stocksteif in ihrer Position verharrt war und ihn anstarrte. »Ich ... äh, also ...«, stotterte sie.
Wenn er so nah vor uns stand, war seine Schönheit noch vollkommener. Seine Augen waren tatsächlich blau wie ein weiter, unergründlicher Ozean und leuchteten hell in dem Licht des Schulflurs. Hinter ihm wartete Mason, der leise kicherte. Susan sah ihn böse an.
»Also, ich war noch nie in England. Ich ... ich weiß nicht wie es da ist. Hab’ nur gehört, dass es da so sein soll. Du warst da sicher schon öfter.« Cathie hatte es geschafft, ihre Stimme wiederzufinden.
»Sicher. Besonders im Sommer ist es sehr schön da«, antwortete Marlon und lächelte milde, was einen verdammt hübschen Ausdruck auf sein Gesicht zauberte.
Ich ließ mir seine samte Stimme im Kopf wiederhallen. Er hatte auch einen leichten Akzent, der nicht so stark war wie Cathies, die durch ihre spanischen Eltern immer ein wenig anders sprach. Auch Marlon sprach manche Wörter etwas anders aus, was ich aber schön fand, da es zu ihm passte.
Eine Stille kehrte ein, bis ich meinte, das Wort ergreifen zu müssen. »Sind deine Großeltern hierher gezogen oder deine Eltern?«
Er sah mich an, wobei sich ein warmer Blick der Neugierde in seinen Augen zeigte. Ich wusste nicht ganz, wie ich darauf reagieren sollte, weil mir unklar war, was an mir so interessant sein konnte, dass so jemand wie er neugierig wurde. »Meine Eltern«, antwortete er kurz darauf.
Das war nicht sehr viel, aber ich gab mich damit zufrieden. Als ich dann dastand und darüber nachdachte, was ich antworten sollte, wurde ich wieder nervös. Doch dann ertönte das Läuten der Schulglocke und erlöste mich von dieser Qual.
»Mist«, fluchten Nina und Cathie gleichzeitig.
Ich knallte meine Spindtür zu. »Bis gleich«, sagte ich zu den Anderen.
Auch Marlon und Mason teilten sich auf, wobei ich nicht darauf achtete, in welche Richtung alle verschwanden, da ich schnell zum Unterricht musste. Jetzt stand Mathematik auf dem Plan und Mr. Rothell war nicht gerade ein Lehrer, der vollkommen entspannt blieb, wenn seine Schüler sich gegen die Norm verhielten. Er war aufbrausend und gemein. Nun würde ich auf jeden Fall zu spät kommen, was für mich noch schlimmer war, da Mathe eins der Fächer war, das ich ganz alleine durchstehen musste, weil es keine Nina, Catherina oder Susan gab, die neben mir saßen. Natürlich hatte ich noch andere Freundinnen hier auf der Schule, aber diese drei waren meine engsten, mit denen ich alles durchstand. Nur im Mathematikunterricht war irgendwie niemand da, den ich richtig mochte.
Als ich jedoch den schon leeren Flur durchquerte, hörte ich Schritte hinter mir. Ich drehte mich um und blieb ruckartig stehen. Hinter mir lief Marlon über den Flur. Er sah mich an und lächelte leicht. »Du hast auch Mathematik bei Mr. Rothell?«, fragte er.
»Ja«, gab ich knapp zurück. Jetzt, wo wir alleine waren, fiel es mir schwerer zu sprechen. Er lächelte nur und kam auf mich zu, da ich wartete, damit wir zusammen weitergehen konnten.
»Am ersten Tag schon zu spät zu kommen, macht nicht gerade den besten Eindruck«, sagte er in die Stille hinein. Komischerweise fühlte ich mich schuldig, immerhin hatten wir ihn aufgehalten. Doch er hängte noch ein Lachen dran, was mich beruhigte.
»Nein, nicht wirklich. Wir sollten uns beeilen. Mr. Rothell ist in der Hinsicht etwas empfindlich«, erwiderte ich.
Wir bogen gerade in den richtigen Trakt ein, da blieb er plötzlich stehen. Er drehte sich um und sah mich an. Ich erwartete überrascht irgendetwas Besonderes, bis er fragte: »Welche Tür?«
Statt zu antworten, ging ich an ihm vorbei und klopfte an die Richtige. »Hier«, sagte ich mit einem schüchternen Lächeln. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen.
Hinter der Tür richteten sich sogleich sechsundzwanzig Augenpaare auf uns, inklusive die des Lehrers. Wie immer hatte dieser einen grimmigen Unterton, als er sagte: »Na, Miss Marys? Wie können Sie denn Ihr Zuspätkommen erklären?« Dann sah er von mir zu Marlon und ich konnte schon an seinem Blick erkennen, dass er jetzt irgendwas sagen würde, das mich oder Marlon – oder eben uns beide – ärgern würde. Das tat er gerne mit Neuen. »Und Mr. Adams? Was ist mit Ihnen? Wissen Sie, gleich am ersten Tag zu spät zu kommen, ist genau die Art, sich bei Lehrern beliebt zu machen«, er lächelte sein ekliges Lächeln und sah Marlon auffordernd an.
Wie einfallsreich von ihm. Ich hörte, wie nach seinen Worten trotzdem ein leises Kichern durch die Reihe ganz hinten ging. Natürlich - wie konnte es anders sein: Louis Kampel und Beck Rugh, zwei der Footballspieler ohne Hirn. In einem der Gesichter sah ich jedoch alles andere als Belustigung: Jonas. Ich war mal mit ihm zusammen gewesen, hatte aber nach ein paar Monaten Schluss gemacht, weil plötzlich all meine Gefühle für ihn im Winde verweht waren. Er hatte mir das bis heute nicht verziehen, obwohl es jetzt ungefähr ein halbes Jahr her sein musste. Ich wusste nicht, was er immer noch von mir wollte, da er inzwischen drei Freundinnen gehabt hatte, wobei ich schon lange begriffen hatte, dass das alles nur Fassade gewesen war. Jetzt lag in seinem Blick Eifersucht und Wut. Ich wurde aus ihm nicht schlau. Nachdem ich mit ihm Schluss gemacht hatte, hatte er erst noch versucht, mit mir zu reden und mich dazu zu bewegen, wieder etwas mit ihm zu unternehmen. Nachdem ich ihm klargemacht hatte, dass es keinen Sinn hatte, war er mir aus dem Weg gegangen. Bis heute. Also warum war er jetzt wütend?
Marlons Stimme unterbrach meine Gedanken: »Ich bin heute erst hier angekommen. Ich ...«, er stockte und bevor er noch weiter reden konnte, half ich ihm.
»Marlon musste noch ins Sekretariat und da ich im selben Kurs bin wie er, hat mich Mrs. Shall gebeten, zu warten und ihm dann den Weg hierher zu zeigen.«
Ich sah Mr. Rothells Gesicht, dessen Gefühle sofort unter der üblichen Lehrermaske verborgen wurden. »Na dann, setzen Sie sich bitte.«
Neben mir war der einzige freie Platz, weil ich alleine saß, da in diesem Kurs nur Idioten waren. Hauptsächlich Jungs - nicht, dass ich was dagegen hätte, neben einem Jungen zu sitzen, aber die Jungs in diesem Kurs waren alle nicht auf meiner Wellenlänge. Außer Jonas, aber der hatte nach unserer Trennung auf einen anderen Platz bestanden und saß nun neben Jeff Rond, ebenfalls ein Footballspieler. Jonas selbst war keiner, verbrachte aber dennoch seine meiste Zeit mit ihnen. Die wenigen Mädchen in diesem Kurs waren nicht gerade meine besten Freundinnen. Da gab es Kayla Rickes, eine Zicke, und ihre kleine Freundin Karie Morissen, welche das kleine Abbild dieser Ziege war. Mit den Beiden wollte ich nichts zu tun haben.
Schnell eilte ich zu meinem Platz, dicht gefolgt von Marlon. Als wir saßen, sah er zu mir rüber. »Danke«, flüsterte er.
Ich lächelte ihn nur an und vermittelte ihm so, dass ich es gern gemacht hatte. Allerdings flog dann mein Blick gleich wieder runter auf die Tischplatte. Ich fühlte mich unwohl neben diesem Jungen. Es war wie von Milliarden von Leuten angestarrt zu werden, wenn man genau wusste, dass man im nächsten Augenblick irgendetwas Falsches tun würde. Er musste bessere Gesellschaft gewohnt sein, als die einer kleinen grauen Maus, wie ich eine war.
Marlon
In der Mathematikstunde saß ich neben ihr. Damit war der allererste Schritt getan, denn einen grundlegenden Kontakt hatte ich zu ihr schon mal aufgebaut. Sie war schüchtern und ängstlich, was mich selbst nervös werden ließ. Wann war der richtige Zeitpunkt, um es ihr zu sagen? Gab es diesen überhaupt?
Nervös wurde ich auch durch die anderen Leute in der Schule. Ich konnte zwar gut mit Menschen umgehen und sie so manipulieren, wie ich sie haben wollte, aber es war hier so anders, als ich es gewohnt war. In der Mathematikstunde vor der ganzen Klasse zu stehen, hatte mich total verunsichert. In solchen Situationen zeigte sich dann doch meine Unsicherheit. Wie lange hatte ich das nicht mehr erlebt? Es war Ewigkeiten her. Doch ich musste es tun, damit ich bei ihr sein und bald wieder nach Hause konnte.
Die Schulglocke ertönte und beendete meine Gedanken. Rasch packte ich meine Sachen zusammen und stand auf. Kimberly erhob sich im selben Moment wie ich und ich achtete darauf, neben ihr aus dem Raum zu gehen. »Kommst du mit in die Mensa?«, fragte sie zögerlich, denn offenbar fühlte sie sich dazu genötigt, mich aus Höflichkeit anzusprechen, wenn ich ihr so nah war.
Ich fand es irgendwie süß, wie schüchtern sie war, da ich von den meisten Mädchen eine ganz andere Verhaltensweise gewohnt war, wenn sie auf mich trafen. Meine Augen betrachteten die weißblonden Haare, die glatt bis zu ihrer Brust hinab fielen. Ihre Augen waren tiefgrün. Sie sahen in ihrem bleichen Gesicht faszinierend dunkel aus, was sie mysteriös anziehend wirken ließ. »Ja. Ich ...«, ich stockte. Wie konnte ich ihr das sagen? »Ich ... hab‘ noch nicht so viele Freunde hier.« Ein schiefes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
»Du bist ja auch erst seit heute hier. Da ist das doch ganz normal«, sagte sie.
In der Mensa angekommen, wusste ich nicht ganz, was ich als nächstes tun sollte. Aber ich musste bei ihr bleiben, also schlängelte ich mich einfach hinter ihr durch die Menschenmenge. Und wenn ich Menschenmenge sagte, dann meinte ich auch Menge. Denn überall, wo man hinsah, konnte man nur Schüler erkennen. Heute Morgen war es hier noch nicht so voll gewesen, was vermutlich daran lag, dass jetzt die zweite Pause und damit Essenspause war. Bei der Essensausgabe war jedenfalls eine riesige Schlange. Wenn die alle ihr Essen haben wollten, dann standen die letzten wahrscheinlich noch bis heute Abend hier.
»Das ist immer so in der Mittagspause«, erklärte mir Kimberly. »Morgens ist es zum Glück nicht ganz so schlimm.«
Ich sah mich skeptisch um. »Wie lange steht man denn hier an, um sein Essen zu bekommen?«, fragte ich. Ich hatte einen riesigen Hunger, aber so lange wollte ich nicht auf mein Essen warten.
»Na ja, fast jeder hier hat da so seine Methoden.« Sie grinste mich an, hielt den Blickkontakt aber nicht lange und schaute wieder weg.
»Und die wären?«
»Ich habe so etwas, wie einen Essen-hol-Plan, mit meinen Freundinnen. Diejenige, die am frühsten aus dem Unterricht kommt, beziehungsweise nicht so einen weiten Weg in die Mensa hat, besorgt das Essen der anderen gleich mit. So hat jeder sein Essen, wenn er ankommt, ohne lange warten zu müssen«, erklärte sie.
Ich runzelte die Stirn. Das war natürlich eine Möglichkeit - wenn man viele Freunde hatte. Mir bot sich das jedoch nicht an, schließlich kannte ich hier ja noch niemanden.
»Tut mir leid. Du musst dich jetzt natürlich anstellen«, brachte sie es auf den Punkt und presste ihre Lippen aufeinander.
Na prima, dachte ich ironisch. Doch die Aussicht mit leerem Magen die letzten Schulstunden herum zu bekommen, erschien mir erträglicher als jene, noch bis zum Ende der Pause in der Schlange zu stehen. Also würde ich lieber hungern.
»Hey, Marlon.« Mit einem ordentlich gefüllten Tablett kam Mason auf mich zu. Er hatte mir in der ersten und zweiten Stunde geholfen, mich etwas zurecht zu finden, und in Geschichte hatte er neben mir gesessen. Jetzt sah er mich an und grinste. »Ich habe mir gedacht, dass du so spät kommst und hab‘ dir schon mal Essen besorgt. Ich weiß nicht ... magst du das hier?«
Er hob das Tablett an, auf dem Kartoffelsalat, neben einem winzigen Stück Fleisch, auf einem Teller lag. Daneben dasselbe nochmal und zwei Gläser Wasser. Überrascht sah ich ihn an. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. »Ja klar. Danke«, sagte ich verblüfft und nahm einen der Teller und ein Glas Wasser vom Tablett, damit es sich darauf nicht so stapelte.
»Gut, dann lass‘ uns doch da hinten hinsetzen, ich stell‘ dir die anderen vor.« Ich sah rüber zu dem Tisch, auf den er zeigte. Ein Gefühl von Unsicherheit machte sich wieder in mir breit, denn ich fühlte mich ein wenig hin und hergerissen. Da ich in seiner Gegenwart nicht so nervös war wie bei Kimberly, würde ich mich instinktiv lieber zu ihm setzten. Andererseits musste ich bei ihr bleiben, um mehr Kontakt aufbauen zu können.
»Oh, hi Kim«, sagte Mason zu ihr, als hätte er sie vorher gar nicht bemerkt.
Bevor ich etwas sagen konnte, wie: ›Ist es okay, wenn ich mich mit zu ihnen setze?‹ oder: ›Ich kann mich auch mit zu dir setzen‹, sagte sie: »Okay, dann bis nachher vielleicht.«
Schnell drehte sie sich um und marschierte weg. Ich beobachtete sie noch, wie sie ihren Teller nahm und irgendetwas zu ihren Freundinnen sagte. Der Lärm hier in der Mensa verhinderte jedoch, dass ich verstehen konnte, was sie ihnen sagte, aber es hatte anscheinend Wirkung und ihre Freundinnen hakten nicht nach.
Mason schien nicht zu bemerken, dass eigentlich sie diejenige gewesen war, die mich hierher geführt hatte. Er ging einfach auf den Tisch zu, an dem seine Freunde saßen, und ich folgte ihm. Was hatte ich auch für eine andere Wahl?
Eigentlich verlief mein erster Schultag aber insgesamt ganz gut. Ich kam mit allen zurecht, auch im Unterricht kam ich ganz gut mit, obwohl ich Schule an sich hasste. Aber das aller Wichtigste war, dass ich zu Kimberly Kontakt aufgenommen hatte. Ich hatte den ersten Schritt getan. Der erste Schritt von vielen.
Ihre Schüchternheit und Ängstlichkeit würde es schwerer machen, es ihr zu sagen. Wahrscheinlich würde sie mehr Angst vor dem haben, was ich ihr erzählen musste, als besonders selbstbewusste Personen. Wie es dann hinterher werden würde, musste Kimberly selbst entscheiden. Ich wusste, dass es schwer war. Ich wusste, wie es sich anfühlte. Ich wusste, dass man Angst hatte. Große Angst. Sie war ja nicht die Einzige, die das durchmachen musste. Aber es war meine Mission und ich musste sie durchführen, ob es mir nun gefiel oder nicht.
Kimberly
Am nächsten Morgen kam ich in der ersten Pause als Dritte an den Tisch. Während Cathie über ihr gestriges Treffen mit Brian sprach, aß ich mein Sandwich und beobachtete, wie sich Marlon auf der anderen Seite des Raums immer wieder unauffällig zu mir umdrehte und einen prüfenden Blick auf mich warf. Jedes Mal, wenn er das tat, sah ich schnell wieder zu Cathie, schielte aber zu ihm rüber, wenn er wieder weg schaute. Was hatte er nur? Und was wollte er von mir? Obwohl ich mich geschmeichelt fühlen sollte, wenn mir so ein süßer Typ, wie er, hinterher sah, war ich beunruhigt. Dieser Blick – er war so prüfend und unheimlich, überhaupt nicht normal.
Endlich war diese peinliche Situation vorbei, als es zur dritten Stunde läutete. Ich verabschiedete mich von meinen Freundinnen, denn jetzt hatte ich Mathe, aber anstatt dem, wie sonst, freudig entgegen zu sehen, hatte ich ein unwohles Gefühl im Bauch. Was, wenn er mich die ganze Stunde über so mustern würde, wie er es während der Pause getan hatte?
Marlon saß bereits auf seinem Platz, als ich den Raum betrat. Mit einem einfachen »Hey« ließ ich mich auf meinen Stuhl sinken.
Er sah mich an. »Morgen«, erwiderte er.
Im gleichen Moment kam Mr. Rothell ins Zimmer gestürzt. Ein mürrisches »Morgen« reichte ihm aus, ehe er sofort mit dem Unterricht begann, dem ich heute überhaupt nicht folgen konnte. Unauffällig - aber nicht unauffällig genug, dass ich es nicht bemerkt hätte - sah Marlon immer wieder kurz zu mir rüber. Ich versuchte dieses Verhalten zu ignorieren, da ich mich nicht traute, seinen Blick zu erwidern. Wenn er nicht so komisch gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht über die Aufmerksamkeit gefreut, die mir ein solch gutaussehender Junge widmete. Sie vielleicht als Interesse gedeutet. Doch es war eine andere Aufmerksamkeit. Sie schien kontrollierend, besitzend und wissend. Was verstörend für mich war.
Zum Glück war diese Stunde bald vorbei und ich konnte den Klassenraum verlassen. Schnellen Schrittes lief ich den Flur entlang, aber es brachte nichts. Denn schon nach wenigen Sekunden hatte mich der braunhaarige Junge eingeholt. »Welche Aufgabe sollen wir noch mal machen?«, fragte er mich.
»Dreizehn«, antwortete ich knapp und griff nervös an den Träger meiner Tasche.
Er notierte es sich auf einem kleinen zerknüllten Zettelchen, welches er in der Hand hielt. »Hast du das mit den proportionalen Dings verstanden?«
Ich konnte es nicht fassen. Er redete mit mir, als hätte er mich nicht schon seit heute Morgen angestarrt. Was wollte er nur? Vielleicht war es mit ihm genauso, wie mit den Footballern: sie sahen alle toll aus, aber waren strohdoof und manchmal einfach komisch. Es mangelte ihm offenbar an zwischenmenschlicher Sensibilität. Marlon sah mich an, was mir bewusst machte, dass ich nicht geantwortet hatte. »Nein«, war danach meine knappe Antwort.
Er runzelte die Stirn, denn es schien ihm jetzt doch aufzufallen, dass ich ziemlich abweisend wirkte. »Hast du einen schlechten Tag oder so? Weil du redest nicht viel.«
Er fragte mich, ob ich einen schlechten Tag hatte? Wie konnte er das beurteilen, wenn er mich doch gar nicht kannte? Innerlich war ich am Brausen, doch ich konnte mich gerade noch zurückhalten, ihm nicht alles an den Kopf zu werfen. Stattdessen sagte ich einfach nur »Hmm« und ging noch ein Stück schneller. Ich bog um die Ecke und sah glücklicherweise in dem Moment wie Susan, Cathie und Nina an unseren Spinden lehnten und gerade weitergehen wollten, als sie mich entdeckten. Schnell ging ich auf sie zu und begrüßte sie, während ich aus den Augenwinkeln sah, wie Marlon an uns vorbei ging, jedoch nicht ohne mir noch mal einen Blick zuzuwerfen, den ich diesmal erwiderte. Jetzt war es an ihm, schnell wegzuschauen. Ich konnte nur hoffen, dass er vielleicht gemerkt hatte, warum ich so einen schlechten Tag hatte.
Die restlichen Stunden gingen zum Glück schnell vorbei und ich sah Marlon nur noch selten. Zweimal im Gang. Immer wenn ich in seine Richtung sah, konnte ich gerade noch so erkennen, dass er mich angesehen hatte. Denn jedes Mal, wenn ich den Kopf zu ihm drehte, drehte er seinen weg. Und dann sah ich ihn natürlich in der zweiten Pause in der Mensa, wo es genau so war, wie in der ersten Pause. Ich sah weg, wenn er mich ansah und wenn er nicht her guckte, schaute ich ihn an. Das war verrückt. Ich war verrückt, denn ich sollte mir eigentlich nicht so viel daraus machen. Es konnte mir eigentlich egal sein. Warum achtete ich aber dann so darauf?
Am nächsten Morgen hatte ich einen Entschluss gefasst: ich würde Marlons Verhalten einfach ignorieren. Ich ging nicht davon aus, dass ich das konnte, aber einen Versuch war es zumindest wert. In der Schule angekommen, war mein guter Vorsatz aber alles andere als leicht umzusetzen. Mir kam es bald so vor, als wäre er überall. Jedes Mal ereilte mich ein merkwürdiges Gefühl, das ich überhaupt nicht zu deuten wusste. Es wurde in der Mathematikstunde noch schlimmer, als dieser gutaussehende, so mysteriöse Junge wieder neben mir saß und noch immer seine Augen nicht bei sich lassen konnte. Bei Fragen antwortete ich ihm bloß knapp und nur so viel wie nötig, woraufhin er immer seine Stirn runzelte. Doch er sagte nichts dazu, wofür ich ihm dankbar war.
Zuhause wartete jede Menge Arbeit auf mich. Ich half meinen Eltern immer gerne, da ich auf diese Weise Zeit mit ihnen verbringen und mich mit ihnen unterhalten konnte. Das kam ansonsten nämlich so gut wie nie vor. Mein Dad war so eine Art Chef in einer Agentur für Männermode, obwohl er selber leider nicht viel von dem Tragen modischer Kleidung hielt. Ich hatte mich schon immer gefragt, warum er dann einen solchen Job betrieb, doch meine Mom meinte dazu immer nur: solange er seine Arbeit gut mache und Spaß daran hatte, wäre es doch egal, ob er Zuhause in Designerklamotten rumliefe oder nicht. Sie selbst arbeitete nicht, half jedoch ab und zu mal irgendwo aus.
An diesem kühlen Abend lag ich in meinem Bett und sah aus dem Fenster, hinein in den Sternenhimmel. Es war eine wunderschöne Pracht von kleinen leuchtenden Punkten, auf schwarzem Hintergrund, mit einem Mittelpunkt: dem Mond. Da ich dadurch jedoch noch immer nicht einschlafen konnte, stand ich seufzend auf. Meine Beine trugen mich zum Spiegel hinüber, der an der Wand hing. Im Mondlicht sah meine Haut noch blasser aus, als sie ohnehin schon war. Mein brustlanges Haar leuchtete silbern im Schein des Mondes. Es war weißblond, wie meine Mutter und mein Bruder es hatten. Glatt fiel es an meinem Körper herab und umrahmte mein Gesicht. Die intensiv grünen Augen leuchteten dadurch besonders stark, denn sie bildeten den Kontrast zu den hellen Haaren und der hellen Haut.
Locker fuhr ich mir mit den Händen durch mein Haar. Vielleicht hatte Nina ja doch Recht und es kam mir nur so vor, als wäre es zu dünn. Andererseits - wenn sie mit allem Recht hatte, müsste ich eine wunderhübsche Blondine sein, mit einer tollen Figur und einem super Körperbau. So in etwa beschrieben sie mich. Doch das Einzige, was ich an mir mochte, waren meine Augen. Das tiefe Grün stach heraus wie eine Oase in der Wüste. Verschieden helle oder dunkle Grünstreifen bildeten das Muster auf dem Dunkelgrün, das die Grundfarbe zu sein schien. Auch wenn das eingebildet klang - ich fand, ich hatte sehr schöne Augen. Ansonsten empfand ich mich allerdings als kleines graues Mädchen, das nur versuchte, dazuzugehören.