Gertrud Teusen
Kleine Schilddrüse –
große Wirkung
Alles über Hashimoto, Über- und Unterfunktion
Impressum
ISBN 978-3-641-21437-1
V001
1. Auflage
© 2017 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
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Projektleitung: Martha Sprenger
Redaktion: Herta Winkler
Umschlaggestaltung: Atelier Versen, Bad Aibling
Illustrationen: Nadine Schurr
Herstellung: Reinhard Soll
Satz & Layout: Nadine Clemens, München
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Inhalt
Vorwort
Kapitel 1: Multitalent Schilddrüse
Lage, Größe und Form
Der geregelte Hormonhaushalt
Schilddrüse & Stoffwechsel: Alles und Nichts?
Stoffwechselstörungen – wenn die Chemie nicht stimmt
Multiplayer Schilddrüse
Ohne Jod geht es nicht
Kapitel 2: Die Schilddrüse – rundum gesund!
Jod und Salz – die perfekte Kombination
Soja – gar nicht so gesund?
Vitamine, Mineralstoffe & Spurenelemente
Das macht der Schilddrüse zu schaffen
Kapitel 3: Die Schilddrüse mischt mit: Viele Aufgaben – viele Beschwerden
Schilddrüse und Grundumsatz
Schilddrüse und Körpergewicht
Schilddrüse und Herzkraft
Schilddrüse und Diabetes
Schilddrüse und Psyche
Von einem Extrem ins andere
Kapitel 4: Wann Sie zum Arzt müssen …
So finden Sie den richtigen Arzt
Vorbereitung auf den Arztbesuch
Anamnese – das Patientengespräch
Ultraschalluntersuchungen und andere bildgebende Verfahren
Im Fokus: Die Laboruntersuchungen
Die Szintigrafie
Nächste Schritte
Kapitel 5: Wenn die Schilddrüse aus dem Takt gerät
Latente Schilddrüsenüberfunktion
Schilddrüsenautonomie
Akute Schilddrüsenentzündungen
Morbus Basedow (Immunhyperthyreose)
Latente Schilddrüsenunterfunktion
Schilddrüsenunterfunktion
Hashimoto-Thyreoiditis
Kapitel 6: Wenn sich die Schilddrüse verändert
Schilddrüsenvergrößerung – die Struma
Knoten in der Schilddrüse
Verkleinerung der Schilddrüse
Tumore in der Schilddrüse
Kapitel 7: Die Schilddrüse ist weiblich
Typisch Frau?
Schilddrüse und Libido – Schluss mit der Lust
Schilddrüse und Zyklusstörungen
Schilddrüse und (unerfüllter) Kinderwunsch
Schilddrüse und Schwangerschaft
Schilddrüse und Wechseljahre
Kapitel 8: Therapien – so wird behandelt
Jede Schilddrüsentherapie ist einzigartig
Hormontherapie bei Schilddrüsenunterfunktion
Schilddrüsenunterfunktion braucht mehr als nur Hormone
Nährstoffe, die (nicht nur) die Schilddrüse braucht
Schilddrüsenüberfunktion hemmen
Radiojodtherapie – hilfreiche Strahlen
Operation – ganz oder gar nicht?
Glossar
Vorwort
»Bitte bleiben Sie am Apparat. Sie werden sofort mit der nächsten freien Mitarbeiterin verbunden.« Sicher kennen Sie diese Ansage von verschiedenen Hotlines. Erstaunlicherweise begegnet man ihr manchmal auch, wenn man sich auf die Suche nach einem Facharzt für Schilddrüsenerkrankungen, dem Endokrinologen, macht. Für die Recherche zu diesem Buch war ich natürlich auf der Suche nach kompetenten Gesprächspartnern. Ich habe sie gefunden, aber es war nicht leicht. Und vor allem habe ich sie nicht dort gefunden, wo ich sie ursprünglich gesucht habe. An dieser Stelle möchte ich mich – stellvertretend für die vielen Unterstützer – bei Barbara Schulte von der Schilddrüsenliga Deutschland e.V. (Bonn) bedanken.
Man müsste nun denken, dass es viele Mediziner gibt, die sich mit einem so wichtigen Organ auskennen. In der Praxis ist es jedoch so, dass es überwiegend die Hausärzte sind, die eine erste Diagnose stellen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Diagnose »Schilddrüse« häufig ein Zufallsbefund.
Trotzdem sind Schilddrüsenerkrankungen weit verbreitet. Aufklärungsarbeit zu leisten war deshalb eines meiner Ziele und diesem widmet sich die erste Hälfte dieses Buches. Patienten mit einer Diagnose bzw. mit einem konkreten Verdacht finden dann wertvolle Informationen im zweiten Teil.
Dieses Buch zu schreiben war eine große Herausforderung. Ich hätte noch viel mehr Seiten damit füllen können. Falls Sie auf den kommenden 160 Seiten nicht finden sollten, was Sie suchen oder noch konkreteren Informationsbedarf haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an die Selbsthilfe-Initiativen. So gibt es beispielsweise bei der Schilddrüsenliga Deutschland e.V. weiterführende Broschüren auch zu eher seltenen Erkrankungen, die Sie dort (www.schilddruesenliga.de) anfordern können.
Nun lade ich Sie aber ein, Ihre Schilddrüse ein bisschen besser kennenzulernen. Für die Suche nach einem kompetenten und hilfsbereiten Experten wünsche ich Ihnen viel Glück – und lassen Sie sich durch lästige Warteschleifen nicht entmutigen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen »Gute Besserung«
Gertrud Teusen
Kapitel 1
Multitalent Schilddrüse
Die relativ kleine Schilddrüse ist für einen gesunden Organismus extrem wichtig. Sie beeinflusst alle möglichen Körperfunktionen und kann auf unterschiedlichste Weise die Lebensqualität mindern. Sind beispielsweise zu viele oder zu wenige Schilddrüsenhormone im Blut, geraten bei vielen Menschen die Psyche, das Herz-Kreislauf-System und das Körpergewicht aus der Balance. Die betroffenen Patienten fühlen sich einfach nicht mehr wohl in ihrer Haut. Dabei sind es oft viele Kleinigkeiten, die in der Summe extrem lästig sind.
Lage, Größe und Form
Die Schilddrüse liegt im Hals, und zwar kurz unter dem Kehlkopf und vor der Luftröhre. Im gesunden Zustand ist sie so klein, dass sie von außen kaum gesehen oder ertastet werden kann. Beim Schlucken allerdings bewegt sich der Kehlkopf und die Schilddrüse gleich mit. Durch diese Schluckbewegungen kann der geübte Blick des Facharztes feststellen, ob die Schilddrüse in Form und Größe auffällig verändert ist. Das ist zwar keine gesicherte Diagnose, sondern nur ein wertvoller Hinweis darauf, ob weitere Untersuchungen notwendig sind.
Die Schilddrüse ist ungefähr so groß wie eine Walnuss. Bei einer Frau wiegt das Organ etwa 18 Gramm und beim Mann kann es bis zu 25 Gramm wiegen. Durch ihre Position erhielt die Schilddrüse ihren Namen: Sie liegt nämlich wie ein Schild, umgeben von Halsmuskeln, vor der Luftröhre. Als Drüse wird sie bezeichnet, weil die Hormonproduktion ihre wichtigste Aufgabe ist.
Die Schilddrüse hat – mit ein bisschen Fantasie betrachtet – die Form eines Schmetterlings. Sie hat zwei Seitenlappen mit einem Verbindungssteg (Isthmus) in der Mitte. Die Seitenlappen bestehen aus kleinen Drüsenläppchen, den Lobuli. Diese wiederum teilen sich in winzige Bläschen (Follikel) auf. Hinter der Schilddrüse liegen vier pfefferkorngroße Nebenschilddrüsen. An sich ist die Schilddrüse (rein optisch) ein eher unscheinbares Organ, doch hier entstehen die Stoffe, die den ganzen Körper beeinflussen – die Schilddrüsenhormone.
Alle eineinhalb Stunden fließt das gesamte Blut eines Menschen einmal durch die Schilddrüse. Damit ist sie etwa vier- bis fünfmal stärker durchblutet als zum Beispiel die Niere – und das nicht ohne Grund: Die Schilddrüsenhormone, im Wesentlichen T3 (Trijodthyronin) und T4 (Tetrajodthyronin oder Thyroxin), mischen im Körper fast überall mit. Unter ihre Regie fallen beispielsweise das Herz-Kreislauf-System, die Verdauung, der Knochenaufbau und sogar die Psyche.
Der geregelte Hormonhaushalt
Die Schilddrüse ist ein hormonproduzierendes Organ und somit Teil des sogenannten endokrinen Systems. Der geregelte Hormonhaushalt, der durch die Schilddrüsenhormone in Gang kommt, ist, neben dem Nervensystem, das zweitgrößte körpereigene Netzwerk. Die Aufgabe dieses Netzwerks ist es, wichtige Kommunikations- und Steuerungsabläufe im Körper anzuregen und zu optimieren. Dazu gehören so wichtige Bereiche wie Körperwachstum und Knochenstruktur, Verdauung und Fortpflanzung.
Endokrine Drüsen
Davon gibt es im Körper mehrere: Zirbeldrüse, Hypothalamus, Hirnanhangdrüse, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Nebenniere und Bauchspeicheldrüse sowie die weiblichen bzw. männlichen Geschlechtsorgane. Jede einzelne dieser Drüsen produziert bestimmte chemische Stoffe, also Hormone, die ins Blut abgegeben und zu bestimmten Zielorganen transportiert werden. Dort bewirken sie den Aufbau, die Veränderung oder die Funktion bestimmter Körperzellen.
Ganz allgemein sind Hormone chemische Botenstoffe, die über den Blutkreislauf zu allen möglichen Körperbereichen transportiert werden. Dabei hat jedes Hormon ein spezielles Ziel, nämlich eine Zelle, an die es andockt und eine Veränderung bzw. Funktion in Gang setzt. Im Falle der Schilddrüsenhormone ist es im Wesentlichen eine Beschleunigung oder Verlangsamung der ursprünglichen Zellaktivitäten.
Obwohl es (vgl. Kasten) viele Drüsen im Körper gibt, so sind diese doch jeweils hochspezialisiert und voneinander unabhängig. Allerdings werden sie alle von der Hirnanhangdrüse gesteuert und vom Hypothalamus, der der Hypophyse vorgeschaltet ist, kontrolliert.
Die Hirnanhangdrüse (auch Hypophyse genannt) ist ein etwa erbsengroßes Organ und zugleich doch der Taktangeber der meisten hormonproduzierenden Drüsen. Sie liegt im Zwischenhirn und ist eng mit dem Hypothalamus verbunden. Acht verschiedene Hormone werden dort produziert – für die Schilddrüse relevant ist vor allem das TSH.
Wenn man nun die Funktionsweise der Schilddrüse verstehen möchte, so kann man sich diesen Regelkreis in etwa so vorstellen:
Im Hypothalamus wird das Hormon TRH produziert. Es wird auch als Thyreotropin releasing hormone bezeichnet. Dieses Hormon wird an die Hypophyse weitergeleitet, die damit sozusagen den Auftrag erhält, ein weiteres Hormon zu produzieren: das TSH. Je mehr TSH ins Blut abgegeben wird und auf diesem Weg in die Schilddrüse gelangt, desto intensiver ist die Reaktion der Schilddrüse: Sie produziert quasi als Antwort T4- und T3-Hormone (sowie einige andere, vgl. hier). Diese werden einerseits in der Schilddrüse gespeichert und andererseits ebenfalls ins Blut abgegeben.
Die Hormonproduktion der Schilddrüse wird also über die Hypophyse initiiert und dem jeweiligen Bedarf angepasst. Ist ein gewisser Level an Schilddrüsenhormonen im Blut erreicht, wird die Produktion wiederum über Hypothalamus und Hypophyse gedrosselt.
Die Schilddrüsenwerte, die beispielsweise durch Laboruntersuchungen ermittelt werden, zeigen also nicht nur, ob die Schilddrüse an sich arbeitet, sondern auch, ob und wie gut der Regelkreis zwischen Schilddrüse und Hirnanhangdrüse funktioniert.
Nun gehört es auch zum Gesamtverständnis dieses komplexen Vorgangs, die einzelnen Protagonisten genauer zu betrachten:
Ganz allgemein gibt es zwei Gruppen: Das TSH nennt man im medizinischen Fachjargon auch zentraler Schilddrüsenwert (Thyreotropin). Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 werden als periphere Schilddrüsenwerte bezeichnet.
Der zentrale Schilddrüsenwert
Die Abkürzung TSH steht für Thyreotropin. Im Fachjargon wird dieses Hormon auch als Thyreoidea stimulating hormone bezeichnet. Der Name gibt zugleich einen guten Hinweis auf die Aufgabe, nämlich die Stimulierung der Hormonproduktion in der Schilddrüse. TSH wird von der Hypophyse produziert und über die Blutbahn zur Schilddrüse transportiert. Dort angekommen, regt es die Aufnahme von Jod an und fördert damit die Produktion von T4 und T3.
Schilddrüsenhormone und ihre Normbereiche
Schilddrüsenhormone |
Normalwerte |
T3 |
1,4 – 2,8 nmol / l |
fT3 (freies T3) |
2,2 – 5,5 pg / ml |
T4 |
71 – 142 nmol / l |
fT4 (freies T4) |
0,6 – 1,8 ng / dl pmol / l |
Thyreotropin (TSH) |
0,4 – 2,5 mU / l |
Die peripheren Schilddrüsenwerte
Als periphere Schilddrüsenwerte bezeichnet man T3 und T4.
Die Abkürzung für Trijodthyronin ist T3.
Das ist das wirkungsvollste Schilddrüsenhormon und bleibt bis zu 19 Stunden im Organismus, bevor es abgebaut wird.
Die Abkürzung für Thyroxin bzw. L-Thyroxin ist T4.
Diese T4-Hormone sind chemisch gesehen überwiegend eine Vorstufe zum T3. Deshalb kursieren in der Regel dreimal mehr T4-Hormone im Organismus als T3. Sie werden bedarfsgerecht in den Körperzellen umgewandelt.
Freies T3 und T4 (auch fT3 und fT4)
Sie gehören ebenfalls zu den peripheren Schilddrüsenhormonen. Während T3 und T4 nicht frei im Blut zirkulieren, weil sie an ein sogenanntes Transportprotein (das ist eine Eiweißform) gebunden sein müssen, können freie T3- und T4-Hormone ungebunden als Botenstoffe durchs Blut zirkulieren.
Das wichtigste Bindungseiweiß ist das Thyroxin bindende Globulin (TBG).
Zu den Schilddrüsenhormonen gehört auch das Calcitonin. Dieses Hormon steuert den Kalzium- und Phosphathaushalt. Erhöhte Werte können unter anderem auf Schilddrüsenerkrankungen hindeuten.
Schilddrüse & Stoffwechsel: Alles und Nichts?
Eine der wichtigsten Funktionen der Schilddrüse ist die Regulierung des Stoffwechsels. Doch was ist überhaupt der Stoffwechsel? Der Stoffwechsel ist Teil der Verdauungsabläufe im Organismus. Bei der Verdauung geht es darum, körperfremde Substanzen – also Nahrung – in körpereigene Substanzen umzuwandeln. Diesen Umwandlungsprozess, den die Nahrung dabei durchläuft, nennt man Stoffwechsel (im Fachjargon Metabolismus). Er beginnt im Mund und endet im Darm.
Metabolismus (oder Stoffwechsel) ist der Oberbegriff für alle chemischen Vorgänge im Körper. Diese finden auf zwei Ebenen statt:
Zuerst wird die Nahrung in ihre Grundbausteine zerlegt. Das sind Eiweiße (Proteine), Fette und Kohlenhydrate. Diese wiederum werden nochmals aufgespalten in Aminosäuren bei den Proteinen, Fettsäuren und Glyzerin bei den Fetten und Einfachzucker bei den Kohlenhydraten. Im Körper werden diese Bestandteile zur Energiegewinnung und zum Aufbau körpereigener Substanzen genutzt.
An diesen komplizierten Vorgängen im Körper sind mehrere hundert verschiedene Enzyme (also stoffwechselanregende Substanzen) beteiligt. Fehlt nur eines von ihnen, so gerät die sensible Balance im Organismus bereits aus dem Gleichgewicht. Man fühlt sich irgendwie unwohl. Halten die Unstimmigkeiten längere Zeit an, wird man richtig krank.
Funktioniert die Verdauung reibungslos, dann fühlen wir uns energiegeladen, leistungsfähig und gesund. Das bedeutet aber auch, dass unser Körper mit allen Nährstoffen versorgt wird, die er braucht. Damit das reibungslos klappt, werden Nahrungsmittel während des Verdauungsprozesses aufgespalten und zerlegt, sodass der Körper daraus Energie und Nutzen ziehen kann.
Nährstoffe gelangen hauptsächlich durch den Dünndarm in den Organismus. Über den Blutkreislauf werden alle Organe und im Endeffekt jede Zelle des Körpers mit dem versorgt, was sie brauchen. Im Gegenzug wird alles, was nicht gebraucht wird, ausgeschieden. Auch dafür sorgt der Stoffwechsel. Die komplizierten Stoffwechselvorgänge finden überall im Körper statt und sorgen auch dafür, dass Giftstoffe entfernt werden, bevor sie Schaden anrichten können. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass im Körper Schlacken und Giftstoffe zurückbleiben, wenn der Stoffwechsel nicht richtig funktioniert. In der Folge entstehen unterschiedlichste Erkrankungen – und auch deshalb haben Fehlfunktionen der Schilddrüse so viele unterschiedliche Symptome.
Stoffwechselstörungen – wenn die Chemie nicht stimmt
Wenn bestimmte chemische Abläufe im Körper nicht so ablaufen, wie sie sollen, gerät der Stoffwechsel aus dem Takt. Im Wesentlichen unterscheidet man drei Bereiche:
Was sind Enzyme?
Enzyme sind Eiweißkörper, die als Beschleuniger der chemischen Vorgänge im Körper fungieren. Es gibt Tausende von Enzymen, die jeweils eine andere chemische Struktur haben. Dieser individuelle Aufbau legt fest, welche Reaktionen im Körper dadurch gesteuert werden. Jede Körperzelle produziert die verschiedensten Enzyme, die Nährstoffe beeinflussen, aufspalten und verändern, sodass diese für die Zelle, das Gewebe oder das Organ nützlich sind. Ohne sie wäre jegliche Nahrung nutzlos, weil die entsprechenden Organe oder Körperzellen mit ihr nichts anfangen könnten.
Multiplayer Schilddrüse
Die Rolle der Schilddrüse spielt sich vornehmlich in den Zellen ab. Der sogenannte Zellstoffwechsel hat unterschiedliche Auswirkungen. Unter anderem können die Zellen mehr Sauerstoff und Kohlenhydrate (Zucker) aufnehmen, wenn sie ausreichend durch Schilddrüsenhormone versorgt werden. In einem nächsten Schritt wirkt sich das positiv auf die Verdauung und den Blutdruck aus. Auch die Körpertemperatur wird dadurch reguliert. Da Stoffwechselvorgänge im ganzen Körper stattfinden, profitieren von einem ausgeglichenen Hormonstatus auch die Nervenzellen und die Gehirntätigkeit. Deshalb haben Schilddrüsenfehlfunktionen auch Auswirkungen auf die Psyche und das seelische Gleichgewicht.
Damit allein ist es aber nicht getan. Ein Multiplayer mischt überall irgendwie mit – hier eine kleine Auswahl:
Als Hauptindiz für eine Fehlfunktion der Schilddrüse wird ein veränderter Grundumsatz gewertet. Im Volksmund kennt man ja den »guten« bzw. »schlechten Futterverwerter«. Bei manchen Menschen bilden sich Fettpölsterchen schon dann, wenn sie eine Schokolade anschauen – die anderen können so viel essen, wie sie wollen, und nichts setzt sich fest. Plötzlicher Gewichtsverlust bzw. Gewichtszunahme kann einen Hinweis auf ein Schilddrüsenproblem sein – muss es aber nicht. Auch wer ständig friert oder häufig schwitzt, leidet unter Umständen an einer Schilddrüsenfehlfunktion.
Das Herz-Kreislauf-System ist eine sensible Angelegenheit und Probleme können mannigfaltige Ursachen haben. Schilddrüsenfehlfunktionen machen auch mal einen hohen Puls oder eben einen extrem langsamen. Aus den gleichen Gründen kann der Blutdruck ansteigen oder sinken. Die Herzleistung wird so oder so in Mitleidenschaft gezogen.
Widersprüchlich sind auch die Reaktionen des Nervensystems und der Psyche auf einen Schilddrüsenhormonmangel oder -überschuss. Man ist antriebslos oder hyperaktiv, ewig müde und findet trotzdem keinen Schlaf, depressiv oder aufgekratzt – bei alldem denkt niemand zuerst an die Schilddrüse – oder?
Auch kosmetische Probleme bringt man nicht automatisch mit der Schilddrüse in Verbindung: Ist die Haut zu trocken und kühl oder zu warm und gerötet, könnte das auf eine Schilddrüsenfehlfunktion hinweisen. Auch Haarausfall oder brüchige Fingernägel können hierin ihre Ursache haben. Selbst geschwollene Augen und Lidränder gehen oft auf das Konto einer unausgeglichenen Hormonbilanz.
Verstopfung oder Durchfall, man nimmt zu oder ab – der Jojo-Effekt ist ganz häufig schilddrüsenindiziert. Ebenso wie auffällige Leberwerte, erhöhte Cholesterinkonzentrationen und ein schwankender Blutzuckerspiegel für eine Schilddrüsenbeteiligung sprechen können – aber eben nicht müssen.
Da Schilddrüsenhormone auch auf den Kalziumstoffwechsel Einfluss nehmen, steigt das Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Und weil die Nieren entweder besonders gut oder besonders schlecht durchblutet sind, muss man vielleicht viel öfter auf die Toilette, als einem lieb ist. Alternativ kann auch Wasser im Gewebe eingelagert werden, wenn die Schilddrüse nicht richtig funktioniert.
Dieser kleine Überblick macht deutlich, dass es für alle möglichen Schilddrüsensymptome aus ärztlicher Sicht oft auch noch ganz andere Gründe geben kann. Doch das Offensichtliche ist nicht immer das Richtige. In der Konsequenz haben viele Schilddrüsenpatienten einen langen Ärztemarathon hinter sich, bevor eine Schilddrüsenfehlfunktion festgestellt wird. Kapitel 3 dieses Buches beschäftigt sich nochmal ausführlich und differenziert mit den widersprüchlichen Beschwerden und Symptomen – und den Konsequenzen daraus.
Ohne Jod geht es nicht
Die Schilddrüse braucht Jod, um ihre lebenswichtigen Hormone bilden zu können. Jod ist DAS Spurenelement, das die Schilddrüse dringend braucht, um ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können. Jod wird über die Nahrung aufgenommen – und gerade das ist hierzulande ein Problem.
Weil nämlich die Böden in Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz zu wenig von diesem Spurenelement liefern können, wird Jod in diesen Ländern seit Jahren dem Salz beigegeben und als sogenanntes »Jodsalz« verkauft. Daran ist nichts Verwerfliches und auch nichts Schädliches, wie manche Naturfreunde unterstellen. Im Gegenteil: Es ist eine einfache Art und Weise, den Körper mit diesem Stoff zu versorgen.
Fakt ist, der Körper braucht Jod, damit er reibungslos funktionieren kann. Insbesondere die Schilddrüse ist darauf angewiesen, ihr droht eine Unterfunktion, wenn zu wenig Jod aufgenommen wird. Bei Kindern riskiert man durch einen ausgeprägten Jodmangel Entwicklungsstörungen. Nehmen beispielsweise Schwangere zu wenig Jod auf, können ihre Kinder geistig behindert zur Welt kommen.
Den wenigsten ist das bewusst: Rund 30 Prozent der Erwachsenen achten gar nicht darauf, ob sie Jod in ausreichender Menge zu sich nehmen. Bei Kindern und Jugendlichen, die einen erhöhten Jodbedarf haben, sind die Zahlen sogar noch dramatischer.
Schuld daran ist vor allem die Tatsache, dass wir überwiegend industriell gefertigte Lebensmittel zu uns nehmen. Denn in solchen Fertigprodukten ist überwiegend KEIN Jodsalz verarbeitet, das fand der Arbeitskreis Jodmangel heraus. Die Ursachen sind unterschiedliche Regelungen innerhalb Europas, die Exporte verkomplizieren, aber auch die ablehnende Haltung mancher Verbraucher.
Doch: Die normale Ernährung deckt den Jodbedarf kaum. Der Mangel in Deutschland und Österreich wäre sicher noch größer, wenn das Salz nicht jodiert wäre. Ohnehin decken Nahrungsmittel ohne angereichertes Salz den Jodbedarf nur ungefähr zur Hälfte.