NEO-Story 12
Jespers Reise
Eine PERRY RHODAN NEO-Erzählung
von Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Cover
Rückentext
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Jesper ist sechzehn Jahre alt und wächst auf einer Azoreninsel auf. Die Umgebung ist wunderschön, mitten in der Natur fühlt sich der Jugendliche wohl. Doch er leidet darunter, dass seine Eltern sich von der Außenwelt abkapseln.
Sein Vater ist nämlich ein Weltraumleugner. Er glaubt nicht, dass es fremde Planeten gibt, auf denen Außerirdische leben. Und er kann sich nicht vorstellen, dass Menschen wie Perry Rhodan bereits mit Raumschiffen durch das All reisen. Entsprechende Berichte hält er für erlogen und gefälscht.
Jesper kann sich mit dieser Sicht auf die Welt nicht abfinden. Er will die Zukunft erleben, möchte nach Terrania reisen. Seine Fahrt zur Hauptstadt der Erde wird für den Jugendlichen zu einem unglaublichen Abenteuer ...
Vor der Krise
Die Sonne schien, es stank nach Schwefel, und ich aß einen Maiskolben – natürlich frisch in der Erde gekocht. Das war der besondere Stolz der Einheimischen.
Und zugegeben, es schmeckte prima.
Das Leben auf der Insel bot durchaus angenehme Seiten. Der Schwefelgestank zählte nicht dazu, doch auch daran gewöhnte man sich mit der Zeit.
Ich beobachtete gern die Touristen, die in den Sommermonaten an den heißen Quellen vorbeispazierten und das Gesicht wegen des Gestanks der Dampfwolken verzogen. Sie kamen üblicherweise auf die Azoreninseln, um Ruhe zu finden. Aber ausgerechnet an diesem Ort hielten sie es nicht lange aus – obwohl es nirgends sonst mehr Friede gab. Ich kannte nichts Beruhigenderes als das Blubbern der Quellen und die eigentümliche Hitze in der Luft.
»Schau dir das an!«, rief eine Frau – ziemlich laut, um trotz des Tosens gehört zu werden, das so nahe bei der größten Quelle alles übertönte. »Wie auf einem anderen Planeten!«
Da war es wieder, das Drama meines Lebens.
Was der Begleiter der Touristin antwortete, hörte ich nicht mehr, und der Appetit auf den Maiskolben, den die geothermische Hitze im Erdboden durchgegart hatte, verging mir gründlich.
Wie auf einem anderen Planeten.
Für die meisten Leute war diese Vorstellung völlig normal. Für mich nicht. Genauer gesagt: für meine Familie nicht. Und noch genauer gesagt: für meinen Vater nicht.
Denn für ihn gab es keine anderen Planeten. Also, die Planeten schon – so verschroben war nicht mal mein Dad. Aber er akzeptierte nicht, dass es dort fremde Intelligenzen gab, und erst recht nicht, dass wir seit fast einem Jahr in Kontakt mit Außerirdischen standen.
Er glaubte es einfach nicht.
Nach allem, was passiert war, glaubte er es nicht!
Und damit machte er mein Leben zur Hölle.
Schon der sechzehnjährige Sohn eines Weltraumleugners zu sein, war ziemlich übel. Deshalb mochte ich mir nicht vorstellen, wie es sein musste, mit einem Weltraumleugner sogar verheiratet zu sein. Jedes Mal, wenn ich meine Mutter ansah, erkannte ich aber, dass sie nicht zufrieden war.
Dad war als Spinner verschrien, auf der ganzen Insel kannten die Einheimischen seine Einstellung inzwischen. Sie hielten ihn für verrückt, womöglich stimmte das auch. Vielleicht galt das für mich genauso. Er war mein Vater, oder?
Wie konnte man leugnen, dass es außerirdisches Leben gibt? Fast ein Jahr, nachdem Perry Rhodan auf dem Mond die Arkoniden getroffen hat ... nachdem die Fantan die Erde besucht hatten? Man musste sich nur Bilder dieser Leute anschauen und irgendwelche wahllosen Berichte im Netz ansehen, um zu wissen, dass das die seltsamsten Aliens aller Zeiten waren!
Aber mit Beweisen durfte man meinem Dad nicht kommen. Gefälscht, sagte er. Weil die uns angeblich für dumm verkauften. Wer die waren, erklärte er nie; wahrscheinlich wusste er es selbst nicht. Mal meinte er die Regierung, mal den einen oder anderen ominösen Geheimbund, mal diejenigen, die sich hinter der Maske der NASA versteckten. Ich hatte nie gefragt, was er damit sagen wollte; die Antwort konnte ich mir ausmalen. Verrücktes Zeug, eben.
Ich warf den Rest des Maiskolbens in die Quelle. Das mit hohem Druck aus der Erde sprudelnde Wasser schleuderte ihn zurück. Er landete ein paar Meter entfernt auf dem rot gemusterten Felsboden und kullerte davon. Ein Zaun verhinderte, dass man dorthin kam – dabei wäre ohnehin niemand dumm genug, freiwillig in das Gebiet zwischen den kochenden Quellen zu klettern. Schon der intensive Gestank schreckte ab, von den Verbrühungen, die man bei einem Spaziergang dort davontrüge, ganz zu schweigen.
»... gesehen?«, hörte ich. »Einfach den Maiskolben weggeworfen.«
»Wir mischen uns da nicht ein«, sagte eine zweite Stimme, die eines Manns diesmal.
Ich drehte mich um. Ein Pärchen stand dort, Hand in Hand. Sie mochten siebzehn, achtzehn Jahre alt sein. Kaum älter als ich. Sie war hübsch, mit ihrem langen, braunen Haar. Und beide waren normal, bestimmt keine Kinder von Weltraumleugnern. Stattdessen fuhren ihre Eltern mit ihnen in Urlaub – ein, zwei Wochen auf den Azoren, wie klingt das?
Und mein Dad? Der floh vor der Welt, vor den Medien, vor der Wahrheit. Wir ziehen dorthin, wo andere Urlaub machen, hatte er gesagt. Das klang sogar gut, solange man seine Motive nicht durchschaute. Auf der kleinen Insel São Miguel kannte ihn niemand, dort lebte es sich einsam, dort konnte er seinem verschrobenen Weltbild frönen. Oder uns schützen, wie er es nannte.
Das war ungerecht.
Und es machte mich wütend.
Mein Gesicht wurde kalt. Meine Nase. Ich sah meinen Atem als Wölkchen vor dem Hintergrund des Schwefeldampfs über der Quelle.
»Nein«, flüsterte ich. »Nicht!«
Das Mädchen schaute mich an. Es grinste.
Sie denkt, dass ich ein Spinner bin, der mit sich selbst redet.–