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Res Perrot

Tells Rache

Ein freier Fall für Grossenbacher

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Zum Buch

Rache kommt teuer Wachtmeister Paul Grossenbacher von der Kriminalpolizei des Kantons Zürich wird früh morgens an einen Tatort gerufen. Was er auf einer Straßenkreuzung vorfindet, hätte seiner Meinung nach auch die Verkehrspolizei erledigen können. Ein Mann wurde von einem LKW mitgerissen. Doch der Fahrer des Wagens sagt aus, dass der Mann an einem Seil befestigt über der Kreuzung hing. Genauere Untersuchungen ergeben, dass das Opfer vor seinem Tod gefoltert wurde. Grossenbacher hat sofort das organisierte Verbrechen im Verdacht. Denn wer sollte sich sonst die Mühe machen, den Mann derart öffentlich auszustellen? Es muss eine Warnung sein. Nachdem sich herausstellt, dass der Tote Arzt war, lässt Grossenbacher dessen Praxis durchsuchen. Aber ein Motiv für den Mord findet er dort nicht. Haben die Täter etwa den Falschen gerichtet? Eine geschwätzige Zahnarzthelferin bringt Grossenbacher schließlich auf eine Spur.

Res Perrot, 1960 als Berner in Zürich geboren. Aufgewachsen im Bernbiet, lebt er heute wieder im Kanton Zürich. Nach dem Besuch der Schule für Gestaltung in Bern arbeitete er als Grafiker, Art Director und Creative Director in verschiedenen Werbeagenturen, bis er sich selbstständig machte. Als Musiker tourte er mit diversen Formationen und war an einigen Schallplattenproduktionen als Bassist oder Produzent beteiligt. Seit ein paar Jahren widmet er sich dem Schreiben und mit Hammer, Meißel und Leidenschaft der Bildhauerei. Das vorliegende Buch ist der fünfte Grossenbacher-Krimi.

 

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

Tells Grab (2016)

Tells Söhne (2014)

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2017

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Res Perrot

ISBN 978-3-8392-5536-0

Widmung

Für Ueli, den Namensgeber

Zitat

»Denn was immer im Wasser herabfällt oder im Luftreich, muss, je schwerer es ist, umso mehr sein Fallen beeilen, deshalb, weil die Natur des Gewässers und leichteren Luftreichs nicht in der nämlichen Weise den Fall zu verzögern imstand ist, sondern im Kampfe besiegt vor dem Schwereren schneller zurückweicht: Dahingegen vermöchte das Leere sich niemals und nirgends wider irgendein Ding als Halt entgegenzustellen, sondern es weicht ihm beständig, wie seine Natur es erfordert. Deshalb müssen die Körper mit gleicher Geschwindigkeit alle trotz ungleichem Gewicht durch das ruhende Leere sich stürzen …«

Aus dem Werk ›De rerum natura‹ (Über die Natur der Dinge) des römischen Dichters und Philosophen Lukrez, 55 v. Chr.

Prolog

Er konnte es fühlen. Der Mann stand genau über ihm. Er spürte die physische Nähe und roch förmlich seinen Adrenalinausstoß. Er selbst lag bäuchlings auf feuchter Erde und war gefesselt. Seine Arme waren in den Ellenbogen auf dem Rücken zusammengebunden. Er spürte einen festen Druck im Nacken und sein Gesicht wurde seitwärts in den weichen Waldboden gedrückt. Dürre Fichtennadeln bohrten sich in seine Wangen. Er konnte sie nicht sehen, nur spüren. Etwas verklebte seine Augen.

Es war kalt und es war Nacht, so glaubte er wenigstens. Er befand sich nicht mehr in einem Zelt, er spürte den kalten Nachtwind. Es roch modrig. Dann kroch Zigarettenrauch in seine Atemwege. Wie er diesen Geruch hasste. Er weckte schlechte Erinnerungen. Erinnerungen an die Kindheit. An seine Kindheit. Der Rauch kitzelte in der Nase. Er musste niesen.

Er vernahm Schritte. Jetzt zwei Männerstimmen. Sie sprachen leise in einer fremden Sprache. Über ihm. Angestrengt versuchte er etwas mitzubekommen. Doch er verstand keine der slawischen Sprachen.

So verharrte er bewegungslos, bis der Druck im Nacken nachließ. Kräftige Hände packten ihn an den Beinen und schleiften ihn über den Waldboden. Sein Kinn schlug an Steinen und Wurzeln auf. Dann wurde er wieder fallen gelassen. Einer der Männer hockte sich auf ihn. Dessen Knie bohrte sich in seinen Rücken. Das Gewicht presste ihm die Luft aus den Lungen. Finger fuhren in sein Haar. Mit einem Ruck wurde sein Kopf zurückgezogen.

Auch in dieser Position konnte er nichts sehen. Seine Augen waren weiterhin verklebt. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass er sie geöffnet hatte, denn die Lider klebten an irgendwas. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Krächzen hervor. Er hustete und schnappte nach Luft.

Er versuchte es noch einmal, denn er hatte das Gefühl, dass er etwas zu seiner Rettung vorbringen sollte, musste. Wieder drang nur ein unverständliches Röcheln aus seiner überspannten Kehle.

Er glaubte zu spüren, wie das Unheil näherkam. Es umschlich und beäugte ihn, gerade so, als ob es etwas von ihm wollte. Es war unabdingbar.

Durch das Zurückreißen des Kopfes hatte sich das Klebeband etwas von der Wange gelöst, sodass er durch den entstandenen Schlitz ein Paar Stiefel erkennen konnte. Die groben Schuhe entfernten sich. Doch nur wenige Meter, wie er hörte, dann blieben sie stehen. Eine Hand durchquerte das Blickfeld. Für einen Augenblick schien im Ausschnitt alles eingefroren. Bis die Hand wieder auftauchte. Sie war jetzt zu einer Faust geballt, die einen großen Zeltnagel umspannte.

Der Mann hat einen Hering aus dem Boden gerissen, dachte er. Wofür? Dann hörte er, wie das Eisen auf einen Stein geschlagen wurde. Wohl um die Erde aus der Kerbe zu klopfen. Er fragte sich, warum er sich auf solche Nebensächlichkeiten konzentrierte, statt nach einem Ausweg aus seiner misslichen Lage zu suchen.

Schon lange hatte keiner mehr ein Wort gesprochen, nur die ersten Vögel in den Baumwipfeln hörte er. Der Griff in seinen Haaren lockerte sich. Hoffnung keimte auf. Hatte er sich getäuscht? Vielleicht war das die Strafaktion gewesen? – Doch eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen.

Die Stiefel kamen wieder zurück und blieben genau vor ihm stehen. Er sah Beine, die in verschmutzten Hosen steckten. Der Mann ging in die Hocke.

Mit einem erneuten Ruck wurde sein Kopf in die Höhe gerissen und festgehalten. Er stöhnte und die Zunge schien in den Rachen zu rutschen. Er würgte, rang nach Luft und wusste, jetzt war es soweit.

Hände fixierten seinen Kopf wie in einem Schraubstock.

Ohne Vorwarnung rammte der Mann den Hering quer durch seine beiden Wangen und den aufgerissenen Mund. Gleichzeitig knirschte es grauenhaft in seiner Mundhöhle. Zwei Backenzähne wurden herausgebrochen. Blut spritzte aus den aufgerissenen Wunden. Er schrie. Er schrie und dabei schoss immer mehr Blut aus seinem Mund. Der Mann über ihm presste sein Gesicht wieder in die Erde, um seine Schreie zu dämpfen.

Halb ohnmächtig brüllte er vor Schmerzen in den modrigen Waldboden.

1. Kapitel

»Gr.ss.nb.ch.r!«, tönt es verschlafen aus dem Tischlautsprecher.

Genau um 10.51 Uhr klingelt das Telefon bei der Notrufzentrale. Vom Eingang des Anrufes bis zur Weiterleitung an die Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich vergehen genau sechs Minuten. Rückverfolgung des Anrufes zwecks Verifizierung plus weiterer administrativer Aufwand inbegriffen.

DC Lüthi ist gerade dabei, einen Nicorette-Kaugummi aus dem Blister zu pulen, als er den Anruf entgegennimmt. Unbeteiligt hört er zu und steckt sich gleichzeitig den Zigarettenersatz in den Mund. Während er mit dem Hörer am Ohr dem Bericht folgt, wählt er auf einer zweiten Linie die Büronummer eines Kriminalbeamten, welcher seiner Meinung nach Kapazität frei hat, und wartet darauf, dass sich am anderen Ende etwas tut.

Wachtmeister Paul Grossenbacher sitzt, seit er am Morgen in aller Herrgottsfrühe ins Büro gekommen ist, an seinem Pult und müht sich mit dem Verfassen von Berichten ab, welche er schon vor Wochen abliefern sollte. Er überlegt sich gerade, ob das Entsorgen derselben im Papierkorb nicht effizienter wäre, als ihn die erste Welle der heimtückischen Krankheit somnum interdiu überrollt. Und er weiß aus Erfahrung, mit der Tagesmüdigkeit ist nicht zu spaßen. Er schlüpft aus seinen Gummistiefeln und stellt sie ordentlich neben das Pult. Genüsslich lehnt er sich in den gepolsterten Sessel und schwingt die Füße auf den unfertigen Bericht. Ein gehörnter Ehemann, welcher beim Versuch, seiner Frau hinterherzuspionieren, von der Leiter gestürzt ist. Anschließend hat er gegenüber der Polizei behauptet, es sei ein Mordversuch, denn der Geliebte seiner Frau habe ihn mutwillig von der Leiter gestoßen. Grossenbacher wusste von Anfang an, dass die Sache zum Himmel stinkt, und überführte den Mann bereits beim ersten Gespräch der falschen Verdächtigung. Denn die brunftige Ehefrau war an einer Tupperware-Party bei einer Freundin und nicht beim mutmaßlichen Geliebten, was leicht zu beweisen ist. Grossenbacher kann den Mann als Voyeur und Spanner der Ermittlungsabteilung Allgemeine Kriminalität übergeben.

Nach zehn Minuten gedankenfreiem Dahindösen merkt er, wie unbequem und schädlich seine Haltung auf dem Stuhl ist. Es zerrt und zwickt überall und er fragt sich, warum die Designer von staatlichen Office-Möbeln nicht auf das Wohlbefinden von hart arbeitenden Staatsangestellten Rücksicht nehmen. Es kann doch nicht sein, dass man sich bei der Büroarbeit verletzt oder gar körperliche Schäden davonträgt. Jeder hat schon von Bandscheibenvorfall und Konsorten gehört. Schrecklich, wenn man bedenkt, dass man sich im Dienste für die Allgemeinheit bleibende Schäden zuziehen kann. Büroinvalidität – eine drohende Gefahr für Staatsbeamte.

Es gibt doch Schrankbetten und Kastenbetten, dachte Grossenbacher. Warum dann keine Korpusbetten? So wie man das Schrankbett herunter- oder ein Feldbett ausklappt, könnte man die Schubladen des Möbels so auseinanderziehen, dass eine ebene Liegefläche entsteht. Aus einem 70 Zentimeter tiefen Korpus mit drei mit weichen Polstern gefüllten Schubladen lässt sich so in zwei Griffen ein Liegebett von 2,10 Metern Länge herstellen. Gerade genug, um darauf bequem die Bürozeit zu verbringen. Und ein weiterer Vorteil dieses Designentwurfes sind die Rollen. Damit lässt sich die Notschlafstelle ohne großen Aufwand an ein ruhiges Plätzchen schieben.

Man sollte diese Neuerung spätestens beim Bezug des neuen PJZ einführen. Sozusagen für den Schlaf der Gerechten. Und Grossenbacher weiß auch schon einen Namen für seine Erfindung. Das Bürobett sollte in Anlehnung an seinen ursprünglichen Zweck und den Ort, wo es stehen wird, nicht ›Corpus Delicti‹, sondern ›Corpus da-leg-di‹ heißen.

Grossenbacher weiß aber auch, dass seine Innovationskraft nicht gefragt ist, und nimmt sich darum vor, bei der kommenden Sitzung zur Umsetzung der nächsten Reorganisation einen Antrag für Bürobetten zu stellen. Doch seine Überlegungen werden unterbrochen, als Fehr seine Bürotür aufreißt. Seine Assistentin steckt den Kopf hinein: »Ah, du bist schon da. Ich habe Kaffee und Gipfeli mitgebracht. Möchtest du?«

»Jap«, kommt die dankbare Antwort.

Grossenbacher hat gerade sein Gebäck in den Kaffee getunkt und anschließend in seinen Mund geschoben, als sein Telefon klingelt.

»Gr.ss.nb.ch.r!«, bröselt er in den Hörer und alles, was an sein Ohr dringt, sind ebenfalls Schmatzgeräusche. Doch er ist Detektiv genug, um sofort zu wissen, wer auf der anderen Seite am Apparat kaut. Darum ist Grossenbacher sofort auf der Hut, denn wenn Lüthi anruft, artet es für ihn meist in Arbeit aus. Er stopft sich schnell den Rest des Hörnchens in den Mund, denn man weiß ja nie, wann und wo man bei so viel Mühsal wieder etwas zwischen die Zähne kriegt. Ohne sich lange mit Nettigkeiten aufzuhalten – denn Zeit ist Geld und er muss noch einige Berichte abfassen – schluckt er und fragt gleichzeitig: »W.s w.llst d.?«

»Wir haben einen Ladi. Zentralstrasse 19 in Dietikon, Filiale der Kantonalbank. Und, Paul, vergiss nicht, gleich die Spusi mitzunehmen, denn ich denke, wir kommen, wie meistens in solchen Fällen, sowieso zu spät. Aber vielleicht können die Techniker wenigstens Fingerabdrücke oder sonst einen Hinweis finden.«

»Eh, halt, halt!« Grossenbacher greift zum Rest des Gebäcks. »Lüthi, du hast dich wohl verwählt. Für solche Fälle ist erstens die Stapo zuständig und zweitens nicht wir vom Leib und Leben, sondern die vom Sachdingsbums oder Strukturblabla.«

»Paul, schon klar. Du musst mir die interne Organisation nicht erklären, wie du sicher weißt, war ich im Ausschuss für die Reorganisation.«

»Man sieht, wo das hinführt. Der DC weiß nicht mehr, wer für was zuständig ist. Aber merk dir das. Für Ladis bist du definitiv falsch bei mir.«

»Nein, man sagt mir, dass die Stapo um Hilfe gebeten hat. Normalerweise würde ich den Notruf auch bei der Ermittlungsabteilung Strukturkriminalität platzieren. Aber die sind zurzeit völlig am Anschlag. Darum habe ich mir gedacht, du könntest aushelfen. So kommst du wieder einmal an die frische Luft. Also, langer Rede kurzer Sinn: Du übernimmst den Fall! Keine Widerrede.« Lüthi legt auf, noch bevor Grossenbacher etwas sagen kann.

Grossenbacher zögert. Denn diese Art von Befehlsausgabe erinnerte ihn an eine dunkle, längst vergangene Zeit. Damals hatte ihn der DC, wie jetzt eben, als Aushilfe für die Stapo beinahe ins eigene Grab geschickt. Nun, wenn das so ist, denkt sich der Wachtmeister von der Kriminalpolizei des Kantons Zürich, habe ich jetzt zu tun, und Arbeit macht bekanntlich müde. Aus Erfahrung weiß er auch, dass man nie gut fährt, wenn man zu schnell oder gar übermüdet losrennt. Denn am Ende schaut mehr heraus, wenn man die Dinge gleich von Anfang an in aller Ruhe angeht. Ebenso aus Erfahrung weiß er, dass ein Ladi nicht verwesen und folglich auch nicht stinken kann. Ganz im Gegensatz zu einem agT. Also kann er den Besuch getrost auf den Nachmittag verschieben und inzwischen sein Ohr liebevoll an den Bürosessel lehnen. Mit geschlossenen Augen überlegt sich Grossenbacher tatsächlich für ein paar Sekunden, ob er nicht einfach seine Assistentin Fehr schicken soll, denn was ist ein Ladi schon für einen Polizisten wie ihn. Nichts! Jedenfalls keine Aufgabe, höchstens Wasser in die Limmat getragen. – Allerdings weiß er, dass er seit einiger Zeit unter Beobachtung steht. Besonders, seit er damals den herumschnüffelnden McKinsey-Mann eigenhändig vor die Tür setzte, als er ihn beim Durchsuchen seines Büros überraschte. Auftrag des Regierungsrates hin oder her, aber was das Herumspionieren mit der Effizienzsteigerung des Polizeiapparates zu tun haben sollte, konnte ihm im Nachhinein niemand erklären. Was wiederum dazu führte, dass seine Tätlichkeit nur in Anführungs- und Schlusszeichen mit einem Verweis endete. Andere Kapo-Mitglieder kamen nicht so glimpflich davon. Der McKinsey-Berater leistete ganze Arbeit. Er kehrte den Laden so lange von unten nach oben, bis nichts mehr an seinem Platz war. Der Polizeiapparat samt Führung wurde so gründlich beraten, dass zum Schluss und weil wohl niemand mehr den Durchblick hatte, sogar der Chef der Kripo ausgewechselt wurde. Der neue Chef ist jetzt eine Chefin und heißt Jette Lærke Moser.

Dass er immer noch unter Beobachtung steht, kümmert ihn herzlich wenig, denn ein Rauswurf würde seiner strapazierten Seele vielleicht sogar guttun. Also? Grossenbacher hebt trotzdem vorsichtig seinen Kopf von der Kunstlederpolsterung, wuchtet seine 100 Kilo aus dem Stuhl und macht sich auf den Weg in die Agglo.

2. Kapitel

Der Mann, der sich über das Geländer der Zürcher Quaibrücke lehnt, sieht nicht aus, als würde er wirklich springen – obwohl es vielleicht für alle besser wäre, wenn er’s täte. Jedenfalls denken dies einige Menschen, die ihn besser kennen oder lieber nicht kennen würden. Ab und zu, wie gerade jetzt, denkt er sogar selbst, dass es vielleicht das Beste sei, wenn er all dem ein Ende machen würde.

Ununterbrochen schleicht hinter dem jungen Mann der Verkehr über die frisch sanierte Brücke, die sich mit sanfter Wölbung über die Grenzlinie zwischen See und Limmat spannt. Und plötzlich macht der junge Mann, aus der Distanz würde man ihn höchstens auf 24, vielleicht 26 Jahre schätzen, eine unbeherrschte Vorwärtsbewegung. Sein Oberkörper schnellt vor und für einen kurzen Augenblick scheint es, als schwebe er über dem Abgrund. Doch er fällt nicht. Er will auch nicht fallen. Er ist noch nicht so weit. Seine Hände klammern sich mit eisernem Griff ans Brückengeländer. Ein Zittern geht durch seinen Körper, das sich auf die Brüstung überträgt, sodass die Sprossen wie eine Harfe zu singen beginnen.

Wie jeden Tag ist das Rondell ums Bellevue seeaufwärts komplett verstopft, und in der Gegenrichtung sieht es auch nicht viel besser aus – das alttägliche Chaos an Zürichs schönstem Verkehrsknoten mit Aussicht. Und die Zeit scheint im besten Fall stehen zu bleiben oder noch schlimmer, man hat sogar das Gefühl, sich rückwärts zu bewegen. Ein Tram der Linie 8 scheucht mit seiner schrillen Glocke eine japanische Touristengruppe, welche sich mit den Doppeltürmen des Großmünsters im Hintergrund fotografieren lassen will, von der Trasse. Aufgeschreckt vom Geräusch stieben die fernöstlichen Besucher wie aufgescheuchte Hühner über die Gleise und gackern freundlich lächelnd allerlei Unverständliches. Doch plötzlich bleiben sie stehen, denn auf einmal wissen sie nicht mehr, ob sie sich vor der mittelalterlichen Stadtkulisse oder vor dem Tram ablichten lassen sollen. Zürich scheint für die Touristen wie ein Gang auf dem Estrich in Großmutters Haus. Alles wirkt ganz schön alt und arg verstaubt.

Eine Windböe wirbelt Staub vom Kiesweg hinter dem Utoquai-Bad in die Luft, eine Plastiktüte in den See und die gegelte Frisur des jungen Mannes, der sich immer noch ans Geländer klammert, durcheinander. Es ist ein windiger, aber erstaunlich warmer Frühjahrstag. Zürich glänzt wie schon lange nicht mehr. Die föhnklaren Glarner Alpen stechen scharf aus dem Himmel hervor, als wären sie nur 550 Meter weit entfernt. Die Strahlen der Mittagssonne brechen sich auf dem bewegten See. Er funkelt und glitzert mit den Auslagen an der nahen Bahnhofstrasse um die Wette.

Für einen erfolgreichen Selbstmord ist die Brücke mit einer Höhe von knapp fünf Metern ungeeignet. Die Wassertemperatur beträgt laut Wetterseite des Tages-Anzeigers von heute immerhin 11,2° Celsius. Also zu wenig zum Baden, aber zu viel zum Sterben.

Der klein gewachsene, sportliche junge Mann mit dem spitzen, dreieckigen Gesicht ist sich sicher, dass er nicht genau weiß, warum er sich gerade jetzt entschlossen hat, mit allem aufzuhören. Er hat einfach genug. Und er weiß ganz genau, dass, wenn er den Absprung jetzt nicht schafft, er ihn nie schaffen wird. Er würde sprichwörtlich vom Regen in die Traufe kommen. Ein Teufelskreis. Und er ist sich bewusst, dass er so oder so abstürzen wird!

Der schwarz gekleidete Mann lehnt sich so über die Balustrade, als würde er sein Spiegelbild auf dem See um Hilfe bitten wollen. Ein scharf geschnittenes, kantiges Gesicht grinst aus dem grauen Wasser zurück. Aber nur für einen kurzen Augenblick, dann gleiten zwei Schwäne vorbei und sein Gesicht verzerrt sich in den Bugwellen zu einer unkenntlichen Fratze.

Noch einmal wandert sein Blick über den See. Ist es Traurigkeit in seinen Augen oder nur einfache Enttäuschung? Weit draußen, vorn beim Zürichhorn, flitzen zwei Segelschiffe mit arger Krängung durch das Zürcher Seebecken. Die Gischt spritzt und wird vom Wind weit übers Wasser getragen. Gedankenverloren drückt er mit Daumen und Mittelfinger die beiden Narben. Die Haut unter seinen Fingern fühlt sich uneben und knubbelig an. Die Ränder der Wundmale sind nicht sauber verheilt. Je länger er darüber massiert, desto mehr Bilder drängen an die Oberfläche. Die Erinnerungen schärfen sich und damit kehrt die Angst zurück. Er erlebt die Ereignisse nochmals so real, als wäre alles erst gestern geschehen. Dabei sind seither zwei Jahre vergangen. Trotzdem ist alles wieder präsent. Zwei kräftige Männer stehen vor seiner Wohnung. Männer, die er nicht kannte. Männer, die er noch nie zuvor sah.

Im selben Augenblick, als er diese Männer in seiner Tür erblickte, wusste er, woher sie kamen. Ihm war sofort klar, wer sie beauftragt hatte, warum man sie losgeschickt hatte und was sie von ihm wollten.

Da konnte nur die Organisation dahinterstecken.

Bis anhin hatte er innerhalb der Organisation nur mit seinesgleichen, Mitgliedern der unteren Chargen, Kontakt. Höchstens noch mit ein paar Fahrern. Trotzdem wusste er sofort – er hatte zuvor das Zuschlagen von Wagentüren unten auf der Straße gehört, hatte sich aber nichts weiter dabei gedacht –, dass sie zu niemand anderem als zu ihm wollten. Wie um seine Überlegung zu bestätigen, bauten sich die zwei Muskelberge vor ihm auf.

Er staunte darüber, dass sein Gehirn nicht verzweifelt nach einem Ausweg suchte, sondern nüchtern festhielt, dass es sich bei den beiden Besuchern um Osteuropäer, vielleicht Rumänen oder Bulgaren handeln musste. Genauso nüchtern stellte er fest, dass es für eine Flucht wohl zu spät war.

Ein unheimliches, beinahe perfides Lächeln umspielt seine Lippen, als er sich aufrichtet und seine stahlblauen Augen auf die immer noch schneebedeckten Spitzen der Glarner Alpen richtet. Vrenelisgärtli überstrahlt im Sonnenlicht die Nachbargipfel und der Tödi ist zum Greifen nah. Er überlebte es. Den Besuch. Aus einer unerklärlichen Assoziation heraus fragt er sich, ob es wohl ein Leben nach dem Tödi gibt? Ein alter Witz, den er irgendwo aufschnappte. Er ahnt nicht, dass er die Frage schneller beantworten kann, als ihm selber lieb sein wird.

Er versteht auch nicht, warum ihm in seiner schwierigen Situation solch einfältige Gedanken durch den Kopf schießen. Trotzdem ist er sicher, dass er diesmal alles so eingerichtet hat, dass sie ihn nicht noch einmal am Absprung hindern können. Minutiös und mit größter Sorgfalt hat er in den vergangenen Wochen alle erdenklichen Spuren, die auf ihn zurückführen konnten, verwischt und zur Sicherheit sogar ein Paar falsche Fährten gelegt. Er ist mit seiner Arbeit zufrieden und kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Plan nicht funktionieren wird. Ein durchaus befriedigendes Gefühl und ein Anflug von Freiheit.

Das Telefon in seiner Tasche piept. Eine SMS: »Lust? 10 Min.«

»Gute Idee, warum eigentlich nicht«, brummt der junge Mann in den Wind und stößt sich vom Geländer ab. Die Worte fliegen ungehört übers Wasser. Er dreht sich vom Wind weg und versucht, sich eine Zigarette anzuzünden. Der Rauch verliert sich zwischen den stauenden Autos auf der Quaibrücke. Er raucht, obwohl er es hasste. Der Stress, denkt er. Sowie er sich in Bewegung setzt, beschließt er, auch damit wieder aufzuhören. Genau wie die andere Sache am morgigen Freitag. Es wird das letzte Mal sein. Also eine Art Abschiedsgeschenk.

3. Kapitel

Das Telefon auf Aline Bosshards Bürotisch klingelt ungeduldig. Ihr Arbeitsplatz ist nicht besetzt und niemand in der offenen Bürolandschaft macht Anstalten, den Hörer abzunehmen. Als sich endlich die Tischnachbarin hinüberlehnt, um den Anruf entgegenzunehmen, verstummt der Apparat, als hätte er Angst vor der fremden Hand. Es herrscht wieder arbeitsame Ruhe. Nur das arrhythmische Geklapper, das entsteht, wenn gleichzeitig mehr als vier Hände Computertastaturen bearbeiten, füllt den Raum. Irgendwo läutet ein Mobiltelefon und eine unterdrückte Stimme nuschelt etwas Unverständliches. Eine andere Person verlässt den Raum. Nach fünf Minuten kehrt die gleiche Person zurück und zieht den Geruch von Rauch hinter sich her. Raucherpause.

Das Telefon auf Aline Bosshards Bürotisch klingelt abermals. Diesmal ist die Tischnachbarin schnell genug.

»Galli, am Anschluss Bosshard.«

Sie hört kurz zu und unterbricht den Anrufer: »Nein, entschuldigen Sie, sie ist zurzeit leider nicht an ihrem Platz.« Sie wird unterbrochen, erklärt dann vehementer: »Nein, sie ist in einer internen Sitzung. Kann ich …«

Der Anrufer spricht laut und schnell.

»Nein, es tut mir leid. Aber ich kann Sie nicht verbinden und ebenso wenig kann ich Frau Bosshard in der Sitzung stören. Doch ich kann ihr eine Notiz machen, dass Sie angerufen haben oder dass sie Sie zurückrufen soll. Wie ist Ihr Name und um was geht’s?«

Die Stimme wird noch lauter. Köpfe erscheinen hinter den Trennwänden.

»… auch gut. Wie Sie wollen. Dann muss die Reparatur halt warten und Frau Bosshard geht später auf den See, da kann ich auch nichts gegen machen. Auf Wiederhören.« Die Bürokollegin schiebt den Hörer in die Halterung und macht dazu eine eindeutig ausfällige Handbewegung.

Eine halbe Stunde später erscheint Aline Bosshard an ihrem Arbeitsplatz. Müde lässt sie sich auf den bequemen Bürostuhl fallen. Ein leiser Seufzer löst sich. Geschlagen blickt sie sich um. Sie muss sich sammeln, die Orientierung wiederfinden. Es scheint, als habe sie eine harte Besprechung hinter sich. Tief atmet sie ein paarmal durch, hebt den Blick und schiebt den Stapel Unterlagen von ihren Knien hinüber aufs Pult. Doch kaum hat sie sich wieder etwas gefasst, biegt ein junger dynamischer HSG-Absolvent mit stromlinienförmig zurückgeklebtem Haar und brutal angelegten Ohren um die Ecke. Ein Hai auf der Jagd. Ihr Chef. Die Hosenbeine flattern und in seinen Augen blitzt es wie auf dem roten Teppich in Cannes. Es ist Wut gepaart mit der bodenlosen Arroganz eines zutiefst beleidigten Akademikers. Eine äußerst explosive Mischung. Aline kann es nicht so schnell erkennen, wie sich das Gewitter über ihr entlädt.

»Himmelherrgott noch mal! Wie kannst du nur so naiv sein?«, wettert der Glattpolierte. »Bis jetzt habe ich geglaubt, dass du deine Leistung in den Dienst unserer Firma stellst, aber was du dir da drin herausgenommen hast! Unerhört! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher! Sag mir nur eines: Auf welcher Seite stehst du eigentlich?« Das Gesicht des Chefs gleicht einem italienischen Sportwagen. Flache, fliehende Stirn, windschlüpfrige Ohrenmontage und ein Hinterkopf wie ein Spoiler. Alles in Ferrari-Rot.

»Oh, ich … ich …«, stottert Aline Bosshard und errötet ebenfalls, aber nicht aus Wut. Sie hat feuchte Hände.

»Ich muss schon sagen«, schimpft ihr aalglatter Chef weiter und seine Stimme hat die Lautstärke eines hochgezüchteten Zwölfzylinders bei 8.000 Umdrehungen, »ein bisschen mehr Loyalität hatte ich schon erwartet – besonders von dir – Aline!«

Ihr Chef ist gut fünf bis sechs Jahre jünger als sie und sieht, sogar wenn er faucht und brüllt, verdammt gut aus. Ursprünglich war sie für den Posten vorgesehen, doch als die Stelle endlich vakant wurde, setzte man ihr, ohne sie zu fragen oder es mit ihr abzusprechen, diesen jungen Hengst vor die Nase.

»Und, was sagst du dazu? Hast du überhaupt etwas zu deiner Verteidigung vorzubringen? Und«, er scheint sich nicht beruhigen zu können, »wie gedenkst du das wiedergutzumachen?«

Aline zittert und ist sich nicht mehr sicher, ob nur aus Scham oder jetzt doch auch aus Wut. In ihrer Nase kitzelt es. Auch da ist sie sich nicht sicher warum. Sie niest und ihre Gedanken schweifen plötzlich ab. Na, ich wüsste ja längst wie, aber du willst ja nicht. Wie war das noch beim letzten Betriebsausflug? Hat er nicht ziemlich eindeutig mit ihr getanzt, sie an sich gedrückt, sodass sie seinen Penis deutlich spüren konnte. Ihr gefiel es, ihm sicher auch. Klar waren sie alle etwas betrunken. Und vielleicht machte sie sich gerade deshalb irgendwie Hoffnungen. Hoffnungen auf wenigstens eine Nacht im Hotelzimmer. Die Gelegenheit war nie besser. Doch er ließ sie für eine Flasche Whiskey mit seinen Chefs stehen. Klar, es war ein ›Port Ellen‹ von der 1983 stillgelegten Brennerei auf der schottischen Insel Islay. Aber war sie etwa nichts? Gut, sie war etwa zehn Jahre weniger gereift, hatte aber genügend Cask strength, er müsste es nur versuchen.

»Aline, hallo! Ich spreche mit dir! Ich habe immer gedacht, wir wären ein gutes Team – du und ich – und wir hätten ein gutes Einvernehmen. Aber dass du mir vor dem Kunden so hinterhältig in den Rücken fällst, das hätte ich nie erwartet. Besonders von dir nicht.« Er kann sich nicht beruhigen. »Das ist einfach inakzeptabel! Ich sage dir, das wird Folgen haben. Schwerwiegende Folgen.«

Ein wütender Adonis. Ist das nicht niedlich, wenn sich aus Wut auf seiner Oberlippe kleine Schweißperlen bilden? Zum Ablecken süß. Solche Gedanken schießen Aline durch den Kopf und es interessiert sie nicht besonders, warum ihr Chef immer noch schimpft. Ach, wenn er nur etwas lockerer wäre. Sie wäre bereit und sie könnten immer noch einen Weg finden und eine schöne Zeit miteinander verbringen. Träumerisch benetzt sie mit der Zungenspitze ihre Lippen. Die Predigt ihres jungen Gottes dringt nur noch aus der Ferne an ihr Ohr. Ihre Hirnsensoren registrieren zwar die kleinen Eruptionen, wandeln sie aber direkt in eindeutigere Bewegungen um. Ihre Reaktion auf den Wutausbruch des Chefs verwirrt sie noch mehr und sie fragt sich, ob sie Masochistin ist.

Bin ich nicht attraktiv genug? Nicht schön genug? Nicht sexy genug? Irritiert schiebt sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr und zupft verstohlen den Jupe über die Knie zurück, sodass er nicht anders konnte, als hinzugucken. Dabei errötet sie bereits zum zweiten Mal. Doch diesmal wegen ihrer unzüchtigen Gedanken. Ich muss einfach noch offensiver werden, denkt sie. Ansonsten werde ich noch als alte Jungfer enden! Doch so schnell wie der Mut über sie gekommen ist, kehrt die altbekannte Ängstlichkeit zurück, und die kühnen Träume fallen kläglich in sich zusammen. Deprimiert denkt sie, dass sie wohl doch noch nicht über den Berg ist und vielleicht die abgebrochene Behandlung wieder aufnehmen sollte. Was hat ihr der Blödmann bei der letzten Sitzung gesagt? Sie hätte, laut ICD-10-Klassifikation, eine F60.6. Also eine ängstliche, vermeidende Persönlichkeitsstörung. Darauf war sie nicht mehr hingegangen. Sie war schüchtern, okay. Was soll sie mit einer F60.6 anfangen? Sie muss unbedingt den Therapeuten wechseln, zumal ihr Schulbuchpsychiater zu allem Überfluss Mundgeruch hat.

Auch der göttliche Blödmann vor ihr reagiert nicht auf ihre Reize. »Aline! Dir ist schon bewusst«, setzt er wieder an und hat anscheinend noch nicht genug – oder will er ihr seine Kondition beweisen, »dass wir von unseren Kunden leben? Darum ist Kundenzufriedenheit nicht nur etwas für Endkonsumenten, sondern auch etwas für Auftraggeber. Du kannst dir ja selbst vorstellen, was passiert, wenn der Kunde mit uns nicht mehr zufrieden ist, wenn er nicht befriedigt wird! Das muss ich dir nicht extra erklären! – Schwuppdiwupp und schon ist er weg – die Konkurrenz schläft nicht, verstehst du? So etwas können wir uns in der heutigen Zeit einfach nicht leisten!«

Kunden befriedigen? Jetzt geht er eindeutig zu weit, der Adonis. Das kann er gefälligst selbst machen, aber ohne mich. Denkt Aline. Das ist doch unterste Schublade. Aber Kundenzufriedenheit? Klar, selbstverständlich. Sie gibt doch alles. Oft mehr als sie kann, was sie wiederum stresst, und je länger, je unzufriedener macht. Ein andauerndes Gefühl von Überanspannung und Überreiztheit. Sie weiß oft gar nicht mehr, was sie noch geben oder weiter tun kann, was sie wiederum noch mehr belastet. Minderwertigkeitsgefühle machen sich wieder breit. Sie will doch nur etwas Zuneigung und Akzeptanz. Sie möchte einfach akzeptiert werden und ärgert sich gleichzeitig über ihre Dünnhäutigkeit. Ihre Überempfindlichkeit besonders gegenüber anhaltender Zurückweisung und Kritik drückt schwer aufs Gemüt. Und dann habe ich wieder solche Ausfälle wie eben in der Sitzung, fährt es ihr durch den Kopf. Ist nicht der Chef gerade wegen ihrer Aktivität gegenüber dem Kunden so aufgebracht? Sie nimmt sich vor, sich in Zukunft noch mehr zurückzunehmen.

Aline Bosshard niest und nimmt all ihren Mut zusammen, um wenigstens einen Versuch der Verteidigung anzubringen. Was sollten sonst ihre Bürokollegen von ihr denken? Besonders ihr Assistent, der in letzter Zeit auch schon ziemlich aufbegehrt.

»A…, ach, komm schon. So schlimm, wie du das jetzt darstellst, war es doch gar nicht. I… ich jedenfalls hatte das Gefühl, der Kunde war auf unserer Linie, solange wir uns innerhalb der von ihm vorgegebenen Richtlinien bewegten. Bitte entschuldige, ich … ich meine ja nur, und ich will dir damit bestimmt nicht zu nahe treten, denn du hast ja möglicherweise recht mit deinem Standpunkt. Aber ich hatte den Eindruck, dass der Kunde mit der Präsentation, so wie wir sie gehalten haben, einverstanden war. Erst nachdem du versucht hast, seine Strategie wegzureden, ist er eingeschnappt und hat zum Schluss die ganze Präsentation gekippt. Da musste ich eingreifen, denn ich kenne ihn und seine Produkte doch schon seit Jahren. Ich bin sicher, er hätte abgebrochen, wenn nicht sogar die Agentur infrage gestellt. Ich kann dir anbieten, die Präsentation bis morgen Mittag zu überarbeiten, sodass wir bereits am Nachmittag beim Jour fixe die neuen Aspekte präsentieren könnten.« Aline holt Luft. Ihr Mund ist trocken. Erschrocken über ihren plötzlichen Mut macht sie sich ganz klein und wäre am liebsten unters Pult gekrochen.

»Ui, ui, ui!« Bist du jetzt wahnsinnig geworden, denkt sie. Wie kannst du nur so blöde sein und deinen Chef angreifen? Und das vor versammelter Belegschaft. Das kann nicht gut gehen. Verzweifelt sucht sie in ihrer Handtasche nach einem Papiertaschentuch.

Die Antwort kommt postwendend. Schon während ihrer Rede hatten sich die Augen des Chefs zu Schlitzen zusammengezogen. »Das wird noch ein Nachspiel haben«, zischt er grimmig und knallt die Unterlagen auf ihren Schreibtisch. Schnaubend macht er auf dem Absatz kehrt und verlässt im Stechschritt das Büro. Genauso schnell wie er es betreten hatte. Aline, einen weiteren Schweißausbruch reicher, spürt unweigerlich den Drang, auf die Toilette zu rennen, um sich zu übergeben.

4. Kapitel

Der Filialleiter, ein korpulenter Mann in einem zu engen Anzug, erwartet sie. Knie und Scheitel glänzen. Seine Haltung zeigt eindeutig, dass er schon lange wartet und seine Nerven dadurch bereits ziemlich ramponiert sind. Ungeduldig kommt er ihnen bis vor die Niederlassung entgegen.

»Endlich! Warum hat das so lange gedauert?« Nervös nestelt er am obersten Knopf seines rosa Hemdes. Den Schlips hat er so weit gelockert, dass der fette Hals über den Button-down-Kragen hinausquellen kann. »Wenn man einmal im Leben die Polizei braucht. Man könnte glatt sterben, bevor sie auftaucht!« Er spielt die Rolle des ausgeraubten Bankdirektors perfekt.

»Wenn’s so ist, hätten Sie vielleicht besser die Sanität gerufen! Grossenbacher, Kripo Kanton Zürich.« Grossenbacher zeigt dem Filialleiter seinen Ausweis in der Hoffnung, dies würde den Mann etwas beruhigen. »Und wer sind Sie?«

Doch auch das hilft nicht. Der Banker muss seiner Empörung Luft machen: »Wir warten jetzt schon über eine Stunde. Was sag ich, zwei Stunden! Wer weiß, was da alles passieren kann. – Nein, halt! Ich hab doch am Vormittag angerufen. Etwa um 10 Uhr und jetzt ist es Viertel nach zwei.« Der Filialleiter ist komplett durch den Wind. »In der Zwischenzeit sind die Banditen doch längst über alle Berge. Oder glauben Sie, dass Sie die noch erwischen?«

»Das müssen wir ja kaum hier und in aller Öffentlichkeit besprechen«, entgegnet Grossenbacher und deutet auf die Eingangstür. »Sind Sie der Chef hier, ja? Sie haben doch sicher ein Büro?«

»Ah, ich verstehe. Entschuldigen Sie. Selbstverständlich, kommen Sie! Bitte treten Sie ein. Leimgruber, mein Name, und ich bin in der Tat der Filialleiter. Verschwiegenheit und Seriosität sind eigentlich unsere Stärken.« Der Mann deutet mit seinen Wurstfingern zur Eingangstür. Mit Grossenbacher und den zwei Technikern vom FOR im Schlepptau gondelt der Banker auf seinen kurzen Beinen durch die Schalterhalle. Kaum hat er die Tür seines Büros hinter den Polizisten geschlossen, legt er ungefragt wieder los: »Also, das war so, bitte entschuldigen Sie mein Verhalten eben, ich bin doch ziemlich durcheinander. Man wird nicht alle Tage ausgeraubt. Bitte nehmen Sie Platz.« Er deutet auf die Sitzgruppe vorn beim Fenster. »Jedenfalls, als ich heute Morgen kurz vor Schalteröffnung in die Filiale kam, habe ich nichts Außergewöhnliches bemerkt. Es war alles wie immer …«

»Wie haben Sie dann von der Manipulation erfahren?«, unterbricht ihn Grossenbacher. Er ist nicht bereit, sich die alltäglichen Sorgen des Filialleiters anzuhören.

»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Vielleicht ein Wasser?«

»Danke, passt schon«, klemmt Grossenbacher die Nettigkeiten ab.

Der Filialleiter lässt sich schwer in die Polster fallen. »Warum muss so etwas gerade mir passieren?«

»Man kann sich vieles im Leben nicht aussuchen. Nennen Sie’s doch einfach Zufall oder Schicksal. Das hilft bei solchen Fällen. Aber können wir wieder zum Thema kommen? Die Manipulation. Wann und wie haben Sie …?«

»Na, ganz einfach!« Unter den Armnähten des Button-down-Hemdes zeichnen sich dunkle Flecken ab. Der Filialleiter scheint tatsächlich gestresst. »Zuerst war es noch recht ruhig. Bis 20 vor zehn hatten wir kaum einen Kunden. Sie verstehen, wer geht schon am Montagmorgen zur Bank. Da hat man normalerweise anderes zu tun. Also, wie gesagt, um 20 vor zehn kam eine Frau, die ein Problem mit dem Onlinebanking hatte und eine Zahlung gleich dreifach ausgelöst hatte. Danach kam ein Handwerker, der 5.000 in bar von seinem Konto abhob, und dann war da noch der andere Mann, der mit mir über eine eventuelle Hypothek sprechen wollte. Er will sich eine Alterswohnung kaufen. In unserem Altersheim gibt es …«

»Können wir beim Thema bleiben? Bitte.«

»Ah, ach ja. Entschuldigung. Also, alles in allem ganz alltägliche Bankkundschaft, bis dann, kurz nach zehn, die Frau an den Schalter kam. Sie verlangte ihre Maestro-Bankkarte zurück. Die ältere Dame, eine langjährige Kundin, erklärte der Kassiererin, dass sie am Samstag um die Mittagszeit Geld vom Automaten hatte holen wollen, der Automat aber die Karte einfach eingezogen hatte. Dann habe sie der Bildschirm informiert, sie möge sich mit ihrer Bank in Verbindung setzen. Übrigens ein ganz normaler Hinweis, wenn die Karte eingezogen wird. Wir haben den Bankomaten umgehend geöffnet, doch die gesuchte Karte befand sich nicht im dafür vorgesehenen Fach. Im Fach lag nur eine neutrale weiße Karte. Wo konnte die Karte sonst sein? Sie verstehen, Herr Grossenbacher, die weiße Karte. Doch recht ungewöhnlich. Das hat mich doch etwas stutzig gemacht und ich hatte auch sofort einen Verdacht. Darauf bin ich mit der Frau nach draußen gegangen, damit sie mir zeigen konnte, wie sie den Apparat bedient hatte. Und da ist es mir aufgefallen. Ich meine die Manipulation. Den falschen Zahlenblock kann man noch leicht übersehen, wenn man nicht vom Fach ist, wie ich zum Beispiel. Doch das auf den Kartenschlitz aufgesetzte falsche Lesegerät muss doch jedem auffallen, das ist so plump gemacht. Dann …«

Hier unterbricht Grossenbacher den Redefluss des Filialleiters und meint zu den zwei Technikern, die bis jetzt stumm zugehört haben: »So, ihr habt’s gehört. Macht euch an die Arbeit.« Und wieder zum Filialleiter: »Sie haben doch hoffentlich nichts berührt …«

»Selbstverständlich nicht! Wo denken Sie hin. Man lernt doch in jedem Fernsehkrimi, dass man an einem Tatort nichts berühren darf.«

»Und Sie haben alles so belassen, wie Sie es vorgefunden haben?«

»Wir haben das Schild ›Gerät außer Betrieb‹ davorgehängt.«

»Ist die Frau die Einzige, die sich wegen ihrer Bankkarte bei Ihnen gemeldet hat?«, will Grossenbacher wissen.

»Nein, nein. Inzwischen hatten wir bereits zwei weitere Anrufe. Diese Kunden hatten beide das Gefühl, dass mit dem Bankomaten etwas nicht stimmte, und wollten wissen, ob mit ihrem Konto alles normal sei. Wir haben sie dahin gehend beruhigt und ihnen gesagt, dass, auch wenn kein Geld aus dem Schlitz gekommen war und sie die Karte zurückerhalten hatten, in einem solchen Fall der Prozess gestoppt und keine Abbuchung auf ihrem Konto vorgenommen wurde.«

»Gibt es eine Überwachungskamera, die den Bereich des Bankomaten abdeckt?«

»Gewiss. In der Decke oberhalb des Automaten befindet sich eine Kamera.«

»Gut, übergeben Sie bitte die Aufzeichnungen den Technikern zur Auswertung – sagen wir ab vergangenem Freitag. Vielleicht haben wir Glück.«

Zwei Tage später meldet sich einer der beiden Techniker bei Grossenbacher und bittet ihn, bei ihm im Forensischen Institut vorbeizuschauen. Er habe auf den Aufzeichnungen etwas entdeckt, das ihn interessieren werde. Grossenbacher lässt sich für eine willkommene Abwechslung im Büroleben nicht zweimal bitten und rennt nach der Mittagspause beinahe ins Institut hinüber. Der Techniker ist so weit vorbereitet, dass er auf der Aufzeichnung die betreffende Stelle präzise angefahren hat und er nur noch auf ›Play‹ drücken muss. Und das, was Grossenbacher zu sehen bekommt, stimmt ihn ziemlich nachdenklich.

Die Kamera zeigt beinahe einen 360-Grad-Ausschnitt der Kreuzung vor dem Löwenzentrum in Dietikon. Zu sehen sind die Bankfiliale, das Trottoir davor und der in die Mauer eingelassene Bankomat. Das Bild scheint wie eingefroren. Es ist keine Veränderung zu sehen, obwohl das Band läuft. Doch plötzlich tut sich etwas. Es kommt Bewegung in die Szenerie. Vom unteren Bildrand her rollt ein grauer Lieferwagen rückwärts ins Bild. Auf den Hecktüren ist deutlich die Aufschrift WINCOR-NIXDORF zu erkennen. Der Wagen fährt gerade so weit vor, dass er genau unter der Kamera zu stehen kommt und der Bankomat im toten Winkel hinter der Kante des Aufbaus verschwindet. Dann geschieht lange nichts. Die Aufzeichnung scheint wieder eingeschlafen zu sein. Nach genau vier Minuten, 45 Sekunden und 18 Frames bewegt sich die Dachkante des Lieferwagens. Darauf rollt der Wagen erstaunlich schnell unten aus dem Bild. Leider verdeckt ein Betontrog mit vernachlässigter Bepflanzung das Nummernschild. Das ist alles.

Sie schauen sich die Sequenz noch zweimal genau an, dann unterbricht Grossenbacher: »Hast du das gesehen?«

»Was meinst du?«

»War da nicht ein Vibrieren? Hat sich da vielleicht der Wagen bewegt?«

»Ah, noch etwas«, der Techniker nimmt den Finger vom Rücklaufknopf, »das hätte ich vor lauter Erschütterungen beinahe vergessen. Vielleicht hast du es nicht gesehen. Am Anfang des Videos taucht kurz das Nummernschild im Bild auf. Ich habe die Nummer überprüft. Der Wagen wurde vor drei Tagen, also vergangenen Freitag, als gestohlen gemeldet.«

»Eh, gut! Können wir das Zittern noch einmal sehen?«

Sie fahren die Aufnahme noch einmal an die besagte Stelle zurück. Tatsächlich schwankt der Lieferwagen am Anfang der Aufzeichnung kaum merklich. Und bald darauf ein weiteres Mal.

»Was könnte das sein?«, denkt Grossenbacher laut.

»Hm, ich weiß nicht recht.« Der Techniker vergrößert das Bild und lässt den Ausschnitt noch einmal ablaufen.

»Siehst du hier, ein schwaches Schwanken und – hier noch einmal. Jetzt ist es um einiges stärker und dauert auch um einiges länger. Und hier am Schluss, kurz bevor sich der Wagen wieder in Bewegung setzt, erneut dieses Schaukeln. Aber jetzt noch stärker. Hast du’s gesehen?«

»Ja.«

»Ich denke, die erste Bewegung rührt daher, dass der Fahrer oder Beifahrer ausgestiegen ist. Bei der zweiten Erschütterung hat er oder sie die Hecktür geöffnet. Eine Erklärung für das stärkere und längere Wippen. Die Person ist dann hinten in den Lieferwagen eingestiegen und hat sich den Erschütterungen zufolge hinten im Aufbaukasten bewegt. Dann ist sie wieder ausgestiegen und es dauert verhältnismäßig lange bis zur nächsten Vibration. Die Hecktüren werden zugeworfen. Das letzte, stärkere Schlenkern könnte bedeuten, dass die Person, welche sich am Automaten zu schaffen gemacht hatte, vorn zugestiegen ist. So lassen sich die Erschütterungen erklären. Oder was denkst du?«

Grossenbachers Schädel brummt vor lauter zittriger Bilder. Unzählige Möglichkeiten perforieren seinen Gedankenfluss, dann meint er nur: »Vielleicht sind sie gestört worden!«

5. Kapitel

Tausende von Gedanken blitzen in Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf. Man durchquert sozusagen im Zeitraffer die eigene Festplatte und holt sich einzelne Segmente oder gar ganze Dateien, die vielleicht seit Jahren nicht mehr geöffnet wurden, auf den internen Bildschirm.

Gibt es einen Unterschied zwischen einem Traum und dem, was man tatsächlich erlebt oder zu erleben glaubt? Das ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Was war zuerst da? Oder ist es eher ein Hund, der sich in den Schwanz beißt? Vielleicht meint man nur, etwas sei echt und real, dabei existiert es gar nicht, und wir bilden uns alles nur ein. Ein Hirngespinst sozusagen. Wer sagt denn, dass das, was wir sehen, spüren und erleben, tatsächlich stattfindet und nicht nur wie ein Film oder ein Computerspiel in unserem Kopf abläuft? Sieht eine andere Person die Farbe Rot genau gleich, oder sieht sie sie vielleicht so wie ich Grün sehe? Doch beide wissen aus Erfahrung, dass es Rot sein muss, was sie sehen, darum sehen beide Rot. Sind wir alle so gleich, wie wir denken? Vielleicht ist es nur eine Frage des Glaubens, wenn wir zu wissen meinen, was wir sind? Oder anders gesagt: Vielleicht sind wir ganz froh, dass wir nicht wissen, was genau wir hier tun.

Er ist nicht sicher, und er weiß es nicht. Alles, was ihm dazu einfällt, ist das Gefühl, in einem unbeschreiblich leichten Zustand zu sein, in einer Lage, die ihn sozusagen befähigt, das eine wie das andere zu sein. In einer Art Limbo, einem Durchgang. Einfach zwischen den Grenzen im Niemandsland, in dem absolut nichts ist. Am ehesten kann er es mit einem Trancezustand vergleichen – er hatte es zwar noch nie selbst erlebt, aber schon davon gehört –, einem höchst konzentrierten Bewusstseinszustand, einem wachschlafähnlichen Zustand, der ihn dazu befähigt, sich mit seiner aktuellen Situation intensiv zu beschäftigen. Noch genauer würde vielleicht die Bezeichnung Kurzzeittrance sein aktuelles Empfinden beschreiben. Denn ihm ist bewusst, lange kann das nicht andauern.

Jedenfalls ist er sich nicht sicher, ob er nun träumt oder ob er tatsächlich fliegt. Hinzu kommt, dass das Gefühl weniger unangenehm ist, als er sich das vorgestellt hat. Es ist leicht. Fast ein Nichts. Ein als Kind immer wieder erlebter Horrortraum kommt ihm in den Sinn. Monster und andere üble Gestalten wollen ihn packen, ihn fressen und immer kurz bevor sie ihn zu fassen bekommen, gelingt es ihm, ihnen zu entfliehen. Um zu entkommen, muss er sämtliche Muskeln, so fest er kann, anspannen. Mit dieser geballten Kraft gelingt es ihm, im letzten Augenblick ihren Fängen zu entkommen, indem er senkrecht in den Himmel fliegt. Und solange er seine Muskeln anspannt, schwebt er über dem Tod. Im Gegensatz zu damals, fühlt sich jetzt alles leicht an, eben gerade so, als würde er fliegen. Befreit. Also doch. Es ist kein Traum. Wenn nur dieses Gesicht nicht wäre.

Leise streicht der Wind an seinen Ohren vorbei. Ein feines Sirren. Rückwärts sinkt er in ein Meer. Doch er ist kein Fisch. Und obwohl er im Moment fliegt, weiß er ziemlich genau, dass er kein Vogel ist.

Und das Gesicht taucht wieder auf. Er kann sich so viel Mühe geben, wie er will, er schafft es nicht, es zu übersehen oder aus seinem Kopf, aus seinem Gesichtsfeld zu verbannen. Noch beunruhigender als das Antlitz scheinen ihm die Augen in den bleichen Gesichtszügen zu sein. Obwohl sie sich wie bei einer entrückten Voodoo-Priesterin in einem billigen B-Movie verdrehen, bis nur noch das Weiße sichtbar ist, hat er das Gefühl, dass sie ihn unentwegt und hasserfüllt anstarren.

Der Gesichtsausdruck verändert sich mit jedem Meter, den sie durch die Luft sausen.

Der Wind pfeift jetzt stärker.

Tschäggätta